Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.29/2002
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6A.29/2002 /pai

Sitzung vom 2. Juli 2002
Kassationshof

Bundesrichter Schubarth, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Oskar
Müller, Wengistrasse 7, Postfach, 8026 Zürich,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer,
Obere Vorstadt 40, 5001 Aarau.

Entzug des Führerausweises,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 1. Kammer, vom

23. Januar 2002.

Sachverhalt:

A.
X. ________ fuhr am 27. Dezember 1999 um 18.30 Uhr, nach Einbruch der
Dunkelheit, mit seinem Personenwagen in Fislisbach auf der
Sommerhaldenstrasse von Dättwil in Richtung Mellingen. Auf der Höhe des
Restaurants Sommerhalden hielt er an, um nach links abzubiegen. In der Ferne
sah er ein Fahrzeug, das sich ihm auf der Gegenfahrbahn näherte.
Anschliessend beobachtete er das Geschehen auf dem links gegenüberliegenden
Parkplatz, sowie auf dem Trottoir und fuhr an, ohne mit einem Kontrollblick
zu prüfen, ob die Gegenfahrbahn für ihn frei war. Beim Abbiegen stiess er mit
dem entgegenkommenden vortrittsberechtigten Fahrzeuglenker zusammen. Beide
Lenker wurden leicht verletzt. Die Fahrzeuge erlitten Totalschaden. Der
Unfall ereignete sich ausserorts auf einer geraden Nebenstrasse. Die Fahrbahn
war trocken, und es gab keinen Niederschlag. Die signalisierte
Höchstgeschwindigkeit betrug 60 km/h.

X. ________, geboren 1923, besitzt den Führerausweis der Kategorie B
mindestens seit dem Jahre 1963, möglicherweise auch länger. Bisher wurde
gegen ihn noch nie eine Administrativmassnahme angeordnet.

B.
Am 10. März 2000 verurteilte das Bezirksamt Baden X.________ wegen
Missachtung des Vortrittsrechts beim Linksabbiegen gemäss Art. 90 Ziff. 1
i.V.m. Art. 36 Abs. 3 SVG zu einer Busse von Fr. 200.--. Der Strafbefehl
erwuchs in Rechtskraft.

Am 27. April 2000 verfügte das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau einen
Führerausweisentzug von einem Monat. Das Departement des Innern des Kantons
Aargau wies am 4. Juli 2001 eine dagegen erhobene Beschwerde von X.________
ab. Mit Urteil vom 23. Januar 2002 wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau die von X.________ eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab.

C.
X.________ führt eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den
Anträgen, den Entscheid des Verwaltungsgerichtes aufzuheben, vom Entzug des
Führerausweises abzusehen und das Administrativverfahren mit einer Verwarnung
zu erledigen. Eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau verzichtet unter Hinweis auf die
Erwägungen im angefochtenen Entscheid auf eine Vernehmlassung. Das Bundesamt
für Strassen (ASTRA) beantragt Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1  Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von
Bundesrecht, einschliesslich der Überschreitung oder des Missbrauchs des
Ermessens, gerügt sowie eine unrichtige und unvollständige Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts geltend gemacht werden (Art. 104 lit. a und b
OG). Nicht überprüfen kann das Bundesgericht grundsätzlich die Angemessenheit
des angefochtenen Entscheides (Art. 104 lit. c OG). Gemäss Art. 105 Abs. 2 OG
ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, wenn
eine richterliche Behörde als Vorinstanz den Sachverhalt nicht offensichtlich
unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensbestimmungen festgestellt hat.

Ist die Sachverhaltsüberprüfung durch das Bundesgericht in diesem Sinne
eingeschränkt, sind nur solche neuen Beweismittel zugelassen, welche die
Vorinstanz von Amtes wegen hätte erheben müssen und deren Nichterhebung eine
Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften darstellt (Karlen, in:
Geiser/Münch, Prozessieren vor Bundesgericht, N 3.67 f. mit Hinweisen auf die
Rechtsprechung).

1.2  Im Rahmen einer Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann auch die Verletzung
verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden (BGE 122 IV 8 E. 2a). Für
diesen Fall übernimmt die Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Funktion der
staatsrechtlichen Beschwerde mit der Folge, dass die Verfassungsrügen den
dafür geltenden Begründungsanforderungen genügen müssen (Art. 90 Abs. 1 lit.
b OG; BGE 125 I 492 E. 1b).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Er
macht geltend, mit separater Eingabe vom 8. Januar 2002 das Gericht auf die
Nachtunfall-Problematik, nämlich auf die spezielle Situation bei der
nächtlichen Informationsaufnahme und -verarbeitung aus psychologischer Sicht,
hingewiesen zu haben. Er habe in diesem Zusammenhang auf zwei Aufsätze
verwiesen (Amos S. Cohen, Möglichkeiten und Grenzen der Informationsaufnahme
und -verarbeitung im motorisierten Strassenverkehr aus psychologischer Sicht,
in: Schaffhauser [Hrsg.], Aspekte der Überforderung im Strassenverkehr -
Forderung an die Praxis, St. Gallen 1997, S. 9 ff.; Martin Schubarth,
Antworten des Rechts auf den Stand der Kenntnisse von Physiologie und
Psychologie - Versuch einer Stellungnahme, a.a.O., S. 113 ff.) und aus ihnen
den Schluss gezogen, dass die "objektivierten" Anforderungen im Sinne der vom
Verwaltungsgericht bestätigten Auffassung des Departements des Innern
subjektiv gar nicht zu erfüllen gewesen seien. Darauf sei die Vorinstanz
"nicht ernsthaft" eingegangen (Beschwerde, S. 4 ff. Ziff. 2a).

2.2  Art. 29 Abs. 2 BV gewährleistet den Anspruch auf rechtliches Gehör (BGE
127 I 54 E. 2b). Daraus ergibt sich der Anspruch der Parteien, mit
rechtzeitig und formgültig angebotenen Beweisanträgen gehört zu werden,
soweit diese erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich
beweisuntauglich sind (BGE 120 Ib 379 E. 3b S. 383; 106 Ia 161 E. 2b S. 162,
je mit Hinweisen).

2.3  Bei den vom Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren vorgebrachten
Einwänden zur Nachtunfall-Problematik geht es nicht um die Ermittlung bzw.
Würdigung des Sachverhalts. Vielmehr macht der Beschwerdeführer damit
geltend, es treffe ihn wegen der herrschenden Sichtverhältnisse nur ein
geringer Schuldvorwurf. Dabei handelt es sich um eine Frage des materiellen
Rechts, die nicht Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde bzw. einer
deren Funktion übernehmenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde sein kann.

Die Vorinstanz setzt sich mit den Einwänden des Beschwerdeführers bei der
Gewichtung des Tatverschuldens auseinander (Urteil Verwaltungsgericht, S.
10). Soweit auf die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs überhaupt
einzutreten ist, erweist sie sich als unbegründet.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonalen Behörden hätten ihn
aufgrund der Umstände, namentlich seines guten automobilistischen Leumunds,
lediglich verwarnen dürfen.

3.1  Der Beschwerdeführer anerkennt, beim Abbiegen nach links das
Vortrittsrecht des entgegenkommenden Fahrzeuglenkers verletzt zu haben. Die
Vorinstanz führt dazu aus, sowohl die vom Beschwerdeführer geschaffene
konkrete Gefährdung des anderen Verkehrsteilnehmers als auch das Verschulden
des Beschwerdeführers würden mindestens mittelschwer wiegen (Urteil
Verwaltungsgericht, S. 6 f. Ziff. b). Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers lasse die Höhe der durch Strafbefehl ausgesprochenen Busse
nicht ohne weiteres den Schluss auf die Schwere des Verschuldens zu, weil die
Kriterien für die Bemessung der Busse teilweise von denen für die
Administrativmassnahme abweichen würden. Im Übrigen sei die
Verwaltungsbehörde in ihrer rechtlichen Beurteilung des Falles und der
Wertung des Verschuldens frei gewesen (Urteil Verwaltungsgericht, S. 7 f.
Ziff. c/aa und bb). Der Einwand des Beschwerdeführers, er habe darauf
vertrauen dürfen, dass der entgegenkommende, vortrittsberechtigte Lenker ihm
die Fahrbahn freigeben werde, weil sein Abbiegemanöver etwas länger gedauert
habe, sei unbehelflich. Der Wartepflichtige könne sich nur auf das
Vertrauensprinzip berufen, wenn sich der Vortrittsberechtigte in einer für
ihn nicht vorhersehbaren Weise verkehrswidrig verhalte, worauf hier nichts
hinweise. Die Strafbehörden hätten gegen den Unfallbeteiligten denn auch kein
Verfahren eingeleitet. Im Übrigen kenne das Administrativmassnahmenrecht
ebensowenig wie das Strafrecht die Schuldkompensation (Urteil
Verwaltungsgericht, S. 8 f. Ziff. c/cc).

Ausgehend davon erwägt die Vorinstanz zusammenfassend, der Be-schwerdeführer
habe nach dem Zwischenhalt nicht wieder anfahren dürfen, ohne seine
Aufmerksamkeit erneut auf den Gegenverkehr zu richten. Der entgegenkommende
Fahrzeugführer habe nicht mit einer vorschriftswidrigen Anfahrt des
Beschwerdeführers rechnen müssen. Dieser habe daher seinerseits keinen Anlass
gehabt anzunehmen, der vortrittsberechtigte Fahrzeuglenker werde ihm durch
Abbremsen das Abbiegemanöver ermöglichen. Wer aber beim Linksabbiegen aus
Unachtsamkeit und mangels Kontrollblicks einen entgegenkommenden
Fahrzeuglenker übersehe, handle fahrlässig und komme seinen elementaren
Sorgfaltspflichten nicht nach (Urteil Verwaltungsgericht, S. 9 f. Ziff.
c/dd).

3.2  Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, es sei ein leichter
Fall im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gegeben. Zumindest lägen
ausserordentliche Umstände vor, die im Rahmen der
Verhältnismässigkeitsprüfung auch bei einem mittelschweren Fall den Verzicht
auf einen Ausweisentzug rechtfertigen würden. Die Sorgfaltsanforderungen,
welche die Vorinstanz beim vorliegenden nächtlichen Unfall stelle, entbehrten
der wissenschaftlichen Grundlage und seien offensichtlich überspitzt. Es
liege eine unrichtige, willkürliche Würdigung des Verschuldens vor. Beim
Abbiegen in den öffentlichen Parkplatz auf der linken Strassenseite habe er
nicht nur auf den Gegenverkehr achten müssen, sondern auch darauf, ob die
Einfahrt frei sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes könne von
einem Fahrzeuglenker, der seine Aufmerksamkeit auf mehrere Stellen
gleichzeitig richten müsse, nicht verlangt werden, dass er an einem Ort
"etwas nur schwer Sichtbares" erkenne. Daraus ergebe sich, dass er nicht mehr
auf den herannahenden Gegenverkehr habe achten müssen, ja verpflichtet
gewesen sei, seine Aufmerksamkeit in seine Fahrrichtung zu lenken. Es sei ihm
nicht als erhebliches Verschulden anzulasten, nach dem korrekten Halt von der
Strassenmitte im subjektiven Bewusstsein angefahren zu sein, der aus der
Gegenrichtung nahende Lenker befinde sich vom Kreuzungsbereich noch weit
entfernt und werde darauf verzichten, sein Vortrittsrecht durchzusetzen.
Ferner habe er seine Aufmerksamkeit auch auf den Fussgänger/Radfahrer
gerichtet, welcher die Strasse habe überqueren wollen und der ihm
gleichzeitig die Sicht auf den entgegenkommenden Personenwagen genommen haben
dürfte (Beschwerde, S. 7 ff. Ziff. b/aa). Schliesslich rechtfertige die
geschaffene Verkehrsgefährdung keinen Führerausweisentzug. Die Vorinstanz
habe sich bei ihrem Entscheid in unzulässiger Weise vom eingetretenen Erfolg
leiten lassen (Beschwerde, S. 11 f. Ziff. b/bb).

3.3  Gemäss Art. 36 Abs. 3 SVG ist vor dem Abbiegen nach links den
entgegenkommenden Fahrzeugen der Vortritt zu lassen. Das bedeutet, dass jener
Verkehr, der seine Richtung beibehält, Vorrang hat vor demjenigen, der sie
ändert (vgl. ferner Art. 34 Abs. 3 SVG, Art. 13 Abs. 2 VRV und Art. 14 Abs. 1
VRV). Der Beschwerdeführer war vortrittsbelastet und hat das Vortrittsrecht
des Unfallbeteiligten verletzt.

Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG kann der Führerausweis entzogen werden, wenn der
Führer Verkehrsregeln verletzt und dadurch den Verkehr gefährdet oder andere
belästigt hat (Satz 1). In leichten Fällen kann eine Verwarnung ausgesprochen
werden (Satz 2). Nach Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG muss der Führerausweis
entzogen werden, wenn der Führer den Verkehr in schwerer Weise gefährdet hat.
Das Gesetz unterscheidet somit:

• den besonders leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG; keine
 Administrativmassnahme),
• den leichten Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG),
• den mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG),
• den schweren Fall (Art. 16 Abs. 3 lit. a SVG).

Nach der Rechtsprechung kann auf die Anordnung des Führerausweisentzugs
grundsätzlich nur verzichtet werden, wenn der Fall leicht im Sinne von Art.
16 Abs. 2 Satz 2 SVG ist. Die Schwere der Verkehrsgefährdung ist nur insoweit
von Bedeutung, als sie auch verschuldensmässig relevant ist (BGE 125 II 561
E. 2b; 126 II 202 E. 1a). Bei einem mittelschweren Fall kommt ein Verzicht
auf den Führerausweisentzug lediglich in Betracht, sofern besondere Umstände
vorliegen, wie sie in BGE 118 Ib 229 gegeben waren (vgl. auch BGE 123 II 106
E. 2b S. 111).

Die Voraussetzungen für die Annahme eines leichten Falles im Sinne von Art.
16 Abs. 2 Satz 2 SVG ergeben sich aus Art. 31 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung
über die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR
741.51): Nach dieser Bestimmung kann nur eine Verwarnung verfügt werden, wenn
die Voraussetzungen für den fakultativen Entzug nach Art. 31 Abs. 1 VZV
erfüllt sind, der Fall aber unter Berücksichtigung des Verschuldens und des
Leumunds als Motorfahrzeugführer als leicht erscheint. Der leichte Fall im
Sinne von Art. 16 Abs. 2 Satz 2 SVG setzt somit kumulativ ein leichtes
Verschulden und einen guten automobilistischen Leumund des fehlbaren
Fahrzeuglenkers voraus. Fehlt es an einem leichten Verschulden, fällt die
Annahme eines leichten Falles ausser Betracht, auch wenn der
automobilistische Leumund ungetrübt ist. Nur besondere Umstände, wie z.B. die
Anwendung von Art. 66bis StGB (BGE 118 Ib 229), können gegebenenfalls auch
bei einem mittelschweren Fall zum Verzicht auf den Ausweisentzug führen (BGE
126 II 202 E. 1b S. 205).

3.4  Die Vorinstanz begründet ausführlich, weshalb sich der Beschwerdeführer
nicht auf den Vertrauensgrundsatz stützen kann. Die Ausführungen im
angefochtenen Urteil folgen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zum
Vertrauensgrundsatz (vgl. BGE 125 IV 83 E. 2b S. 87 f. mit Hinweisen) und
sind nicht zu beanstanden. Es kann hier vollumfänglich darauf verwiesen
werden.

Zu prüfen bleibt das Mass des Tatverschuldens. Die Vorinstanz hat das
Verschulden des Beschwerdeführers zutreffend als mindestens mittelschwer
gewertet und sein Fehlverhalten unter Berücksichtigung aller Umstände als
mittelschweren Fall (Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG) eingestuft. Besondere
Umstände, welche auch bei einem mittelschweren Fall zum Verzicht auf den
Ausweisentzug führen könnten, liegen hier keine vor. Ausgehend davon haben
die kantonalen Behörden einen Führerausweisentzug für die gesetzliche
Mindestdauer von einem Monat (Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG) verfügt. Dies ist im
Lichte der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung nicht zu
beanstanden.

Der Beschwerdeführer vermag weder aus den von ihm angeführten
Literaturstellen (vorn E. 2.1.) noch aus BGE 122 IV 225 E. 2b etwas zu seinen
Gunsten abzuleiten. Cohen erwähnt als Beispiel für die eingeschränkte
Wahrnehmungsfähigkeit bei Nacht Fussgänger, die aufgrund dunkler Kleidung
kein oder nur wenig Licht reflektieren; der Beitrag befasst sich insoweit mit
der Erkennbarkeitsentfernung (Amos S. Cohen, Möglichkeiten und Grenzen der
Informationsaufnahme und -verarbeitung im motorisierten Strassenverkehr aus
psychologischer Sicht, in: Schaffhauser [Hrsg.], Aspekte der Überforderung im
Strassenverkehr - Forderung an die Praxis, St. Gallen 1997, S. 25 f.).
Schubarth (Antworten des Rechts auf den Stand der Kenntnisse von Physiologie
und Psychologie - Versuch einer Stellungnahme, a.a.O., S. 113 ff.) nimmt auf
den Beitrag von Cohen Bezug und führt Folgendes aus: "Kommt man zum Schluss,
dass in der Regel Automobilisten sich dieser Tatsache [der eingeschränkten
Sehfähigkeit bei Nacht] nicht (hinreichend) bewusst sind, wird man vielfach
keinen strafrechtlichen Schuldvorwurf erheben können." Wie das Bundesamt für
Strassen in seiner Stellungnahme zutreffend ausführt, liegt hier kein mit der
Frage der eingeschränkten Erkennbarkeitsentfernung bei Dunkelheit
vergleichbarer Fall vor. Der Beschwerdeführer räumt selbst ein (Beschwerde,
S. 3), dass er das mit eingeschaltetem Licht entgegenkommende Fahrzeug
wahrgenommen hat, als sich dieses noch "in weiter Ferne" zum Unfallort
befand. Bevor er anfuhr, wendete er seine Aufmerksamkeit dem Geschehen auf
dem Parkplatz zu seiner Linken zu. Der Umstand, dass er sein Abbiegemanöver
einige Momente danach einleitete, ohne sich vorher zu vergewissern, den
entgegenkommenden Fahrzeuglenker in seiner Fahrt nicht zu behindern bzw. zu
gefährden, kann nicht mehr als kurzes Versagen und damit als leichtes
Verschulden gewertet werden. Denn der Beschwerdeführer hätte bedenken müssen,
dass sich der vortrittsberechtigte Fahrzeuglenker der Unfallstelle in der
Zwischenzeit weiter genähert hatte, weshalb sich ihm ein Kontrollblick auf
den Gegenverkehr zwingend aufdrängen musste. Dies gilt umso mehr, als ihm
beim Anfahren die Sicht auf das entgegenkommende Fahrzeug durch einen
zeitgleich die Strasse überquerenden Fahrradfahrer verdeckt worden sein soll
(Beschwerde, S. 10). Inwiefern der letztgenannte Umstand das Verschulden des
Beschwerdeführers in einem milderen Licht erscheinen lassen soll, wie dieser
vorbringt, ist unerfindlich.

Der Beschwerdeführer beruft sich auch vergeblich auf die Rechtsprechung des
Bundesgerichts, wonach einem Fahrzeugführer, der sein Augenmerk im
Wesentlichen auf bestimmte Stellen zu richten hat, für andere eine geringere
Aufmerksamkeit zugebilligt werden darf (BGE 122 IV 225 E. 2b, zuletzt zitiert
in BGE 127 IV 34, E. 3c/bb S. 44). Er verkennt, dass das Bundesgericht im
publizierten Entscheid davon ausgegangen ist, der Automobilist habe seine
Aufmerksamkeit in erster Linie auf die zu erwartenden Gefahren zu richten und
daneben höchstens sekundär auf ungewöhnliche und abwegige Verhaltensweisen
anderer Verkehrsteilnehmer (a.a.O., E. 2c). Davon kann hier keine Rede sein.
Der Beschwerdeführer hatte, wie erwähnt, das entgegenkommende Fahrzeug
bemerkt, als er seinen Sicherheitshalt einlegte. Seine Verpflichtung, auf die
Verkehrssituation auf dem gegenüberliegenden Trottoir und dem Parkplatz zu
achten, entband ihn selbstverständlich nicht von der Pflicht, auch das sich
ihm nähernde vortrittsberechtigte Fahrzeug im Auge zu behalten. Sein Einwand,
wonach er nicht mehr auf den herannahenden Gegenverkehr habe achten müssen,
sondern verpflichtet gewesen sei, seine Aufmerksamkeit auf seine Fahrrichtung
zu konzentrieren (Beschwerde S. 9), widerspricht klar der Vorschrift von Art.
36 Abs. 3 SVG. Das Unterlassen eines Kontrollblicks vor dem Anfahren ist mit
den kantonalen Behörden als elementare Sorgfaltspflichtverletzung zu werten.
Die Annahme eines mittelschweren Falles durch die Vorinstanz verletzt damit
kein Bundesrecht.

3.5  Das Bundesgericht hat in BGE 126 II 202 E. 1c S. 206 erwogen, es sei
einzuräumen, dass die Rechtsprechung, wonach in mittelschweren Fällen gemäss
Art. 16 Abs. 2 Satz 1 SVG der Führerausweis in der Regel selbst bei einem
über lange Jahre ungetrübten fahrerischen Leumund zu entziehen sei, als hart
angesehen werden könne. Doch könne nur der Gesetzgeber etwas daran ändern,
"sei es, dass er für Fälle dieser Art auch den bedingten Ausweisentzug
vorsieht oder den Anwendungsbereich der Verwarnung bei gutem
automobilistischen Leumund ausweitet auf den Bereich des mittelschweren
Verschuldens." Der Gesetzgeber hat zeitlich nach diesem Entscheid am 14.
Dezember 2001 eine Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes, namentlich der
Bestimmungen zum Führerausweisentzug, beschlossen (BBl 2001 6499 ff.). Die
Referendumsfrist ist am 7. April 2002 ungenutzt abgelaufen. Die
Gesetzesänderung ist zwar noch nicht in Kraft getreten, doch kann bei der
Auslegung des geltenden Rechts auf laufende Revisionen Bezug genommen werden
(vgl. BGE 110 II 293 E. 2a, e und f sowie E. 3a; 117 IV 276 E. 3c, d und e;
118 IV 52 E. 2c und d; 127 IV 97 E. 1b; 128 IV 3 E. 4c, 25). Es ist deshalb
zu prüfen, ob die verabschiedete Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes
Anlass gibt, die bisherige Rechtsprechung zu Art. 16 Abs. 2 SVG zu
überdenken.

Der Gesetzgeber hat bei der Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes vom 14.
Dezember 2001 offensichtlich die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Ausgangspunkt genommen. Statt einer Milderung des geltenden Rechts im Sinne
der in BGE 126 II 202 E. 1c S. 206 aufgezeigten Möglichkeiten hat er die
Normen jedoch erheblich verschärft. So hat er die doppelte Kann-Vorschrift in
Art. 16 Abs. 2 SVG eliminiert. Gemäss Art. 16 Abs. 2 SVG in der revidierten
Fassung (nachfolgend rev. F.) "wird der Lernfahr- oder Führerausweis entzogen
oder eine Verwarnung ausgesprochen" nach "Widerhandlungen gegen die
Strassenverkehrsvorschriften, bei denen das Verfahren nach dem
Ordnungsbussengesetz vom 24. Juni 1970 ausgeschlossen ist". Eine leichte
Widerhandlung begeht nach dem revidierten Gesetz, wer "durch Verletzung von
Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und
ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft" (Art. 16a Abs. 1 lit. a SVG
rev. F.), eine mittelschwere, "wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine
Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt" (Art. 16b
Abs. 1 lit. a SVG rev. F.). In leichten Fällen kann auf einen Führerausweis
nur verzichtet werden, wenn dem fehlbaren Fahrzeuglenker "in den
vorangegangenen zwei Jahren der Ausweis" nicht "entzogen worden war und keine
andere Administrativmassnahme verfügt wurde" (vgl. Art. 16a Abs. 2 und 3 SVG
rev. F.). Bei einer mittelschweren Widerhandlung sieht das Gesetz neu
zwingend den Entzug des Führerausweises für die Dauer von mindestens einem
Monat vor (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG rev. F.). Der Gesetzgeber hat damit
klargestellt, dass in mittelschweren Fällen künftig auch bei ungetrübtem
fahrerischem Leumund zwingend ein Führerausweisentzug anzuordnen ist. Der
mittelschwere Fall wird jedenfalls nach dem Gesetzeswortlaut zudem neu nicht
mehr nach dem Grad des Verschuldens bestimmt, sondern allein danach, ob der
Fahrzeuglenker eine Gefahr für die Sicherheit anderer geschaffen oder in Kauf
genommen hat. Wie nach geltendem Recht und bisheriger Rechtsprechung wird der
gute automobilistische Leumund auch künftig lediglich für die Festsetzung der
Dauer des Führerausweisentzugs eine Rolle spielen (vgl. Art. 16 Abs. 3 SVG
rev. F.).

Angesichts der dargelegten erheblichen Verschärfung der Normen zum
Führerausweisentzug besteht heute kein Anlass zu einer Milderung der
Rechtsprechung zum geltenden Recht.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die
Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Aargau, 1. Kammer, sowie dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau und dem
Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Juli 2002

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: