Anklagekammer 8G.43/2002
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8G.43/2002/pai A N K L A G E K A M M E R ************************* Sitzung vom 25. April 2002 Es wirken mit: Bundesrichter Corboz, Präsident der Anklage- kammer, Bundesrichter Nay, Aeschlimann und Gerichtsschreiber Monn. --------- In Sachen Eidgenössisches Untersuchungsrichteramt, Gesuchsteller, gegen B.________, Gesuchsgegner, vertreten durch Fürsprecher Dr. Michael Weissberg, Zentralstrasse 47, Biel, betreffend Verlängerung der Untersuchungshaft, zieht die Anklagekammer in Erwägung: 1.- a) Seit dem 27. Januar 2000 führt die Eidge- nössische Steuerverwaltung (EStV) gegen A.________ und einen Mitgesellschafter bei der X.________ GmbH eine Straf- untersuchung wegen des Verdachts auf Leistungsbetrug im Sinne von Art. 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungs- strafrecht (VstrR, SR 313.0). Er wird verdächtigt, zwischen April 1998 und Juli 1999 mittels wahrheitswidriger Steuer- erklärungen gegenüber der Mehrwertsteuerbehörde acht un- rechtmässige Rückzahlungen von Vorsteuern in Höhe von ins- gesamt 4,6 Millionen Franken erwirkt zu haben. Im Verlaufe des Verwaltungsstrafverfahrens kam der Verdacht auf, dass Mitarbeiter der Abteilung Mehrwertsteuer der EStV an diesen Vorgängen beteiligt gewesen sein könnten. Insbesondere entstand der Verdacht, dass B.________ eine wesentliche Rolle zugekommen sein soll. Gestützt auf eine Strafanzeige der EStV eröffnete die Bundesanwaltschaft am 11. März 2002 ein gerichts- polizeiliches Ermittlungsverfahren gegen B.________ wegen des Verdachts des Sich bestechen lassens im Sinne von Art. 322quater StGB, der Urkundenfälschung im Amt im Sinne von Art. 317 Ziff. 1 StGB, der Amtsgeheimnisverletzung im Sinne von Art. 320 StGB, der Unterdrückung von Urkunden des Bundes im Sinne von Art. 254 Abs. 1 StGB und eventuell der ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 Ziff. 1 StGB. Am 12. März 2002 erliess die Bundesanwaltschaft einen entsprechenden Haftbefehl (in welchem der Verdacht der Amts- geheimnisverletzung allerdings nicht mehr enthalten ist). Am 13. März 2002 eröffnete die BA dem Beschuldigten die Haft. Die eidgenössische Untersuchungsrichterin be- stätigte die Haft am 14. März 2002. Sie ging dabei davon aus, der Haftgrund der Kollusionsgefahr sei erfüllt. b) Mit Eingabe vom 26. März 2002 stellte die BA bei der Anklagekammer des Bundesgerichts gestützt auf Art. 51 Abs. 2 BStP das Gesuch, es sei die Verlängerung der Untersuchungshaft von B.________ um eine von der Anklage- kammer festzusetzende angemessene Dauer, mindestens jedoch bis 15. Mai 2002, zu bewilligen. Die Anklagekammer hiess das Gesuch am 4. April 2002 gut und verlängerte die gestützt auf Art. 44 Ziff. 2 BStP verfügte Untersuchungshaft bis Freitag, 19. April 2002. Sie ging dabei davon aus, dass die Ermittlungen, die zur Klärung der eine Kollusionsgefahr begründenden offenen Fragen durch- zuführen seien, beförderlich getätigt werden müssen und nicht übermässig umfangreich seien, weshalb die beantragte Haftverlängerung bis 15. Mai 2002 unverhältnismässig lang sei; unter dem Gesichtswinkel der Verhältnismässigkeit er- scheine eine Haftverlängerung bis 19. April 2002 als an- gemessen (8G.26/2002). c) Nach Abschluss des gerichtspolizeilichen Er- mittlungsverfahrens beantragte die BA am 12. April 2002 beim Eidgenössischen Untersuchungsrichteramt gestützt auf Art. 108 Abs. 1 BStP die Einleitung einer Eidgenössischen Voruntersuchung gegen B.________. d) Mit Eingabe vom 18. April 2002 stellt der Eidgenössische Untersuchungsrichter bei der Anklagekammer des Bundesgerichts gestützt auf Art. 51 Abs. 2 BStP das Gesuch, es sei die Verlängerung der Untersuchungshaft von B.________ um eine von der Anklagekammer festzusetzende angemessene Dauer, mindestens jedoch bis 15. Juni 2002, zu bewilligen. Die Anklagekammer lud den Beschuldigten am 19. April 2002 ein, bis zum 24. April 2002 zum Gesuch des Eidgenössischen Untersuchungsrichters Stellung zu nehmen. B.________ beantragt mit Eingabe vom 23. April 2002, das Gesuch um Haftverlängerung sei abzuweisen. 2.- a) Der Gesuchsgegner macht zunächst geltend, die Anklagekammer habe am 4. April 2002 "den Endtermin der Untersuchungshaft abschliessend auf den 19. April 2002 festgelegt". Der Gesetzestext gehe klar von einem einmaligen Verlängerungsgesuch nach Ablauf von 14 Tagen Haft aus. Davon kann nicht die Rede sein. Wenn die Anklage- kammer, wie dies die Regel bildet, die Haftverlängerung befristet, kann die Bundesanwaltschaft oder das Eid- genössische Untersuchungsrichteramt im Hinblick auf den Ablauf der neuen Frist einen neuen Antrag auf Haft- verlängerung stellen (Bänziger/Leimgruber, Das neue Engagement des Bundes in der Strafverfolgung, Bern 2001, N 216 zu Art. 51 BStP), wenn die Kollusionsgefahr weiter besteht. b) Dieses Gesuch um erneute Haftverlängerung muss - wie bereits das erste Gesuch gemäss Art. 51 Abs. 2 BStP - am letzten Tag der Frist bei einer schweizerischen Poststelle aufgegeben werden (Urteil der Anklagekammer 8G.26/2002 vom 4. April 2002, E. 2). Die Gesuchstellerin hat diese Frist gewahrt. 3.- a) Es kann zunächst insbesondere in rechtlicher Hinsicht auf das Urteil der Anklagekammer vom 4. April 2002 verwiesen werden. b) Der Gesuchsteller macht geltend, die Akten, die 28 Bundesordner der BA sowie 23 Bundesordner der EStV um- fassten, seien ihm am 15. April 2002 übergeben worden. Er sei im Begriff, die vorliegenden Akten und Unterlagen zu studieren und auszuwerten, was mit Blick auf das umfang- reiche Aktenmaterial geraume Zeit beanspruche. Anschliessend seien unter anderem noch verschiedene Einzel- und allenfalls Konfrontationseinvernahmen durchzuführen. Es bedürfe keiner langen Ausführungen, um darzutun, dass die noch durchzu- führenden Untersuchungshandlungen wegen der erst vor einigen Tagen erfolgten Aktenübergabe an das Eidgenössische Unter- suchungsrichteramt noch nicht hätten getätigt werden können. Solange diese Untersuchungshandlungen nicht vorgenommen worden seien, bestehe weiterhin die konkrete Gefahr, dass der Gesuchsgegner in Freiheit kolludieren und den Zweck der Untersuchung vereiteln könnte. Der Gesuchsgegner bringt dagegen vor, im neuen Gesuch würden keine neuen Tatsachen und Beweismittel ge- nannt. Der Umstand, dass der Gesuchsteller noch keinen genügenden Aktenkenntnisstand besitze, genüge nicht, um einen Beschuldigten in Haft zu behalten. Und schliesslich sei er am 9. April 2002 nochmals umfassend befragt und dabei seien die einzig noch bestehenden Widersprüche zu den Aus- sagen von D.________ aufgelöst worden; klar sei heute auch, wie er seinen eigenen Anteil verwendet habe. c) Dem Gesuch um (erneute) Verlängerung der Untersuchungshaft muss entnommen werden können, welche konkreten Indizien den Verdacht begründen, dass der Be- schuldigte in Freiheit kolludieren (zum Beispiel Spuren beseitigen oder Beteiligte oder Drittpersonen beeinflussen) könnte; die Angabe, dass diese Möglichkeit theoretisch be- steht, reicht nicht aus. Das vorliegende Gesuch genügt den Begründungs- anforderungen nicht. Der Gesuchsteller macht nur geltend, er habe das umfangreiche Aktenmaterial noch nicht hinlänglich studieren und auswerten können und gedenke, noch weitere Einvernahmen durchzuführen. Daraus ergeben sich jedoch offensichtlich keine konkreten Indizien dafür, dass der Ge- suchsgegner in Freiheit kolludieren könnte. Der Gesuchsteller verweist denn auch zur Hauptsache auf die Eingabe der BA vom 26. März 2002. Auch dieser Hin- weis genügt jedoch nicht. Die Anklagekammer hat in ihrem Entscheid vom 4. April 2002 deutlich gemacht, dass die ihr damals vorliegenden Informationen nur eine verhältnismässig kurze Haftverlängerung bis 19. April 2002 zuliessen, zumal die zur Beseitigung der Kollusionsgefahr noch durchzu- führenden Ermittlungen nicht übermässig umfangreich seien und rasch durchgeführt werden könnten. Dass diese Annahme der Anklagekammer unrichtig gewesen wäre, wird im neuen Gesuch nicht geltend gemacht. Inwieweit die Ermittlungen nach dem Entscheid der Anklagekammer beförderlich vorangetrieben worden sind, ist dem neuen Gesuch nicht zu entnehmen. Der Gesuchsteller führt jedoch aus, dass die BA das gerichtspolizeiliche Ermitt- lungsverfahren am 12. April 2002 - also während der durch die Anklagekammer eingeräumten Frist - als abgeschlossen betrachtet und deshalb beim Eidgenössischen Untersuchungs- richteramt die Einleitung einer Eidgenössischen Vorunter- suchung gegen den Gesuchsgegner beantragt hat. Ob diese Umteilung zum richtigen Zeitpunkt vorgenommen worden ist, kann und muss nicht geprüft werden; sie darf jedenfalls nicht zu einer Verzögerung der Ermittlungen führen, die die Kollusionsgefahr rasch beseitigen könnten. Gesamthaft gesehen besteht aufgrund der vor- liegenden Informationen höchstens die theoretische Möglich- keit, dass der Gesuchsgegner in Freiheit kolludieren könnte. Dies reicht für eine Haftverlängerung nicht aus. Das Gesuch muss folglich abgewiesen werden. Demnach erkennt die Anklagekammer: 1.- Das Gesuch wird abgewiesen. 2.- Der Eidgenössische Untersuchungsrichter wird an- gewiesen, B.________ unverzüglich aus der Haft zu entlassen. 3.- Es werden keine Kosten erhoben. 4.- Dem Gesuchsgegner wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'000.-- aus der Bundesgerichtskasse entrichtet. 5.- Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich mit- geteilt. ______________ Lausanne, 25. April 2002 Im Namen der Anklagekammer des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: