Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 132/2002
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H 132/02

Urteil vom 13. Januar 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiberin
Schüpfer

B.________, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung Beiträge und Zulagen,
Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin,

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 15. April 2002)

Sachverhalt:

A.
B. ________ war Vizepräsident der Firma X.________ & Co. AG mit Sitz in
M.________. Am 14. März 2000 stellte die Ausgleichskasse des Kantons Bern der
Firma eine Akontorechnung für die paritätischen Sozialversicherungsbeiträge
für das 1. Quartal des Jahres 2000. Mit Datum vom 22. März 2000 folgte eine
Mahnung über noch nicht bezahlte Beiträge für das 4. Quartal 1999, wofür eine
Mahngebühr von Fr. 50.- erhoben wurde. Am 10. Mai 2000 wurden die Beiträge
gemäss Akontorechnung für das 1. Quartal 2000 wiederum unter Auferlegung
einer Gebühr von Fr. 50.- gemahnt. Schliesslich wurden am 13. Juni 2000
Beiträge für das 2. Quartal 2000 und die zwei Mahngebühren - insgesamt Fr.
1405.85 - in Rechnung gestellt. B.________ teilte der Ausgleichskasse
daraufhin in einem Schreiben vom 21. Juli 2000 mit, die Firma X.________ &
Co. AG existiere seit Oktober 1999 nicht mehr, den für das 1. Quartal 2000 in
Rechnung gestellten Betrag von Fr. 2379.20 werde er in den nächsten Tagen
jedoch bezahlen. Am 9. August 2000 wurde der Forderungsbetrag für das 2.
Quartal mit einer Gebühr von Fr. 35.- gemahnt, worauf B.________ die
geforderten Fr. 1405.85 bezahlte. Am 7. Dezember 2000 informierte dieser die
Ausgleichskasse, die Firma X.________ & Co. AG sei bereits am 27. August 1999
gelöscht worden. Er legte einen entsprechenden Auszug aus dem Handelsregister
bei. Nachdem die Bescheinigung, dass die Firma X.________ & Co. AG im Jahre
2000 keine Löhne mehr ausbezahlt hatte, am 4. Juli 2001 bei der
Ausgleichskasse eingegangen war, erliess diese mit Datum vom 8. August 2001
eine Schlussrechnung für die Zahlungsperiode vom 1. Januar bis 31. Dezember
2000. Darin wird eine Rückvergütung der für das 1. und das 2. Quartal 2000
geleisteten Zahlungen von insgesamt Fr. 3785.05 plus Fr. 16.20 Zins für die
Zeit vom 6. Juli bis 8. August 2001 angeordnet und von der Summe ein Betrag
von Fr. 135.- für Mahngebühren abgezogen.

B.
B.________ legte gegen diese Jahresschlussrechnung mit dem Antrag Beschwerde
ein, seine Zahlungen seien ab Eingang bei der Ausgleichskasse zu verzinsen
und diese habe auch die ungerechtfertigte Belastung mit Gebühren im Umfang
von Fr. 235.- zu unterlassen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern trat in
Bezug auf die Mahngebühren nicht auf die Beschwerde ein, da die Mahnungen
bereits in Rechtskraft erwachsen seien, und wies die Akten im Übrigen in
teilweiser Gutheissung der Beschwerde an die Ausgleichskasse zurück, damit
diese den Vergütungszins ab 1. Januar 2001 neu berechne und auszahle
(Entscheid vom 15. April 2002).

C.
In seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert B.________ die
Rechtsbegehren um Verzinsung der Beiträge ab Zahlungseingang und um
Rückvergütung der in der Schlussabrechnung und der Quartalsrechnung vom 13.
Juni 2000 enthaltenen Gebühren.
Während die Ausgleichskasse des Kantons Bern auf Nichteintreten bzw.
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das
Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Die Ausgleichskasse argumentiert, bei der Jahresschlussrechnung vom 8. August
2001 handle es sich um eine gewöhnliche Abrechnung und nicht um eine
Verfügung, womit es an einem Anfechtungsgegenstand mangle. Die Vorinstanz
geht davon aus, dass die Festsetzung von Beginn und Ende des Zinsenlaufs in
der genannten Abrechnung sehr wohl Verfügungscharakter habe und deshalb
mittels Beschwerde habe angefochten werden können. Hingegen sei gegen die
Mahnungen vom 22. März, 10. Mai und 9. August 2000 nicht innert angemessener
Frist Beschwerde erhoben worden, sodass diese in Rechtskraft erwachsen seien.

Streitig und zu entscheiden ist demnach vorerst die Frage, ob die Vorinstanz
in Bezug auf die Verzinsung zu Recht auf die Beschwerde gegen die formlos
erlassene Jahresschlussrechnung vom 8. August 2001 eingetreten ist und ob sie
auf diejenige gegen die Mahngebühren hätte eintreten müssen.

3.
3.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung.
Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren
Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG. Als Verfügungen gelten
gemäss Art. 5 Abs. 1 lit. a VwVG Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die
sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen und die Begründung, Änderung
oder Aufhebung von Rechten und Pflichten zum Gegenstand haben.

3.2 Der Verwaltungsakt vom 8. August 2001, womit festgestellt wurde, dass mit
der Begleichung der Beitragsrechnungen für das erste Halbjahr 2000 eine
Nichtschuld bezahlt worden ist, was - zuzüglich eines Vergütungszinses und
abzüglich von Mahngebühren - rückgängig zu machen sei, stellt eine Verfügung
im angeführten Sinne dar, die Gegenstand einer Beschwerde bilden kann. Es ist
nicht ersichtlich, weshalb einem Betroffenen das Recht abgesprochen werden
sollte, sich gegen eine - eventuell - unrechtmässige Mahngebühr und/oder eine
unrichtige Berechnung eines Vergütungszinses beschwerdeweise zur Wehr setzen
zu können. Das ergibt sich auch aus Art. 128 Abs. 1 AHVV. Danach sind alle
Verwaltungsakte, mit welchen die Ausgleichskassen über eine Forderung oder
Schuld eines Versicherten oder eines Arbeitgebers befinden, soweit sie nicht
bereits auf rechtskräftigen Verfügungen beruhen, in die Form schriftlicher
Kassenverfügungen zu kleiden. Damit steht fest, dass der Beschwerdeführer
grundsätzlich zum Rekurs gegen die Jahresschlussrechnung vom 8. August 2001
berechtigt war.

3.3 Zu Recht hat die Vorinstanz auch die Legitimation des Beschwerdeführers
bejaht, die - faktische - Verfügung vom 8. August 2001 betreffend die
ehemalige Firma X.________ & Co. AG anzufechten. Da er die nicht geschuldeten
Beiträge persönlich bezahlt hat, kann er sich auch im eigenen Namen gegen die
seines Erachtens unrichtige Rückabwicklung wehren.

4.
Zu untersuchen bleibt, ob die Vorinstanz zu Recht nicht auf die Rüge des
Beschwerdeführers gegen die Auferlegung von Mahngebühren eingetreten ist.

4.1 Wenn die Ausgleichskasse eine gleichzeitig mit der Mahnung auferlegte
Gebührenbelastung aus Gründen der Praktikabilität nicht formell als Verfügung
mit Rechtsmittelbelehrung ausgestaltet, kann das Beschwerderecht im Rahmen
einer späteren Beitragsverfügung gewahrt werden (ZAK 1988 S. 125 f.). Auf die
Frage nach der Rechtmässigkeit der von der Ausgleichskasse auferlegten
Mahngebühren ist daher einzutreten.

4.2 Gemäss Art. 37 AHVV (in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) sind
Beitragspflichtige, die innert der vorgeschriebenen Frist die Beiträge nicht
bezahlen, von der Ausgleichskasse schriftlich zu mahnen (Abs. 1). Mit der
Mahnung ist eine Gebühr von 10 bis 200 Franken aufzuerlegen (Abs. 2).

4.2.1 Vorliegend steht fest, dass die X.________ & Co. AG ab September 1999 -
als sie im Handelsregister gelöscht wurde, damit nicht mehr existierte und
auch keine Löhne mehr bezahlte - nicht mehr beitragspflichtig war. Wird eine
Mahnung zur Bezahlung von Beiträgen an eine nicht beitragspflichtige Person
versandt, kann diese nicht gebührenpflichtig sein. Art. 37 AHVV ist gegenüber
Nichtbeitragspflichtigen nicht anwendbar. Die Mahngebühren von insgesamt Fr.
135.- sind demnach nicht geschuldet.

4.2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, insgesamt seien ihm Gebühren im Umfang
von Fr. 235.- auferlegt worden. Neben den in der Jahresschlussrechnung
erwähnten Fr. 135.- seien auch die in der Akontorechnung für das 2. Quartal
vom 13. Juni 2000 aufgeführten Gebühren von Fr. 100.- zurückzuerstatten. Er
übersieht, dass dies tatsächlich geschehen ist. Im Juni 2000 hatte er
inklusive der erwähnten Gebühren Fr. 1405.85 bezahlt. Im März 2000 waren es
Fr. 2379.20. Zusammen ergibt sich daraus die gemäss Jahresschlussrechnung vom
8. August 2001 zurückerstattete Summe von Fr. 3785.05.

5.
Die Vorinstanz hat die gesetzlichen Grundlagen für die Ausrichtung und
Berechnung von Vergütungszinsen richtig wiedergegeben (Art. 41ter AHVV). Zu
ergänzen ist, dass diese ab 1. Januar 2001 geltende Norm gemäss Abs. 4 der
Schlussbestimmungen der Änderung der Verordnung vom 1. März 2000 ab ihrem
Inkrafttreten auf alle ausstehenden oder zurückzuerstattenden Beiträge
Anwendung findet. Mit der Vorinstanz ist festzustellen, dass vorliegend Abs.
2 von Art. 41ter AHVV zur Anwendung gelangt und der zurückzuerstattende
Betrag daher ab 1. Januar 2001 zu verzinsen ist.

6.
Da nicht die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
streitig ist, fällt das Verfahren nicht unter die Kostenfreiheit gemäss Art.
134 OG. Entsprechend dem Prozessausgang werden die Gerichtskosten je zur
Hälfte dem Beschwerdeführer und der Ausgleichskasse auferlegt (Art. 135 in
Verbindung mit Art. 156 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen,
dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts Bern vom 15. April 2002 soweit
aufgehoben wird, als auf die Beschwerde betreffend Auferlegung von
Mahngebühren in der Jahresschlussabrechnung vom 8. August 2001 nicht
eingetreten und die vom verfügten Beitragsrückerstattungsbetrag abgezogenen
Mahngebühren von Fr. 135.- dem Beschwerdeführer nicht zugesprochen worden
waren. Soweit weitergehend wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden je zur Hälfte (Fr. 250.-) dem
Beschwerdeführer (unter Verrechnung mit dem geleisteten Kostenvorschuss) und
der Ausgleichskasse des Kantons Bern auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.- wird dem Beschwerdeführer zur
Hälfte (Fr. 250.-) zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 13. Januar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: