Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.85/2002
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7B.85/2002 /min

Urteil vom 26. August 2002
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) als
obere kantonale Aufsichtsbehörde, Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Gültigkeit eines Verlustscheines

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau
(Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) als oberer kantonaler
Aufsichtsbehörde vom 22. April 2002.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Das Betreibungsamt Aarau stellte in der gegen den Schuldner X.________
laufenden Betreibung Nr. ... der Gläubigerin Gesellschaft Z.________, Zürich,
am 19. Oktober 2000 einen Verlustschein für den Totalbetrag von Fr. 1'070.90
aus. X.________ beantragte mit Beschwerde vom 4. März 2002, der Verlustschein
sei aufzuheben. Mit Entscheid vom 11. März 2002 wies das Gerichtspräsidium
Aarau als untere Aufsichtsbehörde über die Betreibungsämter die Beschwerde
ab, soweit darauf eingetreten wurde. Das Obergericht des Kantons Aargau
(Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) als obere Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen wies mit Entscheid vom 22. April 2002
die Beschwerde von X.________ ebenfalls ab.

X. ________ hat den Entscheid der oberen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 8. Mai 2002 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt sinngemäss die
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sowie des Verlustscheines.

Die obere Aufsichtsbehörde hat keine Gegenbemerkungen angebracht. Das
Betreibungsamt hat sich mit Eingabe vom 5. August 2002 zur Beschwerde
vernehmen lassen, ohne ausdrücklich Antrag zu stellen. Weitere
Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

2.
Die obere Aufsichtsbehörde hat festgehalten, aus den Akten gehe hervor, dass
der Beschwerdeführer am Pfändungsvollzug anwesend war, und da kein pfändbares
Vermögen vorhanden war, habe das Betreibungsamt korrekt einen Verlustschein
erlassen. Dass der Beschwerdeführer gegen den Zahlungsbefehl Rechtsvorschlag
erhoben habe, werde nicht behauptet; in den Akten finde sich allerdings kein
Zahlungsbefehl. Die Einwände des Beschwerdeführers gegen den Verlustschein
seien unbegründet; ob der Verlustschein dem Beschwerdeführer zugestellt
worden sei, könne offen gelassen werden.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, er habe in der
fraglichen Betreibung nie einen Zahlungsbefehl erhalten und daher nie die
Möglichkeit gehabt, Rechtsvorschlag zu erheben. Weiter behauptet er, den der
Betreibung zugrunde liegenden Zahlungsbefehl vom 14. August 2000 (nach
Zustellung des angefochtenen Urteils am 29. April 2002) mit Schreiben vom 2.
Mai 2002 von der Gläubigerin erhalten und am 6. Mai 2002 zum ersten Mal in
den Händen gehalten zu haben. Die auf dem Zahlungsbefehl datierende
Zustellungsbescheinigung vom 23. August 2000 sei indessen falsch, da er zu
jener Zeit im Ausland gewesen sei.

3.2 Der Beschwerdeführer macht mit seinem Vorbringen, er habe nie einen
Zahlungsbefehl erhalten, auf einen Nichtigkeitsgrund aufmerksam. Wenn der
Zahlungsbefehl infolge fehlerhafter Zustellung nicht in die Hände des
Betriebenen gelangt ist, so ist die Betreibung nichtig, wobei dies jederzeit
festgestellt werden kann (BGE 110 III E. 2-4 S. 11 f.; 120 III 114 E. 3b S.
116; 128 III 101 E. 2 S. 104). Ob der Zahlungsbefehl dem Beschwerdeführer
zugestellt worden ist oder nicht, ist eine Tatfrage (BGE 107 III 1 E. 1 S.
2). Das Bundesgericht berücksichtigt von Amtes wegen neue tatsächliche
Vorbringen, wenn damit ein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht wird (BGE 96 III
31 E. 2 S. 33; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 6. Aufl. 1997, § 6 Rz 92).

3.3 Die Aufsichtsbehörde hat weder zur Zustellung des Zahlungsbefehls noch
der Pfändungsankündigung Sachverhaltsfeststellungen getroffen, und keine der
Urkunden findet sich in den kantonalen Akten. Ob dem Beschwerdeführer die
Pfändungsurkunde (mangels pfändbaren Vermögens) als Verlustschein gemäss Art.
115 SchKG zugestellt worden sei, hat die Aufsichtsbehörde offen gelassen. In
den kantonalen Akten liegen - nebst dem Betreibungsbegehren und dem
Amtsexemplar des Verlustscheins - einzig das vom Beschwerdeführer
unterzeichnete Protokoll zum Pfändungsvollzug vom 10. Oktober 2000, aus dem
indessen weder die Betreibungsnummer noch die Gläubigerin oder der
Forderungsbetrag ersichtlich sind. Insoweit besteht - entgegen der
Schlussfolgerung der Aufsichtsbehörde - kein Anhaltspunkt, dass der
Beschwerdeführer nach allenfalls mangelhafter Zustellung des Zahlungsbefehls
weitere Betreibungshandlungen, aus denen sich der Inhalt des Zahlungsbefehls
ergibt, widerspruchslos hingenommen hätte (vgl. BlSchK 66/2002 S. 52 f.).
3.4 Der Beschwerdeführer legt dem Bundesgericht den der Betreibung Nr. ...
zugrunde liegenden Zahlungsbefehl vom 14. August 2000, bei dem es sich gemäss
Eingangsstempel offensichtlich um das Gläubigerexemplar handelt, vor. Auf dem
Zahlungsbefehl ist die Aushändigung der Urkunde "am 23. August 2000" an
"X.________", unterschriftlich bestätigt durch den zustellenden Beamten oder
Boten, und die Nichterhebung des Rechtsvorschlages bescheinigt. Diese
Zustellbescheinigung auf dem Zahlungsbefehl schafft Beweis für die
ordnungsgemässe Zustellung (BGE 120 III 117 E. 2 S. 118). Im Übrigen geht aus
der vom Beschwerdeführer eingereichten Kopie seines Reisepasses hervor, dass
einzig nach dem 23. August 2000 (Datum der Zustellungsbescheinigung)
datierende Stempel ("29.IX.00" und spätere Daten) eingetragen sind. Insoweit
ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, dass die Bescheinigung der Zustellung des
Zahlungsbefehls an den Beschwerdeführer am 23. August 2000 unrichtig sein
soll. Vor diesem Hintergrund besteht kein Anlass, auf die Frage, ob der
Verlustschein gestützt auf eine nichtige Betreibung ausgestellt worden sei
(vgl. BGE 80 III 141 E. 3 S. 147; 89 IV 77 E. 2 S. 79), weiter einzugehen.
Soweit im Übrigen das Betreibungsamt in seiner Vernehmlassung ausführt, der
Zahlungsbefehl sei möglicherweise nicht dem Beschwerdeführer persönlich,
sondern infolge dessen angeblichen Ferienabwesenheit seinem im gleichen
Haushalt lebenden Sohn gleichen Namens ausgehändigt worden, stellen dies
tatsächliche Vorbringen dar, die im angefochtenen Entscheid keine Stütze
finden; sie gelten daher als neu und können nicht berücksichtigt werden (Art.
79 Abs. 1 OG; BGE 111 III 5 E. 2), zumal mit dem Hinweis auf die allfällige
Zustellung des Zahlungsbefehls an einen Hausgenossen (vgl. Art. 64 Abs. 1
SchKG) nicht auf einen Nichtigkeitsgrund aufmerksam gemacht wird.

3.5 Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe anlässlich des
Pfändungsvollzuges Rechtsvorschlag erhoben, ohne dass dies der
Betreibungsbeamte zur Kenntnis genommen habe. Soweit der Beschwerdeführer mit
diesem Vorbringen allenfalls sinngemäss eine Rechtsverweigerung geltend macht
(Art. 19 Abs. 2 SchKG), weil über die Zulässigkeit des angeblich am 10.
Oktober 2000 erhobenen Rechtsvorschlages nicht verfügt worden sei, geht er
von vornherein fehl. Die Erhebung eines Rechtsvorschlages geht weder aus den
Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Entscheid hervor, noch hat die
Vorinstanz - entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers - die
Aufzeichnung eines Rechtsvorschlages auf dem Pfändungsprotokoll
offensichtlich übersehen (Art. 63 Abs. 2 i.V.m. Art. 81 OG). Im Übrigen legt
der Beschwerdeführer in keiner Weise dar, inwiefern die Aufsichtsbehörde
Bundesrecht verletzt habe, wenn sie zum Ergebnis gelangt ist, der Erlass des
Verlustscheines sei korrekt erfolgt. Auf die Beschwerde kann insoweit nicht
eingetreten werden (Art. 79 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Betreibungsamt Aarau und dem
Obergericht des Kantons Aargau (Schuldbetreibungs- und Konkurskommission) als
oberer kantonaler Aufsichtsbehörde schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. August 2002

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: