Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.167/2002
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6S.167/2002 /kra

Urteil vom 17. Juli 2002
nach Sitzung vom 23. Mai 2002 betreffend Legitimation
Kassationshof

Bundesrichter Schubarth, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, 4410
Liestal,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Advokatin Susanna Marti, Aeschenvorstadt
67, Postfach, 4010 Basel.

Widerruf des bedingten Strafvollzugs (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 und 2 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Basel-Landschaft vom 11. Dezember 2001.

Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht Basel-Landschaft verurteilte X.________ am 22. November 2000
wegen mehrfacher Veruntreuung, mehrfacher Unterdrückung von Urkunden sowie
Zuwiderhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu einer bedingten
Gefängnisstrafe von 14 Monaten. In Anwendung von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 und 2
StGB erklärte es ferner die gegen X.________ vom Strafgericht Basel-Stadt am
5. September 1996 wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz und mehrfachem Konsum von Betäubungsmitteln
ausgesprochene bedingte Gefängnisstrafe von 15 Monaten bei einer Probezeit
von 2 Jahren sowie die vom Amtsstatthalteramt Luzern am 14. September 1996
wegen Landfriedensbruchs ausgefällte bedingte Strafe von 1 Monat Gefängnis
bei einer Probezeit von 2 Jahren für vollstreckbar.

Auf Appellation des Verurteilten hin sprach ihn das Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft am 11. Dezember 2001 frei von den Vorwürfen der ungetreuen
Geschäftsbesorgung in drei Fällen, der Veruntreuung in zwei Fällen, sowie der
mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und des Betrugs je
in einem Fall; dem Verfahren im zweiten Vorwurf der Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz gab das Gericht keine weitere Folge. Mit gleichem
Urteil sprach es X.________ schuldig der mehrfachen Veruntreuung und der
mehrfachen Unterdrückung von Urkunden. Es bestrafte ihn deswegen zu 9 Monaten
Gefängnis, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei einer Probezeit
von 3 Jahren. Ferner verzichtete es auf den Widerruf des bedingten
Strafvollzuges für die beiden Vorstrafen, verlängerte aber die für sie
geltenden Probezeiten je um 1 Jahr.

B.
Das Besondere Untersuchungsrichteramt Basel-Landschaft führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei das Urteil des Obergerichts des
Kantons Basel-Landschaft vom 11. Dezember 2001 hinsichtlich des Verzichts auf
den Widerruf des bedingten Strafvollzuges für zwei Vorstrafen von insgesamt
16 Monaten aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Das Obergericht (seit 1. April 2002: Kantonsgericht) Basel-Landschaft
beantragt mit Eingabe vom 6. Mai 2002 die Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf einzutreten sei. Im Übrigen verzichtet es auf eine Stellungnahme.

Der Beschwerdegegner beantragt Abweisung der Beschwerde soweit Eintreten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Urteil der Vorinstanz kann nicht durch ein kantonales Rechtsmittel wegen
Verletzung eidgenössischen Rechtes angefochten werden. Die
Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht ist damit grundsätzlich zulässig
(Art. 268 Ziff. 1 BStP).

Die Nichtigkeitsbeschwerde steht unter anderem dem öffentlichen Ankläger des
Kantons zu (Art. 270 lit. c BStP). Die Funktion des öffentlichen Anklägers
ist in den Kantonen regelmässig der Staatsanwaltschaft übertragen. Wer für
sie zur Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde berechtigt ist, beantwortet
sich nach dem jeweiligen kantonalen Recht (Schubarth, Nichtigkeitsbeschwerde
2001, N 87 mit Hinweis). Wem allgemein und in einem bestimmten Fall die
Funktion des öffentlichen Anklägers zukommt, sagt das kantonale Prozessrecht.
Hingegen ergibt sich ausschliesslich nach Bundesrecht, ob nur einem und
gegebenenfalls welchem oder mehreren öffentlichen Anklägern nebeneinander die
Befugnis, eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde zu führen, zukommt (vgl. BGE
115 IV 152 E. 4).

Gemäss § 139 StPO/BL (SGS 251) arbeitet die Staatsanwaltschaft auf Grund der
Akten die Anklageschrift aus. Sie erhebt die Anklage (§ 143 StPO/BL) und ist
auch zur kantonalen Appellation legitimiert (§ 177 Abs. 1 lit. b StPO/BL).
Die revidierte Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft in der
Fassung vom 3. Juni 1999 hat ein "Besonderes Untersuchungsrichteramt"
(abgekürzt BUR) geschaffen, das in dem von der Strafprozessordnung näher
eingegrenzten Bereich der Wirtschaftskriminalität und des organisierten
Verbrechens (vgl. § 8 Abs. 1-3 StPO/BL) gleichermassen für die Untersuchung
und die Anklageerhebung von Straftaten zuständig ist. Während im normalen
Verfahren ein Statthalteramt (§ 7 StPO/BL) die Untersuchung führt und die
Sache nach Abschluss der Untersuchung - soweit kein Strafbefehl zu erlassen
ist - an die Staatsanwaltschaft zur Anklageerhebung oder Einstellung
weiterleitet, vereinigt das BUR im Rahmen seiner Zuständigkeit alle
Kompetenzen von Statthalteramt und Staatsanwaltschaft in sich. Die
Strafprozessordnung umschreibt dies mit den Worten, dass das BUR "innerhalb
seines Zuständigkeitsbereichs dieselben Rechte und Pflichten wie die
Statthalterämter und die Staatsanwaltschaft" habe (§ 8 Abs. 4 StPO/BL). Die
definitive Gabelung der Verfahren erfolgt einzelfallbezogen und nach
sachlichen Gesichtspunkten (§ 8 Abs. 1-3 StPO/BL), wobei sich "die
Statthalterämter und das Besondere Untersuchungsrichteramt im Einzelfall über
die Zuständigkeit zur Durchführung der Strafuntersuchung verständigen" (§ 9
Abs. 2 StPO/BL). Bei Uneinigkeit entscheidet das Präsidium des
Verfahrensgerichts in Strafsachen endgültig über die Zuständigkeitsfrage (§ 9
Abs. 2 StPO/BL). Ist die Zuständigkeit entweder einvernehmlich oder
gerichtlich geklärt, nehmen die Verfahren bei der zuständigen Behörde ihren
Gang, womit die andere Behörde jegliche Einflussmöglichkeit auf das Verfahren
verliert. Die Untersuchung des BUR findet somit ausschliesslich unter der
Aufsicht des Verfahrensgerichts in Strafsachen statt, wie dies auch für die
Statthalterämter gilt (§ 119 Abs. 1 i.V.m. § 6 StPO/BL). Die revidierte
Strafprozessordnung hat das nach altem Recht bestehende Weisungsrecht der
Staatsanwaltschaft gegenüber den Statthalterämtern aufgegeben. Angesichts der
Vereinigung der Kompetenzen von Statthalterämtern und Staatsanwaltschaft beim
BUR dürfte die Staatsanwaltschaft auch nicht berechtigt sein, gegen
Verfügungen des BUR etwa über den Verzicht auf die Eröffnung einer
Untersuchung (zur Beschwerdekompetenz der Staatsanwaltschaft gegen solche
Verfügungen der Statthalterämter vgl. § 128 StPO/BL) Beschwerde an das
Verfahrensgericht in Strafsachen zu führen.

Zusammenfassend ergibt sich, dass eine Aufsichts- oder Weisungsbefugnis der
Staatsanwaltschaft über das BUR in der geltenden Strafprozessordnung nicht
vorgesehen ist. Der Bestimmung, wonach das BUR innerhalb seines
Zuständigkeitsbereiches dieselben Rechte und Pflichten hat wie die
Statthalterämter und die Staatsanwaltschaft, ist zu entnehmen, dass die
sachlichen bzw. übernommenen Verfahrenszuständigkeiten ausschliesslich sind
und das BUR gegenüber den Statthalterämtern und der Staatsanwaltschaft
vollständig unabhängig ist. Das BUR ist somit in den ihm zugedachten und
definitiv überlassenen Fällen der öffentliche Ankläger des Kantons im Sinne
von Art. 270 lit. c BStP. Zwar mag die dargelegte Regelung im Kanton
Basel-Landschaft insbesondere aus systematischer Sicht und unter
Effizienzgesichtspunkten Fragen aufwerfen, doch steht ihr keine Norm des
Bundesrechts entgegen. Die Kantone sind frei, ihre Gesetzgebungsautonomie auf
dem Gebiete des Strafprozessrechts im Rahmen der bundesrechtlichen Schranken
nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten (vgl. vorn E. 1 Abs. 2). Die
Legitimation des BUR zur Nichtigkeitsbeschwerde ist deshalb zu bejahen.

2.
2.1 Die Vorinstanz geht nach Vornahme einer Quotenausscheidung von einer für
die Frage des Widerrufs massgeblichen Strafe von 8 Monaten Gefängnis aus. Sie
bejaht einen leichten Fall im Sinne von Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB, da
aussergewöhnliche Umstände vorlägen, welche die Beurteilung der Schwere des
Falles beeinflussen würden und mit Blick auf die anstehende Revision des
Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches für den leichten Fall stärker als
bisher auf die Prognose abzustellen sei. Die Vorinstanz verweist insoweit auf
BGE 128 IV 3 (angefochtenes Urteil, S. 34-37).

Sie erwägt im Wesentlichen, der Vollzug der aufgeschobenen Vorstrafen würde
für den Beschwerdegegner eine unverhältnismässige Härte darstellen, habe sich
dieser seit seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft doch beruflich
erfolgreich eingegliedert und von seinem früheren Umfeld gelöst. Im Falle der
Verbüssung der Vorstrafen laufe der Beschwerdegegner Gefahr, seine
gegenwärtige Anstellung als stellvertretender Geschäftsführer einer in den
neuen Medien tätigen Gesellschaft zu verlieren. Damit würde er nicht nur
beruflich, sondern auch sozial destabilisiert. Er sei seit über 6 Jahren
verheiratet und lebe mit seiner Frau und seiner sechsjährigen Tochter
zusammen. Im laufenden Jahr sei es ihm gelungen, seine Stieftochter aus dem
Ausland zuzuziehen, welche nun in der Familie integriert sei. Auch habe er
sich um die Schuldentilgung bemüht sowie die Zinsen für die Kaution und
Gerichtskosten in der Höhe von Fr. 25'000.-- bezahlt. Es seien seit der
Entlassung aus der Untersuchungshaft keine neuen Schulden aufgelaufen. Die
anfänglich belegte Schuldenlast von Fr. 80'000.-- habe er mehr als hälftig
abgetragen. Durch einen Widerruf des bedingten Strafvollzuges würden die
"Fortsetzung der bisherigen Schuldentilgung" vereitelt und neue Schulden
provoziert. Angesichts der beruflichen und familiären Stabilisierung des
Beschwerdegegners sowie dessen Schuldentilgung erachte es das Gericht im
Hinblick auf den Sozialisierungszweck von Freiheitsstrafen "als
zweckmässiger", den Beschwerdegegner "nicht aus seinem stabilen Umfeld
herauszureissen" und den Strafvollzug antreten zu lassen. Der
Beschwerdegegner sei bereits resozialisiert, die Prognose sei gut, und ein
Strafvollzug würde mehr schaden als nutzen (angefochtenes Urteil, S. 38 f.).
Unter Berücksichtigung der neueren Praxis des Bundesgerichts, wonach die
Prognose zur Rückfallgefahr beim Entscheid über den Widerruf des bedingten
Strafvollzugs ausschlaggebend sei, rechtfertige es sich, von der
3-Monats-Regel ausnahmsweise abzuweichen und auf den Widerruf der beiden
Vorstrafen zu verzichten (angefochtenes Urteil, S. 40 f.).
2.2 Die Beschwerdeführerin macht eine Verletzung von Art. 41 Ziff. 3 StGB
geltend. Sie bringt vor, selbst wenn die Botschaft zum Entwurf eines neuen
Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches als alleiniges Kriterium für den
Verzicht auf den Widerruf die gute Prognose bezeichne und bei der Auslegung
des geltenden Rechts auf laufende Revisionen Bezug genommen werden könne,
verlange das geltende Recht für den Verzicht auf den Widerruf des bedingten
Strafvollzugs nicht nur eine gute Prognose sondern kumulativ einen leichten
Fall. Der Verzicht auf den Widerruf sei bereits formell ausgeschlossen. Auch
materiell seien die Voraussetzungen dafür nicht gegeben.

2.3 Der Beschwerdegegner übernimmt im Wesentlichen die Argumentation der
Vorinstanz (Stellungnahme, S. 3-9).

3.
3.1 Begeht der Verurteilte während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen,
handelt er trotz förmlicher Mahnung des Richters einer ihm erteilten Weisung
zuwider, entzieht er sich beharrlich der Schutzaufsicht oder täuscht er in
anderer Weise das auf ihn gesetzte Vertrauen, so lässt der Richter die Strafe
vollziehen (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 1 StGB). Wenn begründete Aussicht auf
Bewährung besteht, kann der Richter in leichten Fällen stattdessen, je nach
Umständen, den Verurteilten verwarnen, zusätzliche Massnahmen nach Art. 41
Ziff. 2 StGB anordnen und die im Urteil bestimmte Probezeit um höchstens die
Hälfte verlängern (Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB). Ein leichter Fall und gute
Bewährungsaussichten sind bei Verbrechen oder Vergehen während der Probezeit
kumulative und prinzipiell gleichwertige Voraussetzungen für den Verzicht auf
den Widerruf des bedingten Strafvollzugs.

Nach der Rechtsprechung ist ein leichter Fall im Sinne von Art. 41 Ziff. 3
Abs. 2 StGB in der Regel bei Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten anzunehmen.
Ausnahmen sind möglich bei besonderen (objektiven oder subjektiven)
Umständen, die nicht bereits für den Schuldspruch oder die Bemessung der
Strafe bestimmend waren. Für die Annahme eines leichten Falles trotz einer
Strafe von mehr als 3 Monaten kann beispielsweise sprechen, dass der
nachträgliche Vollzug der aufgeschobenen Strafe für den Täter eine
unverhältnismässige Härte bedeuten würde (BGE 117 IV 97 E. 3c, S. 102). Die
Annahme eines leichten Falles kommt jedoch nur in Betracht, wenn die
Freiheitsstrafe in der Nähe von 3 Monaten liegt ("aux alentours de cette
limite"). Das Bundesgericht hat deshalb einen leichten Fall bei einer
Gefängnisstrafe in der Grössenordnung von 7 Monaten generell verneint (BGE
122 IV 156 E. 3c), hingegen bei einer Gefängnisstrafe von 5 Monaten für zwei
Vergehen angenommen, ein leichter Fall könne unter Umständen in Betracht
kommen (Urteil 6S.830/1997 vom 2.03.1998).

3.2 Der Beschwerdegegner hat sich während den Probezeiten über einen Zeitraum
von 6 Monaten (März bis Anfang September 1998) 7 Verbrechen schuldig gemacht.
Nach Ablauf der Probezeiten hat er ein weiteres Verbrechen begangen. Die ihm
auferlegte Strafe beträgt 9 Monate. Nach Ausscheidung eines Monats für die
ausserhalb der Probezeiten begangene Tat geht die Vorinstanz für die Frage
des Widerrufs von einer Strafe von 8 Monaten Gefängnis aus. Das wird weder
von der Beschwerdeführerin noch vom Beschwerdegegner in Frage gestellt (vgl.
Stellungnahme, S. 6) und ist im Übrigen auch nicht zu beanstanden.

Die Voraussetzungen für den Widerruf des bedingten Vollzugs nach Art. 41
Ziff. 3 Abs. 1 StGB sind somit gegeben. Eine Freiheitsstrafe von 8 Monaten
Gefängnis für 7 Verbrechen ist mehr als doppelt so lang als die Grenze von 3
Monaten und liegt damit nicht mehr in deren Nähe. Die Annahme eines leichten
Falles fällt hier somit von vorneherein ausser Betracht. Daran vermag die in
den Beratungen stehende Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches
nichts zu ändern.

Selbst wenn man mit Blick auf die Revision dem Kriterium der günstigen
Bewährungsaussichten gegenüber jenem des "leichten Falles" Vorrang einräumen
wollte, könnte dies nicht dazu führen, eine Freiheitsstrafe in der
Grössenordnung von 8 Monaten für mehrere Verbrechen noch als "leicht"
einzustufen. Dies würde dem allgemeinen Sprachempfinden und den verankerten
Einschätzungen der Schwere von Straftaten widersprechen. Das geltende Recht
ist mehr vom Gedanken der Rechtsgleichheit als jenem der kriminalpolitischen
Zweckmässigkeit geprägt. Die laufende Revision (dazu BGE 128 IV 3 E. 4b und
c) kann die Auslegung des geltenden Rechts nicht so weit beeinflussen, als
dass sie das Kriterium des "leichten Falles" gänzlich in den Hintergrund
treten lassen würde.

Aus BGE 128 IV 3 lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten. Das Bundesgericht
hat dort seine Rechtsprechung zur Generalklausel der Vertrauenstäuschung in
Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB unter dem Blickwinkel der Begehung von
Übertretungen in der Probezeit überprüft. Es hat dabei berücksichtigt, dass
nach dem Entwurf Übertretungen in der Probezeit nur zum Widerruf führen
sollen, wenn dieses Verhalten damit zusammenhängt, dass der Verurteilte sich
der Bewährungshilfe entzieht oder Weisungen missachtet und zudem aufgrund
dieses Verhaltens eine erhebliche Gefahr entstanden ist, dass er weitere
Straftaten begeht (BGE a.a.O. E. 4b mit Hinweisen). Dies und die Kritik in
der Doktrin an der Generalklausel der Vertrauenstäuschung hat das
Bundesgericht veranlasst, diese künftig mit grösserer Zurückhaltung
anzuwenden und dabei wie in der Botschaft darauf abzustellen, ob sich die
Bewährungsprognose für den Verurteilten während der Probezeit so sehr
verschlechtert hat, dass nunmehr der Vollzug der Strafe als die
voraussichtlich wirksamere Sanktion erscheint (BGE a.a.O., E. 4c). Diese
Überlegungen lassen sich aufgrund der unterschiedlichen Ausgangslagen nicht
ohne weiteres auf die Auslegung des Begriffs des "leichten Falles" bei neuen
Verbrechen oder Vergehen übertragen. Sie könnten nur allenfalls dazu führen,
die 3-Monats-Grenze flexibler als bisher zu handhaben. Eine Ausweitung auf
Freiheitsstrafen bis zu 8 Monaten oder mehr ist jedoch ausgeschlossen.

3.3 Das angefochtene Urteil verletzt im Übrigen selbst dann Bundesrecht, wenn
man die formellen Voraussetzungen eines leichten Falles bejahen wollte. Die
Einwände der Beschwerdeführerin sind im Wesentlichen begründet. Die
Vorinstanz hat Gesichtspunkte bei der Bewertung der Schwere des Falles
herangezogen, die sie nicht hätte berücksichtigen dürfen. Auch hat sie bei
der Beurteilung der Bewährungsaussichten Momente ausser Acht gelassen, welche
sie stark in Frage stellen.

Wie die Beschwerdeführerin zutreffend vorbringt, hat die Vorinstanz bei der
Prognose nicht beachtet, dass der Beschwerdegegner während des
Untersuchungsverfahrens seinen ehemaligen Vorgesetzten A.________ (Mitinhaber
der B.________AG) der Teilnahme am Betrug über 3 Mio. US$ falsch beschuldigte
und davon erst in der Hauptverhandlung vor der ersten Instanz im November
2000 Abstand nahm (vgl. dazu auch angefochtenes Urteil, S. 14 unten). Auch
wenn dem Ausgang des laufenden Verfahrens wegen falscher Anschuldigung gemäss
Art. 303 Ziff. 1 StGB nicht vorzugreifen ist, so stellt dieses Verhalten die
Annahmen der Vorinstanz zur vollständigen Integration und Festigung des
Beschwerdegegners in den wesentlichen Lebensbereichen erheblich in Frage.
Auch deutet dies darauf hin, dass sich der Beschwerdegegner von Vorstrafen
und laufenden Verfahren nicht in einer Weise abschrecken liess, wie dies die
Vorinstanz ihm bescheinigt.
Bei der Beurteilung der Bewährungsaussichten hat die Vorinstanz ferner nicht
beachtet, dass sie im Anklagepunkt der Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz davon ausging, der Beschwerdegegner habe den
Tatbestand des Art. 19 Ziff. 1 BetmG sowohl objektiv als auch subjektiv
erfüllt. Der Umstand, dass sie aus Gründen der Rechtsgleichheit und
Opportunität (das Verfahren gegen Mitbeteiligte wurde eingestellt, weil das
Betäubungsmitteldelikt gegenüber den übrigen Anklagepunkten nicht ins Gewicht
fiel; angefochtenes Urteil, S. 27 unten) dem Verfahren keine weitere Folge
gab, ändert nichts daran, dass sich der Beschwerdegegner im
Betäubungsmittelbereich nicht bewährt hat. Am 5. September 1996 hatte ihn das
Strafgericht Basel-Stadt bereits wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz und mehrfachen Konsums von Betäubungsdelikten zu einer
bedingten Gefängnisstrafe von 15 Monaten verurteilt. Zudem ist angesichts des
Kokainkonsums im Zeitraum der begangenen neuen Delikte (angefochtenes Urteil,
S. 26 unten) nahe liegend, die Vorstrafe und die neuen Delikte auf die
gleiche Schwäche des Beschwerdegegners zurückzuführen. Die Vorinstanz hat
sich diesbezüglich mit der unbelegten Bemerkung begnügt, dass der
Beschwerdegegner "nach eigenen Aussagen seine Suchtproblematik in den Griff
gekriegt" habe (angefochtenes Urteil, S. 32).

Die Vorinstanz hat ferner die Stabilisierung des Beschwerdegegners in
familiärer und beruflicher Hinsicht, sein generelles Bemühen, "sein Leben in
Ordnung zu bringen", seine besondere Strafempfindlichkeit, sowie sein
Geständnis und die Einsicht in seine Verfehlungen bereits bei der Bemessung
der Strafe strafmindernd berücksichtigt (angefochtenes Urteil, S. 31 f.). Auf
diese Umstände durfte sie im Rahmen der Begründung für das Abweichen von der
Regel, wonach ein leichter Fall nur bei Freiheitsstrafen bis zu drei Monaten
anzunehmen ist, nicht mehr abstellen (BGE 117 IV 97 E. 3).

Entgegen der Auffassung der Vorinstanz ist ein Rückfall gute 5 Monate vor dem
Ablauf der minimalen Probezeit von zwei Jahren nicht als Rückfall "gegen Ende
der Probezeit" zu werten. Das wäre nur allenfalls bei einer längeren
Probezeit anzunehmen. Die Vorinstanz hat damit auch den Zeitpunkt der
Tatbegehung zu Unrecht im Rahmen der Würdigung des Falles als "leicht" zu
Gunsten des Beschwerdegegners gewürdigt. Entsprechendes gilt hier für den
zeitlichen Abstand zwischen dem Ablauf der Probezeiten bzw. der Tatbegehung
und dem Urteil des Obergerichts (angefochtenes Urteil, S. 39 f.). Ein
Zeitraum von rund drei Jahren ist angesichts der Komplexität des Falles nicht
lang und damit im Rahmen des Widerrufs unbeachtlich.

Schliesslich vermag der Beschwerdegegner aus dem Umstand, dass das
Obergericht des Kantons Basel-Landschaft in einem früheren, mit dem
Beschwerdegegner in keinem Zusammenhang stehenden Fall, von der
Rechtsprechung des Bundesgerichts abgewichen sein soll (Stellungnahme, S. 9),
nichts zu seinen Gunsten ableiten.

Damit fehlen hier besondere objektive oder subjektive Umstände, die nicht
bereits für den Schuldspruch oder die Bemessung der Strafe bestimmend waren,
und die eine Ausnahme von der durch die Rechtsprechung festgelegten
Regelgrenze für den leichten Fall gemäss Art. 41 Ziff. 3 Abs. 2 StGB
rechtfertigen könnten. Der Verzicht auf den Widerruf der beiden Vorstrafen
des Beschwerdegegners allein aufgrund der Schuldenzahlungen des
Beschwerdegegners und kriminalpolitischen Zweckmässigkeitsüberlegungen
verletzt Bundesrecht.

4.
Die Beschwerde ist gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens ist auf
die Erhebung von Kosten zu verzichten. Dem öffentlichen Ankläger des Kantons
steht keine Parteientschädigung zu (Art. 278 Abs. 3 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Basel-Landschaft vom 11. Dezember 2001 in
Dispositivziffer I.1. Abs. 4 und 5 aufgehoben und die Sache zu neuer
Beurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons
Basel-Landschaft sowie der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. Juli 2002

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: