Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 46/2002
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B 46/02

Urteil vom 25. Februar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Ferrari und nebenamtlicher Richter
Maeschi; Gerichtsschreiberin Hofer

I.________ AG, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Rudolf
Keiser, Seidenhofstrasse 12, 6003 Luzern,

gegen

Winterthur Columna Sammelstiftung BVG, Könizstrasse 74, 3008 Bern,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Brunner,
Klausstrasse 49, 8008 Zürich

Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden, Abteilung Versicherungsgericht,
Stans

(Entscheid vom 22. Februar 2002)

Sachverhalt:

A.
Die I.________ AG schloss sich am 30. März 1988 der Columna-Sammelstiftung
der Schweizerischen Volksbank für die berufliche Vorsorge (nunmehr Winterthur
Columna Sammelstiftung BVG; nachfolgend Columna Sammelstiftung) an. Auf Grund
der von der Arbeitgeberin per 1. Januar 1995 gemeldeten Lohnsumme von Fr.
97'500.- erhob die Vorsorgeeinrichtung für die Jahre 1995 bis 1997 die
vertraglich festgesetzten Beiträge. Auf eine am 24. Februar 1998 ausgestellte
Mahnung für die Lohnliste ab 1. Januar 1998 meldete die I.________ AG am 14.
April 1998 Lohnsummen für 1995 und 1996 von Fr. 36'000.- bzw. Fr. 33'000.-;
gleichzeitig gab sie an, dass ab 1997 keine Löhne mehr ausbezahlt worden
seien. Die Columna Sammelstiftung teilte der I.________ AG am 22. April 1998
mit, dass die Lohnmutation für das Jahr 1998 vorgenommen werde, eine
rückwirkende Änderung der versicherten Löhne für die Jahre 1995 bis 1997
jedoch nicht möglich sei. Nachdem die für 1997 erhobenen Beiträge unbezahlt
geblieben waren, forderte sie auf dem Betreibungsweg einen Betrag von Fr.
10'417.50, nebst Zins von 5,5 % seit 1. Januar 2000. Gegen den entsprechenden
Zahlungsbefehl vom 11. Dezember 2000 erhob die I.________ AG Rechtsvorschlag.

B.
Am 4. Mai 2001 reichte die Columna Sammelstiftung beim Verwaltungsgericht des
Kantons Nidwalden (Versicherungsgericht) Klage ein mit dem Rechtsbegehren,
die I.________ AG sei zu verpflichten, Fr. 10'990.35, nebst Zins von 5,5 %
seit 1. Januar 2001 auf Fr. 9'141.30, zu bezahlen, und es sei in der
Betreibung vom 20. November 2000 der Rechtsvorschlag aufzuheben und der
Klägerin definitive Rechtsöffnung zu erteilen.

Mit Entscheid vom 22. Februar 2002 hiess das kantonale Gericht die Klage im
geforderten Betrag gut und hob den Rechtsvorschlag auf. Auf das Begehren um
Erteilung der definitiven Rechtsöffnung trat es mangels Zuständigkeit nicht
ein.

C.
Die I.________ AG lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Rechtsbegehren, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei die
Klage abzuweisen.

Die Columna Sammelstiftung beantragt, auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
sei nicht einzutreten, eventuell sei die Beschwerde abzuweisen. Das Bundesamt
für Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Gemäss Art. 108 Abs. 2 OG hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter
anderem die Begehren und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu
enthalten. Diese Bestimmung soll dem Gericht hinreichende Klarheit darüber
verschaffen, worum es beim Rechtsstreit geht. Nach der Praxis genügt es, wenn
dies der Verwaltungsgerichtsbeschwerde insgesamt entnommen werden kann.
Insbesondere muss zumindest aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein,
was die Beschwerde führende Person verlangt und auf welche Tatsachen sie sich
beruft. Die Begründung braucht nicht zuzutreffen, aber sie muss sachbezogen
sein. Der blosse Hinweis auf frühere Rechtsschriften oder auf den
angefochtenen Entscheid genügt nicht. Fehlt der Antrag oder die Begründung
überhaupt und lassen sie sich auch nicht der Beschwerdeschrift entnehmen, so
liegt keine rechtsgenügliche Beschwerde vor, weshalb auf sie nicht
eingetreten werden kann (BGE 123 V 336 Erw. 1a mit Hinweisen).

1.2 Entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin genügt die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der I.________ AG den gesetzlichen
Anforderungen. Sie enthält ein Rechtsbegehren und eine sachbezogene
Begründung. Diese entspricht zwar weitgehend der in der Klageantwort im
kantonalen Verfahren geäusserten Argumentation und lässt eine
Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Erwägungen weitgehend vermissen.
Sie erschöpft sich indessen nicht in einem blossen Hinweis auf frühere
Rechtsschriften und die darin enthaltenen Vorbringen (vgl. hiezu BGE 113 Ib
289 ff.); sie äussert sich zumindest teilweise zum angefochtenen Entscheid.
Es liegt daher eine gültige Verwaltungsgerichtsbeschwerde im Sinne von Art.
108 Abs. 2 OG vor.

2.
2.1 Streitgegenstand bilden Beitragsforderungen einer registrierten
Vorsorgeeinrichtung (Art. 48 BVG) gegenüber einem angeschlossenen
Arbeitgeber. Es handelt sich dabei um eine vorsorgerechtliche Streitigkeit,
welche der Gerichtsbarkeit der in Art. 73 BVG erwähnten richterlichen
Behörden unterliegt (BGE 120 V 301 Erw. 1a und 447 Erw. 1, je mit Hinweisen;
SVR 1994 BVG Nr. 2 S. 3).

2.2 Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen geht, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur
zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
3.1 Nach Art. 66 BVG legt die Vorsorgeeinrichtung die Höhe der Beiträge des
Arbeitgebers und der Arbeitnehmer in den reglementarischen Bestimmungen fest,
wobei der Beitrag des Arbeitgebers mindestens gleich hoch sein muss wie die
gesamten Beiträge aller seiner Arbeitnehmer (Abs. 1). Der Arbeitgeber
schuldet der Vorsorgeeinrichtung die gesamten Beiträge; für nicht rechtzeitig
bezahlte Beiträge kann die Vorsorgeeinrichtung Verzugszinsen verlangen (Abs.
2). Ausschlaggebend für die Versicherungs- und Beitragspflicht ist der
massgebende Lohn gemäss AHVG, wobei der Bundesrat Abweichungen zulassen kann
(Art. 7 Abs. 2 BVG). Nach Art. 3 Abs. 1 BVV 2 kann die Vorsorgeeinrichtung in
ihrem Reglement vom massgebenden Lohn der AHV abweichen, unter anderem indem
sie den koordinierten Jahreslohn zum Voraus auf Grund des letzten bekannten
Jahreslohnes bestimmt; sie muss dabei die für das laufende Jahr bereits
vereinbarten Änderungen berücksichtigen (lit. b).

3.2 Das Reglement für die BVG-Basisvorsorge der Columna Sammelstiftung
bestimmt in Ziff. 12, dass als Jahreslohn der letztbekannte AHV-Lohn unter
Berücksichtigung der für das laufende Jahr bereits vereinbarten Änderungen
gilt. Lohnteile, die nur gelegentlich anfallen, werden nicht berücksichtigt
(Abs. 1). Der Jahreslohn wird durch den Arbeitgeber festgelegt und der
Stiftung jeweils per 1. Januar bzw. bei der Aufnahme gemeldet (Abs. 2).
Gemäss Ziff. 45 des Reglements beginnt die Beitragspflicht mit der Aufnahme
einer versicherten Person in die Vorsorgeeinrichtung (Abs. 1) und endet mit
dem Tod der versicherten Person, spätestens jedoch mit dem Erreichen des
Pensionsalters bzw. mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus der
Vorsorgeeinrichtung infolge Austrittes oder voraussichtlich dauernder
Unterschreitung des in Art. 2 Abs. 1 BVG genannten Mindestlohnes; vorbehalten
bleibt eine allfällige Beitragsbefreiung bei Invalidität (Abs. 2). Nach Ziff.
40 des Reglementes scheidet eine versicherte Person aus der Personalvorsorge
aus, wenn sie die Aufnahmebedingungen gemäss Ziffer 5 (AHV-Jahreslohn von
mehr als der maximalen einfachen AHV-Altersrente und Arbeitsverhältnis von
mehr als drei Monaten) nicht mehr erfüllt und kein Vorsorgefall eingetreten
ist, insbesondere bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses (Abs. 1).

4.
4.1 Laut Art. 10 der Anschlussvereinbarung vom 16. Februar 1988 wurde der
Vertrag erstmals für eine Dauer von fünf vollen Kalenderjahren abgeschlossen
mit jeweiliger stillschweigender Verlängerung um ein Jahr, falls sechs Monate
vor Ablauf keine Kündigung erfolgt. Mit Art. 5 des Vertrages verpflichtete
sich das Mitglied, der Stiftung bei Vertragsbeginn alle Personen, deren
Aufnahme gemäss Vorsorgereglement obligatorisch ist, lückenlos und
unverzüglich zu melden, und sämtliche Änderungen, soweit sie für die
berufliche Vorsorge von Bedeutung sind (Neuanstellungen, Austritte,
Zivilstandsänderungen usw.) unverzüglich nach ihrem Bekanntwerden
mitzuteilen.

4.2 Die Beschwerdeführerin macht sinngemäss geltend, der Anschlussvertrag sei
dahingefallen, weil der einzige Angestellte aus dem Betrieb ausgeschieden sei
und die I.________ AG ab 1. Januar 1997 keine Löhne mehr ausbezahlt habe. Sie
hat es indessen unbestrittenermassen unterlassen, den Vertrag zu kündigen,
weshalb dieser weiterhin Geltung hatte. Hieran hat nichts geändert, dass -
wie geltend gemacht - der einzige Angestellte auf den 1. Januar 1997 aus dem
Betrieb ausgeschieden ist, hätte die Firma doch jederzeit erneut Arbeitnehmer
einstellen können. Bezüglich der Beitragspflicht steht fest, dass die
Beschwerdeführerin die angebliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf den
1. Januar 1997 nicht pflichtgemäss gemeldet, sondern der Vorsorgeeinrichtung
hievon erst am 14. April 1998 Mitteilung gemacht hat. Dies obschon sie in den
jährlichen Lohnlisten jeweils zusätzlich auf die Pflicht zur Meldung von
Mutationen hingewiesen wurde. Weil die Firma die Lohnmeldungen nicht
rechtzeitig einreichte, musste sie wiederholt gemahnt werden, so auch
bezüglich der Meldung für 1997. In einem Schreiben vom 26. März 1997 führte
die Vorsorgeeinrichtung aus, mangels einer Lohnmeldung für das neue Jahr
basiere die Berechnung der Leistungen und Beiträge auf den für das Jahr 1996
gültigen Jahreslöhnen; allfällige Änderungen ab 1. Januar 1997 seien umgehend
mitzuteilen. Die Beschwerdeführerin hat sich hierauf nicht vernehmen lassen,
was gegen die erst am 14. April 1998 geltend gemachte Auflösung des
Arbeitsverhältnisses per Ende 1996 spricht. Zu berücksichtigen ist auch, dass
der einzige versicherte Arbeitnehmer der I.________ AG deren Geschäftsführer
war und in dieser Funktion auch den Anschlussvertrag abgeschlossen hat. Nicht
auszuschliessen ist, dass die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, soweit sie
tatsächlich stattgefunden hat, bewusst nicht gemeldet wurde, um den
bestehenden Versicherungsschutz aufrechtzuerhalten. Aufgrund der Akten
bestehen Anhaltspunkte dafür, dass Y.________ auch nach dem 1. Januar 1997
für die Firma tätig war und in deren Namen Handlungen vorgenommen hat. So
unterzeichnete er am 14. November 1997 die Lohnbescheinigungen 1995 und 1996
an die Ausgleichskasse Nidwalden; er war es auch, der am 11. Dezember 2000
den Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl des Betreibungsamtes Nidwalden
erhob, welcher die Forderung der Beschwerdegegnerin zum Gegenstand hatte. Auf
der anderen Seite ist den Akten zu entnehmen, dass Y.________ am 1. Januar
1997 eine (offenbar vollzeitliche) Tätigkeit bei der Z.________ AG
aufgenommen hat und der Vorsorgeeinrichtung dieser Firma beigetreten ist. Die
Weiterführung der bisherigen Versicherung liefe daher auf eine unzulässige
Doppelversicherung hinaus (BGE 120 V 21 Erw. 3). In Betracht fiele eine
freiwillige Versicherung nebenberuflicher Tätigkeit nach Art. 46 Abs. 2 BVG
und Art. 1 Abs. 4 BVV2, welche von Y.________ indessen nicht beantragt worden
ist.

Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich, die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen, damit sie nähere Abklärungen über die vorgelegenen
Arbeitsverhältnisse vornehme und die Klage auf Grund der anwendbaren
gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen neu beurteile. In diesem
Zusammenhang wird sie auch zu prüfen haben, ob und gegebenenfalls in welchem
Umfang der Umstand der verspäteten Meldung zu sanktionieren ist.

5.
Das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist
kostenpflichtig, weil nicht die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen zu beurteilen war (Art. 134 OG e contrario).
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin kosten-
und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG in
Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
angefochtene Entscheid vom 22. Februar 2002 aufgehoben und die Sache an das
Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden (Versicherungsgericht)
zurückgewiesen wird, damit dieses im Sinne der Erwägungen verfahre.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'100.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'100.- wird der Beschwerdeführerin
zurückerstattet.

4.
Die Winterthur Columna Sammelstiftung BVG hat der Firma I.________ AG für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Nidwalden, Abteilung Versicherungsgericht, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 25. Februar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: