Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.493/2002
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6S.493/2002 /pai

Urteil vom 20. März 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Féraud, Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Kipfer Fasciati.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Ulrich, Industriestrasse
7, 6005 Luzern,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.

Widerhandlung gegen das BG über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer
und das Gastgewerbegesetz des Kantons Luzern
(Art. 23 Abs. 4 ANAG, Art. 2 ANAG und Art. 20 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern,
II. Kammer, vom 6. November 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X.________ am 6. November 2002 im
Appellationsverfahren schuldig des mehrfachen vorsätzlichen Beschäftigens von
Ausländerinnen ohne Bewilligung (Art. 23 Abs. 4 ANAG), der mehrfachen
Verletzung der Meldepflicht (Art. 2 Abs. 2 i.V.m. Art. 23 Abs. 6 ANAG), des
mehrfachen Wirtens ohne Bewilligung (§ 32 GGG/LU) und des mehrfachen
verbotenen Waffentragens (Art. 33 Abs. 1 WG). Es verurteilte ihn zu einer
vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 6'000.--.

B.
Dem Urteil liegt namentlich folgender Sachverhalt zu Grunde: In der Zeit
zwischen Herbst 2000 und Frühjahr 2001 prostituierten sich im Saunaklub
"B.________" fünf ausländische Frauen aus Polen beziehungsweise Ungarn. Gegen
eine dieser Frauen bestand eine Einreisesperre. Die andern Frauen waren als
Touristinnen eingereist, ohne in der Folge Schritte zur Regelung des weiteren
Aufenthalts und zum Erhalt einer Aufenthaltsbewilligung zu unternehmen.
X.________ war Geschäftsführer des Saunaklubs "B.________". Die fünf Frauen
prostituierten sich im Klub unter seiner Aufsicht und nach seinen Weisungen.
Ohne deren Tätigkeit als Prostituierte hätte X.________ den Klub nicht
gleichermassen erfolgreich führen können. Ferner beherbergte er die
Prostituierten gegen Entgelt im Klub, ohne dies der Ortspolizei zu melden.

C.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde.

D.
Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt die Abweisung der Beschwerde,
soweit überhaupt auf diese einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft schliesst
auf Abweisung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 23 Abs. 4 ANAG. Er bringt
im Wesentlichen vor, in seinem Klub hätten sich keine Ausländerinnen ohne
Arbeitsbewilligung prostituiert, sondern nur Schweizerinnen, er habe von
Ausländerinnen ohne Bewilligung in keiner Art und Weise profitiert, denn
diese hätten nichts verdient und ihm auch nichts abgeben müssen.

Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen
Vorinstanz gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Einwendungen gegen die
Beweiswürdigung und gegen tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz sind
unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Soweit der Beschwerdeführer die
Beweiswürdigung kritisiert, vom festgestellten Sachverhalt abweicht oder sich
auf Tatsachen beruft, die im angefochtenen Urteil nicht festgehalten sind,
kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 126 IV 65 E. 1).

Was der Beschwerdeführer zur Begründung vorbringt, sind Behauptungen
tatsächlicher Art, die in klarem Widerspruch zu den von der Vorinstanz
getroffenen tatsächlichen Feststellungen stehen. Die Beschwerde ist in diesem
Punkt unzulässig.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 73 StGB (recte: Art. 72
Ziff. 2 Abs. 2 StGB) und Art. 109 StGB. Er bringt vor, die Beschäftigung
einer Ausländerin vom 29. September 2000 bis 15. November 2000 sei verjährt;
das angefochtene Urteil datiere zwar vom 6. November 2002, es sei ihm aber
erst am 19. November 2002 zugestellt worden.

Gemäss dem am 1. Oktober 2002 in Kraft getretenen neuen Verjährungsrecht
verjähren Übertretungen in drei Jahren (Art. 109 StGB; AS 2002 2986), und der
Lauf der Verjährung endet mit dem erstinstanzlichen Urteil (Art. 70 Abs. 3
StGB; AS 2002 2993). Das neue Recht ist für den Beschwerdeführer damit nicht
günstiger, weshalb das alte Recht anzuwenden ist (Art. 337 StGB).

Mit dem verurteilenden Erkenntnis der kantonalen Appellationsinstanz hört die
Verfolgungsverjährung auf. Entscheidend ist dabei das Datum der Ausfällung
und nicht jenes der Zustellung des Entscheides (BGE 127 IV 220 E. 2, 121 IV
64 E. 2). Die Beschwerde ist in diesem Punkt demnach unbegründet.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 ANAG. Er wendet
ein, dass gemäss Art. 2 Abs. 1 die Vollziehungsverodnung zum Bundesgesetz
über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAV; SR 142.201) die
Meldepflicht nur den Gastgeber treffe, denjenigen also, der einem nicht in
seinem Dienst stehenden Ausländer Unterkunft gewähre. Wenn er schon im Sinne
von Art. 23 Abs. 4 ANAG als Arbeitgeber der Ausländerinnen angesehen werde,
dann sei er nicht auch Gastgeber im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ANAG und folglich
nicht meldepflichtig gewesen.

Art. 2 Abs. 1 ANAG regelt die Anmeldung der Ausländer in der Schweiz. Hierbei
unterscheidet der Gesetzgeber zwischen den Ausländern, die zur Übersiedlung
oder zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit eingereist sind, und den übrigen
Ausländern. Erstere haben sich binnen acht Tagen und jedenfalls vor Antritt
der Stelle, letztere vor Ablauf von drei Monaten anzumelden. Diese Bestimmung
bezweckt die Information der schweizerischen Behörden über den Aufenthalt
ausländischer Staatsangehöriger in der Schweiz. Die Anmeldungspflicht des
Betroffenen wird ergänzt durch Verpflichtungen von Dritten: Während der
Arbeitgeber, der einen Ausländer beschäftigen will, sich um die Formalitäten
des Arbeitsverhältnisses - insbesondere das Vorliegen einer
Arbeitsbewilligung - zu kümmern hat (Art. 3 Abs. 3 ANAG), ist der Gastgeber
verpflichtet, die Anwesenheit des Ausländers der zuständigen Behörde zu
melden (Art. 2 Abs. 2 ANAG). Gemäss der in Art. 2 Abs. 1 ANAV gegebenen
Definition ist Gastgeber im Sinne von Art. 2 Abs. 2 ANAG, "wer einer Person,
die nicht in seinem Dienst steht [...], Unterkunft gewährt". Die Meldepflicht
des Gastgebers nach Art. 2 Abs. 2 ANAG entfällt also, wenn dieser zugleich
Arbeitgeber ist. Damit bringt der Verordnungsgeber zum Ausdruck, dass die
Pflichten des Gastgebers wertungsmässig in jenen des Arbeitgebers enthalten
sind. Verletzt ein Arbeitgeber, der zugleich Gastgeber ist, seine Pflichten,
indem er einen Ausländer illegal beschäftigt, so macht er sich nach Art. 23
Abs. 4 ANAG strafbar. Eine zusätzliche Bestrafung wegen Verletzung der
Meldepflicht hat nach dem klaren Wortlaut der Verordnung zu entfallen. Dies
gilt auch deshalb, weil die Meldepflicht des Gastgebers kein weiter gehendes
Rechtsgut betrifft als das von Art. 23 Abs. 4 ANAG geschützte. Die Beschwerde
ist demnach in diesem Punkt gutzuheissen.

4.
Der Beschwerdeführer rügt schliesslich eine Verletzung von Art. 20 StGB
(Verbotsirrtum). Er sei zu Unrecht wegen Wirtens ohne Bewilligung (§ 5 Abs. 1
und § 2 Abs. 2 lit. d des kantonalen Gastgewerbegesetzes GGG) verurteilt
worden, weil er zureichende Gründe gehabt habe anzunehmen, mit dem Betrieb
eines privaten Klubs nicht unter das Gastgewerbegesetz zu fallen.

Die Verletzung von Bundesrecht ist der einzig zulässige Beschwerdegrund im
Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Rügen gegen die Anwendung kantonalen Rechts sind nicht zulässig (Art. 273
Abs. 1 lit. b BStP).

Die Verurteilung wegen verbotenen Wirtens fusst auf kantonalem Recht. In
diesem Zusammenhang hat die Vorinstanz, als sie einen Verbotsirrtum verneint
hat, Art. 20 StGB nicht als eidgenössisches, sondern als kantonales Recht
(vgl. § 1 des luzernischen Übertretungsstrafgesetz UeStG) angewendet (BGE 103
IV 76 E. 1). Auf die Beschwerde kann in diesem Punkt somit nicht eingetreten
werden.

5.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist teilweise gutzuheissen, im Übrigen aber
abzuweisen, soweit überhaupt auf sie eingetreten werden kann.

Der Beschwerdeführer obsiegt teilweise, weshalb ihm eine reduzierte
Parteientschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten ist (Art. 278
Abs. 3 BStP). Soweit er unterliegt, sind ihm die reduzierten Gerichtskosten
aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Luzern aufgehoben, soweit es den Schuldspruch wegen
mehrfacher Verletzung der Meldepflicht im Sinne von Art. 2 Abs. 2 i.V. mit
Art. 23 Abs. 6 ANAG betrifft; im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen,
soweit überhaupt darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dem Beschwerdeführer wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Entschädigung von Fr. 750.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 20. März 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: