Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.96/2002
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6A.96/2002 /bmt

Urteil vom 19. Februar 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Borner.

K.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Arnold Weber,
Waisenhausstrasse 14, 9000 St. Gallen,

gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen Abteilung IV, Unterstrasse
28, 9001 St. Gallen.

Entzug des Führerausweises,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den
Entscheid der Verwaltungsrekurskommission
des Kantons St. Gallen Abteilung IV vom

23. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 25. Februar 2001 um etwa 13.10 Uhr fuhr das Ehepaar K.________ mit seinem
Personenwagen auf dem Polizeistützpunkt in Mels vor. K.________ erklärte dem
Polizeibeamten, dass er am Morgen in M.________ gewesen sei und den Wagen auf
dem Dorfplatz abgestellt habe. Als er zurückgekommen sei, habe er eine
Beschädigung an der linken Heckseite festgestellt. Anschliessend sei er nach
W.________ nach Hause gefahren.

Um den Schaden aufzunehmen, begaben sich das Ehepaar und der Polizeibeamte
zum Fahrzeug, das sich auf einem für Polizeifahrzeuge reservierten Parkplatz
befand. In der Folge bestieg K.________ den Personenwagen und lenkte ihn auf
dem Stützpunkt rund 60 Meter bis zur Polizeigarage, wo sich die Spezialgeräte
für Schadensaufnahmen befinden. Im folgenden Gespräch mit den
Anzeigeerstattern stellte die Polizei bei K.________ Alkoholmundgeruch fest.
Ein Alcotest fiel positiv aus. K.________ sagte dazu, er sei gegen 11.30 Uhr
nach Hause gekommen und habe aus Frust - wegen des beschädigten Wagens - drei
Gläser Weisswein getrunken. Seine Frau erklärte, auf der Fahrt von W.________
zum Polizeistützpunkt habe sie den Wagen gelenkt, von M.________ nach
W.________ sei jedoch ihr Mann gefahren. Die Blutproben ergaben für die Fahrt
von M.________ nach W.________ eine Blutalkoholkonzentration von mindestens
0,05 Promille (1,3 minus 1,25 Promille wegen des geltend gemachten
Nachtrunks) und 1,2 Promille für die Fahrt auf dem Polizeistützpunkt.

Das Untersuchungsamt Uznach hob am 17. Juli 2001 das Strafverfahren wegen
Führens eines Motorfahrzeugs in angetrunkenem Zustand von M.________ nach
W.________ mangels Beweisen auf; es sprach K.________ schuldig des Fahrens in
angetrunkenem Zustand auf dem Areal des Polizeistützpunkts Mels, nahm
hingegen von einer Bestrafung Umgang.

B.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen entzog
K.________ am 11. Januar 2002 den Führerausweis wegen Fahrens in
angetrunkenem Zustand für die Dauer von zwei Monaten.

Einen Rekurs des Betroffenen wies die Verwaltungsrekurskommission des Kantons
St. Gallen am 23. Oktober 2002 ab.

C.
K.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben.

Die Verwaltungsrekurskommission schliesst in ihrer Vernehmlassung auf
Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz führt unter anderem aus, soweit das Untersuchungsamt Uznach
dem Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht angelastet habe, er habe sein
Fahrzeug auf dem Polizeistützpunkt Mels in angetrunkenem Zustand - wenn auch
nur über 60 Meter - gelenkt, sei das Straferkenntnis für die
Verwaltungsbehörde verbindlich, zumal keine Anhaltspunkte für die
Unrichtigkeit dieser Tatsachenfeststellung vorlägen und der Tatbestand an
sich nicht bestritten werde. Allfällige Verfahrensfehler bei der
Beweiserhebung und der Sachverhaltsfeststellung hätten im Strafverfahren
moniert werden müssen.

Zur Frage der Bindung der Verwaltungsbehörde an das Strafurteil bringt der
Beschwerdeführer vor, die Praxis des Bundesgerichts gehe in BGE 119 Ib 158
von einem Entscheid des Strafrichters in einem gerichtlichen Verfahren aus.
Im vorliegenden Fall habe die Untersuchungsrichterin eine Bussenverfügung
ohne Sachdarstellung und Begründung erlassen. Zudem habe sie von einer Strafe
Umgang genommen, weil es sich um einen sehr leichten Fall gehandelt habe.
Auch hätten ganz spezielle Verhältnisse vorgelegen, weil der Polizeibeamte
den Amtsarzt bereits aufgeboten gehabt habe, bevor er den Beschwerdeführer
zum Umparkieren des Autos auf dem Polizeiareal angestiftet habe.

2.
2.1 Der Hinweis des Beschwerdeführers auf BGE 119 Ib 158 beschlägt nur einen
Teil der Rechtsprechung. Danach hat die Verwaltungsbehörde insbesondere dann
auf die Tatsachen im Strafurteil abzustellen, wenn dieses im ordentlichen
Verfahren mit öffentlicher Verhandlung unter Anhörung der Parteien und
Einvernahme von Zeugen ergangen ist, es sei denn, es bestünden klare
Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit dieser Tatsachenfeststellung; in diesem
Fall hat die Verwaltungsbehörde nötigenfalls selbständige Beweiserhebungen
durchzuführen (E. 3c/aa am Ende). Diese Rechtsprechung wurde in BGE 121 II
214 weiterentwickelt: Wenn der Angeschuldigte weiss oder voraussehen muss,
dass gegen ihn ein Führerausweisentzugsverfahren durchgeführt wird, muss er
seine Verteidigungsrechte schon im summarischen Strafverfahren geltend
machen, und die für den Führerausweisentzug zuständige Behörde darf in der
Regel nicht von den Tatsachenfeststellungen des rechtskräftigen
Strafentscheids abweichen (E. 3a).

2.2 Das Untersuchungsamt Uznach befand den Beschwerdeführer für schuldig, auf
dem Areal des Polizeistützpunktes Mels ein Motorfahrzeug in angetrunkenem
Zustand (1,2 Promille) geführt zu haben; von einer Bestrafung nahm es Umgang.
Aus dieser Bussenverfügung ergibt sich klar - selbst wenn keine Strafe
verhängt wurde -, dass der Beschwerdeführer mit einer unerlaubten
Alkoholmenge im Körper schuldhaft seinen Personenwagen gelenkt hatte. Nachdem
der Beschwerdeführer sowohl eine Einstellungsverfügung als auch eine
Bussenverfügung erhalten hatte, wandte er sich an die Untersuchungsrichterin,
er habe irrtümlich zwei Verfügungen erhalten. Noch innerhalb der
Einsprachefrist antwortete ihm diese, dass es sich dabei nicht um einen
Irrtum handle. Die Aufhebungsverfügung betreffe die Fahrt von M.________ nach
W.________, die Bussenverfügung betreffe "aber die Fahrt auf dem Areal des
Polizeistützpunktes Mels um 13.15 Uhr. (...) Für diesen Fall müssen Sie aber
die Kosten tragen. In der Beilage sende ich Ihnen deshalb die Bussenverfügung
mit der Rechnung zurück". Unter diesen Umständen ist es jedenfalls nicht
offensichtlich unrichtig (Art. 105 Abs. 2 OG), wenn die Vorinstanz festhält,
der Beschwerdeführer habe wissen müssen, dass beim Fahren in angetrunkenem
Zustand zwingend auch mit einem Führerausweisentzug zu rechnen sei.

Der Beschwerdeführer hätte somit seine Verteidigungsrechte bereits im
Strafverfahren geltend machen müssen. Auf seine Einwände, er habe schon in
der Rekursergänzung darauf hingewiesen, dass er "infolge des fehlenden
Verschuldens freigesprochen" worden sei, und er habe sich angesichts des
Blutalkoholgehalts von 1,2 Promille "in einer alkoholbedingten
Schuldunfähigkeit" befunden, ist somit nicht einzutreten. Nachdem die
Bussenverfügung einen Schuldspruch wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand
verbunden mit einer Kostenauflage enthält, ist auch das Vorbringen des
Beschwerdeführers haltlos, durch die Bussenverfügung sei er gar nicht
beschwert worden. Mit dem Vorwurf gegenüber dem Polizeibeamten, dieser habe
ihn vorsätzlich zur Führung seines "Ford" angestiftet, macht der
Beschwerdeführer sinngemäss einen Rechtfertigungsgrund geltend. Auch diesen
Einwand hätte er bereits im Strafverfahren erheben müssen. Im Übrigen finden
sich entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers in der angegebenen Beilage
keinerlei Anhaltspunkte dafür, die Untersuchungsrichterin habe den
Polizeibeamten wegen Anstiftung zu Fahren in angetrunkenem Zustand bei der
Aufsichtsperson angezeigt.

3.
Nach dem bisher Gesagten durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass der
Beschwerdeführer schuldhaft ein Motorfahrzeug in angetrunkenem Zustand
gelenkt hatte. Die minimale Entzugsdauer für diese Verfehlung beträgt zwei
Monate (Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG). Da der Beschwerdeführer keine Elemente
geltend macht, die ein Unterschreiten der gesetzlichen Mindestentzugsdauer
rechtfertigen würden, hat es mit dem zweimonatigen Führerausweisentzug sein
Bewenden. Namentlich die strafrichterliche Beurteilung, es handle sich um
einen sehr leichten Fall, erlaubt für sich allein kein Abweichen von der
gesetzlichen Mindestdauer. Der vorliegend verfügte Warnungsentzug stellt
trotz seines strafähnlichen Charakters nach dem Konzept des Gesetzes eine von
der Strafe unabhängige Verwaltungssanktion mit präventiver und erzieherischer
Funktion dar (BGE 128 II 173 E. 3c S. 176 f.). Im Lichte dieses besonderen
Zwecks des Warnungsentzugs kann - im Unterschied zur strafrechtlichen
Beurteilung - nicht von einem sehr leichten Fall gesprochen werden. Damit
erweist sich die Beschwerde als unbegründet.

4.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu
tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Verwaltungsrekurskommission des
Kantons St. Gallen Abteilung IV, dem Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt
des Kantons St. Gallen sowie dem Bundesamt für Strassen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 19. Februar 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: