Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.75/2002
Zurück zum Index Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2002
Retour à l'indice Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2002


7B.75/2002 /bnm

Urteil vom 24. Juli 2002
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

Z. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Adrian Kneubühler,
Hauptstrasse 54, Postfach 355, 2560 Nidau,

gegen

Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, 4502 Solothurn.

Verteilungsplan.

Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und
Konkurs des Kantons Solothurn vom 8. April 2002.

Sachverhalt:

A.
Der durch den Konkursrichter von A.________ am 15. April 1999 über Y.________
eröffnete Konkurs wird im summarischen Verfahren durchgeführt. Zur
Konkursmasse gehörte das in der Gemeinde B.________ gelegene Grundstück Nr.
..., auf dem am 21. September 1992 ein bis zum 3. Juni 2017 befristetes
Gewinnanteilsrecht zu Gunsten der Schwester des Gemeinschuldners, Z.________,
im Grundbuch vorgemerkt worden war. Am 31. Oktober 2000 führte das Konkursamt
C.________ rechtshilfeweise die Steigerung des Grundstücks durch; der
Zuschlag wurde für 760'000 Franken der Bank X.________
(Grundpfandgläubigerin) erteilt. Gemäss Abrechnung des erwähnten Konkursamtes
vom 31. Januar 2001 stehen dem Zuschlagspreis und einem Bruttoerlös von Fr.
42'500.-- aus Miete Verwaltungs- und Verwertungskosten von Fr. 29'500.--
gegenüber.

Das Konkursamt D.________ errichtete am 23. Oktober 2001 einen
Verteilungsplan. Darin erscheinen Einnahmen von insgesamt Fr. 773'000.-- (Fr.
760'000.- als Erlös aus der Verwertung des Grundstücks in B.________ und Fr.
13'000.-- als [Netto-]Mietzinsen) sowie Ausgaben von insgesamt Fr. 222'660.--
(Fr. 72'320.-- als Kosten des Konkursamtes D.________ und Fr. 150'340.--
unter dem Titel "Erbquote / Gewinnanteilsrecht Frau Z.________"). Ferner
führte das Konkursamt ein gesetzliches Pfandrecht der Versicherung W.________
von Fr. 327.75 sowie ein vertragliches Pfandrecht der Bank X.________ von
insgesamt Fr. 570'100.45 auf und gelangte so zum Schluss, es habe sich ein
Pfandausfall von Fr. 20'088.20 ergeben.

Am 29. November 2001 ordnete der Konkursrichter die Einstellung des
Konkursverfahrens mangels Aktiven an. Dem Rekurs von Y.________ gegen diesen
Entscheid hat das Obergericht des Kantons Solothurn aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

B.
Mit Eingabe vom 28. Januar 2002 erhob Y.________ bei der Aufsichtsbehörde für
Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn Beschwerde und beantragte,
der Verteilungsplan vom 23. Oktober 2001 sei insofern abzuändern, als der
unter der Position "Erbquote/Gewinnanteilsrecht Frau Z.________" angeführte
Betrag von Fr. 150'340.-- einerseits für die Deckung des Pfandausfalls bei
den vertraglichen Pfandrechten bzw. der Forderungen der Bank X.________
gemäss Lastenverzeichnis von Fr. 20'088.20 zu verwenden und der Restbetrag
von Fr. 130'251.80 der Konkursmasse zuzuweisen sei.

Die kantonale Aufsichtsbehörde hiess die Beschwerde mit Urteil vom 8. April
2002 in dem Sinne gut, dass sie den Verteilungsplan aufhob und die Sache an
das Konkursamt D.________ zurückwies, damit dieses im Sinne der Erwägungen
verfahre.

C.
Z.________ nahm das Urteil der kantonalen Aufsichtsbehörde am 11. April 2002
in Empfang. Mit einer vom 22. April 2002 (Montag) datierten und noch am
gleichen Tag zur Post gebrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig) Beschwerde
an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Sie
beantragt, den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben und den
Verteilungsplan vom 23. Oktober 2001 zu bestätigen.

Die kantonale Aufsichtsbehörde und der Beschwerdegegner Y.________ schliessen
auf Abweisung der Beschwerde (soweit darauf einzutreten sei). Das Konkursamt
D.________ schliesst sich dem Rechtsbegehren und der Argumentation der
Beschwerdeführerin an.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Bei der Prüfung der Frage, ob die an sie gerichtete Beschwerde vom 28. Januar
2002 rechtzeitig eingereicht worden sei, ist die Vorinstanz davon
ausgegangen, es sei nicht bewiesen, dass der Verteilungsplan dem
Beschwerdegegner (dem damaligen Beschwerdeführer) zugestellt worden sei.
Ebenso wenig sei dargetan, dass dieser entgegen seinem Vorbringen schon vor
dem 17. Januar 2002 vom angefochtenen Schriftstück Kenntnis gehabt habe.

1.1 Die Beschwerdeführerin, die die Beschwerde für verspätet hält, wirft der
kantonalen Aufsichtsbehörde vor, sie habe die Beweislast für die Zustellung
des Verteilungsplanes an den Beschwerdegegner in Verletzung von Art. 8 ZGB
dem Konkursamt zugewiesen. Letzteres sei nämlich nur dann zulässig, wenn das
Amt die Formvorschrift von Art. 34 SchKG (Grundsatz der Zustellung durch
eingeschriebenen Brief oder durch Übergabe gegen Empfangsbescheinigung) nicht
beachtet habe. Dass dieser Tatbestand vorgelegen habe, wäre sehr erstaunlich,
seien doch die Anzeigen an die Gläubiger stets eingeschrieben versandt
worden. Ausserdem ist die Beschwerdeführerin der Ansicht, dass die
Beschwerde vom 28. Januar 2002 auch dann als verspätet zu betrachten wäre,
wenn dem Beschwerdegegner der Verteilungsplan nicht zugestellt worden sein
sollte: Wenn der Gerichtspräsident von A.________ am 29. November 2001 die
Einstellung des Konkursverfahrens angeordnet habe, so deshalb, weil der Erlös
aus der Versteigerung unter Berücksichtigung des Gewinnanteilsrechts zu tief
ausgefallen sei. Der Beschwerdegegner müsse somit zumindest im Zeitpunkt der
Einreichung seines Rekurses gegen den Einstellungsentscheid vom
Verteilungsplan Kenntnis gehabt haben. In Anbetracht dessen, dass das
Konkursamt in jenem Rechtsmittelverfahren bereits am 15. Januar 2002 seine
Stellungnahme zum Rekurs verfasst habe, sei offensichtlich, dass die am 28.
Januar 2002 eingereichte Beschwerde verspätet gewesen sei.

1.2 Die Rüge der Missachtung von Art. 8 ZGB ist unbegründet: Die Beweislast
dafür, dass eine Verfügung überhaupt zum Versand an einen bestimmten
Adressaten gelangt sei, der verfügenden Behörde aufzuerlegen steht in
Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts (vgl. BGE 114 III 51 E. 3c
S. 53). Die Vorbringen der Beschwerdeführerin beruhen auf der den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 63 Abs. 2 in
Verbindung mit Art. 81 OG) widersprechenden Annahme, der Verteilungsplan sei
(auch) an den Beschwerdegegner versandt worden. Sodann ist den tatsächlichen
Feststellungen im angefochtenen Entscheid nichts zu entnehmen, was darauf
schliessen liesse, der Beschwerdegegner hätte aus der vom Konkursrichter
verfügten Einstellung des Konkursverfahrens schliessen müssen, was das
Konkursamt im Verteilungsplan bezüglich des strittigen Gewinnanteilsrechts
angeordnet habe. Soweit die Beschwerdeführerin die Rechtzeitigkeit der vom
Beschwerdegegner eingereichten Beschwerde in Frage stellt, ist ihre
Beschwerde somit unbegründet.

2.
Die kantonale Aufsichtsbehörde erklärt selbst, das Vorgehen des Konkursamtes
bei der Verwertung des Grundstücks erwecke Bedenken. Es stehe fest, dass ein
eigentliches Kollokationsverfahren nicht  durchgeführt worden sei.
Voraussetzung für eine Verwertung sei jedoch unter anderem die Rechtskraft
des Kollokationsplanes und des betreffenden Lastenverzeichnisses. Bezüglich
des Zeitpunkts der Verwertung eines Grundstücks sei ausserdem auf Art. 128
VZG hinzuweisen, wonach dort, wo laut den Einträgen im Grundbuch Pfandrechte
oder andere beschränkte dingliche Rechte am Grundstück geltend gemacht
würden, die Verwertung selbst bei Dringlichkeit erst dann stattfinden dürfe,
wenn das Kollokationsverfahren über diese Rechte durchgeführt und allfällige
Kollokationsprozesse rechtskräftig erledigt seien. Gemäss der erwähnten
Bestimmung dürfe zwar die Aufsichtsbehörde ausnahmsweise bewilligen, die
Versteigerung schon vor diesem Zeitpunkt durchzuführen, sofern keine
berechtigten Interessen verletzt würden. Indessen habe auf Grund der
Aktenlage hier kein Anlass für eine vorzeitige Verwertung des Grundstücks
bestanden und eine solche sei von ihr auch nicht bewilligt worden. Alsdann
bemerkt die Vorinstanz, der angefochtene Verteilungsplan sei selbst dann
fehlerhaft, wenn davon ausgegangen werde, das Lastenverzeichnis vom 8.
September 1999 genüge den vom Gesetz an einen Kollokationsplan gestellten
Anforderungen. Der Verteilungsplan weiche insofern vom rechtskräftigen
Lastenverzeichnis ab, als das Gewinnanteilsrecht wie eine
grundpfandgesicherte Forderung behandelt worden sei. Das sei nicht statthaft,
weil damit das an sich abgeschlossene Kollokationsverfahren wieder aufgerollt
werde.

Zum weiteren Vorgehen stellt die kantonale Aufsichtsbehörde fest, das
Konkursamt werde das Konkursverfahren nur dann fortzusetzen haben, wenn der
gegen die Einstellungsverfügung eingereichte Rekurs gutgeheissen werden
sollte. Im Falle einer Abweisung des Rekurses werde das Konkursamt zu prüfen
haben, ob die Sache als Verfahren einer Grundpfandverwertung fortzusetzen
sei. Fest stehe auf jeden Fall, dass Lastenverzeichnis und
Steigerungszuschlag in Rechtskraft erwachsen seien.

3.
Ein Kollokationsplan ist stets auch im summarischen Verfahren zu erstellen
(Art. 70 der Verordnung über die Geschäftsführung der Konkursämter [KOV; SR
281.32]; vgl. auch Art. 231 Abs. 3 SchKG). Gehört zur Masse ein Grundstück,
hat das Konkursamt ausserdem das entsprechende Lastenverzeichnis zu
errichten, das seinerseits Bestandteil des Kollokationsplanes bildet (Art.
247 Abs. 2 SchKG).

Der Kollokationsplan soll darüber Auskunft geben, wie die geltend gemachten
bzw. in den öffentlichen Büchern vermerkten dinglichen Rechte an den
Vermögenswerten des Gemeinschuldners nach Auffassung des Konkursamtes
hinsichtlich Bestand, Betrag und Rang behandelt werden sollen (vgl. Jaeger/
Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4.
Auflage, N 5 zu Art. 247; Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 6. Auflage, § 46 Rz 18; Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und
Konkurs nach schweizerischem Recht, II. Band, 3. Auflage, § 49 Rz 13). Dem
Kollokationsplan muss mit andern Worten entnommen werden können, welche an
der Konkursmasse berechtigten Personen - zu denen auch die Träger von
vorgemerkten persönlichen Rechten zählen (vgl. Dieter Hierholzer, in:
Kommentar zum SchKG, Basel 1998, N 22 zu Art. 250) - aus dem Verwertungserlös
befriedigt werden sollen und in welchem Umfang (vgl. Pierre-Robert Gilliéron,
Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, N
21 zu Art. 247). Der endgültige Entscheid über diese Frage ist nicht der
Aufsichtsbehörde, sondern dem Richter vorbehalten (Kollokationsklage nach
Art. 250 SchKG). In seiner in Rechtskraft erwachsenen Fassung bildet der
Kollokationsplan dereinst Grundlage für die Verteilung des Verwertungserlöses
(vgl. Art. 261 SchKG sowie Art. 83 Abs. 1 und Art. 85 am Ende KOV; BGE 97 III
39 E. 1 S. 41; 65 III 28 E. 1 S. 30; Hierholzer, a.a.O., N 5 zu Art. 247).

4.
Aus der Sicht des Gesagten ist der von der Vorinstanz angedeuteten
Möglichkeit, das Lastenverzeichnis als Ersatz für den fehlenden
Kollokationsplan gelten zu lassen, die Grundlage insofern von vornherein
entzogen, als nicht dargetan ist, dass das Lastenverzeichnis eine
Kollokationsverfügung zum Gewinnanteilsrecht der Beschwerdeführerin enthält.
Fest steht sodann, dass die kantonale Aufsichtsbehörde - wie vor ihr das
Konkursamt bei der Errichtung der Verteilungsliste - mit dem Entscheid über
die Wirkung des Gewinnanteilsrechts und dessen Verhältnis zu den auf dem
Grundstück lastenden Pfandrechten die für die Beurteilung dieser Frage
geltende Zuständigkeitsordnung missachtet hat. Der Rechtsstreit ist
(gegebenenfalls) vor dem (Kollokations-)Richter auszutragen. Der angefochtene
Entscheid wie auch der Verteilungsplan vom 23. Oktober 2001 sind deshalb
aufzuheben. Im Sinne des in BGE 55 III 39 E. 1 S. 42 f. Ausgeführten ist das
Konkursamt sodann anzuweisen, den Kollokationsplan zu erstellen und
aufzulegen. In der Folge wird es dann eine neue Verteilungsliste
auszufertigen haben.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
1.1 Das Urteil der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des
Kantons Solothurn vom 8. April 2002 und der vom Konkursamt D.________ im
Konkurs über Y.________ am 23. Oktober 2001 errichtete Verteilungsplan werden
aufgehoben.

1.2 Das Konkursamt D.________ wird angewiesen, den Kollokationsplan zu
erstellen und aufzulegen.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner Y.________,
vertreten durch Fürsprecher Beat Marfurt, Gurtengasse 6, Postfach 8320, 3001
Bern, der Bank X.________, dem Konkursamt D.________ und der Aufsichtsbehörde
für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juli 2002

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: