Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.229/2002
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6S.229/2002 /pai

Urteil vom 13. Mai 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Boog.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Bischoff, Walchestrasse
17, 8006 Zürich,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach,
8023 Zürich.

Strafzumessung; bedingter Strafvollzug (Diebstahl usw.),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich,
I. Strafkammer, vom 14. Februar 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte X.________ mit Urteil vom 14.
Februar 2002 in zweiter Instanz des mehrfachen Diebstahlsversuches im Sinne
von Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 21 Abs. 1 StGB, einmal qualifiziert
begangen im Sinne von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 1 und 3 StGB, sowie des
mehrfachen Fahrens in angetrunkenem Zustand gemäss Art. 91 Abs. 1 SVG
schuldig und verurteilte ihn zu sieben Monaten Gefängnis, unter Anrechnung
von 19 Tagen Polizei- oder Untersuchungshaft, sowie zu einer Busse von Fr.
1'000.--. In einzelnen Anklagepunkten sprach es ihn frei. Den Vollzug der
Freiheitsstrafe schob es nicht auf. Ferner entschied das Obergericht über die
geltend gemachten Schadenersatzforderungen und beschloss über die Einziehung
bzw. Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände.

B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit dem Antrag, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben.

C.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Stellungnahme, die
Staatsanwaltschaft auf Vernehmlassung verzichtet.

D.
Mit Beschluss vom 30. Dezember 2002 hat das Kassationsgericht des Kantons
Zürich eine in derselben Sache erhobene kantonale Nichtigkeitsbeschwerde
abgewiesen.

E.
Mit Entscheid vom heutigen Datum hat der Kassationshof eine in derselben
Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit er darauf
eintrat.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst gegen die Strafzumessung. Dabei
rügt er im Wesentlichen, die Vorinstanz habe die Verletzung des
Beschleunigungsgebots und seine besondere Strafempfindlichkeit nicht
ausreichend berücksichtigt.

1.2 Gemäss Art. 63 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des
Täters zu; es berücksichtigt dabei die Beweggründe, das Vorleben und die
persönlichen Verhältnisse des Schuldigen. Das Gericht hat in seinem Urteil
die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe angestellt hat, in den
Grundzügen darzustellen. Dabei muss es in der Regel die wesentlichen
schuldrelevanten Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass festgestellt
werden kann, ob alle rechtlich massgeblichen Gesichtspunkte Berücksichtigung
fanden und wie sie gewichtet wurden. Insgesamt müssen seine Erwägungen die
ausgefällte Strafe als plausibel erscheinen lassen.

Bei der Gewichtung der zu beachtenden Komponenten steht dem urteilenden
Gericht ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift
in dieses auf Nichtigkeitsbeschwerde hin nur ein, wenn das kantonale Gericht
den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von
rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn es
wesentliche Komponenten ausser Acht gelassen bzw. falsch gewichtet hat oder
wenn die Strafe in einem Masse unverhältnismässig streng bzw. mild erscheint,
dass von einer Überschreitung oder einem Missbrauch des Ermessens gesprochen
werden muss (BGE 127 IV 101 E. 2; 124 IV 286 E. 4a; 123 IV 49 E. 2a; 122 IV
241 E. 1a je mit Hinweisen).

1.3  Die kantonalen Instanzen stellen eine Verletzung des
Beschleunigungsgebots fest, wobei die Vorinstanz annimmt, die Konsequenzen
der Verzögerung seien "für das Verfahren nicht gravierend" gewesen.

Nach der Rechtsprechung ist bei der Strafzumessung der festgestellten
Verletzung des Beschleunigungsgebots Rechnung zu tragen. Dabei erscheint
entscheidend, wie schwer der Beschuldigte durch die Verfahrensverzögerung
getroffen wurde. Der Richter hat im Urteil darzulegen, in welchem Ausmass er
eine festgestellte Verletzung des Beschleunigungsgebots berücksichtigt (BGE
117 IV 124 E. 4d und e).

Im angefochtenen Entscheid wird der festgestellten Verfahrensverzögerung nur
wenig Gewicht beigemessen, weil die Konsequenzen nicht gravierend gewesen
seien. Dementsprechend reduziert die Vorinstanz die Strafe auf Grund dieses
Umstands nur in geringem Masse. Der Beschwerdeführer macht demgegenüber
geltend, das überlange Verfahren habe wegen der damit verbundenen
Unsicherheit ihn und seine Familie stark belastet, weshalb diesem Umstand bei
der Strafzumessung mehr Gewicht hätte beigemessen werden müssen. Er übersieht
jedoch, dass jedes Strafverfahren für den Betroffenen und seine Angehörigen
erhebliche Unannehmlichkeiten mit sich bringt. Vorliegend mag die überlange
Verfahrensdauer wohl eine gewisse zusätzliche Belastung bewirkt haben, doch
ist nicht ersichtlich, inwiefern diese ein besonderes Ausmass angenommen
haben sollte. Der Beschwerdeführer bringt denn auch keine konkreten
Anhaltspunkte vor, aus denen hervorginge, dass die lange Dauer des Verfahrens
ihn und seine Familie in besonderer Weise getroffen hätte. Unter diesen
Umständen erweist sich die von der Vorinstanz vorgenommene Gewichtung der
Verfahrensverzögerung nicht als bundesrechtswidrig.

Diese Erwägungen gelten im selben Masse, soweit der Beschwerdeführer geltend
macht, die Vorinstanz habe seine besondere Strafempfindlichkeit nicht
angemessen berücksichtigt.

Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wendet sich im Weiteren gegen die Verweigerung des
bedingten Strafvollzuges.

Die Vorinstanz nimmt an, der Beschwerdeführer habe sich bis zum 25. Mai 1992
im Strafvollzug befunden. Da die erste, mit einer Busse zu ahndende
Trunkenheitsfahrt vom 21. Januar 1997 in die Karenzfrist von fünf Jahren
gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB falle, sei der bedingte Strafvollzug der
für die nachfolgenden Delikte auszusprechenden Freiheitsstrafe schon aus
objektiven Gründen ausgeschlossen. Darüber hinaus könnte dem Beschwerdeführer
aber auch keine günstige Prognose gestellt werden. Die zahlreichen Vorstrafen
und die wiederholte Delinquenz trotz Verhaftung und laufender
Strafuntersuchung belegten, dass sich der Beschwerdeführer höchstens durch
vollzogene Sanktionen von weiteren Straftaten abhalten lasse.

2.2
2.2.1Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist der Aufschub des Strafvollzugs
nicht zulässig, wenn der Verurteilte innerhalb der letzten fünf Jahre vor der
Tat wegen eines vorsätzlich begangenen Verbrechens oder Vergehens eine
Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe von mehr als drei Monaten verbüsst hat. Nach
der Rechtsprechung ist, wo eine Gesamtstrafe gemäss Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1
StGB ausgesprochen wird, der bedingte Strafvollzug unabhängig davon
ausgeschlossen, ob die innerhalb der Fünf-Jahres-Frist nach verbüsster
Vorstrafe begangenen Taten Übertretungen oder Vergehen und Verbrechen
darstellen, sofern nur der Täter für die Übertretung eine Freiheitsstrafe
(Haft) verwirkt hat (BGE 113 IV 54).

Im zu beurteilenden Fall liegt entgegen der Auffassung der Vorinstanz
hinsichtlich der ersten Trunkenheitsfahrt und den übrigen Delikten keine
Gesamtstrafe im Sinne von Art. 68 Ziff. 1 StGB vor. Nach dieser Bestimmung
wird eine Gesamtstrafe ausgesprochen, wenn der Täter durch eine oder mehrere
Handlungen mehrere Freiheitsstrafen (Abs. 1) oder mehrere Bussen (Abs. 2)
verwirkt hat. Die Vorinstanz spricht für den einzigen in die Karenzzeit
fallenden Vorfall des Fahrens in angetrunkenem Zustand vom 21. Januar 1997 -
im Gegensatz zur ersten Instanz - ausschliesslich eine Busse aus. Die
Delikte, für welche sie die Gesamtfreiheitsstrafe ausfällt, hat der
Beschwerdeführer nach Ablauf der Karenzfrist begangen. Als Einsatzstraftat
gilt dabei der Einbruchdiebstahl vom 4. August 1997. Der Gewährung des
bedingten Strafvollzuges stehen daher, wie der Beschwerdeführer zu Recht
vorbringt,  keine objektiven Gründe entgegen. Es verhält sich insofern genau
gleich wie beim Rückfall nach Art. 67 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, dessen
Voraussetzungen die Vorinstanz aus eben diesen Gründen verneint.

2.2.2 Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Vollzug einer
Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten aufgeschoben werden, wenn
Vorleben und Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde dadurch von
weiteren Delikten abgehalten. Ob der Verurteilte für ein andauerndes
Wohlverhalten Gewähr bietet, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller
wesentlichen Umstände zu entscheiden. In die Beurteilung miteinzubeziehen
sind neben den Tatumständen auch das Vorleben und der Leumund sowie alle
weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des Täters und die
Aussichten seiner Bewährung zulassen. Für die Einschätzung des
Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich.
Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung,
Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer
Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw. Dabei sind die persönlichen
Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit einzubeziehen. Es ist
unzulässig, unter den nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zu berücksichtigenden
Umständen einzelnen eine vorrangige Bedeutung beizumessen und andere zu
vernachlässigen oder überhaupt ausser Acht zu lassen (BGE 128 IV 193 E. 3a
mit Hinweisen).

Dem Richter steht auch hier ein erhebliches Ermessen zu, bei dessen Ausübung
er sich auf sachlich haltbare Gründe stützen muss. Das Bundesgericht hebt den
Entscheid der Vorinstanz wie bei der Strafzumessung nur auf, wenn sie nicht
von rechtlich massgebenden Gesichtspunkten ausgeht oder diese in
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens unrichtig gewichtet (vgl. BGE
123 IV 107 E. 4; 118 IV 97 E. 2a).

Die Vorinstanz verneint eine günstige Prognose, weil der Beschwerdeführer
zahlreiche Vorstrafen aufweise und trotz Verhaftung und laufender
Strafuntersuchung weiter delinquiert habe. Es könne nicht davon ausgegangen
werden, er werde auch bei bedingtem Strafvollzug davon abgehalten, weitere
Delikte zu begehen. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei dieser
Beurteilung ausser Acht gelassen, dass er sich seit vier Jahren nichts mehr
habe zu Schulden kommen lassen und sich sein Lebensumfeld völlig verändert
habe. Die von ihm angeführten Umstände, die nur berücksichtigt werden können,
soweit sie von den kantonalen Instanzen festgestellt wurden (Art. 273 Abs. 1
lit. b BStP), dokumentieren in erster Linie einen Wohnortswechsel, belegen
aber die behauptete tiefgreifende Wandlung nicht. Vor allem trifft es nicht
zu, dass der Beschwerdeführer erst seit April 2000 mit seiner Freundin
zusammenlebt. Auch sonst bestehen keine Anhaltspunkte, welche Anlass böten,
die Bewährungsaussichten des Beschwerdeführers wesentlich anders als die
Vorinstanz einzuschätzen. Diese hat daher das ihr in diesem Bereich
zustehende Ermessen nicht verletzt.
Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.

3.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: