Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Anklagekammer 8G.26/2002
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8G.26/2002/pai

               A N K L A G E K A M M E R
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               Sitzung vom 4. April 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Nay, Vizepräsident der An-
klagekammer, Bundesrichter Aeschlimann, Raselli und
Gerichtsschreiber Monn.

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                       In Sachen

Schweizerische Bundesanwaltschaft, Gesuchstellerin,

                         gegen

B.________, Gesuchsgegner, vertreten durch Fürsprecher
Dr. Michael Weissberg, Zentralstrasse 47, Biel,

                       betreffend
           Verlängerung der Untersuchungshaft
                 (Art. 51 Abs. 2 BStP),

            zieht die Anklagekammer in Erwägung:

     1.- a) Seit dem 27. Januar 2000 führt die Eid-
genössische Steuerverwaltung (EStV) gegen A.________ und
einen Mitgesellschafter bei der X.________ GmbH eine
Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf Leistungsbetrug im
Sinne von Art. 14 des Bundesgesetzes über das Verwaltungs-
strafrecht (VstrR, SR 313.0). Er wird verdächtigt, zwischen
April 1998 und Juli 1999 mittels wahrheitswidriger Steuer-
erklärungen gegenüber der Mehrwertsteuerbehörde acht un-
rechtmässige Rückzahlungen von Vorsteuern in Höhe von ins-
gesamt 4,6 Millionen Franken erwirkt zu haben.

        Im Verlaufe des Verwaltungsstrafverfahrens kam der
Verdacht auf, dass Mitarbeiter der Abteilung Mehrwertsteuer
der EStV an diesen Vorgängen beteiligt gewesen sein könnten.
Insbesondere entstand der Verdacht, dass B.________ eine
wesentliche Rolle zugekommen sein soll.

        b) Gestützt auf eine Strafanzeige der EStV er-
öffnete die Bundesanwaltschaft am 11. März 2002 ein ge-
richtspolizeiliches Ermittlungsverfahren gegen B.________
wegen des Verdachts des Sich bestechen lassens im Sinne von
Art. 322quater StGB, der Urkundenfälschung im Amt im Sinne
von Art. 317 Ziff. 1 StGB, der Amtsgeheimnisverletzung im
Sinne von Art. 320 StGB, der Unterdrückung von Urkunden des
Bundes im Sinne von Art. 254 Abs. 1 StGB und eventuell der
ungetreuen Geschäftsbesorgung im Sinne von Art. 158 Ziff. 1
StGB. Am 12. März 2002 erliess die Bundesanwaltschaft einen
entsprechenden Haftbefehl (in welchem der Verdacht der Amts-
geheimnisverletzung allerdings nicht mehr enthalten ist).

        Am 13. März 2002 eröffnete die Bundesanwaltschaft
dem Beschuldigten die Haft. Die eidgenössische Unter-
suchungsrichterin bestätigte die Haft am 14. März 2002. Sie
ging dabei davon aus, der Haftgrund der Kollusionsgefahr sei
erfüllt.

        c) Mit Eingabe vom 26. März 2002 stellt die Bundes-
anwaltschaft bei der Anklagekammer des Bundesgerichts ge-
stützt auf Art. 51 Abs. 2 BStP (in der seit 1. Januar 2002
geltenden Fassung) das Gesuch, es sei die Verlängerung der
Untersuchungshaft von B.________ um eine von der Anklage-
kammer festzusetzende angemessene Dauer, mindestens jedoch
bis 15. Mai 2002, zu bewilligen.

        Die Anklagekammer lud den Beschuldigten am 27. März
2002 ein, bis zum 3. April 2002 zum Gesuch der Bundesanwalt-
schaft Stellung zu nehmen.

        B.________ beantragt mit Eingabe vom 3. April 2002,
das Gesuch der Bundesanwaltschaft um Haftverlängerung sei
abzuweisen.

     2.- Das Gesuch um Verlängerung der Untersuchungshaft
gemäss Art. 51 Abs. 2 BStP muss am letzten Tag der Frist bei
einer schweizerischen Poststelle aufgegeben werden (vgl.
Bänziger/Leimgruber, Das neue Engagement des Bundes in der
Strafverfolgung, Bern 2001, N 213 zu Art. 51 BStP). Die Ge-
suchstellerin hat diese Frist gewahrt.

     3.- a) Gemäss Art. 51 Abs. 2 und 3 BStP (in der seit
1. Januar 2002 geltenden Fassung) hat die Bundesanwalt-
schaft, die einen Beschuldigten im gerichtspolizeilichen
Ermittlungsverfahren wegen Kollusionsgefahr in Unter-
suchungshaft genommen hat und beabsichtigt, die Haft länger
als 14 Tage aufrechtzuerhalten, vor Ablauf dieser Frist bei
der Anklagekammer um Haftverlängerung nachzusuchen. Die
Verlängerung kann nur bewilligt werden, wenn die in
Art. 44 Ziff. 2 BStP genannten Voraussetzungen für die
Anordnung der Haft weiterhin erfüllt sind. Erforderlich ist
daher, dass der Beschuldigte eines Verbrechens oder Ver-
gehens dringend verdächtigt ist und ausserdem bestimmte
Umstände den Verdacht begründen, dass er Spuren der Tat
vernichten oder Zeugen oder Mitbeschuldigte zu falschen
Aussagen verleiten oder sonst den Zweck der Untersuchung
gefährden werde. Die bloss theoretische Möglichkeit, dass er
in Freiheit kolludieren könnte, genügt grundsätzlich nicht,
um die Fortsetzung der Untersuchungshaft zu rechtfertigen;
es müssen vielmehr konkrete Indizien für eine solche Gefahr
sprechen.

        b) Der Gesuchsgegner ist grundsätzlich geständig.
In Bezug auf den dringenden Tatverdacht kann deshalb auf die
Darstellung der Gesuchstellerin verwiesen werden.

        c) Der Gesuchsgegner macht in Bezug auf die Kol-
lusionsgefahr geltend, er könnte die weiteren Ermittlungen
der Gesuchstellerin nicht beeinflussen, wenn er sich in
Freiheit befände, zumal namentlich die nicht geständigen
Angeschuldigten voraussichtlich weiter in Haft bleiben. Im
Übrigen stelle der Hinweis der Gesuchstellerin auf allen-
falls noch nicht identifizierte Beteiligte eine Hypothese
dar, die nicht dazu dienen könne, eine Verlängerung der
Untersuchungshaft zu begründen.

        Die Gesuchstellerin führt dazu aus, zwar seien der
Gesuchsteller und der mitbeschuldigte D.________ grund-
sätzlich geständig, jedoch seien die genaue Aufteilung des
Erlöses und insbesondere der Verbleib eines grossen Teils
der Beute unklar. Insbesondere im Hinblick auf den noch
nicht vollständig geklärten Verbleib der hohen Deliktssumme
seien Konti gesperrt und Bankunterlagen ediert worden, deren
Analyse angesichts der Tatsache, dass die Beschuldigten über
zahlreiche Kontoverbindungen verfügen, längere Zeit in An-
spruch nehme. Der Gesuchsgegner habe angegeben, er habe von
der Beute etwa 900'000 Franken erhalten und davon 660'000
Franken vor etwa drei Jahren in einem Waldstück bei Biel
vergraben, das Versteck nach dem Sturm "Lothar" jedoch nicht
mehr wiedergefunden. Genauere Angaben zum Rest seines An-
teils habe er bisher nicht gemacht. Im Gegensatz zum Ge-
suchsgegner behaupte D.________, er habe das Versteck und
dort nur etwa 550'000 Franken gefunden. Es bestehe mithin
eine Diskrepanz von rund 100'000 Franken. Nachdem sich die
Äusserungen des Gesuchsgegners und diejenigen von D.________
von Befragung zu Befragung geändert hätten und zwei weitere
Beschuldigte noch weitgehend ungeständig seien, könne nicht
ausgeschlossen werden, dass der Gesuchsgegner mehr als
900'000 Franken erhalten habe oder zumindest über den
Verbleib der Anteile der anderen Beschuldigten Auskunft
geben könnte. Für den Fall, dass er aus der Haft entlassen
würde, bestehe die ernsthafte Gefahr, dass er sich mit be-
reits bekannten oder mit allfälligen, bisher noch nicht
identifizierten Beteiligten absprechen und dass er weitere
Beweismittel vernichten könnte.

        Angesichts dieser Diskrepanzen in den Aussagen ist
beim Gesuchsgegner, obwohl er grundsätzlich geständig ist,
weiterhin Kollusionsgefahr anzunehmen. Die Gesuchstellerin
wird die ihr bereits vorliegenden und die noch angeforderten

umfangreichen Unterlagen auswerten und anschliessend weitere
Einzel- und allenfalls Konfrontationseinvernahmen durch-
führen müssen. Solange diese Ermittlungen nicht getätigt
worden sind, besteht die konkrete Gefahr, dass der Gesuchs-
gegner in Freiheit kolludieren und den Zweck der Unter-
suchung vereiteln könnte.

        Was er dagegen vorbringt, ist zur Hauptsache un-
begründet. Es ist allerdings einzuräumen, dass der Hinweis
der Gesuchstellerin auf allfällige weitere, noch unbekannte
Beteiligte eine Verlängerung der Untersuchungshaft nicht zu
begründen vermag, weil ihren Ausführungen keine konkreten
Anhaltspunkte für eine solche Möglichkeit zu entnehmen sind.

        c) Der Gesuchsgegner ist schliesslich unter Hinweis
auf sein Geständnis der Auffassung, dass eine Verlängerung
der Untersuchungshaft bis zum 15. Mai 2002 unverhältnis-
mässig wäre.

        Da die noch durchzuführenden Ermittlungen be-
förderlich getätigt werden müssen und nicht übermässig
umfangreich sind, erscheint die beantragte Haftverlängerung
bis 15. Mai 2002 tatsächlich als unverhältnismässig lang.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Haft bis
Freitag, 19. April 2002, zu verlängern.

             Demnach erkennt die Anklagekammer:

     1.- Das Gesuch wird gutgeheissen und die gestützt auf
Art. 44 Ziff. 2 BStP verfügte Untersuchungshaft bis Freitag,
19. April 2002, verlängert.

     2.- Es werden keine Kosten erhoben.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien schriftlich
(Dispositiv vorab per Fax) mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 4. April 2002

                 Im Namen der Anklagekammer
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                     Der Vizepräsident:

                   Der Gerichtsschreiber: