Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.508/2002
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6S.508/2002 /kra

Urteil vom 11. März 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Borner.

E. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher lic.iur. Urs Lienhard,
Kasinostrasse 25, 5000 Aarau,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau.

Verweigerung des bedingten Strafvollzugs,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
2. Strafkammer, vom 15. November 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Aarau verurteilte E.________ am 12. Dezember 2001 wegen
mehrfacher Urkundenfälschung und mehrfacher z.T. qualifizierter Widerhandlung
gegen das Strassenverkehrsgesetz zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 3
Monaten und Fr. 300.-- Busse, teilweise als Zusatzstrafe zu einem Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 17. April 1998.

Auf Berufung des Verurteilten und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft
des Kantons Aargau stellte das Obergericht des Kantons Aargau am 15. November
2002 das Verfahren wegen Nichttragens der Sicherheitsgurten infolge
Verjährung ein; es setzte die Busse auf Fr. 150.-- fest, verweigerte den
bedingten Strafvollzug und bestätigte im Übrigen den erstinstanzlichen
Entscheid.

B.
E.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und dem Angeklagten sei für die ausgefällte
Freiheitsstrafe der bedingte Strafvollzug zu gewähren.
Das Obergericht schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde (act. 6).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen ist kassatorischer
Natur (Art. 277ter Abs. 1 BStP; SR 312.0). Soweit der Beschwerdeführer mehr
als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten (BGE 125 IV 298 E. 1).

2.
Der Beschwerdeführer rügt, mit der Verweigerung des bedingten Strafvollzugs
habe die Vorinstanz Art. 41 StGB verletzt.

2.1 Nach Art. 41 Ziff. 1 StGB kann der Vollzug einer Freiheitsstrafe von
nicht mehr als 18 Monaten aufgeschoben werden, wenn Vorleben und Charakter
des Verurteilten erwarten lassen, er werde dadurch von weiteren Delikten
abgehalten. Der Richter hat also eine Prognose über das zukünftige Verhalten
des Täters anzustellen. Dabei steht dem Sachrichter ein erhebliches Ermessen
zu, bei dessen Ausübung er sich jedoch auf sachlich haltbare Gründe stützen
muss. Das Bundesgericht hebt den Entscheid der Vorinstanz auf, wenn sie nicht
von rechtlich massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder diese in
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens unrichtig gewichtet hat.

In subjektiver Hinsicht kommt es für die Gewährung des bedingten
Strafvollzugs vor allem auf die Aussichten dauerhafter Besserung des
Verurteilten an. Dabei ist eine Gesamtwürdigung aller wesentlicher Umstände
vorzunehmen. In die Beurteilung miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen
das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige
Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung
zulassen. Es ist unzulässig, unter den nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zu
berücksichtigenden Umständen einzelnen eine vorrangige Bedeutung beizumessen
und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen (BGE 118
IV 97 E. 2a/b).

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, wenn die aus fünf Richtern bestehende
erste Instanz unter dem Eindruck einer persönlichen Befragung des
Beschwerdeführers einstimmig zum Schluss komme, dass eine günstige Prognose
gestellt werden könne, sei dies höher zu gewichten als der gegenteilige
Schluss der Vorinstanz, gefällt in einer Besetzung von bloss drei Richtern,
rein aufgrund der Akten und ohne persönlichen Eindruck des Beschwerdeführers.
Wohl bestehe auch im Bereich der günstigen Prognose eine erhebliche
Bandbreite richterlichen Ermessens. Den erstinstanzlichen Entscheid
umzustossen bedürfe aber sehr triftiger Gründe, die hier nicht auszumachen
seien.

Im Gegensatz zum Bezirksgericht berücksichtigte die Vorinstanz bei der
Beurteilung der Prognose nicht nur die einschlägigen Vorstrafen des
Beschwerdeführers, sondern darüber hinaus seinen allgemeinen Leumund ("seit
1989 musste er ununterbrochen betrieben werden ... und kann im heutigen
Zeitpunkt seinen Lebensunterhalt - trotz abgeschlossener Ausbildung als
Elektroingenieur - nicht selber bestreiten"), sein Verhalten in der
Strafuntersuchung ("er hat sich während des ganzen Verfahrens unkooperativ
gezeigt und schreckte auch nicht davor zurück, Untersuchungsorgane aufs
Ärgste zu beschimpfen") und seine offenkundige Einsichtslosigkeit. Nachdem
der Beschwerdeführer selbst keinerlei Elemente vorbringt, die für eine
günstige Prognose sprechen würden, ist insgesamt von einem klaren Fall
auszugehen, in welchem die Vorinstanz in Abweichung vom erstinstanzlichen
Urteil die Gewährung des bedingten Strafvollzugs verweigern durfte (vgl.
Roland Schneider, Strafgesetzbuch, Basler Kommentar, Art. 41 N 82).

Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist nicht stichhaltig. Mit dem
Argument, es sei das Recht jedes Angeschuldigten, die gegen ihn erhobenen
Vorwürfe in Abrede zu stellen, versucht der Beschwerdeführer, "sein
renitentes Verhalten in der Strafuntersuchung" zu bagatellisieren. Die
Vorinstanz hat nämlich nicht nur verbindlich festgestellt, dass er sich
während des ganzen Verfahrens unkooperativ und damit renitent verhalten habe,
sondern dass er zudem Untersuchungsorgane aufs Ärgste beschimpft habe.
Entgegen der Darstellung des Beschwerdeführers ist zudem seine renitente
Grundhaltung nicht im Zusammenhang mit seinen Darlehensschuldnern zu sehen,
denen er hinterherrennen müsse. Aus dem angefochtenen Entscheid geht deutlich
hervor, dass damit das Verhalten des Beschwerdeführers "während des ganzen
(Straf-) Verfahrens" gemeint ist.

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da
seine Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist das Gesuch
abzuweisen (Art. 152 OG). Folglich wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch
seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 11. März 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: