Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.472/2002
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6S.472/2002 /kra

Urteil vom 22. Januar 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Ernst Kistler,
Steinackerstrasse 7, Postfach 160, 5201 Brugg AG,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau.

Verweigerung des bedingten Strafvollzugs (Art. 41 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
3. Strafkammer, vom 28. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
X. ________ überschritt am 17. August 2001 auf zwei Streckenabschnitten der
Autobahn A3 die signalisierten Höchstgeschwindigkeiten von 100 bzw. 120 km/h
um jeweils mindestens 40 km/h.

Am 30. August 2001 fuhr er mit seinem Lieferwagen in einer Linkskurve
ungenügend rechts, so dass der entgegenkommende Personenwagen-Lenker eine
Vollbremsung einleiten und nach rechts ausweichen musste. Dennoch kam es zu
einer Kollision zwischen den beiden Fahrzeugen.

Das Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, sprach X.________
deswegen am 28. Oktober 2002 von der Anklage der groben Verletzung von
Verkehrsregeln durch Nichtanpassen der Geschwindigkeit an die
Sichtverhältnisse frei. Demgegenüber fand es ihn schuldig der mehrfachen,
teilweise groben Verletzung von Verkehrsregeln und des Übertretens der
Verordnung über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum
Strassenverkehr. Es bestrafte ihn mit fünf Wochen Gefängnis unbedingt und mit
einer Busse von Fr. 1'000.--. Gleichzeitig verzichtete es auf den Widerruf
des X.________ mit Strafbefehl des Bezirksamtes Brugg vom 30. Januar 2001 für
die Gefängnisstrafe von sieben Tagen gewährten bedingten Strafvollzugs; aber
es verwarnte ihn und verlängerte die Dauer der Probezeit um eineinhalb Jahre.

B.
Gegen X.________ waren zuvor folgende Administrativmassnahmen und Strafen
ausgesprochen worden:

a) Ende April 1999 bestrafte ihn das Untersuchungsrichteramt Oensingen zu
einer Busse von Fr. 560.--, weil er Mitte März 1999 die signalisierte
Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn um 33 km/h überschritten hatte. Wegen
des gleichen Vorfalls wurde ihm der Führerausweis für einen Monat entzogen;
die Massnahme wurde vom 22. Juli bis zum 21. August 1999 vollzogen.

b) Am 30. Januar 2001 verurteilte ihn das Bezirksamt Brugg wegen
verschiedener am 12. Mai 2000 begangener Widerhandlungen gegen das SVG
(ungenügender Abstand beim Hintereinanderfahren, nicht angepasste
Geschwindigkeit an die Strassen- und Sichtverhältnisse, Nichtbeherrschen des
Fahrzeuges usw.) zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 7 Tagen sowie zu
einer Busse von Fr. 650.--. Aufgrund dieses Vorfalls entzog ihm das
Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau den Führerausweis am 21. Juni 2001 für
6 Monate (Vollzug vom 1. Februar 2002 bis zum 30. Juni 2002). Gleichzeitig
ordnete es den Besuch eines eintägigen Verkehrsunterrichtes an (Fahrtechnik
und Verkehrssinnbildung). X.________ besuchte den Kurs am 26. Juni 2001.

C.
X.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Aargau vom 28. Oktober 2002 insoweit aufzuheben, als
ihm der bedingte Strafvollzug nicht gewährt wurde, und die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Das Obergericht verzichtet auf
Gegenbemerkungen zur Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verweigerung des bedingten
Strafvollzuges verletze Bundesrecht. Die Vorinstanz habe bei der Beurteilung
der Prognose nicht alle Umstände gewürdigt oder einzelne Gesichtspunkte
falsch gewichtet. Zu wenig Bedeutung messe sie seinen erst 22 Jahren, der
stabilisierenden Wirkung seiner jungen Ehe sowie seinem Wohlverhalten seit
den letzten Vorfällen bei. Da er das Auto beruflich jeden Tag benötige,
bestehe eine reelle Aussicht auf Besserung. Demgegenüber habe die Vorinstanz
übersehen, dass er seinen Führerausweis erst nach den neuen Taten für sechs
Monate habe abgeben müssen, weshalb die Massnahme damals noch keine
Warnwirkung habe entfalten können.

1.1 Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter den Vollzug einer
Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten aufschieben, wenn Vorleben und
Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde auch durch eine bedingt
vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abgehalten. Der Richter hat somit
eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters zu stellen. Dabei
steht dem Sachrichter ein erhebliches Ermessen zu, wobei die Gründe im Urteil
so wiedergegeben sein müssen, dass sich die richtige Anwendung des
Bundesrechts überprüfen lässt (BGE 117 IV 112 E. 3b). Das Bundesgericht hebt
einen Entscheid auf, wenn die Vorinstanz von rechtlich nicht massgebenden
Gesichtspunkten ausgegangen ist, oder wenn sie wesentliche Faktoren in
Verletzung ihres Ermessens falsch gewichtet, vernachlässigt oder ganz ausser
Acht gelassen hat (BGE 118 IV 97 E. 2b; 123 IV 107 E. 4a). Bei der Prüfung,
ob der Betroffene Gewähr für ein dauerndes Wohlverhalten bietet, sind alle
wesentlichen Umstände in ihrer Gesamtheit und nicht bloss isoliert
voneinander zu würdigen. In die Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den
Tatumständen das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die
gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die Aussichten seiner
Bewährung zulassen (BGE 118 IV 97 E. 2b). Um ein vollständiges Bild der
Täterpersönlichkeit zu erhalten, sind unter anderem die strafrechtliche
Vorbelastung, die Sozialisationsbiographie und das Arbeitsverhalten, das
Bestehen sozialer Bindungen sowie mögliche Hinweise auf Suchtgefährdungen zu
untersuchen. Massgebend sind insoweit die persönlichen Verhältnisse bis zum
Zeitpunkt des Entscheides (eingehend Roland M. Schneider, Basler Kommentar
StGB, Basel usw. 2003, Art. 41 N. 67 ff. mit zahlreichen Hinweisen).

1.2 Die Vorinstanz führt aus, der bedingte Strafvollzug sei hier zwar formell
möglich, doch könne er dem Beschwerdeführer angesichts der schlechten
Prognose nicht gewährt werden. Dass der Beschwerdeführer sich verheiratet
habe, in der väterlichen Unternehmung arbeite, im Betreibungsregister nicht
verzeichnet sowie schuldenfrei sei, könne sein deliktisches Vorleben nicht
aufwiegen. Bisher hätten ihn weder Geldstrafen noch bedingte Freiheitsstrafen
zu einem verkehrsregelgerechten Verhalten veranlasst. Trotz laufender
Probezeit für die mit Urteil vom 30. Januar 2001 ausgesprochene
Freiheitsstrafe, Verkehrsunterrichts und rechtskräftig angeordneten
Führerausweisentzugs für sechs Monate habe er erneut und noch gravierender
als zuvor im Strassenverkehr delinquiert. Sein Verhalten erscheine
verantwortungs- und skrupellos. Es sei damit augenfällig, dass sich der
Beschwerdeführer durch bloss bedingte Warnstrafen nicht von der Begehung
weiterer Delikte werde abhalten lassen. Die Voraussetzungen gemäss Art. 41
Ziff. 1 Abs. 1 StGB seien deshalb nicht erfüllt. Hingegen sei der gemäss
Strafbefehl des Bezirksamtes Brugg vom 30. Januar 2001 für die
Gefängnisstrafe von 7 Tagen gewährte bedingte Strafvollzug nicht zu
widerrufen. Der Beschwerdeführer habe noch keine Freiheitsstrafe absitzen
müssen. Deshalb sei davon auszugehen, dass ihn die neue, unbedingt
ausgesprochene Gefängnisstrafe von fünf Wochen nachhaltig beeindrucken und
von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abhalten werde (angefochtenes
Urteil S. 13 - 16).

1.3 Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht nicht. Die Vorinstanz hat
die wesentlichen Gesichtspunkte angemessen berücksichtigt und überzeugend
gewertet. Eine Ermessensverletzung liegt nicht vor. Es kann hier im
Wesentlichen auf die Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden
(Art. 36a Abs. 3 OG).

Es ist einzuräumen, dass der Beschwerdeführer noch jung ist und seine Heirat
ihn stabilisieren kann. Es darf ihm auch abgenommen werden, dass er im Beruf
mehr gefordert ist als zuvor und seine Abwesenheit während des Strafvollzugs
eine spürbare Lücke am Arbeitsplatz hinterlassen würde. Allerdings geht es
hier nur um eine Strafe von wenigen Wochen. Entscheidend ist jedoch, dass der
Beschwerdeführer unbeeindruckt von den Geldstrafen, der laufenden Probezeit
für eine Gefängnisstrafe von sieben Tagen, dem vollzogenen einmonatigen
Führerausweisentzug sowie dem bereits angeordneten sechsmonatigen
Führerausweisentzug erneut und schwerwiegend gegen die Strassenverkehrsregeln
verstiess. Selbst das laufende Strafverfahren nach dem Vorfall vom 17. August
2001 führte bei ihm zu keinem Umdenken und keiner Verhaltensänderung.
Erschwerend kommt hinzu, dass der Beschwerdeführer wenige Wochen vor den hier
zu beurteilenden Taten einen Verkehrsunterricht besucht hatte. Angesichts
dieser Umstände vermag der Beschwerdeführer daraus, dass der verfügte
sechsmonatige Führerausweisentzug im Zeitpunkt der neuen Taten noch nicht
vollzogen worden war, nichts zu seinen Gunsten abzuleiten. Schliesslich
bleibt noch festzuhalten, dass die Vorinstanz den bedingten Strafvollzug für
die Vorstrafe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht
widerrufen hat (vgl. BGE 116 IV 177).

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer die
Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 22. Januar 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: