Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.97/2002
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5P.97/2002 /bnm

Urteil vom 7. Mai 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Hasenböhler,
Gerichtsschreiber Gysel.

A. ________ (Ehemann),
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecherin lic. iur. Beatrice
Müller-Wirth, Signalstrasse 6, 5000 Aarau,

gegen

B.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Pius Fryberg,
Vazerolgasse 2, Postfach 731, 7002 Chur,
Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden, Poststrasse 14, 7002 Chur.

Art. 9 BV (Abänderung von Eheschutzmassnahmen),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen die Verfügung vom 4. Januar 2002.

Sachverhalt:

A.
Im Rahmen des zwischen A.________ (Ehemann) und B.________ (Ehefrau) hängigen
Eheschutzverfahrens verpflichtete das Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden
A.________ durch Rekursentscheid vom 21. Mai 2001, der Ehefrau rückwirkend ab
1. April 2000 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von Fr. 3'532.-- und ab 1.
März 2001 einen solchen von Fr. 3'636.-- zu bezahlen. Weiter wurde der
Ehemann dazu verhalten, für seine drei Kinder rückwirkend ab 1. April 2000
monatliche Unterhaltsbeiträge von je Fr. 1'000.-- nebst Kinderzulagen zu
leisten.

B.
Mit Eingabe vom 4. Juli 2001 stellte A.________ beim Bezirksgerichtspräsidium
Y.________ ein Gesuch um Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge ab Juli 2001 auf
monatlich insgesamt Fr. 4'383.-- (je Fr. 1'000.--, zuzüglich Kinderzulagen,
pro Kind und Fr. 1'383.-- für B.________ persönlich). Gleichzeitig verlangte
er, die vom Bezirksgerichtspräsidium Y.________ am 27. Juni 2001 erlassene
Anweisung an die Arbeitgeberin, den den Unterhaltsbeiträgen entsprechenden
Lohnanteil direkt B.________ auszuzahlen, sei aufzuheben.

Der Bezirksgerichtspräsident wies das Begehren am 19. November 2001 ab. Den
von A.________ hiergegen eingereichten Rekurs wies das
Kantonsgerichtspräsidium von Graubünden am 4. Januar 2002 ebenfalls ab.

C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 26. Februar 2002 beantragt A.________,
die Verfügung des Kantonsgerichtspräsidiums vom 4. Januar 2002 aufzuheben.
Ausserdem ersucht er darum, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren.

Vernehmlassungen zur Beschwerde sind nicht eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Bei der angefochtenen Verfügung handelt es sich um einen letztinstanzlichen
kantonalen Entscheid im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG über die Anordnung von
Eheschutzmassnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung (zuletzt bestätigt in BGE
127 III 474 E. 2 S. 476 ff.) können derartige Entscheide beim Bundesgericht
nicht mit Berufung, sondern einzig mit staatsrechtlicher Beschwerde
angefochten werden. Aus dieser Sicht ist auf die Beschwerde deshalb
einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Kantonsgerichtspräsidium in verschiedener
Hinsicht einen Verstoss gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV) vor.

2.1 Willkür liegt nach ständiger Rechtsprechung nicht schon dann vor, wenn
eine andere Lösung als die beanstandete ebenfalls vertretbar erscheint oder
gar vorzuziehen wäre, sondern nur dann, wenn der beanstandete Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder sonstwie in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft (BGE 126 III 438 E. 3 S. 440; 125 II 10 E. 3a S. 15 und 129 E.
5b S. 134, mit Hinweisen). Wegen willkürlicher Feststellung von Tatsachen
greift das Bundesgericht nur ein, wenn jene offensichtlich unhaltbar ist,
d.h. mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, auf einem
offenkundigen Versehen beruht, sich sachlich in keiner Weise rechtfertigen
lässt (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40 mit Hinweisen). Willkür liegt in diesem
Bereich insbesondere dann vor, wenn der Sachrichter einseitig einzelne
Beweise berücksichtigt oder wenn er aus dem Ergebnis des Beweisverfahrens
voreilige Schlüsse zieht (BGE 118 Ia 28 E. 1b S. 30; 112 Ia 369 E. 3 S. 371).
Die Aufhebung eines kantonalen Entscheids rechtfertigt sich in jedem Fall nur
dort, wo nicht nur die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist
(BGE 124 I 247 E. 5 S. 250 mit Hinweisen).

2.2 Art. 90 Abs. 1 lit. b OG erheischt die Darlegung, inwiefern
verfassungsmässige Rechte und Rechtssätze verletzt worden seien, was
appellatorische Kritik, wie sie allenfalls im Rahmen eines
Berufungsverfahrens zulässig ist, ausschliesst (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11
f.). Wird Willkür gerügt, ist klar und detailliert aufzuzeigen, inwiefern der
kantonale Entscheid qualifiziert unrichtig sein soll (BGE 122 I 70 E. 1c S.
73 mit Hinweisen).

3.
3.1 Im kantonalen Verfahren hatte der Beschwerdeführer geltend gemacht, er sei
seit November 2000 bei der C.________ AG als Physiotherapeut tätig und habe
bis April 2001 einen monatlichen Nettolohn von Fr. 11'530.-- bezogen. Im
April 2001 habe er sich dann aus gesundheitlichen Gründen gezwungen gesehen,
das Arbeitspensum fortan zu reduzieren. Zum gleichen Zeitpunkt habe er das
Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin neu geregelt, worauf das Einkommen
von April bis Juni 2001 - auf der Basis eines Stundenlohns - Fr. 11'080.-- im
Monat betragen habe. Zusätzlich habe er ein monatliches Einkommen von Fr.
350.-- als Velobegleiter für Touristen erzielt. Die Arbeitgeberin habe dann
sein Arbeitspensum ab Juli 2001 einseitig auf monatlich höchstens 110 Stunden
beschränkt. In den folgenden Monaten habe er durchschnittlich 101,8 Stunden
beschäftigt werden können, was ein monatliches Erwerbseinkommen von nur noch
Fr. 7'050.-- ergeben habe.

3.2 Diesen Vorbringen hält die kantonale Rekursinstanz entgegen, der
Beschwerdeführer habe sich noch in der Einigungsverhandlung vom 21. Mai 2001,
die dem Rekursentscheid vom gleichen Tag vorangegangen war, auf den
Arbeitsvertrag vom 12. Dezember 2000 berufen, obschon er bereits damals den
neuen Vertrag hätte vorlegen können. Dass die Arbeitgeberin gerade zwei
Wochen nach der Mitteilung der erwähnten Verfügung vom 21. Mai 2001 den
Arbeitseinsatz des Beschwerdeführers auf rund hundert Arbeitsstunden im Monat
limitiert haben wolle, sei nicht nachvollziehbar. Ferner weist das
Kantonsgerichtspräsidium darauf hin, dass der Beschwerdeführer mit seiner
Einzelfirma noch in den Jahren 1995 bis 1998 steuerbare Einkünfte von Fr.
277'108.-- bis Fr. 320'298.-- erzielt habe. Nach dem die Parteien im März
2000 den gemeinsamen Haushalt aufgehoben hätten, sei dann am 24. November
2000 die C.________ AG gegründet worden. Der Beschwerdeführer habe seine
Einzelfirma als Sacheinlage eingebracht und dafür 96 der 100 Namenaktien
bezogen. Aus den Akten gehe sodann hervor, dass D.________, seine
Lebensgefährtin, 25 und sein Vater 74 Aktien der Gesellschaft erworben
hätten. Somit würden 99 der 100 Aktien vom Vater und von der Lebensgefährtin
des Beschwerdeführers gehalten und es sei nicht anzunehmen, dass die beiden
gegen dessen Willen und Interessen handeln würden. Es könne deshalb nicht
davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer auf Geheiss der
C.________ AG sein Arbeitspensum habe reduzieren müssen und dass er nicht
mehr als Geschäftsführer beschäftigt werden könne. Im Übrigen werde nicht
weiter dargetan, dass die Nachfrage nach physiotherapeutischen Behandlungen
bei der C.________ AG zurückgegangen sei. Aufgrund der von ihr angeführten
Umstände hält die kantonale Rekursinstanz dafür, dass der Beschwerdeführer
weiterhin in seiner bisherigen Stellung und im bisherigen Umfang tätig sein
könne.

Im angefochtenen Entscheid wird des Weitern festgehalten, es gehe nicht an,
dass der Beschwerdeführer sein Arbeitspensum und damit sein Einkommen bei der
C.________ AG freiwillig reduziere, um Velotouren mit Touristen
durchzuführen. Gemäss Zeugnis seines Hausarztes sei er in der Lage, während
vier Tagen in der Woche zu arbeiten, und deshalb sei ihm auch zuzumuten,
weiterhin den Lohn zu verdienen, den er bis und mit Juni 2001 - bei einem
Arbeitspensum von ebenfalls vier Wochentagen - erzielt habe. Im Übrigen könne
er seine Stellung nicht mit derjenigen eines angestellten Physiotherapeuten
vergleichen und damit argumentieren, dass ein solcher durchschnittlich nur
Fr. 5'500.-- im Monat verdiene. Es gelte nämlich zu beachten, dass er die
Stellung eines Geschäftsführers und Managers bekleide, und in dieser Funktion
habe er monatlich Fr. 11'530.-- verdient. Auch aus dieser Sicht ist die
kantonale Rekursinstanz zum Schluss gelangt, die Verminderung des Einkommens
des Beschwerdeführers, die für eine Abänderung der in der Verfügung vom 21.
Mai 2001 festgesetzten Unterhaltsbeiträge erforderlich wäre, sei nicht als
gegeben zu betrachten.

3.3 Soweit der Beschwerdeführer sich mit den Erwägungen des
Kantonsgerichtspräsidiums überhaupt auseinandersetzt, sind seine Ausführungen
nicht geeignet, den angefochtenen Entscheid als verfassungswidrig erscheinen
zu lassen: Aus den vorstehenden Darlegungen ergibt sich, dass die kantonale
Rekursinstanz sich mit den Vorbringen des Beschwerdeführers, sein
Arbeitspensum sei reduziert worden und sein Einkommen entsprechend
zurückgegangen, sehr wohl befasst und jene keineswegs übergangen hat. Ebenso
wenig hat die kantonale Instanz ohne Begründung über Bestätigungen der
C.________ AG betreffend sein Arbeitsverhältnis hinweggesehen. Sie hat
vielmehr einlässlich ausgeführt, weshalb sie die Erklärungen der
Arbeitgeberin für nicht glaubwürdig halte. Warum die Würdigung der
tatsächlichen Verhältnisse durch das Kantonsgerichtspräsidium willkürlich
sein soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar. Er beschränkt sich darauf, in
appellatorischer Form das im kantonalen Verfahren Vorgetragene zu
wiederholen. In den gleichen Vorbringen erschöpft sich das, was er zur
Begründung seiner Rügen ausführt, das Kantonsgerichtspräsidium sei auch
dadurch in Willkür verfallen, dass es (in einer selbstständigen
Zusatzbegründung) auf ein fiktives Einkommen abgestellt und ihm nicht das
betreibungsrechtliche Existenzminimum belassen habe. Dass er sogar dann nicht
über diesen Notbedarf verfüge, wenn auf das von der kantonalen Instanz
angenommene Monatseinkommen abgestellt werde, bringt der Beschwerdeführer
nicht vor. Ebenso wenig macht dieser geltend, die der Arbeitgeberin erteilte
Anweisung zur Zahlung an die Beschwerdegegnerin verstosse als solche,
unabhängig von der Höhe der Unterhaltsbeiträge, gegen Art. 9 BV.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Sie erschien von vornherein
als aussichtslos. Das Armenrechtsgesuch ist deshalb abzuweisen (vgl. Art. 152
Abs. 1 OG), und es ist dem Beschwerdeführer die Gerichtsgebühr aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassungen eingeholt worden sind, sind
der Beschwerdegegnerin keine Kosten erwachsen, so dass für die Zusprechung
einer Parteientschädigung kein Anlass besteht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgerichtspräsidium von
Graubünden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Mai 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: