Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen B 119/2002
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B 119/02

Urteil vom 1. Juli 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiber
Grunder

Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Limmatquai 94, 8001 Zürich,
Beschwerdeführerin,

gegen

H.________ AG in Liquidation, Beschwerdegegnerin, vertreten durch V.________,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Mit Klageeingabe vom 17. Juli 1997 beim Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich beantragte die Stiftung Auffangeinrichtung BVG, Zürich, die in
F.________ domizilierte H.________ AG in Liquidation sei zu verpflichten,
Beiträge an die berufliche Vorsorge in Höhe von Fr. 46'111.10 zu bezahlen.
Das kantonale Gericht hiess die Klage im Betrag von Fr. 28'221.70 teilweise
gut (Entscheid vom 15.11.99). Die hiegegen erhobene
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Stiftung Auffangeinrichtung BVG wies das
Eidgenössische Versicherungsgericht ab (Urteil vom 7. Mai 2001, B 73/99),
diejenige der H.________ AG in Liquidation, mit welcher die Aufhebung des
vorinstanzlichen Entscheids im Umfange des der Vorsorgeeinrichtung
zugesprochenen Betrags beantragt wurde, hiess es gut (Urteil vom 7. Mai 2001,
B 76/99).

B.
Am 1. Juli 2002 reichte die Stiftung Auffangeinrichtung BVG erneut Klage über
Fr. 58'640.55 gegen die H.________ AG in Liquidation ein. Das
Sozialversicherungsgericht trat auf die Klage nicht ein (Entscheid vom 19.
November 2002).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Stiftung Auffangeinrichtung
BVG, der vorinstanzliche Nichteintretensentscheid sei aufzuheben und das
kantonale Gericht anzuweisen, die Klage materiell zu beurteilen; weiter sei
ihr eine Prozessentschädigung von Fr. 8'000.- zuzusprechen.

Die H.________ AG in Liquidation hat innert der mehrere Male erstreckten
Vernehmlassungsfrist keine Stellungnahme eingereicht. Das Bundesamt für
Sozialversicherung verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

2.
Zu prüfen ist einzig, ob die Vorinstanz auf die Klage vom 1. Juli 2002 zu
Recht nicht eingetreten ist. Dabei ist entscheidend, ob der geltend gemachte
Anspruch der Beschwerdeführerin mit einem bereits rechtskräftig beurteilten
identisch ist, mithin eine abgeurteilte Sache vorliegt.

3.
Das kantonale Gericht hat erwogen, dass der am 1. Juli 2002 eingeklagte
Anspruch in persönlicher, sachlicher und zeitlicher Hinsicht identisch mit
dem im kantonalen Entscheid vom 15. November 1999 beurteilten sei. Die
Differenz zwischen den eingeklagten Summen ergebe sich daraus, dass die
Beschwerdeführerin die vom 1. Mai 1997 bis 31. März 2002 aufgelaufenen Zinsen
zur Forderung von Fr. 46'111.10 geschlagen habe. Sowohl der Entscheid vom 15.
November 1999 wie auch die zwei Urteile des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 7. Mai 2001 stellten Sachurteile dar, die
rechtskräftig geworden seien. Damit stehe der Klage vom 1. Juli 2002 das
Prozesshindernis der abgeurteilten Sache entgegen, weshalb darauf nicht
einzutreten sei.

Demgegenüber bringt die Beschwerdeführerin vor, in den genannten Urteilen
seien ausschliesslich prozessuale Fragen geprüft und entschieden worden. Die
Klage vom 17. Juli 1997 sei nur deshalb abgewiesen worden, weil sie die
Rechtsbegehren nicht innert der vom kantonalen Gericht gesetzten Frist
rechtzeitig substantiiert habe. Es sei ihr damit im Wesentlichen ein
Verfahrensfehler zur Last gelegt worden, der zwar den Verlust des Prozesses,
nicht aber die Verwirkung des Klagerechts und des vom Bundesrecht geregelten
materiellen Anspruchs zur Folge haben könne.

4.
4.1 Das kantonale Gericht ist auf die Klage vom 17. Juli 1997 eingetreten.
Mit Verfügung vom 13. Oktober 1999 hatte es der Stiftung Auffangeinrichtung
BVG eine Frist von 30 Tagen gesetzt, innerhalb welcher sie detailliert und
nachvollziehbar darzulegen hatte, wie sich die geltend gemachte Forderung von
Fr. 46'111.10 zusammensetzte, aufgeschlüsselt nach Prämien pro Person und
Jahr, und unter Zustellung der vollständigen Prämienkontokorrent-Aufstellung
für die gesamte Vertragsdauer. Gleichzeitig wurde ihr Gelegenheit gegeben,
zur Eingabe der H.________ AG in Liquidation Stellung zu nehmen, und es wurde
darauf hingewiesen, dass bei Stillschweigen oder ungenügender Folgeleistung
die Klage höchstens im von der Beklagten anerkannten Umfang von Fr. 28'221.70
gutgeheissen werde. Nach Eingang einer Vernehmlassung gelangte das kantonale
Gericht zum Schluss, die Forderung sei weder rechtsgenüglich substanziiert
worden, noch gehe aus den diesbezüglichen Akten schlüssig und nachvollziehbar
hervor, wie sie sich zusammensetze. Es hiess die Klage im Umfang von Fr.
28'221.70 gut, im Übrigen wies es sie ab (Entscheid vom 15. November 1999).
Das Eidgenössische Versicherungsgericht wies die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Stiftung Auffangeinrichtung mit der
Begründung ab, dass es mit der weitgehenden Bindung an die vorinstanzliche
Sachverhaltfeststellung gemäss Art. 105 Abs. 2 OG unvereinbar ist, neue
tatsächliche Behauptungen und neue Beweismittel erst im letztinstanzlichen
Verfahren vorzubringen, obwohl sie schon im kantonalen Beschwerdeverfahren
hätten geltend gemacht werden können und - in Beachtung der
Mitwirkungspflicht - hätten geltend gemacht werden müssen (Urteil B 73/99).
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der H.________ AG in Liquidation hiess das
Eidgenössische Versicherungsgericht unter Aufhebung des kantonalen Entscheids
gut (B 76/99). Es erwog, dass das vorinstanzliche Erkenntnis, soweit damit
von einer Anerkennung des Betrages von Fr. 28'221.70 an Prämienausständen
ausgegangen worden war, bundesrechtswidrig ist, weil der - nach der auch im
Parallelfall B 73/99 von der Vorinstanz zu Recht getroffenen Feststellung der
nicht nachvollziehbaren Prämienforderung - auch im Bereich der beruflichen
Vorsorge geltende bundesrechtliche Untersuchungsgrundsatz verletzt ist, indem
das kantonale Gericht unter Hinweis auf eine teilweise Klageanerkennung, ohne
materielle Überprüfbarkeit, die Klage teilweise guthiess (Urteil B 76/99).

4.2 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin gehen an der Sache vorbei. In dem
von ihr zitierten BGE 118 II 479 ging es um die Frage, ob ein vom
Bundesprivatrecht beherrschter Anspruch allein deswegen, weil der Kläger
einer Ladung zum Sühneversuch oder einem Leitschein nicht Folge gab,
verwirkt, d.h. erloschen war. Das Bundesgericht gelangte zum Schluss, dass
der Klageanspruch mit dem materiellen Anspruch verknüpft ist, weshalb das
kantonale Prozessrecht bei einer solchen Fristversäumnis nur Verwirkung in
Bezug auf das begonnene Prozessverfahren selbst vorsehen kann, ohne dass der
Berechtigte seines Klagerechts und des materiellen Anspruchs verlustig ginge.
Im vorliegenden Fall scheiterte die Klage vom 17. September 1997 nicht an
einem von der Beschwerdeführerin zu vertretenden prozessualen Mangel, der den
Verlust des geltend gemachten Anspruchs zur Folge hatte, sondern daran, dass
das der Klage zu Grunde liegende Rechtsbegehren nicht genügend substantiiert
worden und der Sachverhalt unbewiesen geblieben war. Die Folgen der
mangelnden Substantiierung und der Beweislosigkeit werden entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin vom materiellen Bundesrecht geregelt (Art.
8 ZGB; BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen; vgl. auch BGE 122 III 223 Erw.
2c), welches vorsieht, dass der Entscheid zu Ungunsten jener Partei
auszufällen ist, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte
ableiten wollte.

4.3 Das kantonale Gericht ist auf die Klage vom 17. September 1997
eingetreten und hat sie mit Entscheid vom 15. November 1999 in der Sache
beurteilt. Dieses Erkenntnis ist, soweit die Klage abgewiesen wurde, mit dem
die Verwaltungsgerichtsbeschwerde der Stiftung Auffangeinrichtung BVG
abweisenden Urteil B 73/99 des Eidgenössischen Versicherungsgerichts bei
Ausfällung rechtskräftig geworden (Art. 38 OG). Im Umfang der Gutheissung der
Klage ist der Entscheid vom 15. November 1999 durch das Urteil B 76/99, das
ebenfalls mit Ausfällung rechtskräftig wurde, aufgehoben und ersetzt worden.
Hinsichtlich des mit Klage vom 17. Juli 1997 geltend gemachten Anspruchs
liegt damit eine abgeurteilte Sache vor, der, wie die Vorinstanz im Entscheid
vom 19. November 2002 zutreffend ausführt, worauf verwiesen wird, mit der am
1. Juli 2002 eingeklagten Forderung identisch ist. Damit fehlt es an der
(negativen) Prozessvoraussetzung der res non iudicata und das kantonale
Gericht ist zu Recht auf die Klage nicht eingetreten.

5.
Entsprechend dem Verfahrensausgang hat die Beschwerdeführerin die
Gerichtskosten zu tragen (Art. 156 in Verbindung mit Art. 135 OG). Sie hat
keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 in Verbindung mit Art. 135
OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 1. Juli 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: