Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 15/2002
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B 15/02
B 16/02

Urteil vom 28. Oktober 2003

I. Kammer

Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter
Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Widmer

B 15/02
L.________, 1949, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Christoph
Häberli, Strassburgstrasse 11, 8004 Zürich,

gegen

Pensionskasse für Gewerbe, Handel und Industrie (PKG), Zürichstrasse 16, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

und

B 16/02
Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

Pensionskasse für Gewerbe, Handel und Industrie (PKG), Zürichstrasse 16, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 11. Januar 2002)

Sachverhalt:

A.
Die 1949 geborene L.________ arbeitete seit 1. April 1990 bei der Firma
B.________ AG und wurde auf diesen Zeitpunkt für die obligatorische und die
überobligatorische berufliche Vorsorge in die Pensionskasse für Gewerbe,
Handel und Industrie (PKG; nachfolgend: Pensionskasse) aufgenommen, nachdem
sie am 5. April 1990 im Anmeldeformular angegeben hatte, dass sie voll
arbeitsfähig sei und gegenwärtig weder eine Gesundheitsstörung noch ein
Gebrechen bestehe. Im Mai 1995 musste sich L.________ wegen eines Morbus
Crohn im Spital S.________ einem operativen Eingriff unterziehen, und vom 16.
bis 25. Januar 1996 war sie wegen des gleichen Leidens wiederum im Spital
S.________ hospitalisiert. Mit Zeugnis vom 13. März 1996 teilte ihr Hausarzt
Dr. med. X.________ der Providentia Schweizerische
Lebensversicherungs-Gesellschaft, dem Rückversicherer der Pensionskasse, mit,
L.________ leide seit 1980 an Morbus Crohn; die Krankheit habe bis April 1995
medikamentös behandelt werden können. Zu jenem Zeitpunkt sei eine erhebliche
Verschlechterung eingetreten, weshalb im Mai 1995 eine Operation habe
vorgenommen werden müssen. Seit 14. April 1995 sei die Versicherte voll
arbeitsunfähig.

Am 26. April 1996 schrieb die Providentia der Pensionskasse, den zur Prüfung
des Versicherungsanspruchs beigezogenen Unterlagen sei zu entnehmen, dass die
Versicherte bei der Unterzeichnung des Anmeldeformulars am 5. April 1990 eine
Anzeigepflichtverletzung begangen habe, indem sie eine erhebliche
Gefahrstatsache verschwiegen habe. Dementsprechend werde die Versicherung
insoweit angepasst, als nur noch Leistungen im Rahmen des BVG-Obligatoriums
erbracht würden. Mit Schreiben vom 1. Mai 1996 eröffnete die Pensionskasse
L.________, dass sie ihr in Folge Anzeigepflichtverletzung lediglich die
Minimalleistungen gemäss obligatorischer beruflicher Vorsorge gewähre. Am 15.
Mai 1996 erstellte sie einen neuen Vorsorgeausweis.

Mit Verfügung vom 25. Mai 1998 sprach die IV-Stelle Aargau L.________
rückwirkend ab 1. April 1996 bei einem Invaliditätsgrad von 50 % eine halbe
Invalidenrente zu, worauf die Pensionskasse der Versicherten mit Brief vom 3.
November 1998 mitteilte, dass sie ab 1. April 1997 aus der obligatorischen
beruflichen Vorsorge aufgrund einer Erwerbsunfähigkeit von 50 % Anspruch auf
eine Invalidenrente in der Höhe von Fr. 2'751.- im Jahr habe.

B.
Am 19. August 1999 liess L.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern Klage einreichen mit dem Antrag, die Pensionskasse sei zu
verpflichten, ihr ab 1. April 1997 unter Anrechnung der bereits erbrachten
Leistungen eine Invalidenrente entsprechend einer 50 %igen Erwerbsunfähigkeit
in der Höhe von Fr. 5'500.- im Jahr, die auch den Anspruch aus der
überobligatorischen beruflichen Vorsorge umfasst, zuzüglich Zins zu 5 % auf
den bis zum Gerichtsentscheid verfallenen Betreffnissen, zu bezahlen. Mit
Entscheid vom 11. Januar 2002 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt L.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern; ev. sei die Sache zur Durchführung eines
Beweisverfahrens an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Die Pensionskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde,
während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf eine Stellungnahme
verzichtet.

D.
Das BSV führt ebenfalls Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei die Pensionskasse zu
verpflichten, der Versicherten auch aus der überobligatorischen beruflichen
Vorsorge Invalidenleistungen auszurichten. Eventuell seien die Leistungen zu
kürzen.

Während die Pensionskasse auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
schliesst, verweist L.________ auf die Ausführungen in ihrer eigenen
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

E.
Am 28. Oktober 2003 führte das Eidgenössische Versicherungsgericht eine
parteiöffentliche Beratung durch.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da den beiden Verwaltungsgerichtsbeschwerden derselbe Sachverhalt zu Grunde
liegt, sich die gleichen Rechtsfragen stellen und die Rechtsmittel den
nämlichen vorinstanzlichen Entscheid betreffen, rechtfertigt es sich, die
beiden Verfahren zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen (BGE
128 V 126 Erw. 1 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 128 V 194 Erw. 1).

2.
Streitig und zu prüfen ist die Frage, ob die Beschwerdeführerin 1 Anspruch
auf Invalidenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen Vorsorge hat.

2.1 Nach der Rechtsprechung beurteilen sich die Verletzung der Anzeigepflicht
und deren Folgen im Bereich der weiter gehenden beruflichen Vorsorge nach den
statutarischen und den reglementarischen Bestimmungen der
Vorsorgeeinrichtung, bei Fehlen entsprechender Normen analogieweise gemäss
Art. 4 ff. VVG. Danach kann die Vorsorgeeinrichtung innert 4 Wochen (Art. 6
VVG) seit Kenntnis der Anzeigepflichtverletzung vom Vorsorgevertrag
zurücktreten, wobei es sich um eine Verwirkungsfrist handelt, deren Lauf
weder gehemmt noch unterbrochen werden kann. Sie beginnt erst, wenn der
Versicherer zuverlässige Kunde von Tatsachen erhält, aus denen sich der
sichere Schluss auf Verletzung der Anzeigepflicht ziehen lässt. Blosse
Vermutungen, die zu grösserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit drängen,
dass die Anzeigepflicht verletzt ist, genügen nicht (BGE 119 V 286 ff. Erw. 4
und 5). In den Urteilen R. vom 17. Dezember 2001, B 69/00 und H. vom 26.
November 2001, B 41/00, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht
festgehalten, dass der Rücktritt der Vorsorgeeinrichtung vom Vorsorgevertrag
bei einer Anzeigepflichtverletzung auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in welchem
die Aufnahme in die überobligatorische berufliche Vorsorge erfolgte. Die
Zulässigkeit des Vertragsrücktritts beurteilt sich nach der Rechtslage, die
in jenem Zeitpunkt Geltung hatte.

2.2 Während die Vorinstanz die Klage, ausgehend davon, dass die Versicherte
die Anzeigepflicht verletzt habe und die Pensionskasse rechtzeitig vom
Vorsorgevertrag zurückgetreten sei, gestützt auf die zitierte Rechtsprechung
abgewiesen hat, berufen sich das BSV und die Versicherte auf das auf den 1.
Januar 1995 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der
beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (FZG),
insbesondere dessen Art. 14, und die damit verbundenen Änderungen des OR
(Art. 331a-c). Nach dieser neuen Ordnung sei ein Rücktritt vom
Vorsorgevertrag aufgrund einer Verletzung der Anzeigepflicht durch die
versicherte Person in analoger Anwendung von Art. 4 ff. VVG nicht mehr
zulässig. Als die Versicherte am 14. April 1995 an Morbus Crohn erkrankt sei,
sei die maximal zulässige Vorbehaltsdauer seit ihrem Eintritt in die
Pensionskasse abgelaufen gewesen. Es stehe ihr deshalb ein vorbehaltloser
Anspruch auf die Invalidenleistungen aus der überobligatorischen beruflichen
Vorsorge zu.

3.
Die von den Beschwerde führenden Parteien aufgeworfene Rechtsfrage ist im
vorliegenden Fall - anders als in den vorstehend erwähnten Urteilen H. vom
26. November 2001 (B 41/00) und R. vom 17. Dezember 2001 (B 69/00) - zu
beantworten. Dem Urteil H. lag insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als
zwischen der Aufnahme in die Vorsorgeeinrichtung am 1. Juni 1994 und der
Rückenoperation vom 14. November 1995 bloss rund 1½ Jahre vergangen waren.
Die vom BSV behauptete Rechtswirkung, dass nach dem Inkrafttreten des FZG am
1. Januar 1995 ein Rücktritt vom Vorsorgevertrag nicht mehr zulässig sei,
weil ein gesundheitlicher Vorbehalt gemäss Art. 331c OR spätestens nach 5
Jahren dahinfalle, musste nicht erörtert werden, da die 5-jährige Frist bei
weitem nicht abgelaufen war. Im Urteil R. wiederum stellte sich die Frage
nicht, weil in jenem Fall das bei Abgabe der Rücktrittserklärung gültige
Reglement der Vorsorgeeinrichtung Leistungseinschränkungen aus
gesundheitlichen Gründen nicht mehr zuliess, womit die rückwirkende Auflösung
der Vertrages untersagt war. Im hier zu beurteilenden Fall hingegen lagen
zwischen der Aufnahme in die Pensionskasse am 1. April 1990 und der
Verschlimmerung des Krankheitsbildes mit voller Arbeitsunfähigkeit ab 14.
April 1995 und anschliessender Hospitalisation im Mai 1995 mehr als 5 Jahre,
weshalb eine Auseinandersetzung mit dem von den Beschwerde führenden Parteien
vertretenen Standpunkt unumgänglich ist.

4.
4.1 Von den neuen Bestimmungen über den Vorbehalt aus gesundheitlichen
Gründen, die mit dem auf den 1. Januar 1995 in Kraft gesetzten FZG in die
Ordnung der weiter gehenden beruflichen Vorsorge Eingang gefunden haben,
steht der ins OR eingefügte Art. 331c im Vordergrund. Unter den Marginalien
"B. Personalvorsorge / VI. Gesundheitliche Vorbehalte" lautet er:
Vorsorgeeinrichtungen dürfen für die Risiken Tod und Invalidität einen
Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen machen. Dieser darf höchstens fünf
Jahre betragen. Die Bestimmung ist dispositives Recht (Art. 361 f. OR),
sodass in den Vorsorgeverträgen abweichende Abmachungen getroffen werden
können. Neben dieser zentralen Regelung finden sich weitere Bestimmungen eher
technischer Natur. So umschreibt Art. 331a OR Beginn und Ende des
Versicherungsschutzes, während Art. 14 FZG bestimmt, dass vom Versicherten
eingebrachte Austrittsleistungen nicht mit einem neuen Vorbehalt belastet
werden dürfen (Abs. 1) und dass die bei der früheren Vorsorgeeinrichtung
abgelaufene Zeit auf die neue Vorbehaltsdauer anzurechnen ist (Abs. 2).

4.2 Art. 331c OR ermächtigt einerseits die Vorsorgeeinrichtung, im Bereich
der weiter gehenden Vorsorge einen Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen
anzubringen, was voraussetzt, dass sie die aufnahmewillige Person über deren
Gesundheitszustand, soweit in Bezug auf das Versicherungsrisiko von
Bedeutung, befragen kann, und dass sie das versicherte Risiko mittels eines
Vorbehalts auf das gewöhnliche Mass reduzieren kann. Zum andern soll die mit
dem Vorbehalt verbundene Einschränkung des Vorsorgeschutzes spätestens nach
fünf Jahren dahinfallen.

4.3 Im Sozialversicherungsrecht kannte namentlich das bis Ende 1995 gültig
gewesene Bundesgesetz über die Kranken- und Unfallversicherung (KUVG) einen
Vorbehalt aus gesundheitlichen Gründen. Art. 5 Abs. 3 KUVG bestimmte, dass
die Kassen Krankheiten, die bei der Aufnahme bestehen, durch einen Vorbehalt
von der Versicherung ausschliessen können; das Gleiche gilt für Krankheiten,
die vorher bestanden haben, sofern sie erfahrungsgemäss zu Rückfällen führen
können. Der Versicherungsvorbehalt fiel nach spätestens fünf Jahren dahin.
Hatte die Kasse bei der Aufnahme eines Mitgliedes keinen
Versicherungsvorbehalt angebracht, so durfte sie nach der Rechtsprechung
einen solchen später nicht mehr verfügen, es sei denn, der Gesuchsteller
hatte in schuldhafter Weise eine bestehende oder eine vorher bestandene, zu
Rückfällen neigende Krankheit nicht angezeigt. Unter diesen Voraussetzungen
konnte sie innerhalb Jahresfrist, seit dem sie vom schuldhaften Verhalten des
Gesuchstellers Kenntnis hatte oder hätte haben müssen, spätestens aber nach
fünf Jahren, einen rückwirkenden Versicherungsvorbehalt anbringen (BGE 110 V
309 Erw. 1 mit Hinweisen). Mit dem Anbringen eines rückwirkenden Vorbehalts
sollte im Falle einer nachträglich entdeckten Anzeigepflichtverletzung die
gesetzliche Ordnung in der Weise wiederhergestellt werden, wie sie vom
Versicherten hätte hingenommen werden müssen, wenn er bei der Aufnahme
wahrheitsgemässe und vollständige Angaben über seinen Gesundheitszustand
gemacht hätte (BGE 110 V 311 Erw. 1c, 102 V 196 Erw. 2). Im neuen
Krankenversicherungsgesetz (KVG) besteht die Möglichkeit, einen
Versicherungsvorbehalt anzubringen, nur noch in der freiwilligen
Taggeldversicherung, wobei der Versicherungsvorbehalt spätestens nach fünf
Jahren dahinfällt (Art. 69 Abs. 1 und 2 KVG).

4.4 Zwischen dem früheren Krankenversicherungsrecht (Art. 5 Abs. 3 KUVG) und
dem Vorbehalt in der freiwilligen Taggeldversicherung gemäss Art. 69 KVG
einerseits sowie dem Vorbehalt, den Vorsorgeeinrichtungen gemäss Art. 331c OR
aus gesundheitlichen Gründen im überobligatorischen Bereich für die Risiken
Tod und Invalidität anbringen dürfen andererseits, besteht hinsichtlich der
Möglichkeit, einen solchen rückwirkend anzubringen, ein grundsätzlicher
Unterschied. Der Vorbehalt in der Krankenversicherung schliesst den
Versicherungsschutz zeitlich begrenzt lediglich für eine bestimmte, genau
umschriebene Krankheit aus (vergl. zum Begrifflichen BGE 127 III 238 Erw.
2c), während die Versicherungsdeckung für alle anderen Krankheiten, die im
Verlaufe der Versicherungsdauer auftreten können, ungeschmälert besteht. Ein
solcher Vorbehalt kann auch rückwirkend angebracht werden. Dem gegenüber kann
ein Vorbehalt für die Risiken Tod und (vollständige) Invalidität in der
weiter gehenden beruflichen Vorsorge nicht rückwirkend erfolgen, nachdem sich
das entsprechende Risiko bereits verwirklicht hat. Es verbietet sich daher,
die zu Art. 5 Abs. 3 KUVG ergangene Rechtsprechung zum rückwirkenden
Vorbehalt im Rahmen von Art. 331c OR analog anzuwenden. Ein rückwirkender
Vorbehalt in den von Art. 331c OR erfassten Fällen Tod und Invalidität käme
einem vollständigen Leistungsausschluss bei Eintritt des Risikos gleich.
Anders würde es sich nur bei Teilinvalidität oder Wiedererlangung der
Erwerbsfähigkeit nach vorübergehender Invalidität verhalten, doch in den vom
Gesetz anvisierten Fällen (Tod, [volle] Invalidität) wäre das Instrument des
rückwirkenden Vorbehalts fehl am Platz. Daraus folgt, dass Art. 331c OR nur
für Vorbehalte gilt, die von der Vorsorgeeinrichtung beim Eintritt des
Versicherten formell angebracht werden. Aus der Botschaft des Bundesrates zu
einem Bundesgesetz über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-,
Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge vom 26. Februar 1992 ergibt sich keine
abweichende Regelungsabsicht (BBl 1992 III 585; vergl. ferner Brühwiler,
Kommentar zum Einzelarbeitsvertrag, 2. Auflage, S. 263 N 3 zu Art. 331c OR).
Ebenso wenig war diese Frage Gegenstand der parlamentarischen Beratungen
(Amtl.Bull. 1992 N 2440 und 1993 N 572; 1993 S 566).

5.
5.1 Fällt jedoch ein rückwirkender Vorbehalt als geeignete Vorkehr bei
Vorliegen einer Anzeigepflichtverletzung ausser Betracht, bietet sich aus
Sicht der Vorsorgeeinrichtung einzig der Rücktritt vom Vorsorgevertrag als
Korrektiv an. Eine andere sachgerechte Lösung ist nicht ersichtlich. Die vom
BSV in seinem Eventualantrag postulierte Kürzung der Leistungen findet im
Gesetz keine Stütze. Im Übrigen hätte sie eine Besserstellung des
Versicherten, der seine Anzeigepflicht verletzt, im Vergleich zum
Versicherten, der diese erfüllt und deshalb nur unter Vorbehalt in die
Vorsorgeeinrichtung aufgenommen wird, zur Folge. Während der Versicherte, der
die Anzeigepflicht missachtet hat, eine gekürzte Leistung erhalten würde,
ginge der Versicherte, der die Gesundheitsdeklaration korrekt ausgefüllt hat,
leer aus, sofern das eingetretene Risiko in zeitlicher und sachlicher
Hinsicht unter den Vorbehalt fällt, was Sinn und Zweck der
obligationenrechtlichen Bestimmung zuwider laufen würde.

5.2 Die in den Verwaltungsgerichtsbeschwerden erhobenen Einwendungen vermögen
an diesem Ergebnis nichts zu ändern.

5.2.1 Der Umstand, dass mit der relativ zwingenden Vorschrift des Art. 331a
Abs. 1 OR (Art. 362 OR) Beginn und Ende des Vorsorgeschutzes neu auch im
überobligatorischen Bereich gesetzlich geregelt und mit der für den
obligatorischen Bereich massgebenden Bestimmung des Art. 10 BVG in Einklang
gebracht wurden, stellt wohl eine Beschränkung der Vertragsfreiheit dar.
Diese ist indessen von untergeordneter Bedeutung, da der Vorsorgeschutz im
weiter gehenden Bereich schon vor Inkrafttreten des FZG hinsichtlich des
Beginns und des Endes in aller Regel der obligatorischen Vorsorge folgte.
Inwiefern Art. 331a Abs. 1 OR einem Rücktritt vom Vorsorgevertrag wegen
Anzeigepflichtverletzung entgegenstehen soll, vermag nicht einzuleuchten,
zumal Art. 331c OR es der Vorsorgeeinrichtung ermöglicht, ein erhöhtes
gesundheitliches Risiko für eine bestimmte Zeit vom Vorsorgeschutz
auszuschliessen. Lässt sich dies bei einer Anzeigepflichtverletzung, wie
dargelegt, nicht mit einem rückwirkenden Vorbehalt erreichen, muss für die
Vorsorgeeinrichtung der Rücktritt vom Vertrag zulässig sein.

5.2.2 Auch aus Artikel 14 FZG lässt sich nicht ableiten, dass der Rücktritt
vom Vorsorgevertrag ausgeschlossen sei. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung darf
der Vorsorgeschutz, der mit den eingebrachten Austrittsleistungen erworben
wird, nicht durch einen neuen gesundheitlichen Vorbehalt geschmälert werden.
Damit wird die bei einem Stellenwechsel vom Versicherten eingebrachte
Austrittsleistung der früheren Vorsorgeeinrichtung vor einem Vorbehalt
geschützt; das Recht der neuen Vorsorgeeinrichtung, den überobligatorischen
Vorsorgeschutz, der bei ihr mittels Beiträgen des neuen Arbeitgebers und des
Versicherten aufgebaut wird, durch Rücktritt vom Vorsorgevertrag rückwirkend
aufzulösen, wird hingegen nicht in Frage gestellt.

Art. 14 Abs. 2 FZG schliesslich betrifft die Anrechnung der bei der früheren
Vorsorgeeinrichtung abgelaufenen Dauer eines Vorbehalts auf die neue
Vorbehaltsdauer nach dem Übertritt in die neue Vorsorgeeinrichtung und ist
für die vorliegend interessierende Frage unerheblich.

6.
Das Reglement der Pensionskasse enthält keine Regelung zur
Anzeigepflichtverletzung und zu deren Folgen, weshalb Art. 4 ff. VVG analog
anwendbar sind. Die Vorinstanz hat erkannt, dass die Versicherte die
Anzeigepflicht verletzt habe. Betreffend Wahrung der vierwöchigen
Verwirkungsfrist stellte sie fest, dass Dr. med. X.________ das Zeugnis vom
13. März 1996 direkt dem ärztlichen Dienst der Providentia eingereicht habe.
Bei dieser sei das Zeugnis mit dem Eingangstempel des 9. April 1996 versehen
worden. Mit Schreiben vom 1. Mai 1996 habe die Pensionskasse, nachdem sie
zwischenzeitlich von der Providentia auf die Anzeigepflichtverletzung
aufmerksam gemacht worden war, rechtzeitig und formgerecht den Rücktritt vom
Vorsorgevertrag erklärt.

Die Versicherte lässt hiegegen einwenden, die Vorinstanz hätte die Frage, ob
die Providentia das Arztzeugnis vom 13. März 1996 tatsächlich erst am 9.
April 1996 oder allenfalls zu einem Zeitpunkt vor dem 3. April 1996 und damit
mehr als vier Wochen vor dem 1. Mai 1996 erhalten habe, näher abklären
müssen; der Rücktritt vom Vertrag wäre diesfalls verspätet erfolgt, weil sich
die Pensionskasse das Wissen des Rückversicherers Providentia anrechnen
lassen müsse. In der Tat sei es unwahrscheinlich, dass das Arztzeugnis erst
am 9. April 1996 bei der Providentia eingetroffen sei. Der auf dem Zeugnis
angebrachte Eingangsstempel vermöge den Beweis dafür jedenfalls nicht zu
erbringen.

Diesen Ausführungen ist insoweit beizupflichten, als die Frage, ob die
Pensionskasse die Verwirkungsfrist gewahrt hat, näher geprüft werden muss. Da
sich die Pensionskasse das Wissen des Rückversicherers anrechnen lassen muss
(SZS 2003 S. 138), ist für den Beginn der vierwöchigen Verwirkungsfrist der
Zeitpunkt massgebend, in welchem die Providentia vom Arztzeugnis vom 13. März
1996 im Sinne der Rechtsprechung (Erw. 2.1 hievor) Kenntnis erhielt. Dieses
Datum lässt sich anhand der Akten nicht feststellen. Namentlich kann aus dem
von der Providentia auf dem Zeugnis angebrachten Stempel (9. avr. 1996) nicht
geschlossen werden, dass das ärztliche Attest erst an diesem Tag beim service
médical des Rückversicherers eingegangen ist, da es sich dabei auch um einen
Datumstempel handeln kann, der betriebsinterne Abläufe betrifft, und andere
Beweismittel (z. B. Zustellkuvert) fehlen. Das kantonale Gericht, an welches
die Sache zurückzuweisen ist, wird ergänzende Abklärungen zum Zeitpunkt
treffen, in welchem die Providentia Kenntnis vom ärztlichen Zeugnis vom 13.
März 1996 hatte, und hernach über die Klage neu entscheiden.

7.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend
hat die mit ihrem Eventualantrag obsiegende Beschwerdeführerin 1 Anspruch auf
eine Parteientschädigung für die beiden letztinstanzlichen Verfahren zu
Lasten der Pensionskasse, wogegen dem BSV keine Parteientschädigung zusteht
(Art. 159 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verfahren B 15/02 und B 16/02 werden vereinigt.

2.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerden wird der
angefochtene Entscheid vom 11. Januar 2002 aufgehoben, und die Sache wird an
das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern zurückgewiesen, damit es, nach
erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über die Klage der Versicherten
neu entscheide.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Die Pensionskasse für Gewerbe, Handel und Industrie (PKG) hat der
Beschwerdeführerin 1 für die beiden Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 3000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, zugestellt.

Luzern, 28. Oktober 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der I. Kammer:   Der Gerichtsschreiber: