Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 142/2002
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H 142/02

Urteil vom 16. September 2003
II. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Frésard;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold

T.________, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 30. April 2002)

Sachverhalt:

A.
Die X.________ GmbH mit Sitz in Y.________ war seit 1. Juli 1998 der
Ausgleichskasse des Kantons Zürich als Arbeitgeberin angeschlossen.
T.________ war seit ihrer Gründung bis zur Konkurseröffnung am 10. Juni 2000
Gesellschafter und Geschäftsführer mit Einzelunterschrift. Über T.________
wurde am 17. August 2000 der Konkurs eröffnet, mangels Aktiven jedoch am 13.
September 2000 wieder eingestellt. Am 8. Januar 2001 wurde über T.________
erneut der Konkurs eröffnet, welcher mit Beschluss vom 24. Januar 2001
wiederum mangels Aktiven eingestellt wurde. Mit Verfügung vom 17. Mai 2001
verpflichtete die Ausgleichskasse T.________ zur Leistung von Schadenersatz
in der Höhe von Fr. 8'965.55.

B.
Nachdem T.________ rechtzeitig Einspruch gegen die Verfügung vom 17. Mai 2001
eingereicht und mitgeteilt hatte, dass der geschäftliche wie der private
Konkurs Folge der Machenschaften seines ehemaligen Partners waren, beantragte
die Ausgleichskasse mit Klage vom 21. Juni 2001, T.________ sei zu
verpflichten, ihr für entgangene Beiträge Schadenersatz in der Höhe von Fr.
8'965.55 zu leisten. In seiner Klageantwort bestritt T.________ weder den
eingeklagten Betrag noch "eine gewisse Schuld an dem ganzen Desaster", wies
jedoch auf seine grossen finanziellen Schwierigkeiten hin, die zu seinem
privaten Konkurs geführt hätten, und bat, seine finanzielle Situation in die
Beurteilung miteinzubeziehen. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich hiess die Klage mit Entscheid vom 30. April 2002 vollumfänglich gut.

C.
T.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, ihn auf Grund
seiner finanziellen Situation von der Bezahlung des geschuldeten Betrages
"freizustellen". Nachdem er mit Verfügung vom 13. Juni 2002 zur Leistung
eines Kostenvorschusses von Fr. 1'000.- aufgefordert wurde, ersuchte er um
unentgeltliche Prozessführung.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 ist im
vorliegenden Verfahren nicht anwendbar, da nach dem massgebenden Zeitpunkt
des Entscheides über die Schadenersatzklage (hier: 30. April 2002)
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b; Urteil X. und Y. vom 14. April 2003, H 167/00).

2.
2.1 Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.2 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen über die Arbeitgeberhaftung
(Art. 52 AHVG, Art. 14 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) und
die Rechtsprechung zur subsidiären Haftung der Organe (BGE 123 V 15 Erw. 5b
mit Hinweisen), zur Haftungsvoraussetzung des grobfahrlässigen Verschuldens
(BGE 108 V 186 Erw. 1b, ZAK 1985 576 Erw. 2, 619 Erw. 3a, je mit Hinweisen)
und des notwendigen Kausalzusammenhangs (BGE 119 V 406 Erw. 4a mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Kenntnis des Schadens sowie die
Einhaltung der Fristen zu dessen Geltendmachung (Art. 81  und Art. 82 Abs. 1
AHVV; BGE 126 V 443 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
Zu ergänzen bleibt, dass in Fällen, in welchen über die in die Pflicht
genommene Person vor Erlass der Schadenersatzverfügung privat der Konkurs
eröffnet wurde, diese im Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG nicht mehr
passivlegitimiert ist, es sei denn, das Konkursverfahren werde gar nicht
durchgeführt (Einstellung mangels Aktiven) oder ist bereits abgeschlossen
(AHI 1997 S. 76, S. 207 Erw. 4, je mit Hinweisen; nicht publizierte Urteile
S. vom 24. Juni 1986, H 234/85, und D. vom 17. Mai 1999, H 360/98; vgl. auch
BGE 116 V 284).

4.
4.1 Der Beschwerdeführer bestreitet in seiner Klageantwort im vorinstanzlichen
Verfahren "eine gewisse Schuld an dem ganzen Desaster" nicht, beruft sich
allerdings auf seine finanziellen Verhältnisse, welche zu seinem privaten
Konkurs geführt hätten.
Weder Vorinstanz noch Verwaltung sind diesem Einwand nachgegangen, obwohl es
hierbei um eine Prozessvoraussetzung geht, welche von Amtes wegen abzuklären
ist (BGE 128 V 89 Erw. 2a mit Hinweisen).
Nachdem die beiden Konkursverfahren vor Erlass der Schadenersatzverfügung
mangels Aktiven wieder eingestellt wurden (vgl. Amtsblatt des Kantons Aargau
vom 25. September 2000 und vom 12. Februar 2001), ist der Beschwerdeführer
wieder vollumfänglich legitimiert, rechtliche Schritte vorzunehmen, und kann
während zwei Jahren auch auf Pfändung betrieben werden (Art. 230 Abs. 3
SchKG). Insofern haben die beiden Konkurseröffnungen keinerlei Einfluss auf
das Schadenersatzverfahren nach Art. 52 AHVG.

4.2 Die Ausgleichskasse hat innert Jahresfrist seit Kenntnis des Schadens
(Einstellung des Konkurses mangels Aktiven am 12. Juli 2000) und somit
rechtzeitig (Art. 82 Abs. 1 AHVV) die Schadenersatzverfügung vom 17. Mai 2001
erlassen. Ebenfalls hat sie nach Eingang des Einspruches innert Frist Klage
gegen den Beschwerdeführer erhoben (Art. 81 Abs. 2 und 3 AHVV). Es ist
unbestritten, dass der Beschwerdeführer als Gründungsgesellschafter und
alleiniger Geschäftsführer als Organ schadenersatzpflichtig gemacht werden
kann. Ebenfalls unbestritten ist die Höhe des von der Ausgleichskasse geltend
gemachten Schadens, sodass sich hiezu weitere Äusserungen erübrigen. Als
alleiniger Geschäftsführer der GmbH war er verpflichtet, dafür besorgt zu
sein, die Beitragspflicht gegenüber der Ausgleichskasse zu erfüllen. Die
Verletzung dieser Pflichten ist als grobfahrlässig zu werten, sodass er für
den der Ausgleichskasse entstandenen Schaden einzustehen hat, sofern keine
Rechtfertigungs- oder Exkulpationsgründe vorliegen. Entgegen der Ansicht des
Belangten vermag ihn seine missliche finanzielle Situation nicht zu entlasten
(ZAK 1985 S. 619 mit Hinweisen). Ebenso wenig wird der Kausalzusammenhang
durch die angeblichen Machenschaften seines Geschäftspartners unterbrochen,
da der Beschwerdeführer nicht durch ein strafrechtlich relevantes Verhalten
hinters Licht geführt wurde (Urteil F. vom 25. Juli 2000, H 319/99).

4.3 Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und Verwaltung den Beschwerdeführer zu
Recht zur Zahlung von Fr. 8'965.55 Schadenersatz verpflichtet.

5.
5.1 Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG
e contrario). Der unterliegende Beschwerdeführer hat demnach die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

5.2 Die unentgeltliche Prozessführung kann gewährt werden (Art. 152 in
Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen war (BGE 125 V 202 Erw. 4a
mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG
aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu
leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege werden sie einstweilen auf
die Gerichtskasse genommen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 16. September 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der II. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin:

i. V.