Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.491/2002
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2002


5P.491/2002 /min

Urteil vom 22. Juli 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichterin Nordmann, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber von Roten.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marc-Antoine Kämpfen,
Gerechtigkeitsgasse 23, 8002 Zürich,

gegen

1.B.________,
2.C.________,
3.D.________,
4.E.________,
Beschwerdegegner,
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 9 BV (Testamentseröffnung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 13. November 2002.

Sachverhalt:

A.
Am 25. Dezember 2001 verstarb X.-Y.________. Gesetzliche Erben sind ihr
Ehemann A.________ und die vier ehelichen Kinder. Mit Verfügung vom 20.
August 2002 eröffnete der Einzelrichter im summarischen Verfahren am
Bezirksgericht Meilen das Testament der Erblasserin. Das Obergericht (II.
Zivilkammer) des Kantons Zürich wies den dagegen eingelegten Rekurs des
Ehemannes der Erblasserin ab (Beschluss vom 13. November 2002). Den vier
Kindern war zwischenzeitlich ein Prozessbeistand bestellt worden. Am
Verfahren vor Obergericht nahmen sie formell als Rekursgegner teil.

B.
Der Ehemann der Erblasserin hat gegen den Beschluss vom 13. November 2002
eidgenössische und kantonale Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt und
staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Mit dieser beantragt er dem
Bundesgericht, den angefochtenen Beschluss aufzuheben. Es sind keine
Vernehmlassungen eingeholt worden. Mit Eingabe vom 4. Februar 2003 hat der
Beschwerdeführer eine Bestätigung nachgereicht, wonach für die minderjährigen
Kinder in Italien ein Beistand ernannt worden sei. Er hat weiter darauf
hingewiesen, dass die Bestellung eines Beistandes durch die Sozialbehörde
Meilen angefochten sei.

C.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat die Beschwerde des Ehemannes der
Erblasserin abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden konnte (Beschluss
vom 9. April 2003). Mit Urteil vom heutigen Tag ist die II. Zivilabteilung
des Bundesgerichts auf die Nichtigkeitsbeschwerde nicht eingetreten, die der
Beschwerdeführer gegen den obergerichtlichen Beschluss gleichzeitig eingelegt
hatte (5C.2/2003).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 86 Abs. 1 OG ist die staatsrechtliche Beschwerde - hier nicht
zutreffende Ausnahmen vorbehalten (Abs. 2) - nur gegen letztinstanzliche
Entscheide zulässig. Der angefochtene Beschluss des Obergerichts erfüllt
diese Eintretensvoraussetzung offensichtlich nicht, hat der Beschwerdeführer
dagegen doch kantonale Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt, die das
Kassationsgericht abwies, soweit sie nicht wegen formell mangelhafter
Begründung für unzulässig zu erklären war. Es stellt sich die Frage nach der
Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde unter dem Blickwinkel der
Letztinstanzlichkeit des angefochtenen Beschlusses.

1.1 Das seit 1943 im Bundesrechtspflegegesetz verankerte Erfordernis der
Letztinstanzlichkeit ist ursprünglich durch die Praxis eingeführt worden aus
der Überlegung, für die Anrufung des Bundesgerichts bestehe solange kein
Anlass, als staatlichen Eingriffen in verfassungsmässige Rechte bereits auf
kantonaler Ebene begegnet werden könne. Letztinstanzlich in diesem Sinne ist
ein Entscheid erst, wenn die Rüge, die Inhalt der staatsrechtlichen
Beschwerde sein soll, bei keiner kantonalen Instanz mehr angebracht werden
kann. Das heisst, es darf im Kanton kein Rechtsbehelf irgendwelcher Art mehr
zur Verfügung stehen. Die Möglichkeit der Anfechtung im Kanton schliesst
freilich die staatsrechtliche Beschwerde nur aus, wenn auf die Entscheidung
über den Gegenstand der Verfassungsrüge ein Rechtsanspruch besteht (BGE 119
Ia 237 E. 2b S. 238; 126 I 257 E. 1a S. 258). Im gezeigten Rahmen ist die
staatsrechtliche Beschwerde gegenüber dem ausserordentlichen Rechtsmittel der
Nichtigkeitsbeschwerde gemäss §§ 281 ff. ZPO/ZH subsidiär. Nichtigkeitsgründe
sind gemäss § 281 ZPO/ZH die Verletzung wesentlicher Verfahrensgrundsätze
(Ziffer 1), aktenwidrige oder willkürliche tatsächliche Annahmen (Ziffer 2)
sowie die Verletzung klaren materiellen Rechts (Ziffer 3).

1.2 Auf die Rügen des Beschwerdeführers unter dem Titel "Willkür-liche
Beurteilung der Tatsachen bei der Abklärung der Zuständigkeit" (S. 11 ff.)
kann nicht eingetreten werden. Der Beschwerdeführer hätte die Rügen als
Nichtigkeitsgrund gemäss § 281 Ziffer 2 ZPO/ZH dem Kassationsgericht
unterbreiten müssen und hat das offenbar auch getan (vgl. E. 2e S. 8 ff. des
kassationsgerichtlichen Beschlusses).

1.3 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung bundesrechtlicher Vorschriften
über die örtliche Zuständigkeit (S. 4 ff.). Von einer kurzen Ergänzung
abgesehen (S. 9 f.), entsprechen die Rügen in der staatsrechtlichen
Beschwerde wörtlich seinen Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerdeschrift an
das Bundesgericht (S. 6 ff.). Darauf kann aus mindestens zwei Gründen nicht
eingetreten werden:
Zum einen kann mit der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde auch eine Verletzung
von Bundesrecht, insbesondere der Bestimmungen        des - hier angewendeten
- Bundesgesetzes  über das Internationale Privatrecht (IPRG, SR 291) gerügt
werden (Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen
Zivilprozessordnung, 3.A. Zürich 1997, N. 16, N. 20 und N. 47 zu § 281
ZPO/ZH). Die Kognition, über die das Kassationsgericht bei der Beurteilung
der Nichtigkeitsbeschwerde gemäss §§ 281 ff. ZPO/ZH verfügt, ist nicht
eingeschränkter als die Überprüfungsbefugnis, die dem Bundesgericht beim
Entscheid über Willkürbeschwerden zukommt (allgemein: BGE 117 Ia 393 E. 1b/aa
S. 395; für § 281 Ziffer 1 und 3 ZPO/ZH: BGE 104 Ia 408 E. 3b S. 411; 118 Ia
20 E. 3b S. 25). Soll die staatsrechtliche Beschwerde gegen den
obergerichtlichen Beschluss der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde vorgehen,
müsste das Bundesgericht die Anwendung der einschlägigen IPRG-Bestimmungen
deshalb frei überprüfen können. Dies ist entgegen der Annahme des
Beschwerdeführers (S. 11 Abs. 2) nicht der Fall. Die Anwendung von
Bundesrecht kann im Rahmen einer staatsrechtlichen Beschwerde nur unter dem
Blickwinkel der Willkür geprüft werden (BGE 118 Ia 118 E. 1c S. 123). Die
Rügen betreffend Verletzung von IPRG-Bestimmungen hätten mit
Nichtigkeitsbeschwerde dem Kassationsgericht unterbreitet werden müssen, das
denn auch die internationale Zuständigkeit geprüft (E. 2e S. 8 ff.) und
zusammenfassend festgehalten hat, "dass die Vorinstanz zu Recht annahm, die
Erblasserin habe ihren letzten Wohnsitz in Meilen gehabt" (E. 2f S. 11 des
kassationsgerichtlichen Beschlusses).

Zum anderen macht der Beschwerdeführer in diesem Verfahren praktisch wörtlich
die selbe Verletzung von Zuständigkeitsvorschriften geltend wie mit seiner
Nichtigkeitsbeschwerde. Der Unterschied zwischen den beiden Rechtsmitteln
besteht darin, dass im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren die Rechtsanwendung
frei überprüft wird (Art. 73 f. i.V.m. Art. 63 OG), während im Verfahren der
staatsrechtlichen Beschwerde - wie soeben erwähnt - nur eine Willkürprüfung
möglich ist. Mit der Übernahme der Vorbringen aus der
Nichtigkeitsbeschwerdeschrift vermag der Beschwerdeführer deshalb nicht
aufzuzeigen, inwiefern die Rechtsanwendung nicht bloss unrichtig, sondern
qualifiziert unrichtig sein soll, d.h. inwiefern der Entscheid offensichtlich
unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem und offensichtlichem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 129 I 113 E. 2 S.
120).

2.
Der Beschwerdeführer erblickt in der "Umteilung" seiner Kinder als Gegner des
Rekurses mehrfache Verfassungsverletzungen (S. 12 ff.). Die entsprechenden
Rügen sind allesamt unzulässig.

Gemäss Art. 306 Abs. 2 ZGB finden die Bestimmungen über die
Vertretungsbeistandschaft Anwendung, wenn die Eltern in einer Angelegenheit
Interessen haben, die denen des Kindes widersprechen. Die Sozialbehörde
Meilen hat den vier Kindern der Erblasserin nach Angaben des
Beschwerdeführers - offenbar für das Nachlassverfahren in der Schweiz - einen
Beistand bestellt. Der Beschwerdeführer will diesen Entscheid angefochten
haben. In jenem Verfahren werden die Fragen nach dem Vorliegen einer
Interessenkollision und nach der Zuständigkeit der schweizerischen Behörden
zur Anordnung von Kindesschutzmassnahmen aufzuwerfen sein. Desgleichen muss
der Beschwerdeführer dort geltend machen, die Verbeiständung der Kinder
verstosse gegen das Grundrecht der persönlichen Freiheit und das Recht auf
Familie (Art. 13 f. BV). Alle diese Fragen haben nicht Gegenstand des hier
angefochtenen Beschlusses gebildet und können deshalb nicht Gegenstand der
staatsrechtlichen Beschwerde bilden.

Solange die Interessenkollision bzw. die gestützt darauf angeordnete
Beistandschaft besteht, vermag der Beschwerdeführer als gesetzlicher
Vertreter für seine Kinder nicht mehr rechtswirksam zu handeln und wird durch
den Beistand ersetzt (vgl. etwa Schnyder/Murer, Berner Kommentar, 1984, N. 21
und N. 101 zu Art. 392 ZGB; Basler Kommentar, 2002: Schwenzer, N. 6 zu Art.
306 ZGB, und Langenegger, N. 27 zu Art. 392 ZGB). Er ist deshalb auch nicht
legitimiert für die Kinder eine staatsrechtliche Beschwerde einzulegen bzw.
Rügen zu erheben, die deren Rechtsstellung betreffen. Die Kinder werden durch
ihren Beistand vertreten. Sie können - Urteilsfähigkeit vorausgesetzt - zudem
diejenigen Rechte selber bzw. durch selbst bestellte Vertreter einfordern,
die ihnen um ihrer Persönlichkeit willen zustehen (Art. 88 OG; BGE 120 Ia 369
E. 1a S. 371). Mangels Legitimation kann auf die Rügen des Beschwerdeführers
betreffend Parteistellung seiner Kinder nicht eingetreten werden.

3.
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art.
156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Juli 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: