Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.130/2002
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7B.130/2002 /min

Urteil vom 25. September 2002
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Levante.

Versicherung X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons
Basel-Landschaft (Dreierkammer des Kantonsgerichts), Gerichtsgebäude,
Bahnhofplatz 16, 4410 Liestal.

Fortsetzung einer Betreibung,

Beschwerde gegen den Entscheid der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs des Kantons Basel-Landschaft (Dreierkammer des Kantonsgerichts) vom
25. Juni 2002.

Sachverhalt:

A.
Die Versicherung X.________ stellte mit ihrer (vom Zentralen
Betreibungsdienst in Z.________ erlassenen) Verfügung vom 10. Dezember 2001
fest, dass Y.________ die Forderungen aus der gesetzlichen Grundversicherung
gemäss Rechnungen vom 31. März 2001 bis 23. August 2001 (insgesamt Fr. 682.50
nebst Mahnkosten von Fr. 20.-- und Betreibungskosten von Fr. 50.--) nicht
beglichen habe (Dispositiv-Ziff. 1) und in der gegen ihn laufenden Betreibung
(Nr. ...; Betreibungsamt Binningen) definitive Rechtsöffnung erteilt werde
(Dispositiv-Ziff. 2). Gestützt auf diese rechtskräftige Verfügung verlangte
in der Folge die Versicherung X.________ die Fortsetzung der Betreibung.

Das Betreibungsamt setzte Y.________ mit Schreiben vom 7. Februar 2002
gestützt auf Art. 79 Abs. 2 SchKG eine Frist von zehn Tagen, um Einwendungen
im Sinne von Art. 81 Abs. 2 SchKG zu erheben. Y.________ erhob fristgerecht
Einrede, nicht richtig vorgeladen worden zu sein. Mit Verfügung vom 21.
Februar 2002 teilte das Betreibungsamt der Versicherung X.________ mit, dass
der Schuldner fristgerecht nach Art. 79 Abs. 2 und Art. 81 Abs. 2 SchKG
Einrede erhoben habe und die Fortsetzung der Betreibung erst möglich sei,
wenn sie beim Rechtsöffnungsrichter des Betreibungsortes (Bezirksgericht
Arlesheim) ein diese Einrede als unzutreffend zurückweisendes
Rechtsöffnungsurteil erwirkt habe. Gegen diese Verfügung des Betreibungsamtes
erhob die Versicherung X.________ Beschwerde, welche die Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Basel-Landschaft (Dreierkammer
des Kantonsgerichts) mit Entscheid vom 25. Juni 2002 abwies.

B.
Die Versicherung X.________ hat den Entscheid der Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 8. Juli 2002 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und stellt das folgende
Rechtsbegehren:
"Der Entscheid der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs des
Kantons Basel-Landschaft vom 25. Juni 2002 sei aufzuheben und es sei das
Betreibungsamt anzuweisen, die Betreibung fortzusetzen. Überdies sei zu
erkennen, dass gegen eine rechtskräftige Verfügung eines Krankenversicherers
auf definitive Rechtsöffnung die Einrede gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG nicht
möglich ist."

C.
Die Aufsichtsbehörde hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Weitere
Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Der von der Beschwerdeführerin gestellte Antrag auf Aktenedition ist unnötig.
Sämtliche Akten sind von Amtes wegen einzusenden (Art. 80 OG).

2.
Die Aufsichtsbehörde hat im Wesentlichen erwogen, bei der den Rechtsvorschlag
beseitigenden Verfügung der Beschwerdeführerin handle es sich um einen
ausserkantonalen Entscheid im Sinne von Art. 79 Abs. 2 SchKG, so dass das
Betreibungsamt dem Schuldner zu Recht die Frist zur Erhebung der Einreden
gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG angesetzt habe. Die Äusserung des Schuldners
innert Frist sei formell eine Einrede gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG ("nicht
richtig vorgeladen"); daher habe das Betreibungsamt zu Recht die Betreibung
nicht fortgesetzt und der Beschwerdeführerin mitgeteilt, sie könne die
Fortsetzung der Betreibung nach Erwirkung eines diese Einrede zurückweisenden
Entscheides des Rechtsöffnungsrichters am Betreibungsort verlangen.

3.
Beruht die Forderung des Gläubigers auf einem Rechtsöffnungstitel, so kann er
das Rechtsöffnungsverfahren beim zuständigen Rechtsöffnungsrichter einleiten
und die Beseitigung des Rechtsvorschlages verlangen (Art. 80 ff. SchKG);
verfügt er über keinen Rechtsöffnungstitel, so bleibt ihm das
Rechtsöffnungsverfahren versagt und er ist nach Art. 79 Abs. 1 SchKG
gehalten, seinen Anspruch im ordentlichen Prozess oder im
Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Nach diesen Grundsätzen hat eine
Krankenkasse in betreibungsrechtlicher Hinsicht zwei Möglichkeiten. Erstens:
Die Krankenkasse erlässt gegenüber dem Versicherten, der mit einer
Kassenforderung nicht einverstanden ist, eine Verfügung gemäss Art. 80 KVG;
erhebt der Versicherte Rechtsvorschlag gegen den Zahlungsbefehl, der sich auf
diese Verfügung oder den Einspracheentscheid gemäss Art. 85 KVG stützt, so
kann die Kasse (in Anbetracht der Gleichstellung dieser Verfügung und des
Einspracheentscheides mit Urteilen gemäss Art. 80 Abs. 2 SchKG) definitive
Rechtsöffnung verlangen (Art. 88 Abs. 2 KVG), und zwar beim
Rechtsöffnungsrichter gemäss kantonalem Recht (Art. 23 SchKG). Zweitens: Die
Kasse betreibt den Versicherten gestützt auf eine bestrittene Rechnung;
schlägt der Schuldner gegen den Zahlungsbefehl Recht vor, kann die Kasse
einen Anerkennungsprozess gemäss Art. 79 SchKG durchführen, d.h. sie
entscheidet im Verfahren gemäss Art. 80 KVG über den materiellen Anspruch und
kann gleichzeitig ausdrücklich den Rechtsvorschlag beseitigen (BGE 119 V 329
E. 2b S. 331; 128 III 39 E. 2 S. 41; vgl. Roth, Die Krankenkasse als
Rechtsöffnungsrichterin in eigener Sache, in: Festschrift Schuldbetreibung
und Konkurs im Wandel, S. 234, sowie grundsätzlich Amonn/Gasser, Grundriss
des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. 1997, § 19 Rz. 6 u. 9).

3.1 Soweit die Beschwerdeführerin der Aufsichtsbehörde im Wesentlichen
vorwirft, sie habe die rechtliche Grundlage verkannt, auf welcher sie die
Fortsetzung der Betreibung verlangt habe, geht sie mit ihren Vorbringen fehl.
Aus dem angefochtenen Entscheid und der (in den Akten liegenden) Verfügung
der Beschwerdeführerin vom 10. Dezember 2001 geht hervor, dass der Schuldner
die Rechnungen vom 31. März 2001 bis 23. August 2001 nicht beglichen habe, er
deshalb betrieben worden sei und in der gegen ihn laufenden Betreibung die
Rechtsöffnung erteilt werde. Mit dieser Verfügung hat die Beschwerdeführerin
offensichtlich im Verfahren gemäss Art. 80 KVG über die Pflicht des
Schuldners zur Bezahlung von Fr. 682.50 nebst Kosten entschieden und
gleichzeitig die Rechtsöffnung in der eingeleiteten Betreibung verfügt,
m.a.W. die Beschwerdeführerin hat - was sie selbst zu verkennen scheint - den
Rechtsvorschlag in einem Anerkennungsentscheid gemäss Art. 79 SchKG
beseitigt. Wenn die Aufsichtsbehörde vom Vorliegen eines
Anerkennungsentscheides gemäss Art. 79 SchKG ausgegangen ist und geprüft hat,
ob das Betreibungsamt zu Recht das Verfahren nach Art. 79 Abs. 2 SchKG
eingeschlagen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Im Übrigen kann die
Beschwerdeführerin aus dem Urteil K 40/99 des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts vom 25. Juni 1999 nichts für sich ableiten. Im
zitierten Entscheid wird vielmehr eingehend erklärt, welche beiden Rechtswege
einem Gläubiger zur Beseitigung des Rechtsvorschlages offen stehen (E. 2b im
Urteil K 40/99), und bestätigt, dass Krankenkassen einen den Rechtsvorschlag
beseitigenden Anerkennungsentscheid im Sinne von Art. 79 SchKG fällen dürfen
(E. 2c u. d im Urteil K 40/99).

3.2 Die Beschwerdeführerin macht weiter im Wesentlichen geltend, für die
Einreden gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG bestehe vorliegend kein Raum; die
Aufsichtsbehörde habe zu Unrecht festgehalten, das Betreibungsamt habe ihr
(der Beschwerdeführerin) mitteilen dürfen, sie könne die Fortsetzung erst
verlangen, wenn sie beim Rechtsöffnungsrichter des Betreibungsortes ein die
entsprechenden Einreden zurückweisendes Rechtsöffnungsurteil erwirkt habe.
Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang vorbringt, das
Kreisschreiben des Bundesgerichts Nr. 26 vom 20. Oktober 1910 gelte nicht
mehr und es sei nicht gerechtfertigt, ausserhalb des Kantons ergangene
Entscheide von Krankenkassen als Entscheide gemäss Art. 79 Abs. 2 SchKG zu
behandeln, so ist ihre Kritik unbehelflich. Die im erwähnten Kreisschreiben
enthaltenen Grundsätze sind mit der SchKG-Revision in das Gesetz (Art. 79
Abs. 2 SchKG) aufgenommen worden, so dass gegen ausserkantonale
Anerkennungsentscheide von Krankenkassen die Einreden von Art. 81 Abs. 2
SchKG erhalten bleiben (BGE 128 III 246 E. 2 S. 247). Vorliegend hat die
Beschwerdeführerin beim Betreibungsamt Binningen die Fortsetzung der
Betreibung aufgrund der zur Zahlungspflicht ergangenen und den
Rechtsvorschlag beseitigenden Verfügung vom 10. Dezember 2001 verlangt, die
ausserhalb des Kantons Basel-Landschaft ergangen ist. Daher ist nicht zu
beanstanden, wenn die Aufsichtsbehörde gefolgert hat, das Betreibungsamt habe
zu Recht gemäss Art. 79 Abs. 2 SchKG nach Eingang des Fortsetzungsbegehrens
dem Schuldner Frist zur Erhebung der Einreden nach Art. 81 Abs. 2 SchKG
angesetzt.

3.3 Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin, das Betreibungsamt hätte die
Einrede des Schuldners, er sei nicht richtig vorgeladen worden, zurückweisen
müssen, weil im Verfahren nach Art. 80 KVG nicht physisch vorgeladen werden
könne und sie im Übrigen das rechtliche Gehör des Schuldners nicht verletzt
habe, zumal die Verfügung ordnungsgemäss zugestellt worden sei. Damit geht
die Beschwerdeführerin von vornherein fehl: Das Betreibungsamt hat im Rahmen
von Art. 79 Abs. 2 SchKG nur zu prüfen, ob der Schuldner eine formell
zulässige Einrede gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG erhoben hat. Dies hat der
Schuldner nach Auffassung der Aufsichtsbehörde getan; etwas anderes behauptet
die Beschwerdeführerin selber nicht. Soweit sie vorbringt, die Einrede sei
materiell nicht begründet, kann darauf im Beschwerdeverfahren nicht
eingetreten werden; für diese Frage ist der Rechtsöffnungsrichter am
Betreibungsort zuständig (BGE 128 III 246 E. 3b u. c S. 249).

3.4 Somit ergibt sich, dass die Auffassung der Aufsichtsbehörde, das
Betreibungsamt habe der Beschwerdeführerin am 21. Februar 2002 zu Recht
mitgeteilt, sie könne die Fortsetzung der Betreibung erst verlangen, wenn sie
beim Rechtsöffnungsrichter des Betreibungsortes ein die vom Schuldner
erhobene Einrede gemäss Art. 81 Abs. 2 SchKG zurückweisendes
Rechtsöffnungsurteil erwirkt habe, nicht zu beanstanden ist.

4.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Beschwerdegegner (Y.________,
vertreten durch Regula Uebelhart, Postfach 442, 4015 Basel), dem
Betreibungsamt Binningen und der Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs des Kantons Basel-Landschaft (Dreierkammer des Kantonsgerichts)
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. September 2002

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: