Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 23/2002
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B 23/02

Urteil vom 10. Oktober 2002
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Keel Baumann

B.________, 1939, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Marc F.
Suter, Zentralstrasse 47, 2502 Biel,

gegen

VERA Sammelstiftung in Liquidation, Beschwerdegegnerin, Zustelladresse: ATAG
Ernst & Young AG, 8022 Zürich,
handelnd durch Rechtsanwalt Dr. Jacques-André Schneider, Rue du Rhône 100,
1211 Genève 3, und dieser vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fritz
Rothenbühler, Jungfraustrasse 1, 3000 Bern 6

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 14. März 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Klage vom 13. September 2001 forderte B.________ (geb. 10. August 1939)
von der VERA Sammelstiftung in Liquidation die Überweisung seines
Vorsorgeguthabens in der Höhe von Fr. 752'393.85 nebst Zins zu 5 % seit 15.
August 2000 an die heutige Vorsorgeeinrichtung der M.________ AG, die
Winterthur-Columna, Stiftung für berufliche Vorsorge. Dabei stellte er in
verfahrensrechtlicher Hinsicht den Antrag, der Prozess sei auf die Frage der
Verrechenbarkeit mit Schadenersatzforderungen der Beklagten zu beschränken
und es sei zunächst in diesem Rahmen in einem selbstständig anfechtbaren
Zwischenentscheid über die Klage zu befinden, mit welchem Vorgehen sich die
VERA Sammelstiftung in Liquidation einverstanden erklärte (Schreiben vom 23.
Januar 2002). In einer prozessleitenden Verfügung vom 29. Januar 2002
orientierte der Instruktionsrichter des angerufenen Verwaltungsgerichtes des
Kantons Bern die Parteien über seine Absicht, nach Eingang der Klageantwort
ohne weiteren Schriftenwechsel über den Antrag der Beschränkung des
Verfahrens auf die Frage der Verrechenbarkeit zu entscheiden. Hierauf liess
sich die VERA Sammelstiftung in Liquidation mit dem Antrag auf Abweisung der
Klage vernehmen; widerklageweise forderte sie von B.________ die Bezahlung
von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 10 Mio., zuzüglich 5 % Zins seit 1.
Februar 1996, unter Vorbehalt der Nachklage.

Mit Verfügung vom 14. Februar 2002 sistierte der Instruktionsrichter das
Verfahren bis auf weiteres und stellte in Aussicht, den Parteien
voraussichtlich per Ende Juli 2002 ein Verfahrensprogramm vorzulegen. Innert
der ihm zur Antwort gesetzten Frist nahm B.________ Stellung zur Frage der
Höhe des strittigen Vorsorgeguthabens und beantragte in prozessualer
Hinsicht, es sei über die Verrechnungseinrede der VERA Sammelstiftung in
Liquidation - wie dies der Instruktionsrichter ursprünglich beabsichtigt habe
- in einem selbstständig anfechtbaren Zwischenentscheid zu befinden. Mit
prozessleitender Verfügung vom 14. März 2002 wies der Instruktionsrichter den
Antrag auf vorzeitige Fortsetzung des Verfahrens ab (Ziffer 3), dies unter
Hinweis auf die gegenwärtige Überlastung des Verwaltungsgerichtes.

B.
Hiegegen lässt B.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde erheben und
beantragen, die Vorinstanz sei anzuweisen, den Prozess beschränkt auf seine
Vorklage und die Verrechnungseinrede der VERA Sammelstiftung in Liquidation
fortzuführen und über seinen Anspruch in einem selbstständig anfechtbaren
Zwischenentscheid zu befinden.

Die VERA Sammelstiftung in Liquidation schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Der Instruktionsrichter hält in seiner Stellungnahme vom 28. März 2002 fest,
dass mit Ziffer 3 der angefochtenen Verfügung lediglich eine bloss
vorübergehende Verfahrenseinstellung erfolgt sei, einerseits zwecks Klärung
der von den Parteien aufgeworfenen Rechtsfrage der Verrechenbarkeit und
andererseits zwecks Festlegung der weiteren Prozessinstruktionen betreffend
das Verfahren der Widerklage. Die in der Verfügung vom 14. Februar 2002
abgegebene Einschätzung sei damit nicht widerrufen worden.

C.
Im Verlaufe des letztinstanzlichen Verfahrens nahm das Eidgenössische
Versicherungsgericht die vom vorinstanzlichen Instruktionsrichter
zwischenzeitlich erlassene prozessleitende Verfügung vom 31. Juli 2002 zu den
Akten, in welcher dieser den Parteien Gelegenheit zur Abgabe einer
abschliessenden Stellungnahme bis 2. September 2002 einräumte, beschränkt auf
die Frage der Höhe der Austrittsleistung und die Verrechenbarkeit der
Austrittsleistung mit den widerklageweise geltend gemachten
Verantwortlichkeitsansprüchen (Ziffer 3), und feststellte, dass die beim
Eidgenössischen Versicherungsgericht angefochtene Ziffer 3 der
prozessleitenden Verfügung vom 14. März 2002 davon unberührt bleibe (Ziffer
4).

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es in der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern ausschliesslich um eine
prozessrechtliche Frage geht, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur
zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht Bundesrecht verletzt hat,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der
rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder
unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist
(Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
2.1 Gemäss Art. 128 OG beurteilt das Eidgenössische Versicherungsgericht
letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden gegen Verfügungen im Sinne
von Art. 97, 98 lit. b-h und 98a OG auf dem Gebiet der Sozialversicherung.
Hinsichtlich des Begriffs der mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbaren
Verfügungen verweist Art. 97 OG auf Art. 5 VwVG. Nach Art. 5 Abs. 1 VwVG
gelten als Verfügungen Anordnungen der Behörden im Einzelfall, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen (und im Übrigen noch weitere, nach dem
Verfügungsgegenstand näher umschriebene Voraussetzungen erfüllen).
Verfügungen im Sinne dieser Umschreibung können nach dem Wortlaut des zweiten
Absatzes von Art. 5 VwVG auch Zwischenverfügungen sein, insoweit sie den
Anforderungen des vorangehenden ersten Absatzes entsprechen. Zudem verweist
Art. 5 Abs. 2 VwVG bezüglich der Zwischenverfügungen auf Art. 45 des gleichen
Gesetzes, laut dem nur solche Zwischenverfügungen anfechtbar sind, die einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Art. 45 Abs. 1 VwVG).
Dieser grundsätzliche Vorbehalt gilt als Voraussetzung für die Zulässigkeit
eines selbstständigen, der Endverfügung vorangehenden Beschwerdeverfahrens,
insbesondere für alle in Art. 45 Abs. 2 VwVG - nicht abschliessend -
aufgezählten Zwischenverfügungen. Für das letztinstanzliche
Beschwerdeverfahren ist ferner zu beachten, dass gemäss Art. 129 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 101 lit. a OG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
Zwischenverfügungen nur zulässig ist, wenn sie auch gegen die Endverfügung
offensteht (BGE 124 V 85 Erw. 2 mit Hinweisen).

2.2 Nach der Rechtsprechung beurteilt sich das Vorliegen eines nicht wieder
gutzumachenden Nachteils nicht nur anhand eines einzigen Kriteriums. Vielmehr
prüft das Gericht jenes Merkmal, das dem angefochtenen Entscheid am besten
entspricht. Namentlich beschränkt sich das Gericht nicht nur darauf, allein
den Nachteil als nicht wieder gutzumachend zu betrachten, den auch ein für
die Beschwerde führende Person günstiges Endurteil nicht vollständig zu
beseitigen vermöchte (BGE 126 V 247 Erw. 2c, 124 V 87 Erw. 4, 121 V 116 mit
Hinweisen). Für die Begründung eines irreparablen Nachteils genügt bereits
ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse (BGE 125 II 620
Erw. 2a).

3.
Entgegen der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung
wurde in der angefochtenen Verfügung nicht etwa die vom Beschwerdeführer
anbegehrte Verfahrensbeschränkung abgelehnt, sondern einzig der Prozess
vorläufig sistiert. Dieser Sachverhalt ergibt sich bereits aus dem klaren
Wortlaut des Dispositives, aber auch aus der vom Instruktionsrichter
angeführten Begründung (vgl. auch die Stellungnahme des Instruktionsrichters
vom 28. März 2002 und dessen Verfügung vom 31. Juli 2002). Soweit in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf die Verfahrensbeschränkung Bezug genommen
wird, zielen die Ausführungen deshalb ins Leere und ist auf sie nicht weiter
einzugehen. Streitig und zu prüfen bleibt, ob dem Beschwerdeführer aus der
mit Verfügung vom 14. März 2002 angeordneten vorläufigen Sistierung des
Verfahrens ein nicht wieder gutzumachender Nachteil erwächst.

3.1 Bei der Anfechtung von Sistierungsverfügungen hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht die Eintretensvoraussetzung des nicht wieder
gutzumachenden Nachteils regelmässig verneint. Das Gericht erwog, dass der
Verfahrensabschluss durch die Sistierung wohl eine Verzögerung erfahre.
Gleiches gelte auch für die Nachzahlung von Leistungen, welche der
beschwerdeführenden Partei bei günstigem Verfahrensausgang allenfalls noch
zustehe. Falls in dieser Verzögerung ein Nachteil erblickt werden könne, sei
er jedenfalls nicht als irreparabel zu betrachten (BGE 97 V 249 Erw. 2; AHI
1999 S. 140 Erw. 2b mit Hinweisen; SVR 1996 IV Nr. 93 S. 283 Erw. 4a mit
Hinweisen). Demgegenüber wurde im nicht veröffentlichten Urteil R. vom 10.
April 1997, K 5/97, die Eintretensvoraussetzung des nicht wieder
gutzumachenden Nachteils bejaht, weil bei Sistierung des Verfahrens der
Entscheid über die weitere Ausrichtung der Krankengelder, die der
gegenwärtigen Existenzsicherung des Versicherten dienten, längere Zeit
hinausgeschoben worden wäre, was für diesen unzumutbare finanzielle
Auswirkungen gehabt hätte.

3.2 Es trifft zu, dass der vom Beschwerdeführer eingeleitete Prozess wegen
der Verfahrenssistierung eine Verzögerung erfuhr und dass dies den Zeitpunkt
der klageweise geltend gemachten Übertragung der Austrittsleistung an die
neue Vorsorgeeinrichtung (Art. 27 BVG in Verbindung mit Art. 3 FZG) und des
der geschiedenen Ehefrau gestützt auf Art. 122 ZGB hievon zustehenden Teils
hinausschieben kann. Dabei handelt es sich jedoch um die jeder
Verfahrenssistierung immanente Verzögerung, in welcher - wie dargelegt -
rechtsprechungsgemäss kein nicht wieder gutzumachender Nachteil zu erblicken
ist. Anders als im nicht veröffentlichten Urteil R. vom 10. April 1997, K
5/97, kann sodann nicht gesagt werden, die mit der Sistierung einhergehende
Verzögerung des Entscheides ziehe unzumutbare Folgen finanzieller Art nach
sich. Nicht ersichtlich ist schliesslich, inwiefern der Beschwerdeführer
aufgrund der angefochtenen Verfügung seines Rechtes, eine Kapitalleistung zu
verlangen (Art. 37 Abs. 3 BVG), verlustig gehen soll. Mangels Vorliegen eines
nicht wieder gutzumachenden Nachteils im Sinne von Art. 45 Abs. 1 VwVG kann
demnach auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten werden.

4.
4.1 Das Verfahren ist kostenpflichtig, da es nicht die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen, sondern ausschliesslich eine
prozessrechtliche Frage zum Gegenstand hat (Art. 134 OG e contrario). Der
unterliegende Beschwerdeführer hat die Gerichtskosten zu tragen (Art. 156
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

4.2 Der Beschwerdegegnerin als mit der Durchführung öffentlicher Aufgaben
betraute Institution ist trotz Obsiegens keine Parteientschädigung
zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG; BGE 126 V 150 Erw. 4a mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 10. Oktober 2002

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:   Die Gerichtsschreiberin: