Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.482/2002
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6S.482/2002 /pai

Urteil vom 9. Januar 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Borner.

Bank A.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. René Schwarzmann,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich.

Einziehung,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Strafkammer, vom 28. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Zürich verurteilte C.________ am 20. November 2000 wegen
gewerbsmässigen Betrugs und mehrfacher Urkundenfälschung zu drei Jahren
Zuchthaus. Schuldspruch und Strafe erwuchsen in Rechtskraft.

Überdies ordnete das Bezirksgericht an: "Die mit Verfügung der
Bezirksanwaltschaft Zürich, Büro D-2, vom 29. Mai 1998 bei der Bank
A.________, Konto Nr. XY, gesperrten Vermögenswerte von Fr. 153'348.60 werden
eingezogen. Die Bank A.________ wird ersucht, den Betrag nach Eintritt der
Rechtskraft des Urteils der Kasse des Bezirksgerichtes Zürich zu überweisen".

Gegen diese Verfügung rekurrierte die Bank A.________ beim Obergericht des
Kantons Zürich, das den Rekurs am 28. Oktober 2002 abwies.
Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Bank A.________ gegen diesen
Entscheid wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich am 16. September 2003
ab.

B.
Dem Beschluss des Obergerichts vom 28. Oktober 2002 liegt folgender
Sachverhalt zu Grunde:

C.________ tätigte betrügerische Anlagegeschäfte, indem er Kundengelder
grösstenteils für eigene private und geschäftliche Zwecke, teilweise über
seine Firma S.________ AG, verwendete.

Seit Anfang 1997 stand die S.________ AG mit der Bank A.________ in
Verhandlungen über den Kauf von Räumlichkeiten an einer Geschäftsstrasse in
Zürich. Nachdem man sich über die wesentlichen Punkte geeinigt hatte, bezog
die S.________ AG im September 1997 die Räumlichkeiten mit Einwilligung der
Bank A.________, Eigentümerin der Stockwerkeigentumsanteile. Da die Parteien
von einem baldigen Abschluss des Kaufvertrags ausgingen, wurde kein Entgelt
für die Benützung der bezogenen Räume vereinbart. Am 19. November 1997
überwies die S.________ AG auf Ersuchen der Bank A.________ Fr. 200'000.--
als Anzahlung an den Kaufpreis auf ihr Konto Nr. XY. Das Geld war
deliktischer Herkunft. Die S.________ AG benützte die Räumlichkeiten
schliesslich während achtzehn Monaten, auch noch nachdem sie am 8. Dezember
1998 in Konkurs gefallen war. Der Kaufvertrag kam nicht zustande.

Nach Empfang der Beschlagnahmeverfügung vom 29. Mai 1998 machte die Bank
A.________ bessere Rechte am beschlagnahmten Geld geltend. Sie erhob am 4.
März 1999 beim Konkursamt verrechnungsweise eine Forderung aus der
Überlassung der Geschäftsräume zum Gebrauch im Betrag von Fr. 153'348.60.

C.
Die Bank A.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und
beantragt, der Beschluss des Obergerichtes vom 28. Oktober 2002 sei
aufzuheben.

Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet (act. 4).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, es stehe überhaupt nicht fest, dass der
eingezogene Betrag durch eine strafbare Handlung erlangt worden sei. Die
gegenteilige Feststellung der Vorinstanz beruhe auf einem offensichtlichen
Versehen im Sinne von Art. 277bis Abs. 1 BStP. Deshalb sei eine Einziehung
unzulässig.

1.1 Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen
Behörde gebunden. Offensichtlich auf Versehen beruhende Feststellungen
berichtigt er allerdings von Amtes wegen oder auf Gesuch (Art. 277bis Abs. 1
BStP; BGE 118 IV 88 E. 2b).

Die Versehensrüge hat einen sehr engen Anwendungsbereich; sie beschränkt sich
auf Fälle reiner Unachtsamkeit. Sie darf nicht verwechselt werden mit der
Rüge der willkürlichen Beweiswürdigung, die ausschliesslich mit der
staatsrechtlichen Beschwerde vorgebracht werden kann. Sobald die kantonale
Behörde eine Tatsache gestützt auf Beweiswürdigung festgestellt hat, kommt
die Versehensrüge nicht mehr in Betracht (BGE 121 IV 104 E. 2b, 118 IV 88 E.
2b).

1.2 Die Vorinstanz hält fest, die Beschwerdeführerin habe die parallel zum
Rekurs eingereichte Berufung zurückgezogen, worauf das Berufungsverfahren als
erledigt abgeschrieben worden sei. Damit sei über das Ausmass der strafbaren
Handlungen und den abzuschöpfenden Deliktserlös rechtskräftig entschieden.
Sie beruft sich dabei auf den Beschluss der II. Strafkammer des Obergerichts
vom 16. August 2001, wonach das Berufungsverfahren an die III. Strafkammer
überwiesen und als dadurch erledigt abgeschrieben wurde.

Die Beschwerdeführerin wendet ein, sie habe die Berufung nicht zurückgezogen;
deshalb sei über die entsprechenden Fragen auch noch nicht rechtskräftig
entschieden. Damit spricht sie nicht ein Versehen bei der Feststellung des
für die Anwendung des Bundesrechts massgebenden Sachverhalts an, sondern eine
Frage des kantonalen Prozessrechts, nämlich jene der Bedeutung des
Beschlusses vom 16. August 2001 und der sich daraus ergebenden Befassung der
Vorinstanz. Diese Frage kann im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde nicht
aufgeworfen werden. Die Beschwerdeführerin hat denn auch eine entsprechende
Rüge in der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde erhoben.

1.3 Die Vorinstanz vertritt die rechtliche Auffassung, sie könne im Rahmen
eines Rekurses gegen eine akzessorische Einziehung nicht darüber befinden, ob
der Erlös, der dem Verurteilten gemäss Entscheid des Bezirksgerichts aus
strafbarer Handlung zukam, effektiv durch die Delikte erlangt worden ist, für
deren Begehung der Verurteilte rechtskräftig verurteilt wurde. Deshalb trat
sie auf den Einwand der Beschwerdeführerin, der Nachweis der deliktischen
Herkunft der Fr. 200'000.-- sei nicht erbracht, nur teilweise ein.

Die Beschwerdeführerin entgegnet, sie habe Anspruch darauf, auf dem
Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen, ob der möglicherweise der Einziehung
unterliegende Vermögenswert tatsächlich durch eine strafbare Handlung erlangt
wurde. Welcher Bundesrechtssatz einen solchen Anspruch gewähren soll,
präzisiert sie allerdings nicht und ist auch nicht ersichtlich. Die Kognition
der Vorinstanz folgt aus dem kantonalen Prozessrecht, dessen Anwendung im
Rahmen der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht überprüft werden
kann.

1.4 Die Vorinstanz hat die Frage der Herkunft des eingezogenen Geldes
diskutiert und insbesondere aus dem Umstand, dass der Verurteilte nebst der
deliktischen Tätigkeit keine weiteren wesentlichen beruflichen Aktivitäten
entfaltete, aus denen er ein legales Einkommen auch nur zur Bestreitung des
Lebensunterhalts hätte erzielen können, auf eine deliktische Herkunft
geschlossen. Damit hat sie den Sachverhalt nach einer Würdigung der Beweise
festgelegt. Eine Versehensrüge fällt damit nicht in Betracht. Im Übrigen hat
das Kassationsgericht eine in diesem Zusammenhang erhobene Willkürrüge
abgewiesen.

1.5 Ein offensichtliches Versehen im Sinn von Art. 277bis BStP liegt damit
nicht vor. Es bleibt bei der Feststellung der Vorinstanz, dass die Fr.
200'000.--, die als Anzahlung auf den Kaufpreis geleistet und teilweise auf
dem Konto der Beschwerdeführerin beschlagnahmt wurden, mittels einer Straftat
erlangt worden waren. Damit ist der auf dem Konto liegende Betrag
grundsätzlich gemäss Art. 59 Ziff. 1 Abs. 1 StGB einziehbar.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB.
Danach ist eine Einziehung ausnahmsweise ausgeschlossen, wenn ein Dritter die
Vermögenswerte in Unkenntnis der Einziehungsgründe erworben hat und soweit er
für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht hat oder die Einziehung ihm
gegenüber sonst eine unverhältnismässige Härte darstellen würde.

2.1 Vermögenswerte, die aus einer Straftat stammen, werden grundsätzlich
eingezogen, auch wenn sie von Drittpersonen erworben worden sind. Denn
Delikte sollen sich nicht nur für den Täter, sondern auch für Dritte nicht
lohnen. Die strikte Umsetzung dieses Grundsatzes kann aber mit der
Eigentumsgarantie kollidieren; deshalb hat der Gesetzgeber Ausnahmen
vorgesehen (Niklaus Schmid, Kommentar Einziehung - Organisiertes Verbrechen -
Geldwäscherei, Bd. I, Zürich 1998, Art. 59 StGB, N 77).

Vorausgesetzt für das Absehen einer Einziehung bei Drittpersonen werden
einerseits guter Glaube beim Erwerb (Unkenntnis der Einziehungsgründe) und
anderseits gleichwertige Gegenleistung oder unverhältnismässige Härte für den
Betroffenen. Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein. Somit
können auch beim Dritten, der eine Gegenleistung erbracht hat, Vermögenswerte
eingezogen werden, sofern er nicht gutgläubig war. In diesem Fall geht das
Gesetz weiter, als nach dem Grundsatz, dass sich strafbares Handeln nicht
lohnen dürfe, nötig wäre. Es folgt hier der zivilrechtlichen Regelung, wonach
vom Bösgläubigen jederzeit die Herausgabe der erworbenen Sache verlangt
werden kann (Art. 936 ZGB; Florian Baumann, Deliktisches Vermögen,
Dargestellt anhand der Ausgleichseinziehung, Diss. Zürich 1997, S. 30 und
38).

2.2 Der Wortlaut der Ausnahmeklausel von Art. 59 Ziff. 1 Abs. 2 StGB setzt
(in allen drei Amtssprachen) den guten Glauben nur für den Erwerb des
deliktischen Vermögens ausdrücklich voraus ("die Vermögenswerte in Unkenntnis
der Einziehungsgründe erworben hat"), lässt dagegen offen, ob auch die
Gegenleistung gutgläubig erfolgen muss ("soweit er für sie eine gleichwertige
Gegenleistung erbracht hat"). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
scheidet die Einziehung nur aus, wenn auch die Gegenleistung in gutem Glauben
erbracht wird (ebenso Niklaus Schmid, a.a.O., Art. 59 StGB, N 90 in fine).
Andernfalls könnte derjenige, der ohne Gegenleistung Deliktsgut erworben hat
und daher mit einer Einziehung rechnen müsste, diese noch nachträglich durch
eine Gegenleistung abwenden. Dies stünde aber dem Zweck des Art. 59 Ziff. 1
Abs. 2 StGB entgegen, wonach bei bösem Glauben die Einziehung auch bei
Erbringung einer Gegenleistung möglich sein soll.

2.3 Nach den vorinstanzlichen Feststellungen nahm die Beschwerdeführerin die
Anzahlung auf den Kaufpreis von Fr. 200'000.-- in Unkenntnis der
Einziehungsgründe in Empfang. Vor der Beschlagnahme dieses Betrags durch die
Bezirksanwaltschaft am 29. Mai 1998 stellte sie offenbar nie Rechnung für die
Benützung ihrer Räumlichkeiten durch die S.________ AG. Erst nach der
Beschlagnahme machte sie ihre Gegenforderung aus faktischem Mietverhältnis
geltend, indem sie nun die Verrechnung erklärte. Die Gegenleistung in Form
der Verrechnung der Mietzinsansprüche erfolgte somit in Kenntnis der
Einziehungsgründe. In dieser Situation ist aber die Einziehung gemäss Art. 59
Ziff. 1 Abs. 2 StGB nicht ausgeschlossen (E. 2.2 in fine).

Die Vorinstanz scheint demgegenüber als massgeblich anzusehen, dass die
Beschwerdeführerin einen Teil ihres zur Verrechnung gebrachten Anspruchs vor
der Beschlagnahmeverfügung erwarb, da sie ihre Räumlichkeiten der S.________
AG schon fast ein Jahr vor der Beschlagnahme zur Benützung überlassen hatte.
Sie hatte jedoch - vor der Erklärung der Verrechnung - nie geltend gemacht,
dass die Überlassung ihrer Räumlichkeiten als Gegenleistung für die Anzahlung
an den Kaufpreis anzusehen sei, noch  ergab sich dies aus den Umständen.
Massgeblicher Zeitpunkt für die Gegenleistung ist daher die Erklärung der
Verrechnung, d.h. der 4. März 1999. Damals war die Beschwerdeführerin aber
nicht mehr gutgläubig.

2.4 Fehlt es somit an der Gutgläubigkeit der Gegenleistung, hat die
Vorinstanz die Einziehung des fraglichen Geldbetrags zu Recht bestätigt.
Unter diesen Umständen kann die Frage der Entgeltlichkeit der
Gebrauchsüberlassung offen bleiben. Die Beschwerde ist unbegründet.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Ausgangsgemäss trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 9. Januar 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: