Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 3/2002
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B 3/02

Urteil vom 8. Januar 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Nussbaumer

E.________,1960, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Christina
Stutz-Berger, Aegeristrasse 50, 6301 Zug,

gegen

Personalvorsorgestiftung X.________, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Beschluss vom 19. Dezember 2001)

Sachverhalt:

A.
E. ________ war seit seinem Eintritt am 1. April 1985 als Mitarbeiter der
Firma R.________ bei der C.________-Stiftung vorsorgeversichert. Am 25.
November 1996 liess er sich einen Kapitalvorbezug von Fr. 93'416.65 zum
Erwerb von Wohneigentum auszahlen, was eine Reduktion des Deckungskapitals
für die Altersleistungen zur Folge hatte. Am 21. Februar 2000 teilte ihm der
Stiftungsrat mit, versicherungstechnische Reserven würden dadurch abgebaut,
dass ein Teil des Überschusses den Versicherten gemäss einem separat
verabschiedeten Sparplanreglement individuell einem Sparplan-Konto
gutgeschrieben werde. Basis für die Berechnung der individuell
gutzuschreibenden Anteile bilde das Deckungskapital (Gegenwert der erworbenen
Rente) per 1. Januar 1999. Bei Mitarbeitenden, die in der Zeit vom 1. Januar
1997 bis zum 31. Dezember 1998 Kapital zum Erwerb von Wohneigentum vorbezogen
oder auf Grund eines Scheidungsurteils eine Ausgleichszahlung zu leisten
hatten, werde der Vorbezug wieder zum Kapital dazugeschlagen. Sein Anteil
betrage Fr. 3'995.-- (20,5 % des Deckungskapitals von Fr. 19'485.--) und
werde ihm mit Valuta 1. Januar 2000 auf seinem Sparplan-Konto gutgeschrieben.

Mit Wirkung ab 1. Januar 2001 übernahm die Personalvorsorgestiftung
X.________ die Rechte und Pflichten der C.________-Stiftung, welche auf
diesen Zeitpunkt hin im kantonalen Register für die berufliche Vorsorge
gestrichen wurde.

B.
Am 30. November 2001 reichte E.________ Klage beim Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich ein und beantragte u.a., die Pensionskasse sei zu
verpflichten, sein Deckungskapital zuzüglich des von ihm für Wohneigentum
vorbezogenen Kapitals per 12. Dezember 1996 für die Bemessung der
Gutschriftshöhe für die Ausschüttung der erwirtschafteten Überschüsse zu
berechnen, dementsprechend die Ausschüttung im Jahre 2000 zu seinen Gunsten
anzupassen und seinem persönlichen Personalvorsorgekonto gutzuschreiben. Mit
Entscheid vom 19. Dezember 2001 trat das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich auf die Klage nicht ein.

C.
E.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei die Vorinstanz anzuweisen, auf
die Klage vom 30. November 2001 einzutreten und diese materiell zu
beurteilen.

Die Personalvorsorgestiftung X.________ äussert sich zur materiellen Seite
des Streitfalles, enthält sich jedoch einer Stellungnahme zur Frage der
Zuständigkeit. Das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich beim angefochtenen Nichteintretensentscheid nicht um die
Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche
Gericht Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder
Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit
Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Zudem ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).

2.
2.1 Nach der Rechtsprechung lässt das in Art. 73 BVG vorgesehene
Klageverfahren mit anschliessender Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine
abstrakte Kontrolle von reglementarischen Bestimmungen der
Vorsorgeeinrichtungen im Sinne von Art. 50 Abs. 1 BVG durch das Gericht zu.
Dagegen kann es nach Art. 73 Abs. 1 und 3 (nunmehr: 4) BVG bei der
Beurteilung eines konkreten Einzelfalles im Rahmen der inzidenten
Normenkontrolle (vorfrageweise) prüfen, ob einzelne reglementarische oder
statutarische Bestimmungen bundesrechtswidrig sind (BGE 119 V 196 Erw. 3b mit
Hinweisen; SZS 2000 S. 169 Erw. 2a).

2.2 Zur Abgrenzung der Rechtswege nach Art. 73 und 74 BVG hat das
Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt festgestellt, dass der vom
Gesetzgeber getroffenen Regelung in der Weise Rechnung zu tragen ist, dass
die Zuständigkeit nach Art. 73 BVG ausgeschlossen und diejenige nach Art. 74
BVG gegeben ist, wenn der Rechtsstreit ausschliesslich oder doch überwiegend
eine abstrakte Normenkontrolle zum Gegenstand hat. Damit wird insbesondere
vermieden, dass der Rechtsuchende bei Änderungen von Reglementen oder
Statuten praktisch stets die Möglichkeit hat, eine richterliche Überprüfung
auf dem Weg von Art. 73 BVG herbeizuführen, was sich mit der vom Gesetzgeber
gewollten Regelung nicht vereinbaren liesse. Dabei ist nicht zu übersehen,
dass sich zwischen den Verfahren nach Art. 73 und 74 BVG Überschneidungen
ergeben können, indem beispielsweise eine vom Bundesgericht im Rahmen seiner
Kompetenz zur abstrakten Normenkontrolle nach Art. 74 BVG als gesetzmässig
bezeichnete Reglementsbestimmung vom Eidgenössischen Versicherungsgericht im
Rahmen seiner Kompetenz zur inzidenten Normenkontrolle nach Art. 73 BVG als
gesetzwidrig erachtet und deshalb im Einzelfall nicht angewandt wird (BGE 119
V 197 Erw. 3b/bb mit Hinweisen; SZS 2000 170 Erw. 2b).

2.3 Die inzidente Normenkontrolle setzt voraus, dass ein konkreter
Anwendungsfall hinsichtlich der auf ihre Rechtmässigkeit zu prüfenden Norm
vorliegt. Anfechtungsobjekt ist ein Einzelakt (Verfügung, Entscheid, Urteil),
und es wird vorfrageweise geprüft, ob sich die Norm, auf welche sich der
Einzelakt stützt, im Anwendungsfall als rechtswidrig erweist (SZS 2000 S. 170
Erw. 3a mit Hinweis auf Rhinow/Koller/Kiss, Öffentliches Prozessrecht und
Justizverfassungsrecht des Bundes, Basel und Frankfurt a.M. 1996, S. 123 Rz
644).

2.4 Diese Grundsätze sind sinngemäss auch anzuwenden, wenn wie hier die
Rechtmässigkeit eines Stiftungsratsbeschlusses im Streite liegt.

3.
Die versicherungstechnische Bilanz der von der Beschwerdegegnerin
übernommenen C.________-Stiftung wies per 1. Januar 1999 einen Deckungsgrad
von 123 % aus. Zur Senkung des Deckungsgrades auf 110 % beschloss der
Stiftungsrat anlässlich einer Sitzung vom 31. Januar 2000, den am 1. Januar
2000 aktiven Versicherten ein individuelles Sparkapital in der Höhe von 20,5
% des individuellen Deckungskapitals per 1. Januar 1999 gutzuschreiben. Basis
für die Berechnung der individuell gutzuschreibenden Anteile bilde das
Deckungskapital (Gegenwert der erworbenen Rente) per 1. Januar 1999. Bei
Mitarbeitenden, die in der Zeit vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 1998
Kapital zum Erwerb von Wohneigentum vorbezogen oder auf Grund eines
Scheidungsurteils eine Ausgleichszahlung zu leisten hatten, werde der
Vorbezug wieder zum Kapital dazugeschlagen. Gestützt auf diesen
Stiftungsratsbeschluss wurde dem Beschwerdeführer eine individuelle
Gutschrift in Höhe von Fr. 3'995.-- auf seinem Sparplan-Konto gutgeschrieben,
wobei der von ihm getätigte Vorbezug zum Erwerb für Wohneigentum
unberücksichtigt blieb. Damit liegt entgegen der Auffassung der Vorinstanz
ein konkreter Anwendungsfall hinsichtlich des auf seine Rechtmässigkeit zu
prüfenden Stiftungsratsbeschlusses vor. Der Beschwerdeführer beanstandet in
einem konkreten Einzelfall die Höhe und Berechnung der ihm geleisteten
Gutschrift auf seinem Sparplan-Konto. Bei der Verteilung des überschüssigen
Deckungskapitals an die Versicherten und Rentenbezüger handelt es sich auch
nicht um eine Teilliquidation im Sinne von Art. 23 FZG, die von der
Aufsichtsbehörde zu genehmigen wäre. Es liegt denn auch keine anfechtbare
Verfügung der Aufsichtsbehörde über die Genehmigung des Verteilungsplans vor,
die den Beschwerdeweg nach Art. 74 BVG (Abs. 2 lit. a) öffnen würde (BGE 119
Ib 49 Erw. 1; SZS 1995 S. 373). Unter diesen Umständen ist die sachliche
Zuständigkeit der Sozialversicherungsgerichte nach Art. 73 BVG gegeben. Die
Sache geht daher an das kantonale Gericht, damit es die Klage des
Beschwerdeführers materiell behandle.

4.
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin als
unterliegende Partei kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und
Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Dezember 2001
aufgehoben und es wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen, damit
diese über die Klage materiell entscheide.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 500.-- wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.

4.
Die Personalvorsorgestiftung X.________ hat dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 8. Januar 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: