Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 154/2002
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H 154/02

Urteil vom 2. Dezember 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin
Bollinger

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________GmbH, Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 30. April 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1940 geborene R.________ war nach seiner Frühpensionierung im Jahre 2000
unter anderem als Informatiker für die Firma X.________GmbH tätig und
ersuchte in diesem Zusammenhang die Ausgleichskasse des Kantons Zürich um
Aufnahme als selbstständig erwerbende Person. Am 19. Juni 2001 teilte die
Ausgleichskasse R.________ mit, sie qualifiziere seine Erwerbstätigkeit als
unselbstständige und forderte von der X.________GmbH mit
Nachzahlungsverfügung vom 25. Juli 2001 die geschuldeten AHV/IV/EO/AlV- und
FAK-Beiträge inklusive Verwaltungskosten und Verzugszinsen von Fr. 1680.-. Am
26. Juli 2001 eröffnete sie diese Nachforderung unter Hinweis auf sein
Beschwerderecht auch R.________.

B.
Beschwerdeweise beantragte die X.________GmbH sinngemäss die Aufhebung der
Nachzahlungsverfügung vom 25. Juli 2001 sowie die Rückweisung der Sache an
die Ausgleichskasse zur Neubeurteilung. Am 30. April 2002 hiess das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde gut.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Ausgleichskasse Aufhebung des
angefochtenen Entscheids, Feststellung der unselbstständigen Erwerbstätigkeit
von R.________ und Bestätigung der Nachzahlungsverfügung vom 25. Juli 2001.

Die X.________GmbH, der Mitbeteiligte R.________ und das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld an die Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen verhält
(BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist, ob R.________ in Bezug auf seine für die
Beschwerdeführerin ausgeübte Tätigkeit als Selbstständig- oder als
Unselbstständigerwerbender zu qualifizieren ist.

3.2 Die Vorinstanz hat die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur
Frage, ob im Einzelfall selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit
vorliegt, zutreffend wiedergegeben; ebenso richtig ist die Darstellung der
charakteristischen Merkmale einer selbstständigen und einer unselbstständigen
Erwerbstätigkeit. Darauf wird verwiesen.

Zu ergänzen ist, dass dann, wenn Merkmale sowohl der selbstständigen als auch
der unselbstständigen Erwerbstätigkeit zu Tage treten, sich der Entscheid
regelmässig danach richten muss, welche dieser Merkmale im konkreten Fall
überwiegen (BGE 123 V 162 Erw. 1, 122 V 171 Erw. 3a, 283 Erw. 2a, 119 V 161
Erw. 2 mit Hinweisen).

4.
4.1 In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass sowohl die Beschwerdegegnerin
als auch R.________ von einer selbstständigen Erwerbstätigkeit als
Informatiker ausgehen, die R.________ in eigenen Räumlichkeiten ausübte. Das
Rechtsverhältnis beruhte auf einer Rahmenvereinbarung vom 7./12. September
1998, aus der hervorgeht, dass R.________ selbst für die Kundenakquisition
zuständig war, jedoch im Namen der Beschwerdegegnerin tätig wurde, das von
ihr zur Verfügung gestellte Briefpapier verwendete und sich bei der
Gestaltung der Korrespondenz an die betriebsübliche grafische Darstellung
hielt. Vertragliche Beziehungen der Kunden waren nur zur Beschwerdegegnerin
vorgesehen, die auch für die Rechnungsstellung zuständig war. Die
Entschädigung von R.________ erfolgte nach Eingang der Kundenzahlungen auf
dem Konto der Beschwerdegegnerin unter Abzug einer Provision von 1,5 %; das
Inkassorisiko trug R.________, der im Übrigen auch für die von ihm direkt
verursachten Kosten (z.B. Visitenkarten) aufzukommen hatte. Schliesslich
verpflichtete sich R.________ zu umfassender Geheimhaltung und sorgfältiger
Arbeit, während die Beschwerdegegnerin für gute Rahmenbedingungen besorgt
war.

4.2 Das kantonale Gericht gelangte im angefochtenen Entscheid zum Schluss,
die Voraussetzungen für eine selbstständige Erwerbstätigkeit seien
überwiegend erfüllt, während die Merkmale einer unselbstständigen
Erwerbstätigkeit weitgehend fehlten, weshalb Hans-Rudolf Ruprecht insgesamt
als selbstständig einzustufen sei.

Demgegenüber stellt sich die Ausgleichskasse auf den Standpunkt, R.________
trage kein spezifisches Unternehmerrisiko, zudem sei er in
arbeitsorganisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht von der
Beschwerdegegnerin abhängig, weshalb eine unselbstständige Erwerbstätigkeit
vorliege.

4.3 In Würdigung der Standpunkte von Vorinstanz und Beschwerdegegnerin
einerseits sowie der Beschwerdeführerin anderseits ist festzustellen, dass
die Vorinstanz die Rechtsprechung zu den Prinzipien der Abgrenzungskriterien
beachtet und die Elemente, die für selbstständige und unselbstständige
Erwerbstätigkeit sprechen, sorgfältig gewürdigt hat. Die Beschwerdeführerin
weist zwar einerseits zu Recht darauf hin, dass R.________ nicht in eigenem
Namen, sondern in demjenigen der Beschwerdegegnerin und überdies mit deren
Briefpapier aufgetreten ist. Auch ist es richtig, dass die Rechnungsstellung
durch die Beschwerdegegnerin erfolgte. Insoweit finden sich in der Tat
Merkmale eines unselbstständigen Arbeitsverhältnisses. Bezüglich der
wirtschaftlichen und arbeitsorganisatorischen Abhängigkeit hat die Vorinstanz
anderseits aber zu Recht erkannt, dass sich der Rahmenvereinbarung vom 7./12.
September 1998 keine Weisungsbefugnis der Beschwerdegegnerin bezüglich
Präsenzzeiten, Verhalten am Arbeitsplatz oder Arbeitszeiten entnehmen lässt.
Die Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit neben der Rahmenvereinbarung noch weitere Vorgaben
existierten, insbesondere mündliche Weisungen, etwa hinsichtlich
Arbeitsgestaltung und Arbeitsausführung, und es unvorstellbar sei, dass sich
R.________ nicht nach Geschäftszeiten habe richten müssen, überzeugen nicht.
Den Akten lässt sich kein Hinweis darauf entnehmen, dass die
Beschwerdegegnerin irgendwelche Weisungen erteilt oder in irgend einer Weise
darauf Einfluss genommen hätte, wie R.________ seine Arbeit zu gestalten
hatte. Es finden sich nicht einmal Vorgaben bezüglich zu erreichendem
Arbeitsergebnis und Zeitpunkt, sodass darauf zu schliessen ist, dass in
arbeitsorganisatorischer Hinsicht keine Abhängigkeit bestand. Im
angefochtenen Entscheid wird sodann zutreffend darauf hingewiesen, dass das
Verlustrisiko bei R.________ lag, der gemäss Rahmenvereinbarung lediglich
dann Anspruch auf ein Entgelt hatte, wenn die Kundengutschrift auf dem Konto
der Beschwerdegegnerin eingegangen war und überdies auch sämtliche
Aufwendungen für Projekte zu tragen hatte, die nicht in einen Vertragsschluss
mit der Beschwerdegegnerin mündeten. Eine Vergütung nach geleisteten
Arbeitsstunden oder die Ausrichtung von Pauschalbeträgen waren nicht
vorgesehen und wurden nach den Akten auch nicht vorgenommen. Gegenteils hatte
R.________ die Folgen der Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsunwilligkeit von
Kunden der Beschwerdegegnerin zu tragen, was gemäss Rechtsprechung
regelmässig zur Annahme eines Inkasso- und Delkredererisikos führt. Bezüglich
des Mangels an erheblichen Investitionen ist sodann zu bemerken, dass es bei
Beratungsverträgen und Verträgen, welche die Ausarbeitung von Projekten zum
Gegenstand haben, in erster Linie des Einsatzes von persönlicher Leistung
(und damit verbunden einer Büroinfrastruktur) und weniger desjenigen von
kostspieligen Produktionsmitteln bedarf (vgl. BGE 110 V 80 vor Erw. 5).
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich zwar sowohl Elemente einer
selbstständigen, als auch einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit finden,
die Merkmale einer selbstständigen Erwerbstätigkeit jedoch überwiegen. Wenn
das kantonale Gericht unter diesen Umständen erwogen hat, es handle sich bei
den R.________ übertragenen Aufgaben um eine selbstständige Erwerbstätigkeit,
so hat sie kein Bundesrecht verletzt. Was die Beschwerdeführerin dagegen
vorbringt, dringt nicht durch.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario; vgl. Erw. 2
hievor). Entsprechend dem Ausgang des Prozesses sind die Gerichtskosten der
unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung
mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich, dem Bundesamt für Sozialversicherung und R.________ zugestellt.
Luzern, 2. Dezember 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin:
i.V.