Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.55/2002
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5P.55/2002 /min

Beschluss vom 14. Juni 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Levante.

A. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno Gebistorf,
Falkengasse 3, Postfach 5345, 6000 Luzern 5,

gegen

Amtsrichterin Z.________,
Beschwerdegegnerin,
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach,
6002 Luzern.

Art. 29, 9 BV, 6 EMRK (Scheidungsprozess)

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Luzern, II. Kammer, vom 7. Januar 2002
Das Bundesgericht hat nach Einsicht
in das gemeinsame Scheidungsbegehren von A.________ und B.________ vom 17.
August 2001, worin sie neben der Scheidung ihrer Ehe die gerichtliche
Beurteilung der Scheidungsfolgen beantragten,
in das Verhandlungsprotokoll vom 21. November 2001, wonach die zuständige
Amtsrichterin die Eheleute A.________ und B.________ zunächst ohne Anwälte
getrennt und anschliessend mit den Anwälten zusammen anhörte,
in die Aufsichtsbeschwerde von A.________ vom 22. November 2001, worin sie
einerseits die getrennte Anhörung der Parteien ohne Anwälte und andererseits
den Umstand beanstandete, dass anlässlich der getrennten Anhörung auch
materielle Fragen behandelt wurden,
in den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern vom 7. Januar 2002, mit
welchem die Aufsichtsbeschwerde abgewiesen wurde,
in die am 6. Februar 2002 von A.________ gegen diesen Entscheid erhobene
staatsrechtliche Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids beantragt wurde,
in das Scheidungsurteil des Amtsgerichts Luzern-Stadt vom 6. Mai 2002, mit
welchem die Ehe der Parteien geschieden und die Vereinbarung der Parteien
über die Scheidungsfolgen vom 22. Februar 2002 genehmigt wurde,
in die Verfügung des bundesgerichtlichen Instruktionsrichters vom 16. Mai
2002, worin dieser den Verfahrensbeteiligten Gelegenheit gab, zur Frage
Stellung zu nehmen, ob das staatsrechtliche Beschwerdeverfahren als
gegenstandslos abgeschrieben werden müsse,
in die Vernehmlassungen des Obergerichts vom 22. Mai 2002 und von A.________
vom 23. Mai 2002,

in Erwägung,

dass das Bundesgericht in konstanter Rechtsprechung ein aktuelles und
praktisches Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Entscheids bzw. an
der Überprüfung der von der Beschwerdeführerin erhobenen Rügen verlangt, das
auch noch im Zeitpunkt der bundesgerichtlichen Urteilsfällung gegeben sein
muss (BGE 118 Ia 46 E. 3c S. 53 mit Hinweisen),
dass sich die Beschwerdeführerin über Verfahrensfehler zu Beginn des
Scheidungsverfahrens beklagt hat,
dass für den Zeitpunkt der Beschwerdeeinreichung das Rechtsschutzinteresse an
der Beurteilung dieser Fragen bejaht werden kann,
dass die Beschwerdeführerin nach der Einigung im Scheidungspunkt und nach der
Vereinbarung über die Nebenfolgen sowie nach dem (inzwischen rechtskräftigen)
Scheidungsurteil kein aktuelles und praktisches Interesse an der Beurteilung
der Frage (mehr) hat, ob das Scheidungsverfahren in jeder Beziehung korrekt
abgewickelt worden ist (BGE 118 Ia 488 E. 2 S. 492),
dass der Hinweis der Beschwerdeführerin, das staatsrechtliche
Beschwerdeverfahren weise zum Teil andere Parteien als das
Scheidungsverfahren auf, an diesem Ergebnis ebenso wenig ändert wie der
Umstand, dass sie den zeitlichen Ablauf des Scheidungsverfahrens nicht hat
beeinflussen können,
dass demnach das aktuelle praktische Interesse in der Zeitspanne zwischen
Beschwerdeerhebung und Urteil weggefallen ist,
dass die Beschwerdeführerin weiter darauf hinweist, sie habe eine
grundsätzliche Frage aufgeworfen, an deren Beantwortung sie nach wie vor ein
Interesse habe, zumal sich auch der Ehemann über den Verfahrensfehler
aufgehalten habe,
dass das Bundesgericht ausnahmsweise auf das Erfordernis des aktuellen
praktischen Interesses verzichtet, wenn sich die aufgeworfene Frage jederzeit
unter gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte, an ihrer
Beantwortung wegen der grundsätzlichen Bedeutung ein öffentliches Interesse
besteht und sie im Einzelfall kaum je rechtzeitig verfassungsrechtlich
überprüft werden könnte (BGE 118 Ia 488 E. 3a S. 493),
dass die Beschwerdeführerin lediglich die grundsätzliche Bedeutung der
aufgeworfenen Frage behauptet, aber die weiteren Voraussetzungen weder
geltend macht noch belegt,
dass nicht anzunehmen ist, die Frage könne im Einzelfall kaum je rechtzeitig
verfassungsrechtlich überprüft werden,
dass das Verfahren daher gemäss Art. 72 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember
1947 über den Bundeszivilprozess (BZP; SR 273) in Verbindung mit Art. 40 des
Bundesgesetzes vom 16. Dezember 1943 über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG; SR 173.110) infolge Gegenstandslosigkeit
abzuschreiben ist,
dass nur noch mit summarischer Begründung über die Prozesskosten auf Grund
der Sachlage vor Eintritt des Erledigungsgrundes zu entscheiden ist (Art. 72
BZP),
dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdeschrift hauptsächlich die
Frage aufwirft, ob der eigene Anwalt durch das kantonale Verfahrensrecht von
der getrennten Anhörung im Scheidungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen
werden darf,
dass im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren die Auslegung des Bundesrechts
lediglich auf Willkür hin zu überprüfen ist (Kälin, Das Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Aufl. 1994, S. 164),
dass die Auffassung kaum willkürlich sein dürfte, weder Art. 111 noch 112 ZGB
regle die Frage, ob der eigene Anwalt bei der getrennten Anhörung anwesend
sein dürfe oder nicht,
dass sich diese Frage daher aufgrund des kantonalen Verfahrensrechts
entscheidet, wobei die verfassungsrechtlichen Schranken zu beachten sind,
dass ohne Willkür davon ausgegangen werden darf, das kantonale
Verfahrensrecht lasse den Ausschluss des Anwalts bei der getrennten Anhörung
im vorliegenden Fall zu (§ 244b ZPO/LU und § 4 der Verordnung zur Einführung
des neuen Scheidungsrechts),
dass sich unmittelbar aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör wohl nicht
zwingend etwas anderes ergibt,
dass alle diese Fragen nicht abschliessend zu entscheiden sind,
dass es sich bei dieser Sachlage rechtfertigt, der Beschwerdeführerin eine
(reduzierte) Gerichtsgebühr für das vorliegende Verfahren aufzuerlegen und
keine Parteientschädigung zu sprechen,

in Anwendung von Art. 40 OG i.V.m. Art. 72 BZP beschlossen:

1.
Das Verfahren wird infolge Gegenstandslosigkeit abgeschrieben.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieser Beschluss wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern,
II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Juni 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: