Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.100/2002
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6A.100/2002 /kra

Urteil vom 7. April 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Näf.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch,
Genferstrasse 23, Postfach 249, 8027 Zürich,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und
Vollzugsdienste, Feldstrasse 42, 8090 Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8021 Zürich.

Widerruf der bedingten Entlassung (Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, vom 23. Oktober 2002.

Sachverhalt:

A.
X. ________, geboren 1968, wurde mit Entscheid des Obergerichts des Kantons
Zürich vom 7. März 1996 wegen mehrfacher Urkundenfälschung zu 15 Monaten
Gefängnis, abzüglich 15 Tage erstandener Untersuchungshaft, verurteilt. Er
verbüsste die Strafe - zusammen mit einem Strafrest von 8 Monaten und 18
Tagen Gefängnis gemäss Entscheid des Präsidenten der Strafvollzugskommission
des Kantons Basel-Stadt sowie 41 Tagen Haft gemäss vier Bussenumwandlungen
durch das Statthalteramt Zürich - ab 18. November 1996.

Gemäss Verfügung vom 21. Januar 1998 wurde X.________ am 22. März 1998
bedingt aus dem Strafvollzug entlassen, unter Ansetzung einer Probezeit von
zwei Jahren.

Mit Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 4. November 1999 wurde
X.________ wegen Verletzung von Verkehrsregeln, Vereitelung einer Blutprobe
und weiteren Strassenverkehrsdelikten zu einer unbedingt vollziehbaren
Gefängnisstrafe von 90 Tagen verurteilt. Der Strafvollzugsdienst des Kantons
Zürich verzichtete mit Verfügung vom 20. Januar 2000 auf einen Widerruf der
bedingten Entlassung vom 22. März 1998, verlängerte aber die Probezeit für
den Vollzug der Reststrafe von 253 Tagen um ein Jahr.

Mit Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 22. September 2000 wurde
X.________ wegen einfacher Körperverletzung und Tätlichkeit, begangen am 18.
Dezember 1999, zu einer unbedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 4 Tagen
verurteilt.

B.
B.aDas Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich ordnete mit Verfügung vom 10.
Juni 2002 den Widerruf der bedingten Entlassung vom 22. März 1998 und den
Vollzug der Reststrafe von 239 Tagen Gefängnis an.

Der Rechtsvertreter von X.________ reichte am 11. Juni 2002 eine
Stellungnahme ein, die als Wiedererwägungsgesuch behandelt wurde. Im Rahmen
von dessen Beurteilung wurde nachträglich das rechtliche Gehör gewährt.

Das Amt für Justizvollzug ordnete in seinem Wiedererwägungsentscheid vom 27.
Juni 2002 wiederum den Widerruf der bedingten Entlassung und den Vollzug der
Reststrafe von 239 Tagen an.

B.b Am 23. August 2002 wies die Direktion der Justiz und des Innern des
Kantons Zürich den von X.________ erhobenen Rekurs ab.

B.c Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich wies am 23. Oktober 2002 die
von X.________ eingereichte Beschwerde ab.

C.
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem
Antrag, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich vom 23.
Oktober 2002 sei aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Zudem ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei, und verzichtet im Übrigen auf Vernehmlassung.

D.
Mit Rücksicht auf das Gesuch um aufschiebende Wirkung wurde diese
superprovisorisch bewilligt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Letztinstanzliche kantonale Entscheide über Fragen des nachträglichen
Strafvollzugs unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht (Art. 97 Abs. 1, 98 lit. g OG). Der Beschwerdeführer hat als
unmittelbar Betroffener ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung des
angefochtenen Entscheides und ist daher zur Beschwerde legitimiert (Art. 103
lit. a OG). Die Beschwerde ist rechtzeitig erhoben worden. Auf die Beschwerde
ist daher einzutreten.

1.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht
aller Stufen, also auch von Bundesverfassungsrecht, sowie Überschreitung und
Missbrauch des Ermessens, nicht aber  Unangemessenheit gerügt werden (Art.
104 OG). Nachdem als Vorinstanz eine richterliche Behörde entschieden hat,
ist das Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, soweit
dieser nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften ermittelt worden ist (Art. 105 Abs. 2
OG).

2.
Begeht der bedingt Entlassene während der Probezeit eine strafbare Handlung,
für die er zu einer drei Monate übersteigenden und unbedingt zu vollziehenden
Freiheitsstrafe verurteilt wird, so ordnet die zuständige Behörde die
Rückversetzung an. Wird der Entlassene zu einer milderen oder zu einer
bedingt zu vollziehenden Strafe verurteilt, so kann die zuständige Behörde
von der Rückversetzung Umgang nehmen (Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB).

2.1 Der Beschwerdeführer wurde am 22. März 1998 bedingt aus dem Strafvollzug
entlassen, unter Ansetzung einer Probezeit von zwei Jahren. Während der
Probezeit verübte er mehrere Widerhandlungen gegen das
Strassenverkehrsgesetz, wofür er durch Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft
vom 4. November 1999 zu einer unbedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 90
Tagen verurteilt wurde. Die zuständige Behörde verzichtete auf den Widerruf
der bedingten Entlassung, verlängerte aber die Probezeit für den Vollzug der
Reststrafe um ein Jahr. Am 18. Dezember 1999, mithin während der Probezeit
und weniger als zwei Jahre nach deren Beginn, verübte der Beschwerdeführer
eine einfache Körperverletzung und eine Tätlichkeit, wofür er durch
Strafbefehl der Bezirksanwaltschaft vom 22. September 2000 zu einer unbedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von 4 Tagen verurteilt wurde.

Der Beschwerdeführer hat somit während der Probezeit strafbare Handlungen
begangen, für welche er durch zwei (in Rechtskraft erwachsene) Strafbefehle
zu unbedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von 90 Tagen beziehungsweise von
vier Tagen, also von insgesamt 94 Tagen und damit von mehr als drei Monaten,
verurteilt worden ist.

2.2 Das Verwaltungsgericht vertritt in seiner Mehrheit die Auffassung, dass
unter den gegebenen Umständen der Widerruf der bedingten Entlassung und die
Rückversetzung in den Strafvollzug gestützt auf Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1
StGB zwingend anzuordnen sind. Im angefochtenen Urteil wird auch die
abweichende Meinung einer Minderheit der Kammer zu Protokoll gegeben, wonach
sich im vorliegenden Fall die Annahme verbiete, dass infolge des
Zusammenrechnens der beiden ausgesprochenen Freiheitsstrafen die
Voraussetzungen für einen zwingenden Widerruf der bedingten Entlassung gemäss
Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB erfüllt seien.

3.
3.1 Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB regelt den Fall, dass der bedingt
Entlassene während der Probezeit eine strafbare Handlung begeht, für die er
zu einer drei Monate übersteigenden und unbedingt zu vollziehenden
Freiheitsstrafe verurteilt wird. Das Gesetz regelt nicht ausdrücklich, wie es
sich verhält, wenn der bedingt Entlassene während der Probezeit mehrere
strafbare Handlungen begeht, für die er durch mehrere Urteile zu unbedingt
vollziehbaren, drei Monate nicht übersteigenden Freiheitsstrafen verurteilt
wird, welche insgesamt drei Monate überschreiten. Die Frage, wie mehrere
strafbare Handlungen und mehrere Freiheitsstrafen bei der Anwendung von Art.
38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB zu berücksichtigen seien, wurde weder in der Botschaft
des Bundesrates (BBl 1965 I 561 ff., 569) noch in den eidgenössischen Räten
(AB 1967 S 53 f., AB 1969 N 100 f.) angeschnitten (siehe dazu das Urteil des
Kassationshofes vom 20. April 1989, auszugsweise wiedergegeben in AGVE 1989
Nr. 28).

In der Lehre wird unter Hinweis auf das in AGVE 1989 Nr. 28 auszugsweise
wiedergegebene Urteil des Bundesgerichts vom 20. April 1989 die Auffassung
vertreten, dass bei Ausfällung von mehreren Freiheitsstrafen wegen Delikten,
welche der bedingt Entlassene während der Probezeit beging, auf deren
Gesamtdauer abzustellen und somit der Widerruf der bedingten Entlassung
gestützt auf Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend ist, wenn die
Gesamtdauer der mehreren unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen drei Monate
übersteigt (Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2.
Aufl. 1997, N. 16 zu Art. 38 StGB; Rehberg, Strafrecht II, 7. Aufl. 2001, S.
34; Andrea Baechtold, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, 2003, N. 37 zu
Art. 38 StGB).

Das in AGVE 1989 Nr. 28 auszugsweise wiedergegebene Urteil des
Kassationshofes vom 28. April 1989 betraf den Fall einer bedingt entlassenen
Person, die für die während der Probezeit begangenen Straftaten durch vier
Urteile zu unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen von 70 Tagen, 7 Tagen, 7
Tagen und 30 Tagen, mithin von insgesamt 114 Tagen, verurteilt worden war.
Der Kassationshof hatte sich vor allem mit dem Einwand des Betroffenen zu
befassen, dass der Widerruf der bedingten Entlassung nur dann gemäss Art. 38
Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend sei, wenn der bedingt Entlassene wegen
einer während der Probezeit begangenen Straftat durch ein Urteil zu einer
drei Monate übersteigenden, unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe
verurteilt werde, dass mithin die Zusammenrechnung der durch mehrere Urteile
ausgesprochenen unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen nicht zulässig sei.
Dem letztgenannten Einwand hielt der Kassationshof entgegen, dass es in
Fällen, in denen ein Täter mehrere strafbare Handlungen begangen habe, oft
von zeitlichen und örtlichen Zufälligkeiten in der Strafverfolgung und
gerichtlichen Beurteilung abhänge, ob mehrere kurze Freiheitsstrafen oder
eine Gesamtstrafe ausgesprochen werde. So sei es beispielsweise möglich, dass
ein Täter für zwei während der Probezeit verübte Delikte zu je 21/2 Monaten
Gefängnis und ein anderer Täter wegen derselben Straftaten zu einer
Gesamtstrafe von fünf Monaten Gefängnis verurteilt werde. Inwiefern eine
Besserstellung des Täters, dessen strafbare Handlungen einzeln beurteilt
werden, gegenüber demjenigen, der eine Gesamtstrafe erhalte, gerechtfertigt
wäre, sei nicht einzusehen. Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 StGB bringe zum Ausdruck,
dass die Rückversetzung anzuordnen sei, wenn der bedingt Entlassene das in
ihn gesetzte Vertrauen enttäuscht habe. Dies könne bei der Verübung eines
einzigen schwerwiegenden Delikts ebenso gut der Fall sein wie bei der
Begehung von mehreren leichteren Straftaten. Auch unter diesem Gesichtspunkt
sei beim Entscheid, ob eine drei Monate übersteigende Freiheitsstrafe gemäss
Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB vorliege, eine Gesamtbeurteilung aller
während der Probezeit verübten strafbaren Handlungen vorzunehmen. Dies ergebe
sich auch aus Art. 68 Ziff. 2 StGB (betreffend die retrospektive Konkurrenz),
welcher nach der Rechtsprechung (BGE 109 IV 90 E. 2b S. 92, mit Hinweisen)
den Zweck verfolge, dass der Täter durch die Aufteilung der Strafverfolgung
in mehrere Verfah-ren nicht benachteiligt und soweit als möglich auch nicht
besser gestellt werde. Daher habe die kantonale Instanz ohne Verletzung von
Bundesrecht annehmen dürfen, dass die gesamte Strafdauer bei einer
Verurteilung oder aber bei mehreren Verurteilungen etwa gleich lang
ausgefallen wäre (AGVE 1989 Nr. 28 S. 206 f.).
3.2 Aus den Erwägungen im genannten Bundesgerichtsentscheid zieht der
Beschwerdeführer mit der Minderheit des Verwaltungsgerichts die
Schlussfolgerung, beim Entscheid über den Widerruf der bedingten Entlassung
gemäss Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB sei so zu verfahren, wie wenn alle
von ihm in der Probezeit verübten Straftaten gleichzeitig beurteilt worden
wären. Daher sei zu prüfen, welche Strafe in diesem Fall ausgesprochen worden
wäre. Es sei wahrscheinlich, dass auch in diesem Fall, d.h. unter
Mitberücksichtigung der Straftaten der einfachen Körperverletzung und der
Tätlichkeit (für welche er zu vier Tagen Gefängnis verurteilt worden sei),
eine Gefängnisstrafe von 90 Tagen ausgefällt worden wäre, zumal nach der
Rechtsprechung bei der Strafzumessung auch zu berücksichtigen sei, dass eine
drei Monate übersteigende, unbedingt vollziehbare Freiheitsstrafe gemäss Art.
38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend zum Widerruf der bedingten Entlassung
führe, was im vorliegenden Fall den Vollzug einer Reststrafe von 239 Tagen
Gefängnis zur Folge habe.

3.3 Es ist durchaus denkbar, dass der Richter, welcher den ersten Strafbefehl
erliess, auch dann eine Gefängnisstrafe von 90 Tagen ausgesprochen hätte,
wenn neben den beurteilten Straftaten zusätzlich die einfache
Körperverletzung und die Tätlichkeit, welche im konkreten Fall offensichtlich
Bagatelldelikte waren, Gegenstand des ersten Verfahrens gewesen wären. Es ist
auch denkbar, dass der Richter, welcher den zweiten Strafbefehl erliess, für
die von ihm zu beurteilenden Straftaten der einfachen Körperverletzung und
der Tätlichkeit keine Zusatzstrafe beziehungsweise eine Zusatzstrafe Null
ausgefällt hätte (siehe dazu BGE 102 IV 239), wenn diese Straftaten vor
Erlass des ersten Strafbefehls, der mangels Einsprache in Rechtskraft
erwachsen ist, begangen worden, aber erst nachträglich bekannt geworden und
somit die Voraussetzungen von Art. 68 Ziff. 2 StGB (betreffend die
retrospektive Konkurrenz) erfüllt gewesen wären. Denn nach der Rechtsprechung
hat der Richter bei der Strafzumessung auch die Rechtsfolgen zu
berücksichtigen, die sich aus einem bestimmten Strafmass ergeben (siehe BGE
119 IV 125 E. 3b betreffend Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB; BGE 118 IV
337 E. 2c betreffend Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB; Matthias Härri,
Folgenberücksichtigung bei der Strafzumessung, in: ZStrR 116/1998 S. 212
ff.).

Im vorliegenden Fall sind indessen weder die Voraussetzungen für die Bildung
einer Gesamtstrafe gemäss Art. 68 Ziff. 1 StGB noch die Voraussetzungen für
die Ausfällung einer Zusatzstrafe nach Art. 68 Ziff. 2 StGB erfüllt; denn der
Beschwerdeführer hat die Straftaten der einfachen Körperverletzung und der
Tätlichkeit am 18. Dezember 1999 und damit nach dem Erlass des ersten
Strafbefehls vom 4. November 1999 begangen, der mangels Anfechtung in
Rechtskraft erwachsen ist. Wohl ist es im Grunde eine zeitliche Zufälligkeit
in der Strafverfolgung und in der gerichtlichen Beurteilung (siehe dazu den
zitierten Bundesgerichtsentscheid in: AGVE 1989 Nr. 28 S. 205 ff.), dass die
Straftaten der Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz, unter
anderem die Vereitelung einer Blutprobe, bereits durch einen - rechtskräftig
gewordenen - Strafbefehl beurteilt worden waren, als der Beschwerdeführer die
Straftaten der einfachen Körperverletzung und der Tätlichkeit beging. Daraus
folgt jedoch nicht, dass die zuständige Behörde beim Entscheid über den
Widerruf der bedingten Entlassung gemäss Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB
hätte prüfen und abklären müssen, welche Gesamtstrafe beziehungsweise welche
Zusatzstrafe wohl ausgefällt worden wäre, wenn die Voraussetzungen von Art.
68 Ziff. 1 respektive Art. 68 Ziff. 2 StGB im konkreten Fall tatsächlich
erfüllt gewesen wären. Entscheidend ist, dass diese Voraussetzungen
vorliegend unstreitig nicht erfüllt sind. Der Beschwerdeführer hat die
Straftaten der einfachen Körperverletzung und der Tätlichkeit begangen,
nachdem er durch den am 19. November 1999 zugestellten - rechtskräftig
gewordenen - Strafbefehl vom 4. November 1999 zu einer unbedingt
vollziehbaren Gefängnisstrafe von 90 Tagen verurteilt worden war. Das
Verschulden des Beschwerdeführers in Bezug auf diese Straftaten wiegt daher
in Anbetracht der darin liegenden erneuten Täuschung des in ihn gesetzten
Vertrauens schwerer, als wenn er diese Straftaten vor seiner Verurteilung zu
einer Gefängnisstrafe von 90 Tagen gemäss Strafbefehl vom 4. November 1999
verübt hätte.

3.4 Allerdings kann man sich fragen, ob eine Zusammenrechnung der beiden
unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafen von 90 Tagen gemäss dem ersten
Strafbefehl vom 4. November 1999 und von vier Tagen gemäss dem zweiten
Strafbefehl vom 22. September 2000 deshalb ausser Betracht falle, weil die
zuständige Behörde mit Verfügung vom 20. Januar 2000 aufgrund der ersten
Verurteilung des Beschwerdeführers unter Verzicht auf den Widerruf der
bedingten Entlassung die Probzeit um eine Jahr verlängert hatte und es aus
diesem Grunde unzulässig sei, diese erste Verurteilung gleichsam ein weiteres
Mal zu berücksichtigen. Die Frage ist zu verneinen. Denn es hängt von
zeitlichen Zufälligkeiten ab, ob die zuständige Behörde noch vor einer - in
Rechtskraft erwachsenen - zweiten Verurteilung über die
strafvollzugsrechtlichen Folgen der ersten Verurteilung rechtskräftig
befinden kann. Es darf jedoch nicht von solchen zeitlichen Zufälligkeiten
abhängen, ob in Fällen der vorliegenden Art die Zusammenrechnung von zwei
oder mehreren Freiheitsstrafen für während der Probezeit nach der bedingten
Entlassung begangene Straftaten zulässig sei.

Offen bleiben kann, wie es sich verhielte, wenn der Beschwerdeführer die
Straftaten der einfachen Körperverletzung und der Tätlichkeit, für die er
durch den zweiten Strafbefehl verurteilt wurde, nicht noch während der bei
seiner bedingten Entlassung vom 22. März 1998 angesetzten Probezeit von zwei
Jahren, sondern erst im Anschluss daran, während der durch Verfügung vom 20.
Januar 2000 um ein Jahr verlängerten Probezeit, begangen hätte.

3.5 Das Verwaltungsgericht hat somit Bundesrecht nicht verletzt, indem es
erkannte, dass die beiden unbedingt vollziehbaren Gefängnisstrafen von 90
Tagen gemäss Strafbefehl vom 4. November 1999 und von 4 Tagen gemäss
Strafbefehl vom 22. September 2000 für die vom Beschwerdeführer während der
Probezeit verübten strafbaren Handlungen zusammenzuzählen seien und in
Anbetracht der daraus resultierenden Freiheitsstrafe von insgesamt 94 Tagen
und damit von mehr als drei Monaten die bedingte Entlassung gemäss Art. 38
Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend zu widerrufen sei.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer erhebt gegen den Widerruf der bedingten Entlassung
eine ganze Reihe von weiteren Einwänden. Er macht geltend, die Rückversetzung
in den Strafvollzug sei angesichts der Höhe der zur Diskussion stehenden
Reststrafe (von 239 Tagen), der Art der von ihm während der Probezeit
begangenen, nicht besonders schwerwiegenden Straftaten, des Umstands, dass er
die hiefür ausgesprochenen Freiheitsstrafen inzwischen - in
Halbgefangenschaft - verbüsst habe, sowie auch mit Rücksicht auf seine
persönlichen Verhältnisse, unter anderem seine psychischen Probleme,
unverhältnismässig und mit dem Ziel der Resozialisierung unvereinbar. Die in
den beiden Strafbefehlen ausgefällten Freiheitsstrafen von 90 Tagen und von 4
Tagen seien viel zu hoch. Er habe die Strafbefehle deshalb nicht angefochten,
weil er, damals nicht anwaltlich vertreten, deren weitreichende Folgen
(Widerruf der bedingten Entlassung) nicht habe abschätzen können. Ein
Strafverteidiger wäre dazu in der Lage gewesen. Der Untersuchungsrichter,
welcher den zweiten Strafbefehl erlassen habe, hätte den nicht anwaltlich
vertretenen, psychisch angeschlagenen Beschwerdeführer auf die weitreichenden
Folgen hinweisen müssen. Indem dies unterblieben sei, seien die
Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers und dessen Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt worden. In Anbetracht der schwerwiegenden Auswirkungen
insbesondere der im zweiten Strafbefehl ausgefällten Freiheitsstrafe hätte
dem rechtsunkundigen Beschwerdeführer zumindest in jenem Verfahren ein
amtlicher Verteidiger bestellt werden müssen. Nach der neueren Praxis des
Kassationsgerichts des Kantons Zürich (ZR 100/2001 Nr. 16) müsse dem
Angeschuldigten ein amtlicher Verteidiger zur Seite gestellt werden, wenn die
Rückversetzung in den Vollzug einer Reststrafe von über einem Jahr drohe. Es
könne nicht angehen, dass der faktische Entscheid über die Rückversetzung
eines nicht rechtskundigen und zudem psychisch angeschlagenen Beschuldigten
in den Vollzug einer erheblichen Reststrafe von 239 Tagen ohne Wahrung von
dessen Verteidigungsrechten quasi dem Ermessensentscheid eines
Untersuchungsrichters in einem Einparteienverfahren - ganz dem
Inquisitionsprinzip folgend - überlassen sei.

4.2 Im Verfahren des Widerrufs der bedingten Entlassung gemäss Art. 38 Ziff.
4 Abs. 1 StGB kann das rechtskräftige Strafurteil, das Anlass zum Widerruf
bildet, weder in Bezug auf seine inhaltliche Richtigkeit noch bezüglich des
Verfahrens beanstandet werden. Zwar ist dem Betroffenen im Widerrufsverfahren
das rechtliche Gehör auch zu gewähren, wenn der Widerruf der bedingten
Entlassung gemäss Art. 38 Ziff. 4 Abs. 1 Satz 1 StGB zwingend ist (siehe BGE
98 I b 172 E. 2b; nicht publizierte Bundesgerichtsentscheide 6A.71/2001 vom
13. November 2001 und 6A.48/1993 vom 13. Oktober 1993). Daraus folgt aber
nicht, dass der Betroffene im Widerrufsverfahren auch die Anlass zum Widerruf
bildenden Verurteilungen und die ihnen zu Grunde liegenden Verfahren
kritisieren und beispielsweise geltend machen könne, dass die ausgefällten
neuen Strafen zu hoch seien beziehungsweise dass ihm in den Strafverfahren zu
Unrecht kein Rechtsanwalt beigegeben worden sei. Solchen Einwänden steht
unter anderem die Rechtskraft der neuen Strafurteile entgegen (siehe dazu
auch bereits BGE 74 IV 12 E. 3 zu Art. 41 Ziff. 3 StGB), welche überhaupt
Voraussetzung dafür ist, dass die bedingte Entlassung widerrufen werden kann.
Auch die Rüge, dass in den Strafverfahren die Verbeiständung durch einen
Rechtsanwalt notwendig gewesen wäre, weil die jeweils in Aussicht stehende
neue Strafe und die zu vollziehende Reststrafe zusammenzurechnen seien (siehe
dazu den Entscheid des Kassationsgerichts des Kantons Zürich vom 31. Oktober
2000, auszugsweise wiedergegeben in ZR 100/2001 Nr. 16), hätte der
Beschwerdeführer bereits in den Strafverfahren erheben müssen; er kann diese
Rügen nicht erst im Widerrufsverfahren vorbringen, in welchem er übrigens von
Anbeginn durch einen Rechtsanwalt verbeiständet war.

Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist somit auch in diesem Punkt abzuweisen.

5.
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

6.
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Seine finanzielle Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Die Beschwerde war nicht von
vornherein aussichtslos. Das Gesuch ist daher gutzuheissen. Somit werden
keine Kosten erhoben und wird dem Vertreter des Beschwerdeführers,
Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch, Zürich, eine Entschädigung aus der
Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Guido Hensch, Zürich,
wird eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse
ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich, Abteilung Bewährungs- und Vollzugsdienste, und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, sowie dem
Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. April 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: