Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 55/2002
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B 55/02

Urteil vom 9. April 2003
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Hadorn

B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno
Häfliger, Schwanenplatz 7, 6004 Luzern,

gegen

BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt Vorsorgewerk der Firma X.________,
General-Guisan-Quai 40, 8022 Zürich, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 27. Juni 2002)

In Erwägung,
dass die BVG-Sammelstiftung der Rentenanstalt (nachfolgend:
Beschwerdegegnerin), bei welcher B.________ (nachfolgend: Beschwerdeführer)
über das Vorsorgewerk seiner damaligen Arbeitgeberin, der Firma X.________,
obligatorisch versichert gewesen war, sich mit Schreiben vom 15. Juli 1998,
13. September 2000 und 2. Februar 2001 auf den Standpunkt stellte, sie habe
für die aus dem Unfall vom 7. Februar 1990 entstandene Invalidität keine
Rentenleistungen zu erbringen, weil die von der Eidgenössischen
Invalidenversicherung (IV) und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) bezogenen Renten 90 % des auf Fr. 62 400.- festzulegenden mutmasslich
entgangenen Verdienstes überstiegen,
dass das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern die am 27. April 2001 erhobene
Klage teilweise guthiess, indem es die Beschwerdegegnerin verpflichtete, dem
Beschwerdeführer ab 1. Januar 1998 eine  auf der Grundlage mutmasslich
entgangener Jahresverdienste von Fr. 63 700.- (1998), Fr. 65 000.- (1999) und
Fr. 67 600.- (2000) zu kürzende Invalidenrente auszubezahlen (Entscheid vom
27. Juni 2002),
dass der Beschwerdeführer diesen Entscheid mit dem Rechtsbegehren anficht, es
sei ihm ab 1. Januar 1998 eine ungekürzte BVG-Invalidenrente zuzusprechen,
dass die Beschwerdegegnerin auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine
Vernehmlassung verzichtet,
dass einzig zu prüfen ist, ob der 1970 geborene Beschwerdeführer in den
Jahren, für welche sich die Überversicherungsfrage stellt (1998 bis 2000),
ohne die invalidisierenden Folgen des versicherten Unfalles vom 7. Februar
1990 mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als gelernter Schreiner oder aber
als Schreinertechniker/Schreinermeister tätig gewesen wäre, wovon die Höhe
des mutmasslich vergangenen Jahresverdienstes abhängt,
dass das kantonale Gericht die zu Art. 34 Abs. 2 BVG in Verbindung mit Art.
24 Abs. 1 BVV 2 ergangenen Grundsätze gemäss der Rechtsprechung in materiell-
und formellrechtlicher Hinsicht in allen Teilen zutreffend dargelegt hat,
sodass darauf verwiesen wird (vgl. zuletzt auch Urteile W. vom 30. Januar
2003 [B 20/02] und A. vom 25. Oktober 2002 [B 70/01]),
dass die Schlussfolgerung des kantonalen Gerichts, der Beschwerdeführer hätte
sich im Gesundheitsfall nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zum
Schreinertechniker/Schreinermeister weitergebildet, auf Grund der Beweislage,
wie sie sich der Vorinstanz, namentlich unter Berücksichtigung der aus dem
SUVA-Verfahren stammenden Aktenstücke darbot, nicht beanstanden lässt, zumal
die Anstalt im Einspracheentscheid vom 20. April 1999 die gleiche Auffassung
vertrat, wogegen der Beschwerdeführer seinerzeit nicht opponiert hatte (vgl.
sein Schreiben vom 25. Juni 1999),
dass nun aber mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aus dem vor Amtsgericht
S.________ anhängigen haftpflichtversicherungsrechtlichen Verfahren vom 2.
Juli 2002 datierende Zeugenprotokolle aufgelegt werden, welche der
Beschwerdeführer im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf - der angefochtene
Gerichtsentscheid datiert vom 27. Juni 2002 - im kantonalen Verfahren nicht
hatte einreichen können,
dass diese neuen Zeugenaussagen durchaus sachbezügliche Angaben enthalten,
welche für die Darstellung des Beschwerdeführers sprechen, ohne dass mit der
Beschwerdegegnerin gesagt werden könnte, den protokollierten Aussagen würden
unzulässige Suggestivfragen zu Grunde liegen,
dass bei dieser veränderten Beweislage im Rahmen der vollen Kognition nach
Art. 132 lit. b OG die hypothetische Frage nach der im Gesundheitsfall
ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht abschliessend beantwortet werden kann,
weshalb es sich rechtfertigt, die Sache zur Aktenergänzung an das kantonale
Gericht zurückzuweisen, damit es den beantragten Beweismassnahmen,
insbesondere der Befragung der angerufenen Zeugen, stattgebe, wozu nunmehr
Anlass besteht,
dass die Einvernahme von Zeugen u.a. aus dem familiären Umfeld   eine
angemessene Abklärungsmassnahme (Art. 132 lit. a OG) darstellt, weil, nebst
möglichen Angaben über den künftigen beruflichen Werdegang des
Beschwerdeführers, auch die berufliche Positionierung der Eltern und
Geschwister selber Indizien für das vom Beschwerdeführer im Gesundheitsfall
angestrebte Berufsziel und Ausbildungsniveau darstellen, zumal das
lebenslange Ausüben eines einmal erlernten Berufes unter den heutigen
sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen immer weniger die Regel bildet
und vielmehr die ständige berufliche Qualifizierung verbreitet ist,
dass für eine sorgfältige und umfassende Abklärung auch der Beweisgegenstand
spricht, entzieht sich doch im Falle eines jungen Versicherten, der am Anfang
seiner beruflichen Laufbahn von einem versicherten Ereignis betroffen wurde,
die hypothetische Tatsache einer Jahre später im Gesundheitsfall ausgeübten
bestimmten Tätigkeit naturgemäss einem strikten Beweis, sodass die
Anforderungen an den massgebenden Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit nicht überspannt werden dürfen,
dass die Parteien und das kantonale Gericht schliesslich auch auf die
Möglichkeit einer vergleichsweisen Beilegung der Streitigkeit nach Art. 50
ATSG verwiesen seien, welches Vorgehen sich gerade bei einer schlüssigen
Beweisführung nur schwer zugänglichen Beweisthemen anbieten kann,
dass sich die Frage der Beweislastverteilung im jetzigen Stadium des
Verfahrens noch nicht stellt (dazu erwähntes Urteil A. und Plädoyer 2000 Heft
4 S. 60),
dass bei diesem Verfahrensausgang der Beschwerdeführer Anspruch auf eine
Parteientschädigung hat (Art. 159 OG),
dass der Streit um ungerechtfertigte Vorteile Versicherungsleistungen
betrifft, weshalb von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134
OG),

erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
vorinstanzliche Entscheid vom 27. Juni 2002 aufgehoben und die Sache an das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen wird, damit es, nach
Aktenergänzungen im Sinne der Erwägungen, über die Klage vom 27. April 2001
neu entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem
Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.-
zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Berna Schweizerische
Personalfürsorge- und Hinterbliebenen-Stiftung und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 9. April 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: