Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.146/2002
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6S.146/2002/kra

Urteil vom 13. August 2002
Kassationshof

Bundesrichter Schubarth, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Kipfer Fasciati.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Hug,
Gartenhofstrasse 15, Postfach 9819, 8036 Zürich,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Bewährungsdienst Zürcher Oberland,
Amtsstrasse 3, 8610 Uster.

Vollstreckung aufgeschobener Strafen,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Beschluss UG 010026/U/pn des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 1. März 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 25. September
1996 unter anderem wegen versuchten bandenmässigen Raubes und qualifizierten
Diebstahls zu einer Gefängnisstrafe von 31/2 Jahren, unter Anrechnung der
Untersuchungshaft von 448 Tagen. Es ordnete eine ambulante Behandlung im
Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an und schob den Vollzug der
Freiheitsstrafe zu Gunsten dieser Massnahme auf.

B.
Am 11. Februar 1997 verfügte das Amt für Straf- und Massnahmenvollzug des
Kantons Zürich den Vollzug der ambulanten Massnahme. Am 4. Juli 2000 ordnete
der Sonderdienst des Amtes für Justizvollzug des Kantons Zürich, gestützt auf
Art. 2 Abs. 8 VStGB 1 (SR 311.01), den Aufschub des Vollzugs weiterer
Freiheitsstrafen von sechs beziehungsweise drei Tagen Haft an.

C.
Am 18. April 2001 stellte der Bewährungsdienst Zürcher Oberland die ambulante
Massnahme ein und ersuchte das Obergericht, den Vollzug der aufgeschobenen
Strafen anzuordnen.

D.
Mit Beschluss vom 1. März 2002 ordnete das Obergericht des Kantons Zürich den
Vollzug der aufgeschobenen Strafen an.

E.
X.________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Beschluss
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Er ersucht um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Auffassung der Vorinstanz ist der Beschwerdeführer nicht
therapiewillig. Die Therapie bei Dr. A.________ habe er abgebrochen, ohne
sich abzumelden, und auf dessen schriftliche und telefonische Nachfragen habe
er nicht reagiert. Zwar hätten sich seine diversen Umzüge ungünstig auf die
Therapie ausgewirkt, doch hätte er es in der Hand gehabt, irgendwo sesshaft
zu werden und seine Therapie - allenfalls bei einem anderen Therapeuten -
weiter zu führen. Vom Verurteilten habe erwartet werden dürfen, dass er sich
an einen Therapierahmen halte und einen vorgesehenen Therapieabbruch
vorgängig mit einem Therapeuten bespreche oder den Abbruch dem Therapeuten
wenigstens mitteile. Spätestens nach der ersten Ausschreibung hätte er wissen
müssen, dass auch die zuständige Amtsstelle über seinen Aufenthaltsort hätte
informiert werden müssen. Die Massnahme sei unter diesen Umständen als
gescheitert zu betrachten.

1.2 Die Vorinstanz prüft die verschiedenen Möglichkeiten bei Scheitern der
ambulanten Massnahme im Sinne von Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 StGB und führt aus,
dass der Richter erst zu entscheiden habe, ob und inwieweit aufgeschobene
Strafen zu vollstrecken seien, wenn weder eine Anstaltseinweisung noch eine
Verwahrung noch andere Massnahmen in Frage kommen.

Auf eine erneute Begutachtung könne verzichtet werden. Das Gericht könne die
Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer erneuten Massnahme stellten,
gestützt auf die früheren Gutachten und Arztberichte selber beantworten. Am
12. November 1991 habe Dr. B.________ ein Gutachten zu Handen des
Obergerichtes erstellt. Das Ergänzungsgutachten desselben Sachverständigen
datiere vom 8. Oktober 1993. Er liege somit rund sieben Jahre zurück. Dieser
zeitliche Abstand bedeute aber nicht, dass der Beschwerdeführer zwingend
erneut zu begutachten sei. Vorliegend gebe es keine Anhaltspunkte für eine
veränderte Entwicklung des Beschwerdeführers, die eine Neubeurteilung
verlangen würden. In seinem ersten Gutachten aus dem Jahre 1991 habe Dr.
B.________ festgehalten, eine langfristige ambulante psychotherapeutische
Behandlung sei grundsätzlich indiziert. Im Ergänzungsgutachten vom 1993 habe
Dr. B.________ ausgeführt, das Objektivierungsvermögen des Beschwerdeführers
erscheine als gering. Die ungenügende Bereitschaft und Fähigkeit zu
selbstkritischer Introspektion und zur In-Fragestellung seiner subjektiven
Standpunkte sei ein erhebliches Problem für die Behandlung. Die langfristige
Durchführbarkeit einer Behandlung habe sich - im Gegensatz zu seinen früher
geäusserten Bedenken - bestätigt, nachdem sie nun gesamthaft seit über drei
Jahren durchgeführt worden sei. Gleichzeitig komme er aber nicht umhin, die
weitere langfristige Durchführbarkeit der Behandlung für denjenigen Zeitpunkt
in Frage zu stellen, in dem es zu einer wirklichen therapeutischen
Auseinandersetzung und damit zu einer entscheidenden Veränderung des
Behandlungscharakters gekommen sein werde.

Aus dem Verlauf der Therapie bei Dr. A.________ schliesst die Vorinstanz
sodann, dass sich der Verurteilte auch gegenüber diesem Therapeuten nicht auf
eine eigentliche Therapie eingelassen habe.

Der Vollzug der aufgeschobenen Strafe sei deshalb anzuordnen.

2.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung von Art. 43 Ziff. 5 Abs. 1 StGB
geltend. Sinngemäss führt er aus, der Richter habe vor seinem Entscheid den
Arzt anzuhören. Zwar habe dies der Bewährungsdienst Zürcher Oberland getan.
In dem ärztlichen Bericht sei festgehalten, dass "Therapie-(Teil-)Ziele"
"nicht erreicht" worden seien, "Therapiefortschritte" "bis zum
Therapieabbruch weiterhin festgestellt werden" könnten. Dies bedeute, dass
ein gewisser Erfolg erzielt worden sei. Der Arzt erwähne aber nichts über die
Gefährdung bei einem Strafvollzug. Umstritten sei die Frage der
Erfolglosigkeit. Die Vorinstanz nehme dies an mit Hinweis auf den
Therapieabbruch und die Schwierigkeiten der Vollzugsbehörden, Kontakt mit dem
Beschwerdeführer zu halten. Ein solcher Kontakt sei ihm aber vom Gericht
nicht auferlegt worden. Die Vorinstanz stelle die Unzweckmässigkeit der
Massnahme auf Gutachten ab, die bereits viele Jahre zurücklägen.

Indem sich die Vorinstanz auf die alten Gutachten abstütze und die
Entwicklung in der Zwischenzeit nicht berücksichtige, komme sie zum falschen
Schluss, dass kein Teilerfolg erzielt worden sei, und sie lasse daneben nicht
prüfen, welches die Folgen des Strafvollzugs für die durchgeführten
Massnahmen wären.

Weiter wäre der heutige Vollzug der 31/2 Jahre Gefängnis unverhältnismässig.
Es sei neben der langen Zeitspanne zwischen den strafbaren Handlungen und dem
möglichen Strafvollzug zu berücksichtigen, dass er sich für mehrere Jahre in
einer Therapie befunden habe.

3.
Auf welche Grundlagen Entscheide über Massnahmen abzustützen sind, ist
gesetzlich nicht allgemein normiert; auch der Rechtsprechung lassen sich dazu
keine allgemein gültigen Grundsätze entnehmen. Die Gerichtspraxis zu Fragen
der Begutachtung von psychisch auffälligen Straftätern ist nicht leicht zu
überblicken. Während das Gesetz explizite Vorschriften über die
Entscheidgrundlagen bei der Anordnung von Massnahmen enthält, fehlen
entsprechende Bestimmungen für die Abänderung von Massnahmen im Verlauf des
Vollzugs und für die Beendigung von Massnahmen.

3.1 Bei der Anordnung von Massnahmen ist die rechtliche Situation klar. Es
ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer Massnahme, soweit sie
dem psychiatrischen Fachbereich zuzuordnen sind, regelmässig gutachterlich
abgestützt sein müssen. Bei stationärer Unterbringung geistig Abnormer ergibt
sich dies aus dem gesetzlichen Obligatorium gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3
StGB. Selbst dort, wo der Gesetzgeber einigen Spielraum offen liess, indem er
eine entsprechende Pflicht von der Erforderlichkeit einer gutachterlichen
Abklärung abhängig macht (Art. 44 Ziff. 1 Abs. 2 StGB), verhält er sich nicht
anders. Die Beantwortung der relevanten Fragen dürfte den Erfahrungshorizont
von Angehörigen der Justiz in der Regel sprengen. Überdies wird das dem
Richter zugebilligte Ermessen faktisch nicht zum Tragen kommen, weil sich
zumeist im Voraus kaum sagen lässt, welche Art von Massnahme in Frage kommen
könnte. Schliesslich ist auch im Zusammenhang mit Massnahmen nach Art. 44
StGB zu beachten, dass selbst bei eindeutigen Störungsbildern, wie sie etwa
bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit nicht selten sind, das Phänomen der
Komorbidität nicht ausser Acht gelassen werden darf. Alkohol- und
Drogenmissbrauch gehen häufig einher mit anderen psychischen Störungen, oft
mit Persönlichkeitsstörungen (Norbert Nedopil, Forensische Psychiatrie, 2.
Auflage, Stuttgart/ New York 2000, S. 100 und 116). Deshalb dürfen sich die
Entscheidungsträger bei Fragen nach der Notwendigkeit von Abklärungen nicht
dazu verleiten lassen, ihr Augenmerk einzig auf die deutlichen Symptome der
Suchtproblematik zu richten. Zu tolerieren ist dabei allerdings die Praxis,
soweit in einfachen Fällen von weniger grosser Tragweite - so etwa bei der
Anordnung von ambulanten Massnahmen - nach dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit auf ein umfassendes Gutachten verzichtet wird.
Allerdings müssen sich die relevanten Fragen auch hier zumindest auf Grund
eines so genannten Kurzgutachtens oder eines ärztlichen Berichtes beantworten
lassen.

3.2 Weniger eindeutig ist die Rechtslage, soweit die Grundlagen von
Entscheiden im Verlauf des Vollzugs oder bei Beendigung einer Massnahme zur
Diskussion stehen. Das Bundesgericht hat sich bisher zu dieser Frage kaum
geäussert.

Für die jährliche Prüfung einer Entlassung aus der Massnahme gemäss Art. 45
Ziff. 1 StGB hat der Gesetzgeber keine Begutachtung vorgeschrieben. Die
Vollzugsbehörden sind einzig gehalten, einen Bericht der Anstaltsleitung
einzuholen. Damit wird bei therapeutischen Massnahmen der behandelnde Arzt
zur Stellungnahme eingeladen. Der Arzt wird sich wohl primär zum Verlauf der
Behandlung und zum Therapieerfolg äussern. Eine Pflicht zur Begutachtung
lässt sich aus dieser Vorschrift nicht ableiten. Ein solcher Bericht kann den
Anforderungen an ein Gutachten indessen per se nicht genügen. Einem
Therapeuten muss diejenige Neutralität abgesprochen werden, welche von einem
Gutachter gemäss ständiger Gerichtspraxis verlangt wird, der für den
Entscheid über die Anordnung einer Massnahme beizuziehen ist (vgl. etwa
Urteile des Bundesgerichts 6P.43/2000 vom 26.April 2000 E. 1b, 6S.444/1999
vom 4. Oktober 2000 E. 2, je mit Hinw.).

Bei Entscheiden von grösserer Tragweite, wie etwa Entscheiden über die
Entlassung aus einer Verwahrung, ist es allerdings fraglich, ob nicht doch
weitere Entscheidungsgrundlagen erforderlich sind. Nach der bisherigen Praxis
des Bundesgerichts wird zwar ein Gutachten eines unabhängigen
Sachverständigen nicht generell als notwendig bezeichnet. Immerhin hat das
Bundesgericht aber darauf hingewiesen, dass sich in Fällen einer lange
dauernden Internierung die fachliche Beurteilung durch einen aussenstehenden
Psychiater unter bestimmten Umständen aufdrängen könnte (BGE 121 IV 1 E. 2).
Sodann ist zu beachten, dass der Entwurf des Bundesrates von 1998 zur
Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches - in diesem Punkt von beiden
Räten bestätigt (AB 1999 SR 1124; AB 2001 NR 574 u. 581) -, für die
Entlassung aus einer Verwahrung zwingend das Gutachten eines unabhängigen
Sachverständigen vorschreibt (Art. 64b Abs. 2). Soweit Fachkommissionen
beigezogen werden, was in schwierigeren Fällen heute regelmässig der Fall
sein dürfte, hat sich das Problem mittlerweile entschärft: Hier erfolgt eine
Beurteilung des Falles durch eine interdisziplinär zusammengesetzte Gruppe
von Fachleuten, welcher auch ein psychiatrischer Sachverständiger angehört.
Die Erwägungen der Fachkommissionen stellen eine fundierte und objektive
Entscheidungsgrundlage dar (kritisch zu den Fachkommissionen etwa
Stratenwerth, Zur Rolle der sog. "Fachkommissionen", in: Andreas
Donatsch/Marc Forster/Christian Schwarzenegger, Hgg., Strafrecht,
Strafprozessrecht und Menschenrechte, FS für Stefan Trechsel, Zürich 2002, S.
887 ff.). In vielen Fällen dürften die Fachkommissionen ihre Empfehlungen
zusätzlich sogar auf externe Gutachten abstützen. Allerdings wäre es
überspitzt, die jährliche Erstellung eines neuen Gutachtens zu verlangen.
Damit würde die Gefahr geschaffen, dass solche Abklärungen zu
Routinegeschäften werden. Prozessuale Leerläufe sind aber möglichst zu
vermeiden. Die Fachkommissionen erachten gemäss ihren eigenen Richtlinien die
Begutachtung eines Betroffenen in Zeitintervallen von drei Jahren für
erforderlich (vgl. etwa Ziff. 3.5 Abs. 2 der Richtlinien vom 1. Januar 2000
des Nordwestschweizerischen und Innerschweizerischen Strafvollzugskonkordates
und Ziff. 2.2 der Richtlinien des Ostschweizerischen Strafvollzugskonkordates
über den Vollzug von Freiheitsstrafen an gemeingefährlichen Straftätern und
Straftäterinnen vom 16. April 1999).

3.3 Im Zusammenhang mit der Abänderung von Massnahmen beziehungsweise der
Anordnung von Ersatzmassnahmen hat sich der Gesetzgeber zu den
Entscheidungsgrundlagen nicht geäussert. Eine Beantwortung dieser Frage lässt
sich aber zwanglos der Regelung entnehmen, wie sie bei der Anordnung von
Massnahmen besteht. Der Richter, der beispielsweise gemäss Art. 44 Ziff. 3
Abs. 2 StGB prüft, ob eine andere sichernde Massnahme anzuordnen ist, kann
seinen Entscheid nur gestützt auf Grundlagen treffen, wie sie ihm als
Sachrichter auch bei der erstmaligen Anordnung zur Verfügung stehen müssen.
Wo die Einweisung in eine Klinik nach Art. 43 StGB zu prüfen ist, hat er so
zu verfahren, wie es Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB zwingend vorschreibt. Er hat
mithin die Beurteilung des körperlichen und des geistigen Zustandes des
Betroffenen und seinen Entscheid über die Art der anzuordnenden Massnahme auf
ein Gutachten abzustützen. Ein kurzer Arztbericht, der nach Einsichtnahme in
die frühere Krankengeschichte erstellt worden ist, vermag hier grundsätzlich
nicht zu genügen (vgl. BGE 100 IV 142 E. 3).

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass das Gericht gemäss
Art. 43 Ziff. 5 Abs. 1 und 3 StGB den Arzt anzuhören hat, soweit nach
Abschluss einer Massnahme der Vollzug einer Reststrafe zur Diskussion steht.
Diese Bestimmung bezieht sich von ihrer Systematik und ihrem Wortlaut her
einzig auf den Fall einer erfolgreichen Massnahme. Ein solcher ärztlicher
Bericht ist auf das Thema beschränkt, ob der Erfolg der Massnahme durch den
Strafvollzug erheblich gefährdet würde. Eine generelle Begutachtungspflicht
im Zusammenhang mit der Abänderung von Massnahmen lässt sich daraus nicht
ableiten.

3.4 Selbst bei einer Bejahung einer Begutachtungspflicht im Rahmen von Art.
45 Ziff. 1 StGB und bei der Abänderung von Massnahmen ist die Frage noch
nicht beantwortet, welche Anforderungen unter dem Aspekt der Aktualität an
ein solches Gutachten zu stellen sind. Es ist zu beachten, dass der
Betroffene bei der Abänderung einer Massnahme oder bei der Entlassung aus dem
Massnahmenvollzug regelmässig bereits mindestens einmal, häufig sogar
mehrfach begutachtet worden ist. Es ist deshalb zu prüfen, ob für den
Entscheid nicht auf bereits vorhandene Unterlagen abgestellt werden kann.

Auch bei sonstigen Beweisvorkehren im Strafverfahren ist der Grundsatz der
Verhältnismässigkeit zu beachten. Wo genügende Grundlagen bereits vorliegen,
dürfen diese als Entscheidungsgrundlagen herangezogen werden. Gemäss neuerer
Rechtsprechung ist dabei nicht an das formale Kriterium eines bestimmten
Alters des in Frage stehenden Gutachtens anzuknüpfen. Es kann auf ein älteres
Gutachten abgestellt werden, wenn sich die Verhältnisse seit dessen
Erstellung nicht verändert haben. So ist es durchaus möglich, dass ein
Sachverständiger sich bereits im Hauptverfahren oder später im Verlaufe des
Vollzugs so umfassend zu Fragen der Behandelbarkeit des Exploranden oder zur
Eignung einer Behandlung geäussert hat, dass sich daraus die Antworten auf
die Fragen ableiten lassen, welche sich stellen, wenn eine Massnahme später
scheitert. Überdies dürfte in vielen Fällen das Spektrum von möglichen
Massnahmen bereits zum Zeitpunkt des Sachurteils nicht sehr gross sein.
Entsprechend sind in einem späteren Verfahrensstadium auch keine zusätzlichen
Abklärungen erforderlich, um Alternativen beurteilen zu können. Nicht zuletzt
mit Blick auf den Mangel an qualifizierten Sachverständigen in der Schweiz
sind die Anforderungen an Gutachten nicht zu überspannen. Gelegentlich dürfte
es genügen, statt eines neuen umfassenden Gutachtens bei einem bereits tätig
gewordenen Sachverständigen oder bei einer anderen Fachperson ein
Ergänzungsgutachten einzuholen. Soweit andererseits frühere Gutachten mit
Ablauf der Zeit und zufolge veränderter Verhältnisse an Aktualität eingebüsst
haben, sind neue Abklärungen unabdingbar. So gilt es etwa zu beachten, dass
nach neuerer forensisch-psychiatrischer Lehre Gefährlichkeitsprognosen
lediglich für den Zeitraum eines Jahres zuverlässig gestellt werden können
(Volker Dittmann, Was kann die Kriminalprognose heute leisten, in: St.
Bauhofer/P.H. Bolle/V. Dittmann,  Hgg., Gemeingefährliche Straftäter, Reihe
Kriminologie, Band 18, Chur/Zürich 2000, S. 72). Therapieverläufe etwa lassen
sich häufig nicht antizipieren.

4.
4.1 Wie oben dargelegt, beziehen sich Art. 43 Ziff. 5 Abs. 1 und Abs. 3 StGB
auf Fälle erfolgreicher Massnahmen. Davon geht nun die Vorinstanz gerade
nicht aus, nicht einmal von einem Teilerfolg, sondern im Gegenteil klar vom
Scheitern der Massnahme. Eine Verletzung von Art. 43 Ziff. 5 StGB liegt
demnach nicht vor.

4.2 Die Vorinstanz stützte sich bei ihrem Entscheid unter anderem auf zwei
Gutachten, wobei das jüngere - das Ergänzungsgutachten vom 8. Oktober 1993 -
damals bereits über acht Jahre zurücklag. An das formale Kriterium eines
bestimmten Alters von Gutachten muss indessen nicht angeknüpft werden. Auf
ein älteres Gutachten darf, wie oben ausgeführt, abgestellt werden, wenn es
die rechtsgenüglichen Entscheidgrundlagen bereits enthält und wenn sich die
Verhältnisse seit der Erstellung des Gutachtens nicht verändert haben. Die
Vorinstanz hält fest, dass keine Anhaltspunkte für eine veränderte
Entwicklung des Beschwerdeführers vorliegen und dass sich im Gegenteil die
Befürchtungen des Gutachters bezüglich Durchhaltewillen bewahrheitet haben.
Die im Gutachten erfolgte Beurteilung trifft auch heute noch zu, was sich im
ganzen Therapieverlauf zeigt. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine
Veränderung in der dem Gutachten zu Grunde gelegten Persönlichkeitsstruktur
vor. Der Therapieverlauf macht deutlich, dass die Persönlichkeitsstörung
immer noch vorhanden ist und - wie vom Gutachter befürchtet - ein
Therapiehindernis darstellt. Die Vorinstanz hatte bereits anlässlich ihres
ursprünglichen Entscheids  die vom Gutachter geäusserten Bedenken zur
Kenntnis genommen und diesen durch Hinweis auf das Nachverfahren, in dem der
Richter von Gesetzes wegen einen Folgeentscheid zu treffen habe, Rechnung
getragen.

Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie, ohne ein weiteres
Gutachten einzuholen, unter anderem auf die beiden Gutachten aus den Jahren
1991 und 1993 abstellt.

4.3 Zu prüfen bleibt schliesslich der Einwand des Beschwerdeführers, er habe
sich seit dem Ergänzungsgutachten aus dem Jahre 1993 wenigstens teilweise
positiv weiter entwickelt. Er sei im Übrigen während Jahren in die Therapie
gegangen. Es sei nicht auszuschliessen, dass er sich zum Zeitpunkt des
Therapieabbruchs in einer krisenhaften Phase befunden habe. Darüber wäre der
Arzt zu befragen gewesen wäre, insbesondere auch dazu, ob die Krise
überwindbar sei.

4.3.1 Mit diesem Einwand richtet sich der Beschwerdeführer zum grossen Teil
gegen tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz, was im Verfahren der
Nichtigkeitsbeschwerde nicht statthaft ist. In diesem Umfang kann auf die
Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten werden.

4.3.2 Im Übrigen fehlt dem Beschwerdeführer aufgrund der Feststellungen der
Vorinstanz die nötige Motivation für eine erneute ambulante Massnahme, er ist
nicht gewillt, mit dem Amt für Justizvollzug zu kooperieren und vermag den
für eine ambulante Behandlung erforderlichen Durchhaltewillen nicht
aufzubringen. Die Auffassung der Vorinstanz, dass sich eine ambulante
Massnahme mangels Kooperationsbereitschaft als unzweckmässig erweist und dass
von einer ambulanten Massnahme während des Strafvollzugs abzusehen ist, da
anzunehmen sei, dass sich der Beschwerdeführer auch in diesem Fall einer
Therapie widersetzen würde, verletzt unter diesen Umständen kein Bundesrecht.

4.3.3 Unter dem Aspekt der Erforderlichkeit und der Zweckmässigkeit einer
Massnahme geht es schliesslich auch um die Frage, ob überhaupt erwartet
werden könnte, dass sich die geistige Abnormität des Betroffenen tatsächlich
heilen lasse (Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Allgemeiner Teil II,
1989, § 11 N 86 und § 12 N 10). Dafür müsste beim Betroffenen ein Mindestmass
an Kooperationsbereitschaft gegeben sein (vgl. den Entscheid 6S.69/2002 vom
7. Mai 2002). An dieser Kooperationsbereitschaft und am Willen, sich einer
Therapie zu unterziehen und diese nicht von vornherein kategorisch
abzulehnen, fehlt es dem Beschwerdeführer. Die Vorinstanz hat dessen neuere
Entwicklung sorgfältig in ihre Erwägungen mit einbezogen und gewürdigt.
Gerade diese Entwicklung hat sie veranlasst, den Vollzug der Strafen
anzuordnen. Eine Verletzung von Bundesrecht ist auch in diesem Punkt nicht
ersichtlich.

4.3.4 Bei dieser Sach- und Rechtslage hatte die Vorinstanz nicht zu prüfen,
wie viel Zeit zwischen den strafbaren Handlungen und dem nunmehr angeordneten
Strafvollzug verstrichen ist. Ebenso wenig hatte sie sich über Sinn und Zweck
des Strafvollzuges zum gegenwärtigen Zeitpunkt auszusprechen.

5.
Da die Beschwerde von Anfang an aussichtslos war, ist das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten
des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Den
finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers ist bei der Bemessung der
Urteilsgebühr Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich, Bewährungsdienst Zürcher Oberland, dem Obergericht des
Kantons Zürich, III. Strafkammer, sowie der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. August 2002

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: