Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 63/2002
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B 63/02

Urteil vom 5. Februar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

P.________, 1951, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7,
6004 Luzern,

gegen

Revor Sammelstiftung 2. Säule, 3001 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 16. Juli 2002)

Sachverhalt:

A.
P. ________ bezieht seit 1. Juli 1993 eine ganze Invalidenrente der
Invalidenversicherung. Gestützt auf die Urteile des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 1. Februar 1999 und des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 10. Juli 2000 richtet ihm die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) mit Wirkung ab 17. April 1995 eine
Invalidenrente, basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 100 % aus. Mit
Schreiben vom 14. September 2001 teilte die Providentia, welche seit 1.
Oktober 1998 für die Deckung der Hinterlassenen- und Invalidenrisiken der
Revor Sammelstiftung 2. Säule zuständig ist, P.________ mit, dass es zu einer
Überentschädigung gekommen sei, und forderte vom Versicherten insgesamt den
Betrag von Fr. 21'202.10 zurück mit der Begründung, dass er ab Beginn der
Leistungspflicht der SUVA am 17. April 1995 keinen Anspruch auf
BVG-Leistungen habe.

B.
Mit Eingabe vom 21. September 2001 liess P.________ Klage gegen die Revor
Sammelstiftung 2. Säule erheben und beantragen, die Vorsorgeeinrichtung habe
ihm ungekürzte BVG-Invalidenrenten samt Kinderrenten ab 17. April 1995 von
mindestens Fr. 5843.- pro Jahr zu entrichten, wobei bereits geleistete Renten
zu verrechnen seien.

Mit Entscheid vom 16. Juli 2002 schrieb das Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern das Verfahren in Folge teilweiser Klageanerkennung als erledigt ab
(Ziff. 1 des Dispositivs) und verpflichtete die Sammelstiftung zusätzlich,
dem Kläger einen Verzugszins von Fr. 96.40 zu bezahlen (Ziff. 2 des
Dispositivs). In Ziff. 3 des Dispositivs verneinte es einen Anspruch des
P.________ auf Parteientschädigung, da er seine prozessuale Obliegenheit
nicht erfüllt habe.

C.
P.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in
Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 3 des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm
eine angemessene Parteientschädigung für das Klageverfahren vor dem
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zuzusprechen.

Das kantonale Gericht, die Revor Sammelstiftung 2. Säule und das Bundesamt
für Sozialversicherung schliessen auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Eidgenössische Versicherungsgericht ist zur Überprüfung der
Parteientschädigungen auf dem Gebiet der beruflichen Vorsorge, welche auf
kantonalem Recht beruhen (BGE 124 V 286 Erw. 2 mit Hinweisen, 112 V 111 f.),
sachlich zuständig (BGE 126 V 143).

2.
2.1 Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.2 Nach der Rechtsprechung besteht kein allgemein anerkannter
Rechtsgrundsatz, wonach der obsiegenden, durch einen Anwalt vertretenen
Partei eine Parteientschädigung zugesprochen werden muss (Urteil der II.
Öffentlichrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts vom 25. Oktober 2002, 2.
P. 144/2002; zu Art. 4 aBV ergangene, weiterhin anwendbare Rechtsprechung:
BGE 117 V 403 Erw. 1b mit Hinweisen, 104 Ia 9). Im erstinstanzlichen
Klageverfahren der beruflichen Vorsorge ist es daher dem kantonalen Recht
überlassen, ob und unter welchen Voraussetzungen es einen Anspruch auf
Parteientschädigung vorsehen will. Den auf kantonalem Recht beruhenden
Entscheid über die Zu-sprechung oder Verweigerung einer Parteientschädigung
hat das Eidgenös-sische Versicherungsgericht daher nur daraufhin zu
überprüfen, ob die Anwen-dung der entsprechenden kantonalen Bestimmungen zu
einer Verletzung von Bundesrecht (Art. 104 lit. a OG) geführt hat,
insbesondere des Verbots der Willkür oder des überspitzten Formalismus (SVR
2001 AHV Nr. 4 S. 11 Erw. 2; zu Art. 4 Abs. 1 altBV ergangene, weiterhin
geltende Rechtsprechung: BGE 125 V 408 Erw. 3a, 114 V 86 Erw. 4a, je mit
Hinweisen).

2.3 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der Rechtsprechung ist eine
Entscheidung willkürlich, wenn sie eine Norm oder einen klaren und
unumstrittenen Rechtsgrundsatz offensichtlich schwer verletzt, sich mit
sachlichen Gründen schlechthin nicht vertreten lässt oder in stossender Weise
dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkürliche Rechtsanwendung liegt
nicht schon vor, wenn eine andere Lösung in Betracht zu ziehen oder sogar
vorzuziehen wäre (BGE 128 I 182 Erw. 2.1, 127 I 41 Erw. 2a, 56 Erw. 2b, 70
Erw. 5a, 126 I 170 Erw. 3a; zu Art. 4 Abs. 1 aBV ergangene, weiterhin
geltende Rechtsprechung: BGE 125 I 168 Erw. 2a, 125 II 15 Erw. 3a, 124 I 316
Erw. 5a, 124 V 139 Erw. 2b, je mit Hinweisen).

3.
3.1 Nach § 164 des luzernischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG) soll ein
Kläger, bevor er die verwaltungsgerichtliche Klage einreicht, dem Beklagten
die Klagebegehren und die Gründe mitteilen und ihm eine angemessene Frist zur
Stellungnahme einräumen. Unterlässt er dies, so kann das Verwaltungsgericht
gemäss § 202 Abs. 1 VRG (in Verbindung mit § 193 Abs. 1 VRG) ohne Rücksicht
auf den Prozessausgang die Verfahrenskosten ganz oder teilweise dem Kläger
auferlegen. Gestützt auf diese Bestimmungen verneinte das kantonale Gericht
einen Anspruch des obsiegenden Beschwerdeführers. Mit Schreiben vom 14.
September 2001 habe die Providentia, welche an Stelle der Beklagten gehandelt
habe, ausgerichtete BVG-Leistungen zurückgefordert. Ohne die Beklagte zu
informieren und zur Stellungnahme einzuladen, habe der Kläger eine Woche
später am 21. September 2001 Klage erhoben. Damit sei er der in § 164 VRG
statuierten Verpflichtung nicht nachgekommen. Die Obliegenheit der
vorgängigen Anzeige der Klagebegehren sei aber im verwaltungsgerichtlichen
Klageverfahren um so wichtiger, als es hier - im Unterschied etwa zum
verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren oder zum zivilrechtlichen
Klageverfahren - an einer institutionalisierten vorprozessualen Festlegung
des Streitgegenstandes wie auch an einem institutionalisierten
vorprozessualen Aussöhnungsversuch fehle. Da der Kläger seine prozessuale
Obliegenheit nicht erfüllt habe, sei ihm keine Parteientschädigung
zuzusprechen.

3.2  Angesichts dieser Begründung, welche Sinn und Zweck der kantonalen
Kostenregelung Rechnung trägt (vgl. dazu auch SVR 2003 ALV Nr. 2 S. 5 Erw. 1d
und ZAK 1989 S. 283 Erw. 3) und in Einklang mit den Akten steht, lässt sich
der kantonale Entscheid auch in Berücksichtigung sämtlicher Vorbringen in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde in keiner Weise beanstanden. Das Bundesamt für
Sozialversicherung weist in der Vernehmlassung zu Recht darauf hin, dass für
den Beschwerdeführer kein zwingender Grund für eine sofortige
Klageeinreichung unter Nichteinhaltung der Bestimmung von § 164 VRG bestanden
hat, selbst wenn man sämtliche Aspekte des vorprozessualen Stadiums und die
direkte Geltendmachung der Rückforderung beim bereits damals rechtskundig
vertretenen Beschwerdeführer miteinbezieht. Der Beschwerdeführer hat nur
sieben Tage nach dem Schreiben der Providentia vom 14. September 2001 unter
Nichteinhaltung von § 164 VRG Klage erhoben, welche in der Folge von der
beklagten Vorsorgeeinrichtung auch weitgehend anerkannt wurde. Unter diesen
Umständen bestanden für das kantonale Gericht triftige Anhaltspunkte dafür,
dass der Beschwerdeführer bei einem von § 164 VRG nahe gelegten Vorgehen das
nachfolgende gerichtliche Verfahren hätte vermeiden können.

4.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen, da das
Verfahren kostenpflichtig ist (Art. 134 OG e contrario). Die
Beschwerdegegnerin hat als mit der Durchführung öffentlichrechtlicher
Aufgaben betraute Institution im Obsiegensfall keinen Anspruch auf
Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG), da ein Ausnahmefall nicht vorliegt
(BGE 128 V 133 Erw. 5b, 126 V 150 Erw. 4b).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 5. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: