Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.66/2002
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Urteil vom 14. Mai 2002
Kassationshof

Bundesrichter Schubarth, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Näf.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur.
Christoph Suter, Bahnhofstrasse 6, Postfach 1124,
5610 Wohlen AG,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau,
Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer,
Obere Vorstadt 38, 5000 Aarau.

Widerhandlung gegen das BetmG

(Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
1. Strafkammer, vom 6. Dezember 2001)
Sachverhalt:

A.
X. ________ säte Ende Mai/Anfang Juni 1999 in Merenschwand auf einer Fläche
von ca. 45 Aren ca. 400 Gramm Hanfsamen aus eigener Produktion aus. Er
lagerte die von Dritten geernteten Hanfstauden während ca. einem Monat, im
Oktober 1999, zum Trocknen in seiner Scheune. Er verkaufte die gesamte Ernte
zum Preis von Fr. 3'000.-- an ihm nicht namentlich bekannte Abnehmer. Die
durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern untersuchte
Restmenge von 13 Gramm Hanfblüten ergab einen THC-Gehalt von 4%. Ende 1999
wurde gegen X.________ ein Ermittlungsverfahren eröffnet.

Im Mai 2000 säte X.________ in Merenschwand auf einer Fläche von ca. 44 Aren
nachgezogene Hanfsamen aus der Ernte 1999 aus. Mit der Ernte wurde im Oktober
2000 begonnen, und ein Teil davon wurde in seiner Scheune zum Trocknen
aufgehängt. Am 27. September 2000 waren von diesem Hanffeld einige Pflanzen
sichergestellt worden. Die Auswertung durch das Institut für Rechtsmedizin
der Universität Bern ergab einen THC-Gehalt von 3%. Die Ernte 2000 wurde von
X.________ im November 2000 unter polizeilicher Aufsicht verbrannt.

B.
Das Bezirksgericht Muri sprach X.________ am 3. April 2001 von Schuld und
Strafe frei. Das Obergericht des Kantons Aargau verurteilte ihn am 6.
Dezember 2001 wegen mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
(Art. 19 Ziff. 1 BetmG) zu vier Monaten Gefängnis, bedingt vollziehbar bei
einer Probezeit von drei Jahren, und zu einer Busse von 1'000 Franken.

C.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben.

D.
Das Obergericht hat unter Hinweis auf die Ausführungen im angefochtenen
Urteil auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 19 Ziff. 1 BetmG wird mit Gefängnis oder mit Busse unter anderem
bestraft, wer vorsätzlich unbefugt alkaloidhaltige Pflanzen oder Hanfkraut
zur Gewinnung von Betäubungsmitteln anbaut. Dem Beschwerdeführer wird zur
Last gelegt, er habe in den Jahren 1999 und 2000 Hanfkraut mit einem
THC-Gehalt von ca. 4% beziehungsweise ca. 3% angebaut.

Der Beschwerdeführer stellt mit Recht nicht in Abrede, dass er durch sein
Verhalten den objektiven Tatbestand der Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz im Sinne von Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1 BetmG erfüllt hat.
Er macht mit Recht auch nicht geltend, dass bei der Tatbestandsvariante des
Anbaus von Hanfkraut gemäss Art. 19 Ziff. 1 Abs. 1 BetmG in Anbetracht des
darin umschriebenen Handlungsziels -"... zur Gewinnung von
Betäubungsmitteln..."-  Eventualvorsatz für die Bestrafung nicht ausreiche
(siehe dazu BGE 126 IV 198 E. 2). Der Beschwerdeführer ist aber der
Auffassung, er habe entgegen der Ansicht der Vorinstanz nicht
eventualvorsätzlich gehandelt. Mit Recht habe die erste Instanz ihn denn auch
mangels Vorsatzes von Schuld und Strafe freigesprochen.

2.
Die Vorinstanz hält fest, der Beschwerdeführer habe nicht mit direktem
Vorsatz gehandelt. Weder habe er genau gewusst, was mit seiner Ernte
geschehen würde, noch habe er konkret Betäubungsmittel vertreiben wollen
(angefochtenes Urteil S. 15). Die Vorinstanz ist der Auffassung, der
Beschwerdeführer habe aber billigend in Kauf genommen, dass seine Abnehmer
sein getrocknetes Erntegut als Betäubungsmittel oder zur Gewinnung von
Betäubungsmitteln missbrauchen könnten. Zur Begründung weist sie darauf hin,
dass der Beschwerdeführer ein erfahrener Landwirt und zugleich Mitglied des
Vorstands des Vereins Aargauischer Hanfproduzenten sei und seit 1995 Hanf
anbaue. Er habe nach seinen eigenen Aussagen gewusst, dass die von ihm
verwendeten Samen nicht im Sortenkatalog aufgeführt seien, und ausgesagt, die
von ihm verwendeten Hanfsamen entsprächen etwa dem erhältlichen Produkt
"HelvetiCa CH 03". Daraus sei zu schliessen, dass der Beschwerdeführer den
Inhalt des Sortenkatalogs für Hanf genau gekannt und somit auch über den
darin enthaltenen und massgebenden THC-Grenzwert von 0,3% Bescheid gewusst
habe. Der Beschwerdeführer sei nach seinen Angaben davon ausgegangen, dass
der von ihm angebaute Hanf einen THC-Gehalt von mindestens 1,2% aufweise. Er
habe nach seinem Eingeständnis nicht ausgeschlossen, dass aus seinem Hanf
auch so genannte Duftkissen hergestellt würden; gegenüber der Polizei habe er
sogar ausdrücklich ausgesagt, dass seine Pflanzen hauptsächlich für
Duftsäcklein und Duftkissen verwendet würden. Den Abnehmern der Ernte des
Jahres 1999 habe er erklärt, sie dürften den Hanf nur für Öl, Sirup etc.
verwenden; er wolle nicht deswegen ins Gefängnis. Dem Beschwerdeführer sei
die breit angelegte Diskussion betreffend die Hanfproblematik bekannt gewesen
und er habe auch um die in den Medien publizierten und kommentierten Urteile
bezüglich Hanfanbau gewusst; seine gegenteiligen Behauptungen seien als
unglaubhafte Schutzbehauptungen zu werten. Die Vorinstanz kommt zum Schluss,
der Beschwerdeführer habe die missbräuchliche Verwendung seines Hanfes
billigend in Kauf genommen, indem er bewusst keine THC-arme Sorte angebaut
und es im Wissen um die Missbrauchsmöglichkeit des Hanfkrauts als
Betäubungsmittel unterlassen habe, die konkrete Verwendung zu prüfen. Der
Beschwerdeführer habe demnach mit Eventualvorsatz gehandelt und damit auch
subjektiv den Tatbestand von Art. 19 Ziff. 1 BetmG erfüllt (angefochtenes
Urteil S. 15 bis 19).

2.1  Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs
bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt,
weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm
abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 251, mit
Hinweisen). Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft so
genannte innere Tatsachen, ist damit Tatfrage und kann daher im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt
werden. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn bei Fehlen eines Geständnisses
des Beschuldigten aus äusseren Umständen auf jene inneren Tatsachen
geschlossen wird. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass sich insoweit Tat-
und Rechtsfragen teilweise gewissermassen überschneiden. Daher hat der
Sachrichter die relevanten tatsächlichen Umstände möglichst erschöpfend
darzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen Umständen er auf  Inkaufnahme
der Tatbestandsverwirklichung geschlossen und damit auf Eventualvorsatz
erkannt hat. Denn der Sinngehalt der zum Eventualdolus entwickelten Formeln
lässt sich nur im Lichte der tatsächlichen Umstände des Falles prüfen, und
das Bundesgericht kann daher in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung
dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes
überprüfen (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 252; 119 IV 242 E. 2c S. 248; Schubarth,
Nichtigkeitsbeschwerde - Staatsrechtliche Beschwerde - Einheitsbeschwerde?
AJP 1992 S. 851 f.).
2.2  Die Vorinstanz ist auf Grund verschiedener Umstände zum Schluss gelangt,
der Beschwerdeführer habe eine missbräuchliche Verwendung seines Hanfes in
Kauf genommen. Sie ist von einem zutreffenden Rechtsbegriff des
Eventualvorsatzes ausgegangen. Sie hat dabei die rechtlich relevanten
Umstände herangezogen und diese richtig bewertet. Was der Beschwerdeführer
dagegen vorbringt, ist, soweit im Verfahren der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde zulässig, unbegründet.

Die Hanfplanzen wiesen tatsächlich einen THC-Gehalt von 4% bzw. 3% und nach
den subjektiven Vorstellungen des Beschwerdeführers gemäss dessen Angaben
einen THC-Gehalt von mindestens 1,2% auf (siehe dazu angefochtenes Urteil S.
16). Von diesem Wert ging der Beschwerdeführer aus, weil eine Untersuchung
des von ihm in früheren Jahren verwendeten Hanfsamens aus eigener Produktion
im Jahre 1995 einen THC-Gehalt von 1,2 bis 1,6% ergeben hatte (siehe
angefochtenes Urteil S. 7, erstinstanzlicher Entscheid S. 6 ). Dass die
Behörden damals offenbar nicht einschritten, berührt nach den zutreffenden
Ausführungen im angefochtenen Entscheid (S. 18/19) nicht die Frage des
Vorsatzes des Beschwerdeführers, sondern die Frage nach einem allfälligen
Rechtsirrtum im Sinne von Art. 20 StGB). Einen Rechtsirrtum durfte die
Vorinstanz aber ohne Verletzung von Bundesrecht mit den im angefochtenen
Urteil (S. 18 ff.) genannten und in der Nichtigkeitsbeschwerde übrigens nicht
angefochtenen Argumenten verneinen. Ein THC-Gehalt von mindestens 1,2%, von
welchem der Beschwerdeführer nach eigenen Aussagen ausging, überschreitet den
zulässigen "Grenzwert" um ein Mehrfaches. Der "Grenzwert" von 0,3% ist
entgegen den Andeutungen in der Nichtigkeitsbeschwerde (S. 7) nicht erst
durch BGE 126 IV 198, der nach den inkriminierten Taten ausgefällt bzw.
veröffentlicht wurde, als massgebender Wert festgelegt worden. BGE 126 IV 198
weist lediglich darauf hin, dass die zuständigen Bundesämter in mehreren
Erlassen unterschiedliche Grenzwerte für den zulässigen THC-Gehalt festgelegt
haben, und hält fest, dass diese Grenzwerte als Massstab dafür dienen können,
ab welchem Gehalt an THC ein Hanfprodukt als Betäubungsmittel gelten muss und
nach Art. 8 Abs. 1 lit. d BetmG nicht  in Verkehr gebracht werden darf (siehe
dazu auch angefochtenes Urteil S. 11). BGE 126 IV 198 verweist insbesondere
auf die Sortenkatalog-Verordnung des Bundesamtes für Landwirtschaft vom 7.
Dezember 1998 (SR 916.151.6; siehe AS 1999 429 ff.), deren Anhang 4 unter
anderem die Hanfsorten aufführt, deren Saatgut anerkannt wird und in Verkehr
gebracht werden darf, und welcher den zulässigen THC-Gehalt auf unter 0,3%
festlegt. Gemäss den im vorliegenden Verfahren für den Kassationshof
verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz war dem
Beschwerdeführer die Sortenkatalog-Verordnung und damit auch der darin
genannte "Grenzwert" bekannt und wusste er auch um die strafrechtliche
Problematik des Anbaus von  Hanf, welche schon vor der Ausfällung des
zitierten Bundesgerichtsentscheids vom 13. März 2000 bestand und diskutiert
wurde. Der Beschwerdeführer erklärte nach seinen eigenen Aussagen zum einen
den Abnehmern der Ernte des Jahres 1999, dass der Hanf nur für Öl, Sirup etc.
verwendet werden dürfe, da er nicht deswegen ins Gefängnis wolle, und er
rechnete gemäss seinen eigenen Aussagen zum andern damit, dass sein Hanf auch
zur Herstellung von so genannten Duftkissen verwendet würde (angefochtenes
Urteil S. 16). Unter diesen Umständen durfte die Vorinstanz ohne Verletzung
von Bundesrecht zum Ergebnis gelangen, der Beschwerdeführer habe eine
Verwendung des von ihm angebauten Hanfs als Betäubungsmittel im Sinne des
Eventualvorsatzes in Kauf genommen und damit den Tatbestand von Art. 19 Ziff.
1 Abs. 1 BetmG vorsätzlich erfüllt.

Der Beschwerdeführer hat allerdings erstens nichts unternommen, um die
Qualität des von ihm angebauten Hanfes auf irgendeine Weise - etwa durch
Ausscheidung der männlichen Pflanzen - zu steigern; er hat sich zweitens
darauf beschränkt, den Hanf anzupflanzen und nach der Ernte zum Trocknen zu
lagern; er hat drittens die Ernte 1999 zu einem relativ niedrigen Preis
verkauft; er hat viertens den im Jahre 2000 geernteten Hanf schliesslich
unter polizeilicher  Aufsicht vernichtet. Aus diesen Umständen folgt indessen
bloss, dass dem Beschwerdeführer nicht direkter Vorsatz in Bezug auf die
Verwendung des Hanfes als Betäubungsmittel vorzuwerfen ist; die genannten
Umstände schliessen aber einen diesbezüglichen Eventualvorsatz des
Beschwerdeführers nicht aus.

3.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer
die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, sowie der
Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Mai 2002

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: