Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.493/2002
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5P.493/2002 /bnm

Urteil vom 2. April 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Levante.

A. ________ (Ehemann),
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Patrick Stutz,
Bahnhofstrasse 42, 5401 Baden,

gegen

B.________ (Ehefrau),
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Willy Bolliger,
Postfach 1548, 5401 Baden,
Obergericht des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Art. 9 BV (Abänderung von vorsorglichen Massnahmen gemäss Art. 137 ZGB),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 5. Zivilkammer, vom 20. November 2002.

Sachverhalt:

A.
Zwischen A.________ und B.________ ist seit dem 7. Februar 2000 vor dem
Bezirksgericht Baden der Ehescheidungsprozess hängig. Mit Präliminarentscheid
des Bezirksgerichtspräsidiums Baden vom 10. Februar 2000 wurde der Ehemann
aufgrund der gleichentags geschlossenen Konvention verpflichtet, der Ehefrau
an den Unterhalt der drei Kinder C.________, D.________ und E.________ je Fr.
600.--/ Monat zuzüglich Kinderzulagen sowie für ihren persönlichen Unterhalt
Fr. 1'250.--/Monat zu bezahlen.

B.
Am 31. Mai 2000 beantragte der Ehemann beim Gerichtspräsidium Baden die
Abänderung des Präliminarentscheides und verlangte, die
Kinderunterhaltsbeiträge zu reduzieren und den Ehegattenunterhalt zu
streichen, währenddem die Ehefrau widerklageweise eine Erhöhung ihrer
Unterhaltsbeiträge auf Fr. 2'035.-- verlangte. Mit Urteil vom 6. März 2002
änderte das Bezirksgerichtspräsidium den Präliminarentscheid vom 10. Februar
2000 dahingehend ab, dass der Ehemann verpflichtet wurde, der Ehefrau für
ihren persönlichen Unterhalt ab 1. Juni 2000 Fr. 1'085.-- und ab 1. März 2001
Fr. 1'145.-- zu bezahlen. Gegen dieses Urteil erhob der Ehemann Beschwerde,
welche mit Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 5. Zivilkammer, vom
20. November 2002 (ausser im Kostenpunkt) abgewiesen wurde.

C.
A.________ führt mit Eingabe vom 24. Dezember 2002 staatsrechtliche
Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 und 29 BV mit dem Antrag, das Urteil
des Obergerichts sei (ausser im Kostenpunkt) aufzuheben. Weiter ersucht er um
aufschiebende Wirkung und beantragt die Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

Strittig ist vor Bundesgericht im Wesentlichen das verschiedenen Aktenstücken
entnommene Einkommen und die Frage der Berücksichtigung der
Krankenkassenprämien im Notbedarf des Ehemannes sowie die Auffassung des
Obergerichts, es liege kein Grund für eine weitergehende Abänderung des
Präliminarentscheides zugunsten des Ehemannes vor.

D.
Die Parteien haben sich zum Gesuch um aufschiebende Wirkung nicht vernehmen
lassen. In der Sache sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Mit Präsidialverfügung vom 27. Januar 2003 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid ist als letztinstanzlicher kantonaler
Massnahmeentscheid mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar (Art. 86 OG;
BGE 126 III 261 E. 1 S. 263).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht im Wesentlichen einen Verstoss
gegen Art. 9 und 29 BV vor, weil es akten- und tatsachenwidrig und in
unsubstantiierter Weise falsche Zahlen in Bezug auf sein Einkommen
angenommen, die Krankenkassenprämien zu Unrecht aus dem Notbedarf weggelassen
sowie die vorsorglichen Massnahmen zu Unrecht nicht abgeändert habe.

2.2 Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG hat der Beschwerdeführer die wesentlichen
Tatsachen zu nennen und darzulegen, welche verfassungsmässigen Rechte bzw.
welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid
verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert
erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 125 I 71 E. 1c S. 76).
Sofern sich der Beschwerdeführer auf verfassungsmässige Rechte beruft, deren
Anwendung das Bundesgericht mit freier Kognition prüft, muss er
rechtsgenügend darlegen, inwiefern das verfassungsmässige Recht verletzt
worden ist. Wirft der Beschwerdeführer der kantonalen Behörde vor, ihr
Entscheid verletze das Willkürverbot, muss er zudem dartun, inwiefern der
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 125 II 129 E. 5b S. 134). Insbesondere hat die Begründung auch
Ausführungen darüber zu enthalten, inwiefern der angefochtene Entscheid im
Ergebnis willkürlich sein soll (BGE 125 I 166 E. 2a S. 168).

3.
3.1 Soweit der Beschwerdeführer sich auf Art. 29 BV beruft, kann er nicht
gehört werden. Er legt in keiner Weise dar, inwiefern das Obergericht seine
verfassungsmässigen Verfahrensgarantien verletzt haben soll.

3.2 Der Beschwerdeführer macht im Rahmen des Willkürvorwurfes zunächst
geltend, der Lohnausweis 2001 seines Arbeitgebers für die Steuerklärung, auf
den das Obergericht zur Feststellung seines Lohnes abgestellt habe und mit
dem ein Gesamtjahresbruttolohn von Fr. 83'473.-- bescheinigt werde, sei
offensichtlich falsch. Das gemäss Lohnabrechnung September 2001 ausgewiesene
Grund- (Brutto-) Salär von Fr. 5'601.30, welches im angefochtenen Entscheid
ebenfalls massgebend sei, ergebe 13-fach lediglich einen Bruttolohn von Fr.
72'816.30 pro Jahr. Weitere Lohnzahlungen seien indessen nicht festgestellt.
Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind unbehelflich.

3.2.1 Zum einen handelt es sich beim Hinweis, der von ihm selbst im
kantonalen Verfahren als Beweismittel eingereichte Lohnausweis bescheinige
nicht sein wirkliches Einkommen, um eine neue tatsächliche Behauptung, die im
Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde unzulässig ist (BGE 118 Ia 20 E.
5a S. 26). Zum anderen hat das Obergericht entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers nirgends auf einen Gesamtjahresbruttolohn als
rechtserhebliche Tatsache abgestellt. Es hat vielmehr festgehalten, dass aus
dem Lohnausweis 2001 ein Nettolohn von Fr. 76'106.-- inkl. Kinderzulagen und
Versicherungbeiträge (sog. "Nettolohn II": Bruttolohn total ohne
Sozialversicherungsbeiträge) hervorgeht und gemäss Lohnabrechnung September
2001 - genau wie vom Beschwerdeführer behauptet - das Grund- (bzw. Brutto-)
Salär Fr. 5'601.30 beträgt. Der Vorwurf von aktenwidrigen Annahmen, sofern
dieser vom Beschwerdeführer überhaupt hinreichend begründet worden ist, geht
insoweit ins Leere.

3.2.2 Soweit der Beschwerdeführer dem Obergericht Willkür vorwirft, weil es
auf Aktenstücke abgestellt habe, deren Inhalt in Bezug auf sein Einkommen
miteinander unvereinbar sei, geht er fehl. Er hält selber zu Recht zur
Berechnung seines Nettolohnes II fest, dass vom Grundsalär von Fr. 5'601.30
die Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt Fr. 705.75 abzuziehen und
Kinderzulagen, Sozialkomponente und Krankenkassenbeitrag von insgesamt Fr.
663.-- dazuzuzählen sind. Das 13-fache dieses Nettolohnes (Fr. 5'558.55)
ergibt alleine schon einen Jahreslohn ohne Sozialversicherungsbeiträge von
Fr. 72'261.15. Wenn das Obergericht für das Einkommen von einem Nettolohn II
von Fr. 76'106.-- ausgegangen ist, kann von einem mit der tatsächlichen
Situation in Widerspruch stehenden Entscheid nicht die Rede sein.

3.2.3 Das Obergericht hat festgestellt, dass gemäss Lohnbeleg September 2001
und Lohnbeleg Januar 2002 sich das Grund- (bzw. Brutto-) Salär von Fr.
5'601.30 auf Fr. 5'470.-- vermindert hat, was einer Lohneinbusse von rund 2.4
% entspreche. Gestützt auf den Nettolohn II gemäss Lohnausweis 2001 ergebe
sich nach Abzug der Kinderzulagen und Versicherungsbeiträge ein
Monatseinkommen von Fr. 5'670.--. Um das Monatseinkommen ab Januar 2002 im
Hinblick auf die Überschussberechnung zu ermitteln, hat das Obergericht davon
die vom Arbeitgeber bezahlte Sozialzulage von Fr. 135.-- abgezogen und von
Fr. 5'535.-- die Einkommenseinbusse von 2.4 % berücksichtigt. Dies ergibt
nach der Berechnung im angefochtenen Urteil Fr. 5'402.-- als anrechenbares
Monatseinkommen ab Januar 2002.

Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang als akten- und
tatsachenwidrig und nicht nachvollziehbar rügt, dass das Obergericht für die
Überschussermittlung von einem massgebenden Einkommen von Fr. 5'535.-- für
das Jahr 2001 und von Fr. 5'402.-- ab Januar 2002 ausgehe, kann er nicht
gehört werden. Der Beschwerdeführer legt nicht dar, welche Annahmen das
Obergericht in Bezug auf die in Frage stehenden Dokumente aktenwidrig
getroffen habe oder inwiefern die aus den Akten betreffend sein Einkommen
bzw. dessen Veränderung gezogenen Schlüsse in tatsächlicher Hinsicht
unhaltbar sein sollen.

3.2.4 Was der Beschwerdeführer im Weiteren als "scheinbare Verwechslung von
Brutto- und Nettosalär" kritisiert, genügt den Begründungsanforderungen
nicht. Er legt insbesondere nicht dar, inwiefern es unhaltbar sein soll, wenn
das Obergericht als Ausgangspunkt seiner Einkommensfeststellung den im
Lohnausweis aufgeführten Nettolohn II genommen hat, der alle Leistungen des
Arbeitgebers nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge bescheinigt.

3.3 Weiter wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht vor, es habe in seinem
Notbedarf zu Unrecht keine Krankenkassenprämien berücksichtigt, da im für das
Einkommen als massgebend erachteten Lohn von Fr. 5'535.-- für das Jahr 2001
und von Fr. 5'402.-- für das Jahr 2002 kein Abzug für Krankenkassenprämien
berücksichtigt sei. In diesem Zusammenhang habe das Obergericht die erwähnten
Monatseinkommen mit dem tatsächlich ausbezahlten Lohn verwechselt.

Das Obergericht hat festgehalten, dass dem Beschwerdeführer die
Krankenkassenprämien direkt vom Lohn abgezogen werden, und gefolgert, diese
seien im Notbedarf nicht mehr zu berücksichtigen, weil sie beim Nettolohn
nicht aufgerechnet worden seien. Ob diese Begründung richtig ist, braucht
nicht weiter erörtert zu werden. Denn es steht fest, dass das Obergericht im
Einkommen von Fr. 5'535.-- für das Jahr 2001 und von Fr. 5'402.-- ab Januar
2002 die vom Arbeitgeber bezahlte Sozialzulage von Fr. 135.-- ausdrücklich
nicht berücksichtigt hat (S. 10 Ziff. 4a und S. 16 Ziff. 6 des angefochtenen
Urteils; vgl. E. 3.2.3 hiervor). Darauf geht der Beschwerdeführer mit keinem
Wort ein. Er legt nicht dar, inwiefern geradezu unhaltbar sein soll, wenn ihm
das Obergericht im Ergebnis Fr. 135.-- pro Monat zur Bezahlung der
Krankenkasse belassen hat. Sein ungenügend begründeter Willkürvorwurf kann
nicht gehört werden.

3.4 Schliesslich bringt der Beschwerdeführer vor, das Obergericht habe das
Vorliegen eines Abänderungsgrundes verkannt. Er setzt indessen nicht
auseinander, inwiefern das Obergericht gestützt auf die  - unter dem
Gesichtswinkel der Willkür nicht zu beanstandende - Feststellung der
einkommens- und notbedarfsrelevanten Tatsachen einen Grund zur Abänderung des
Präliminarentscheides (vgl. dazu Leuenberger, in: Praxiskommentar
Scheidungsrecht, N. 15 ff. 137 ZGB) in geradezu stossender Weise verneint
habe. Auf die insoweit rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid
kann nicht eingetreten werden.

4.
Somit ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist,
soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird
der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine
Parteientschädigung an die Beschwerdegegnerin entfällt, da sie sich zum
Gesuch der aufschiebenden Wirkung nicht geäussert hat und ihr in der Sache
keine weiteren Kosten entstanden sind. Dem Gesuch des Beschwerdeführers um
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da
die Beschwerde teilweise bereits an den formellen Voraussetzungen scheitert
und im Übrigen aussichtslos ist (Art. 152 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 5.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. April 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: