Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 27/2002
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B 27/02

Urteil vom 2. Dezember 2002
III. Kammer

Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Widmer

J.________, 1964, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Prof. Dr.
Jürg Brühwiler, Centralstrasse 4, 2540 Grenchen,

gegen

Personalvorsorgestiftung X.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch
Fürsprecher Dr. Ulrich Isch, Wengistrasse 24, 4500 Solothurn

Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn

(Entscheid vom 19. Februar 2002)

Sachverhalt:

A.
J. ________, geboren 1937, arbeitete von Dezember 1987 bis Oktober 1988 bei
der Firma X.________. Seit 1. September 1989 bezieht er gemäss einer
Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons Solothurn vom 13. Dezember 1991
eine halbe Rente der Invalidenversicherung. Nachdem er die
Personalvorsorgestiftung X.________ (nachfolgend: Vorsorgeeinrichtung) im
Jahre 1993 um Ausrichtung von Invalidenleistungen ersucht hatte, verneinte
diese mit Schreiben vom 19. Oktober 1993 ihre Leistungspflicht, da die
Arbeitsunfähigkeit, deren Ursache zur Invalidität führte, am 4. März 1997 und
somit zu einem Zeitpunkt eingetreten sei, als er nicht bei ihr
berufsvorsorgeversichert gewesen sei.

Am 31. Juli 2001 liess J.________ beim Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn Klage einreichen mit dem Antrag, die Vorsorgeeinrichtung sei zu
verpflichten, ihm eine halbe, mit Wirkung ab 1. April 1998 eine ganze
Invalidenrente, zuzüglich Zins zu 5 % ab einem gerichtlich festzusetzenden
Zeitpunkt, auszurichten. Mit Entscheid vom 19. Februar 2002 wies das
kantonale Gericht die Klage ab, indem es entsprechend der Einrede der
Vorsorgeeinrichtung feststellte, der Anspruch von J.________ auf eine
Invalidenrente der beruflichen Vorsorge sei verjährt.

B.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern. Er legt ein von seinem Sohn K.________
unterzeichnetes Schreiben vom 27. Mai 1999 auf.

Während die Vorsorgeeinrichtung auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für
Sozialversicherung (BSV) auf eine Vernehmlassung.

Im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels halten die Parteien an ihren
Standpunkten fest. Das BSV sieht wiederum von einer Stellungnahme ab.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Die vorliegende Streitigkeit unterliegt der Gerichtsbarkeit der in Art. 73
BVG erwähnten richterlichen Behörden, welche sowohl in zeitlicher als auch in
sachlicher Hinsicht zuständig sind (BGE 122 V 323 Erw. 2, 120 V 18 Erw. 1a,
je mit Hinweisen).

2.
Die Vorinstanz hat unter Hinweis auf Art. 41 Abs. 1 BVG in Verbindung mit
Art. 131 Abs. 1 OR zutreffend festgehalten, dass der Anspruch auf eine
Invalidenrente als solcher nach zehn Jahren verjährt, wobei die Frist mit dem
Zeitpunkt beginnt, in dem die erste rückständige Leistung fällig war, während
das einzelne Rentenbetreffnis gemäss Art. 130 Abs. 1 OR innert fünf Jahren
seit dessen Fälligkeit verjährt (BGE 117 V 332 Erw. 4; SJ 2001 II 215).
Ebenso hat sie richtig dargelegt, dass der Anspruch auf eine Invalidenrente
der beruflichen Vorsorge nach Art. 26 Abs. 1 BVG im nämlichen Zeitpunkt
entsteht, wie derjenige auf eine Rente der Invalidenversicherung. Darauf kann
verwiesen werden.

3.
3.1 Der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Rente der
Invalidenversicherung entstand am 1. September 1989. Da der Versicherte
seinen Invalidenrentenanspruch gegenüber der Vorsorgeeinrichtung erst am 31.
Juli 2001 einklagte und zuvor keine verjährungsunterbrechende Handlung
vorgenommen hatte, erklärte das kantonale Gericht den Rentenanspruch als
verjährt.

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird unter Beilage eines Schreibens
des Sohnes des Versicherten an die Vorsorgeeinrichtung vom 27. Mai 1999
geltend gemacht, die Einrede der Verjährung sei rechtsmissbräuchlich erhoben
worden. Die beiden Kinder des Beschwerdeführers hätten nach Einleitung eines
Rentenrevisionsverfahrens der Invalidenversicherung im Frühjahr 1999 bei der
Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die Gewährung einer Rente der beruflichen
Vorsorge interveniert, wie namentlich aus dem eingereichten Brief ersichtlich
sei. Sie seien indessen von den Vertretern der Vorsorgeeinrichtung
hingehalten worden mit der Begründung, dass die Abklärung des Anspruchs
komplex sei; nach Vorlegen des Rentenrevisionsentscheids sei die
Vorsorgeeinrichtung jedoch gerne bereit, über die Zusprechung einer
Invalidenrente an den Beschwerdeführer zu befinden. Nachdem der Sohn den
Rentenrevisionsentscheid der IV-Stelle Y.________ vom 15. Mai 2001 der
Vorsorgeeinrichtung zugestellt habe, sei von dieser jedoch keine Reaktion
erfolgt. Vielmehr sei im vorliegenden Prozess überraschend die
Verjährungseinrede erhoben worden. Durch das Verhalten der Beschwerdegegnerin
seien die Kinder des Versicherten davon abgehalten worden, durch rechtzeitige
Klageeinreichung die Verjährung zu unterbrechen. Dieses Vorgehen sei
rechtsmissbräuchlich.

3.3 Die Vorsorgeeinrichtung bestreitet die erhobenen Vorwürfe und stellt
insbesondere in Abrede, dass die Kinder des Beschwerdeführers je mit ihr
Kontakt aufgenommen hätten. Das letztinstanzlich aufgelegte Schreiben vom 27.
Mai 1999 sei ihr nie zugegangen. Ebenso wenig habe sie die Verfügung der
IV-Stelle Y.________ vom 15. Mai 2001 erhalten.

3.4 Trifft die Darstellung des Beschwerdeführers in vollem Umfang zu, müsste
das Verhalten der Vorsorgeeinrichtung als rechtsmissbräuchlich im Sinne von
Art. 2 Abs. 2 ZGB und der Rechtsprechung (nicht publizierte Erw. 2a des
Urteils BGE 128 III 201, 113 II 269 Erw. 2e) qualifiziert werden. Wie es sich
diesbezüglich verhält, lässt sich den vorliegenden Akten indessen nicht
entnehmen. Angesichts der unklaren Beweislage sind ergänzende Abklärungen
unumgänglich. Die Sache ist daher zur Durchführung eines Beweisverfahrens an
die Vorinstanz zurückzuweisen. Diese wird insbesondere die von beiden
Parteien angerufenen Zeugen befragen und allenfalls weitere Nachforschungen
zur Erhellung des Sachverhalts vornehmen. Gestützt auf das Beweisverfahren,
welches die tatbeständliche Grundlage für die Beurteilung des seitens des
Beschwerdeführers erhobenen Vorwurfs rechtsmissbräuchlicher Berufung auf die
Verjährung liefern wird, wird das kantonale Gericht über die Klage neu
entscheiden.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der
angefochtene Entscheid vom 19. Februar 2002 aufgehoben und die Sache an das
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn zurückgewiesen wird, damit dieses,
nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klage neu
entscheide.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Personalvorsorgestiftung X.________ hat dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
Solothurn und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 2. Dezember 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: