Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.502/2002
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6S.502/2002 /kra

Urteil vom 7. April 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiberin Krauskopf.

AX.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech lic. iur. Beat Muralt,
Dornacherplatz 7, 4500 Solothurn,

gegen

D.________,
C.________,
beide vertreten durch Fürsprecher Bruno C. Lenz, Waisenhausplatz 14, 3011
Bern,
N.________, Solothurnstrasse 14, 2540 Grenchen,
Beschwerdegegner,
Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern.

Beteiligung an Raufhandel etc.,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil der 1. Strafkammer des Obergerichtes
des Kantons Bern vom 29. August 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 6. April 1995 schlug AX.________ bei einer Auseinandersetzung im
Z.________ Pub in Grenchen N.________ ein Bierglas ins Gesicht. Am 4. Februar
1996 benützte er während einer Schlägerei in Lyss ein Messer. Er verletzte
damit D.________ im Bereich zwischen Nasenspitze und Oberlippe sowie am
rechten Vorderarm. Die Nasenspitze von D.________ musste wieder angenäht
werden. C.________ erlitt Stichwunden im Bauch, der linken Lende und am Arm.

B.
Die Gerichtspräsidentin 17 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen verurteilte
AX.________ wegen einfacher Körperverletzung mit einem gefährlichen
Gegenstand und wegen Raufhandels zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 4
Monaten als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil des Gerichtsstatthalters
Solothurn-Lebern vom 12. April 1995 und als Zusatzstrafe zum Urteil der
Staatsanwaltschaft des Kantons Neuenburg vom 11. Mai 1998. AX.________ wurde
zudem zur Bezahlung verschiedener Schadenersatz- und Genugtuungssummen an die
drei Opfer verpflichtet.

Die 1. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern verlängerte am 29.
August 2002 die gegen AX.________ angesetzte Probezeit von drei auf vier
Jahre und bestätigte im Übrigen das erstinstanzliche Urteil, soweit es noch
nicht in Rechtskraft erwachsen war.

C.
AX.________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Bern sei in Bezug auf die
Zivilforderungen von D.________, C.________ und N.________ aufzuheben und die
Zivilforderungen seien vollumfänglich abzuweisen. Eventualiter sei die Sache
zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Obergericht weist in der Vernehmlassung darauf hin, dass die erste
Instanz den Schaden von D.________ auf Grund des Bedarfs von 2-3 Flaschen
Rhinomer berechnete. Im angefochtenen Urteil sei weiterhin von dieser
Voraussetzung ausgegangen worden, obwohl Prof. M.________ den Bedarf auf eine
Flasche pro Woche geschätzt habe.
Das Bundesgericht hat mit heutigem Datum eine staatsrechtliche Beschwerde von
AX.________ abgewiesen, soweit es darauf eintrat.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die
angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1
BStP). Der Kassationshof ist im Verfahren der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde an den von den kantonalen Behörden festgestellten
Sachverhalt gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Daher sind Ausführungen, die
der Beschwerdeführer gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides
vorbringt, unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP; BGE 126 IV 65 E. 1 S. 66
f.).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, mit einer Reduktion der Zivilforderungen
von D.________ und C.________ von nur 30% habe die Vorinstanz dem Umstand,
dass Letztere den Raufhandel begonnen hätten, nicht hinreichend Rechnung
getragen. Der Schadenersatz müsse um mindestens zwei Drittel herabgesetzt
werden. N.________ sei jeder Schadenersatz abzusprechen, da dieser wegen
seines provokativen Verhaltens die Verantwortung für seine Verletzungen
selber zu tragen habe.

2.1
2.1.1Insoweit der Beschwerdeführer seiner Rüge einen Sachverhalt zu Grunde
legt, der von den vorinstanzlichen Feststellungen abweicht, kann auf seine
Rüge nicht eingetreten werden (vgl. E. 1).

2.1.2 Ist der Zivilanspruch zusammen mit der Strafklage beurteilt worden, so
kann die Nichtigkeitsbeschwerde wegen dieses Anspruches unter anderem vom
Verurteilten ergriffen werden. Berufung ist ausgeschlossen (Art. 271 Abs. 1
BStP). Der Streitwert ist in der Beschwerdeschrift anzugeben, es sei denn, er
ergebe sich eindeutig auf Grund des angefochtenen Entscheids oder der
Aktenlage (BGE 127 IV 141 E. 1b S. 143 mit Hinweisen). Die Berufungssumme
bestimmt sich nach Massgabe der Rechtsbegehren, wie sie vor der letzten
kantonalen Instanz noch streitig waren (Art. 46 OG). Mehrere in einer
vermögensrechtlichen Klage geltend gemachte Ansprüche können für die
Berechnung des Streitwertes zusammengerechnet werden, sofern sie einander
nicht gegenseitig ausschliessen (Art. 47 Abs. 1 OG). Die Anträge betreffend
Zivilforderungen sind grundsätzlich zu beziffern (BGE 127 IV 141 E. 1c S.
143). Der Antrag auf Herabsetzung der Haftungsquote ist jedoch nicht zu
beziffern, da die Haftungsquote zu den Grundsatzfragen gehört, über die der
Strafrichter zu befinden hat, wenn das Opfer Zivilforderungen adhäsionsweise
geltend macht (Urteil 6S.754/2000 vom 15. Juni 2001, E. 3a/aa; vgl. auch BGE
123 IV 78 E. 2b S. 82; 122 IV 37 E. 2c und d S. 41 ff.).

Die Vorinstanz beurteilte den Strafpunkt zusammen mit den Zivilansprüchen der
Opfer, die der Beschwerdeführer vor ihr gesamthaft bestritt. Das Obergericht
sprach den drei Opfern Beträge zwischen Fr. 1'000.-- und Fr. 22'300.-- zu.
Die Berufungssumme von Fr. 8'000.-- ist somit erreicht. Aus der
Beschwerdebegründung geht klar hervor, in welchem Umfang der Beschwerdeführer
eine Herabsetzung der jeweiligen Haftungsquote beantragt. Auf die Beschwerde
kann somit eingetreten werden.

2.2  Nach Art. 44 Abs. 1 OR kann das Gericht die Ersatzpflicht ermässigen,
wenn Umstände, für die der Geschädigte einzustehen hat, auf die Entstehung
des Schadens eingewirkt haben. Die Haftung ist namentlich herabzusetzen, wenn
ein Selbstverschulden des Geschädigten vorliegt. Dessen Umfang zu würdigen,
liegt im richterlichen Ermessen. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn der
Entscheid auf sachfremden Kriterien beruht, wesentliche Elemente ausser Acht
lässt oder im Ergebnis offensichtlich falsch ist (BGE 123 III 306 E. 9b S.
315).

2.3 Die Vorinstanz führt aus, dass sich D.________ und C.________ aggressiv
verhalten und den Streit angezettelt hätten, weshalb die Herabsetzung ihrer
Forderungen gerechtfertigt sei. Auch wenn die Opfer nicht mit der -
unbestrittenermassen - unverhältnismässigen Reaktion des Beschwerdeführers
rechnen mussten, haben sie doch einen wesentlichen Beitrag zum Streit
geliefert, der in der Folge eskalierte. Damit haben sie eine Situation
geschaffen, in der auch mit  Körperverletzungen gerechnet werden musste. Die
Opfer tragen daher ein wesentliches Selbstverschulden an den ihnen zugefügten
Verletzungen. Die Vorinstanz berücksichtigte diesen Umstand. Andere
Herabsetzungskriterien sind nicht ersichtlich; der Beschwerdeführer bringt
auch keine weiteren Herabsetzungskriterien vor, die sich aus den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ergeben würden.
Die Vorinstanz stellt verbindlich fest, dass sich eine Abwehr mit dem offenen
Messer nicht aufdrängte. Der Beschwerdeführer versetzte einem Opfer mit der
Faust, in der er das offene Messer hielt, einen Schlag ins Gesicht. Dem
anderen Opfer stach er mit dem Messer in die Bauchgegend. Das überwiegende
Verschulden an den Verletzungen liegt, wie die Vorinstanz zu Recht darlegt,
beim Beschwerdeführer, der ein Messer in unverhältnismässiger Art und Weise
einsetzte. Dieses Verhalten lässt sein Verschulden als wesentlich schwerer
erscheinen als dasjenige seiner Gegner. Indem die Vorinstanz das
Selbstverschulden der Opfer auf 30% festlegte, beging sie somit keine
Ermessensüberschreitung. Da sie allen massgebenden Herabsetzungskriterien
Rechnung trug und auch ihr Ermessen nicht überschritt, kann ihr eine
Bundesrechtsverletzung nicht vorgeworfen werden.

2.4  Bezüglich der Ansprüche von N.________ hält die Vorinstanz fest, dass
diesen ein Selbstverschulden treffe, da er den Beschwerdeführer provoziert
habe. Das überwiegende Verschulden treffe aber Letzteren, da der Einsatz
eines gefährlichen Gegenstandes unverhältnismässig gewesen sei. Eine
Herabsetzung der Zivilansprüche um zwei Drittel sei daher gerechtfertigt.

Diese Argumentation erscheint als widersprüchlich. Wenn das Verschulden des
Beschwerdeführers als überwiegend zu bezeichnen ist, ist nicht verständlich,
warum dennoch eine Herabsetzung von mehr als 50% zu seinen Gunsten angenommen
wurde.

Insoweit der Beschwerdeführer in diesem Punkt seiner Beschwerde den minimalen
Begründungsanforderungen von Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP überhaupt genügt,
ist die Rüge jedoch unbegründet. Gemäss den vor Obergericht unangefochtenen
Feststellungen der erstinstanzlichen Richterin hat das Opfer den
Beschwerdeführer im Z.________ Pub angepöbelt, bis der Beschwerdeführer
schliesslich genug hatte und zuschlug. Die Provokation rechtfertigt zwar eine
Herabsetzung der Zivilansprüche. Wie die Vorinstanz aber zu Recht festhält,
war die Reaktion des Beschwerdeführers unverhältnismässig. Insbesondere
durfte er auf eine verbale Provokation hin seinen Gegner nicht mit einem
gefährlichen Gegenstand verletzen. Insoweit qualifizierte die Vorinstanz zu
Recht sein Verschulden als überwiegend. Eine Herabsetzung der Zivilansprüche,
die über zwei Drittel hinausgeht, ist somit nicht in Betracht zu ziehen. Da
eine Veränderung des angefochtenen Urteils zu Ungunsten des Beschwerdeführers
nicht zulässig ist (vgl. Art. 277bis Abs. 1 BStP), ist der angefochtene
Entscheid zu bestätigen, soweit auf die Beschwerde überhaupt eingetreten
werden kann.

3.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da
seine Begehren von vornherein aussichtslos erschienen, ist sein Gesuch
abzuweisen (Art. 152 Abs.1 OG), und er wird kostenpflichtig (Art. 278 Abs. 1
BStP). Seinen finanziellen Verhältnissen ist jedoch bei der Bemessung der
Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Generalprokurator des Kantons Bern und
der 1. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: