Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.12/2002
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7B.12/2002/bnm

            SCHULDBETREIBUNGS- UND KONKURSKAMMER
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                       16. April 2002

Es wirken mit: Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin der
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter Meyer und Gerichtsschreiber Gysel.

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                          In Sachen

Z.________,  Beschwerdeführer,

                            gegen

den Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons
Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbe-
treibung und Konkurs vom 20. Dezember 2001 (NR010074/U),

                         betreffend
                    Pfändungsankündigung,

         wird festgestellt und in Erwägung gezogen:

     1.- Am 22. August 2001 beschloss das Bezirksgericht
Bülach (I. Abteilung) als untere kantonale Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs, dass die Beschwerde von
Z.________ gegen die vom Betreibungsamt A.________ in der Be-
treibung Nr. ... am 14. März 2001 erlassene Pfändungsankün-
digung abgewiesen werde, soweit darauf einzutreten sei.

     Den von Z.________ hiergegen eingereichten Rekurs wies
das Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als
obere kantonale Aufsichtsbehörde am 20. Dezember 2001
seinerseits ab, soweit darauf einzutreten war.

     Z.________ nahm diesen Beschluss am 3. Januar 2002 in
Empfang. Mit einer vom 14. Januar 2002 datierten Eingabe
führt er Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurs-
kammer des Bundesgerichts. Er beantragt, den Entscheid des
Obergerichts aufzuheben und die kantonale Instanz anzuweisen,
die Sache in einem den Bestimmungen von Art. 6 EMRK und
Art. 14 Abs. 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche
und politische Rechte vom 16. Dezember 1966 (UNO-Pakt II;
SR 0.103.2) entsprechenden Verfahren neu zu beurteilen. Aus-
serdem ersucht er darum, ihm für das bundesgerichtliche Ver-
fahren eine Parteientschädigung zuzusprechen und einen un-
entgeltlichen Rechtsbeistand zuzugestehen.

     Das Obergericht hat ausdrücklich auf Gegenbemerkungen
zur Beschwerde verzichtet. Andere Vernehmlassungen sind nicht
eingeholt worden.

     Mit Urteil vom 5. März 2002 hat die II. Zivilabteilung
des Bundesgerichts erkannt, dass auf die staatsrechtliche
Beschwerde, die der Beschwerdeführer gegen den obergericht-

lichen Beschluss vom 20. Dezember 2001 ebenfalls eingereicht
hatte, nicht eingetreten werde.

     2.- Der erste Tag der Zehn-Tage-Frist von Art. 19 Abs. 1
SchKG war der 4. Januar 2002, der letzte der 13. Januar 2002.
Da dieser auf einen Sonntag fiel, war die Beschwerde an die
erkennende Kammer spätestens am 14. Januar 2002 der Post zu
übergeben. Der Umschlag, in dem die von diesem Tag datierte
Beschwerdeschrift bei der Vorinstanz einging, trägt den Stem-
pel des Postamtes A.________ vom 15. Januar 2002 (Uhrzeit
unleserlich). Der Beschwerdeführer hat am Ende der Beschwer-
deschrift vermerkt, die Sendung am 14. Januar 2002, um 23.55
Uhr, in den Briefkasten beim Postamt A.________ geworfen zu
haben, was er sich von Y.________, Wirtin des Restaurants
"X.________" in A.________, durch Erklärung vom 15. Januar
2002 hat bestätigen lassen. Die Frage der Rechtzeitigkeit der
Beschwerde braucht nicht abschliessend erörtert zu werden:
Wie im Folgenden darzulegen sein wird, ist auf die Beschwerde
jedenfalls aus einem andern Grund nicht einzutreten.

     3.- Nach Ansicht des Beschwerdeführers hat die erken-
nende Kammer ein mündliches Verfahren durchzuführen. Ein
solches ist im einschlägigen Bundesrecht indessen nicht vor-
gesehen (vgl. Art. 62 in Verbindung mit Art. 81 OG).

     4.- Im Falle der Kantone mit einem zweistufigen Verfah-
ren können bei der erkennenden Kammer nur die Entscheide der
oberen Aufsichtsbehörde angefochten werden (Art. 19 Abs. 1
SchKG). Soweit der Beschwerdeführer das Verfahren vor dem
Bezirksgericht beanstandet, ist auf seine Ausführungen des-
halb von vornherein nicht einzutreten.

     5.- a) Der Beschwerdeführer geht selbst zu Recht davon
aus, dass die Rüge eines Verstosses gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention (weil diese als Verfassungs- und
nicht als Staatsvertragsrecht gilt; BGE 101 Ia 66 E. 2c
S. 69) im vorliegenden Verfahren nicht zulässig ist. Den An-
spruch auf Durchführung eines mündlichen Verfahrens vor den
kantonalen Aufsichtsbehörden und die weiteren von ihm als
verletzt bezeichneten Verfahrensgarantien leitet er indessen
(auch) aus Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II ab.

     b) Die erkennende Kammer hat in BGE 124 III 205 E. 3c
S. 206 erklärt, die Verletzung des (einen völkerrechtlichen
Vertrag des Bundes im Sinne von Art. 19 Abs. 1 SchKG darstel-
lenden) UNO-Pakts II könne grundsätzlich mit der Beschwerde
gemäss Art. 19 SchKG gerügt werden. Diese Auffassung ist von
Yvo Hangartner mit dem Hinweis kritisiert worden, die Gründe,
die gegen eine Zulassung von Rügen der Verletzung der EMRK im
betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren angeführt würden,
träfen auch beim UNO-Pakt II zu (AJP 1998 S. 1244 f.,
Ziff. 3).

     In BGE 120 Ia 247 E. 5a S. 255 hat das Bundesgericht in
der Tat festgehalten, die in Art. 14 Abs. 3 lit. d UNO-Pakt II
enthaltene Garantie (Verteidigungsrecht des wegen einer straf-
baren Handlung Angeklagten) habe wie die in der EMRK gewähr-
leisteten Rechte ihrer Natur nach verfassungsrechtlichen In-
halt und eine Rüge der Verletzung dieser Garantie sei deshalb
in verfahrensrechtlicher Hinsicht gleich zu behandeln wie
Rügen der Verletzung von Garantien der EMRK. Ebenso wird in
der Literatur davon ausgegangen, die im UNO-Pakt II gewähr-
leisteten Rechte hätten verfassungsrechtlichen Charakter
(Claude Rouiller, Le Pacte international relatif aux droits
civils et politiques, in: ZSR 111/1992 I S. 121; Giorgio
Malinverni, Les Pactes dans l'ordre juridique interne, in:
Walter Kälin/Giorgio Malinverni/Manfred Nowak [Hrsg.], Die

Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Aufl., S. 80;
Christoph Pappa, UNO-Pakt II: Ergänzung zur EMRK, in:
plädoyer 1998 S. 20; Hangartner, a.a.O.).

     c) Nach dem Gesagten kann an der vom Beschwerdeführer
angerufenen Rechtsprechung nicht festgehalten werden: Wie
Verstösse gegen die EMRK (dazu BGE 124 III 205 E. 3b S. 206)
sind auch Verletzungen des UNO-Pakts II nicht mit Beschwerde
gemäss Art. 19 Abs. 1 SchKG, sondern mit staatsrechtlicher
Beschwerde zu rügen. Auf die vorliegende Beschwerde ist des-
halb nicht einzutreten.

     6.- Der Beschwerde hätte im Übrigen kein Erfolg beschie-
den sein können: Nach Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II hat jeder-
mann Anspruch darauf, dass über eine gegen ihn erhobene
strafrechtliche Anklage oder seine zivilrechtlichen Ansprüche
und Verpflichtungen durch ein zuständiges, unabhängiges, un-
parteiisches und auf Gesetz beruhendes Gericht in billiger
Weise und öffentlich verhandelt wird. Weiter wird in dieser
Bestimmung unter anderem festgelegt, dass - unter dem Vorbe-
halt von Interessen Jugendlicher und von Verfahren betreffend
Ehestreitigkeiten oder Vormundschaft über Kinder - jedes Ur-
teil in einer Straf- oder Zivilsache öffentlich zu verkünden
ist.

     a) Der Beschwerdeführer will das betreibungsrechtliche
Beschwerdeverfahren als Zivilsache im Sinne der genannten
Bestimmung qualifiziert wissen. Im vorliegenden Fall sei es
um die "Rückzahlung der von der Zwangsvollzugsbehörde in
amtsmissbräuchlicher Weise oder zumindest ... offensichtlich
ohne rechtliche Grundlage ... mit Androhung weiteren Unge-
machs erzwungenen Zahlung ... von Fr. 334.20" gegangen. Kon-
kret verletzt worden seien die durch Art. 14 Abs. 1 UNO-
Pakt II garantierten Ansprüche auf ein faires Verfahren, auf

eine billige Anhörung, auf Waffengleichheit, auf Mündlichkeit
sowie Partei- und Publikumsöffentlichkeit des Verfahrens, auf
öffentliche Urteilsverkündung sowie auf ein unparteiisches
und unabhängiges Gericht.

     b) Im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren haben
die Aufsichtsbehörden nicht über materielle Zivilansprüche
der an einem Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten zu
entscheiden, sondern einzig darüber zu befinden, ob von die-
sen beanstandete Amtshandlungen der Vollstreckungsorgane ge-
setzeskonform sind oder nicht. Dass der Beschwerdeführer hier
den Antrag gestellt hatte, es sei ihm der dem Betreibungsamt
- zur Tilgung der Betreibungsforderung (Art. 12 Abs. 2 SchKG)
bzw. zur Erwirkung der Beendigung der Betreibung - überwie-
sene Betrag zurückzuerstatten, vermag daran nichts zu ändern.
Das Betreibungsamt hat die Zahlung für Rechnung der Betrei-
bungsgläubigerin entgegengenommen (Art. 12 Abs. 1 SchKG), und
die Auseinandersetzung über die Rückerstattung des zum zwei-
ten Mal bezahlten Forderungsbetrags hat zwischen dem Be-
schwerdeführer und der Gläubigerin stattzufinden. Wie für die
Europäische Menschenrechtskonvention gilt auch für den UNO-
Pakt II, dass dessen Anwendung von vornherein nur dann in
Betracht fällt, wenn der in Frage stehende zivilrechtliche
Anspruch innerstaatlich überhaupt gewährt wird (dazu Mark E.
Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention,
2. Auflage, Rz 379), was auf den gegenüber dem Betreibungsamt
geltend gemachten Forderungsanspruch nicht zutrifft. Soweit
der Beschwerdeführer meint, die Anwendbarkeit des UNO-
Pakts II auf das Beschwerdeverfahren aus BGE 124 III 205
(E. 4 S. 207) ableiten zu können, ist ihm entgegenzuhalten,
dass diese Frage dort gar nicht erörtert wurde, weil die er-
hobene Rüge materiell ohnehin als unbegründet erschien. Fin-
det Art. 14 Abs. 1 UNO-Pakt II nach dem Gesagten auf das be-
treibungsrechtliche Beschwerdeverfahren keine Anwendung,
stösst die Rüge seiner Verletzung ins Leere.

     7.- Zum angefochtenen Entscheid selbst äussert sich der
Beschwerdeführer einzig insofern, als er die Feststellung der
Vorinstanz, er habe angesichts der durch die Tilgung der
Schuld eingetretenen Beendigung der Betreibung und des damit
verbundenen Hinfallens einer Pfändung im Zeitpunkt der Er-
hebung der Beschwerde bei der unteren Aufsichtsbehörde kein
hinreichendes rechtliches Interesse an einer Überprüfung der
Rechtmässigkeit der Pfändungsankündigung (mehr) gehabt, als
haltlos bezeichnet. Indessen legt er nicht dar, inwiefern die
Auffassung des Obergerichts, die Beschwerde habe einem prak-
tischen Zweck des Vollstreckungsverfahrens zu dienen und ein
solcher sei hier nicht vorhanden gewesen, gegen Bundesrecht
verstossen soll.

     8.- a) Die Verbeiständung durch einen Rechtsanwalt kann
sich unter Umständen auch im betreibungsrechtlichen Beschwer-
deverfahren als notwendig erweisen (vgl. BGE 122 III 392
E. 3c S. 394). Ob dieser Tatbestand hier gegeben ist, mag
dahingestellt bleiben. Die Ernennung eines unentgeltlichen
Rechtsbeistands setzt nämlich in jedem Fall voraus, dass die
Beschwerde nicht als aussichtslos erscheint (Art. 152 Abs. 1
OG), was auf Grund des oben Gesagten hier nicht zutrifft. Das
Gesuch des Beschwerdeführers, ihm einen unentgeltlichen
Rechtsbeistand beizugeben, ist daher abzuweisen.

     b) Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos
(Art. 20a Abs. 1 erster Satz SchKG). Damit stösst das Begeh-
ren des Beschwerdeführers, ein kostenloses Verfahren durch-
zuführen, ihm allenfalls in dieser Hinsicht die unentgeltli-
che Rechtspflege zu gewähren, ins Leere.

                       Demnach erkennt
          die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

     1.- Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

     2.- Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm einen unent-
geltlichen Rechtsbeistand zu bestellen, wird abgewiesen.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Be-
schwerdegegnerin Schweizerische Eidgenossenschaft, handelnd
durch die Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung
Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern, dem Betrei-
bungsamt A.________ und dem Obergericht (II. Zivilkammer) des
Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde über
Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt.

                       ______________

Lausanne, 16. April 2002

      Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                      Die Präsidentin:

                   Der Gerichtsschreiber: