Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 91/2002
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B 91/02

Urteil vom 24. April 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber
Flückiger

V.________, 1943, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Procap,
Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten,

gegen

BVG Sammelstiftung der Rentenanstalt, Rentenanstalt/Swiss Life, General
Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, Beschwerdegegnerin

Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau

(Entscheid vom 14. August 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1943 geborene V.________ bezog vom 1. März 1989 bis 31. Juli 1997 eine
halbe und bezieht - zufolge revisionsweiser Erhöhung - seit 1. August 1997
eine ganze Rente der Invalidenversicherung. Am 22. September 1999 wandte sie
sich erstmals an die Geschäftsführerin der BVG-Sammelstiftung der
Rentenanstalt (als Vorsorgeeinrichtung des Dr. med. X.________, bei dem sie
bis 30. April 1989 angestellt gewesen war) und machte einen Anspruch auf
Invaliditätsleistungen geltend. Die Sammelstiftung lehnte es im Verlauf des
anschliessenden Briefwechsels ab, eine BVG-Rente auszurichten, da
entsprechende Ansprüche verjährt seien. In Bezug auf die überobligatorische
Vorsorge erklärte sie sich bereit, ab 25. Februar 1995 im Umfang der
Teilinvalidität von 1989, jedoch ohne Berücksichtigung der Erhöhung der Rente
der Invalidenversicherung per 1. August 1997, Leistungen zu erbringen.

B.
Am 18. Dezember 2001 liess V.________ gegen die Vorsorgeeinrichtung Klage
erheben mit dem Rechtsbegehren, es sei die Beklagte zu verpflichten, ihr
spätestens ab 1. März 1990 aus dem überobligatorischen Vorsorgeverhältnis
eine Invalidenrente auf Grund eines Invaliditätsgrades von 60 % gemäss den
reglementarischen Bestimmungen sowie spätestens ab 1. August 1997 "eine
Invalidenrente auf Grund eines um 24 % erhöhten Invaliditätsgrades gemäss den
gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen" auszurichten. Zudem habe die
Beklagte sie auf den frühest möglichen Zeitpunkt von der Beitragspflicht zu
befreien und auf den Invalidenleistungen einen Verzugszins von 5 % spätestens
ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung zu bezahlen.

In teilweiser Gutheissung der Klage verpflichtete das Versicherungsgericht
des Kantons Aargau die Vorsorgeeinrichtung, der Versicherten ab 25. Februar
1995 eine überobligatorische Invalidenrente im Umfang von 60 % auszurichten,
sie gleichzeitig in diesem Umfang von der Prämienpflicht zu befreien sowie
das Alterskonto weiterzuführen und die Invalidenrenten ab 18. Dezember 2001
zu 5 % zu verzinsen (Entscheid vom 14. August 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt V.________ das Rechtsbegehren
stellen, es sei der kantonale Entscheid insoweit aufzuheben, als die Klage
nicht gutgeheissen worden sei. Die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten,
ihr, der Beschwerdeführerin, spätestens ab 1. August 1997 eine Invalidenrente
auf Grund eines um 24 % erhöhten Invaliditätsgrades gemäss den gesetzlichen
Bestimmungen auszurichten, sie auf den frühest möglichen Zeitpunkt von der
Beitragspflicht zu befreien und auf den Invalidenleistungen einen Verzugszins
von 5 % spätestens ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung zu bezahlen.

Die Sammelstiftung schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Ziffer 1 des Rechtsbegehrens der Verwaltungsgerichtsbeschwerde lautet auf
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides, soweit die Klage nicht
gutgeheissen wurde. Materiell begehrt die Beschwerdeführerin aber lediglich,
es sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ihr "spätestens ab 1. August
1997 eine Invalidenrente auf Grund eines um 24 % erhöhten Invaliditätsgrades
gemäss den gesetzlichen Bestimmungen auszurichten". Mit Blick auf die
Vorbringen in der Beschwerdebegründung, es werde lediglich noch eine
Invalidenrente ab 1. August 1997 auf Grund eines um 24 % erhöhten
Invaliditätsgrades gefordert, hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu
beschränken.

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Verjährung
von Ansprüchen auf Leistungen der obligatorischen (Art. 41 Abs. 1 BVG in
Verbindung mit Art. 129 ff. OR) und der überobligatorischen beruflichen
Vorsorge (Art. 127 f. OR; BGE 117 V 332 Erw. 4) zutreffend dargelegt. Darauf
wird verwiesen.

3.
3.1 Der Anspruch auf eine (zunächst hälftige) Rente der obligatorischen
beruflichen Vorsorge und damit das entsprechende Stammrecht entstand mit dem
invalidenversicherungsrechtlichen Rentenanspruch am 1. März 1989 (vgl. Art.
26 Abs. 1 BVG). Die für das Rentenstammrecht geltende Verjährungsfrist von
zehn Jahren (BGE 117 V 332 Erw. 4; SZS 2003 S. 49, 1997 S. 562 Erw. 5b) war
somit im Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung des Anspruchs gegenüber der
Beschwerdegegnerin am 22. September 1999 im Sinne von Art. 41 Abs. 1 BVG
verjährt.

3.2 Wie das kantonale Gericht zutreffend erwogen hat, handelt es sich beim
Rentenstammrecht um ein in sich abgeschlossenes Grundverhältnis. Für die
Entstehung des Stammrechts ist erforderlich, dass die versicherte Person bei
Eintritt der massgebenden Arbeitsunfähigkeit versichert war sowie dass sie in
anspruchsbegründendem Ausmass invalid wird, wobei zwischen Arbeitsunfähigkeit
und Invalidität der erforderliche enge sachliche und zeitliche Zusammenhang
(BGE 123 V 265 Erw. 1c, 120 V 1 f. Erw. 2c/aa und bb mit Hinweisen) besteht.
Ist das Rentenstammrecht einmal entstanden, leitet sich auch ein durch eine
spätere Rentenerhöhung begründeter zusätzlicher Anspruch daraus ab. Eine
revisionsweise Erhöhung des Invaliditätsgrades stellt keinen neuen
Versicherungsfall dar, und zwar weder bei Verschlimmerung des bisherigen (BGE
126 V 161 Erw. 4) noch bei Eintritt eines neuen Gesundheitsschadens (BGE 126
V 162 Erw. 5). Ist das durch die Entstehung des Teilrentenanspruchs
begründete Stammrecht verjährt, trifft dies somit auch auf den Rentenanspruch
zu, soweit er auf einem (revisionsweise zu Folge veränderter Verhältnisse)
erhöhten Invaliditätsgrad beruht. Die in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
dagegen erhobenen Einwände vermögen nicht zu überzeugen, denn die
Beschwerdeführerin war in keiner Weise daran gehindert, sich nach dem Erlass
der Rentenverfügungen der Invalidenversicherung vom 25. September 1991 und 3.
Februar 1999 innerhalb der zehnjährigen Verjährungsfrist bei der
Vorsorgeeinrichtung zu melden.

Das Rechtsbegehren auf Zusprechung einer BVG-Invalidenrente ab 1. August 1997
"auf Grund eines um 24 % erhöhten Invaliditätsgrades" ist somit unbegründet.
Dies gilt unabhängig davon, ob sich dieser Antrag auf das gesamte geforderte
Rentenbetreffnis (mit Einschluss des verjährten Teils der hälftigen
Invalidenleistung) oder nur auf die Differenz, das heisst die zufolge Zunahme
des Invaliditätsgrades um 24 % erhöhte BVG-Leistung beziehen sollte.

4.
Die Vorinstanz hat mit zutreffender Begründung erkannt, dass die
Beschwerdeführerin aus der per 1. August 1997 eingetretenen Erhöhung des
Invaliditätsgrades keine Erhöhung der ihr seitens der Beschwerdegegnerin
schon im vorprozessualen Stadium zugestandenen reglementarischen
Invalidenrente beanspruchen kann, weil das Reglement der Beschwerdegegnerin
für den überobligatorischen Bereich eine zeitliche Beschränkung der
Nachdeckung bei Erhöhung des Invaliditätsgrades nach der Auflösung des
Vorsorgeverhältnisses enthält, welche zulässig ist (SZS 1997 S. 560 Erw. 4a).

5.
Den schon im vorinstanzlichen Verfahren gestellten Anträgen auf
frühestmögliche Befreiung von der Beitragspflicht und Ausrichtung von
Verzugszinsen zu 5 % spätestens ab dem Zeitpunkt der Klageeinreichung hat das
kantonale Gericht Rechnung getragen, soweit es die Klage gutgeheissen hat. Da
es letztinstanzlich bei der vorinstanzlichen Leistungszusprechung bleibt,
besteht für eine weiter gehende Befreiung von der Beitragspflicht und für
eine weiter gehende Zahlung von Verzugszinsen kein Raum.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 24. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: