Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.486/2002
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5P.486/2002
5P.487/2002 /bnm

Urteil vom 31. Januar 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Z. ________ und Y.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Dietsche,
Eisenbahnstrasse 41, Postfach 228, 9401 Rorschach,

gegen

Bank X.________,
Beschwerdegegnerin,
Kantonsgericht St. Gallen, Einzelrichter für Rekurse SchKG, Klosterhof 1,
9001 St. Gallen.

Art. 9 BV (provisorische Rechtsöffnung),

Staatsrechtliche Beschwerden gegen die  Entscheide des Kantonsgerichts St.
Gallen, Einzelrichter für Rekurse SchKG, vom 19. November 2002
(RS.2002.48-ES1 und RS.2002.49-ES1).

Sachverhalt:

A.
Die Rechtsvorgängerin der Bank X.________ gewährte den Eheleuten Z.________
und Y.________ (nachfolgend: Schuldner oder Beschwerdeführer) mit
Vereinbarung vom 14. Oktober 1987 ein Hypothekardarlehen von Fr. 350'000.--,
das am selben Tag durch Grundpfandverschreibung Nr. ... im 1. Rang, lastend
auf den Parzellen Nr. ... und ... des Grundbuchs A.________, sichergestellt
wurde. Am 17. November 2001 kündigte die Bank X.________ (nachfolgend:
Gläubigerin oder Beschwerdegegnerin) das Darlehen auf den 31. Mai 2001. Da
die Schuldner keine Rückzahlung tätigten, leitete die Gläubigerin die
Betreibung ein, in der die Schuldner Rechtsvorschlag erhoben.

B.
Der Präsident des Bezirksgerichtes Oberrheintal erteilte der Gläubigerin
provisorische Rechtsöffnung für die noch offene Forderung und das Pfandrecht
über den Betrag von Fr. 150'000.-- nebst Zins zu 6% seit dem 1. April 2002
sowie für die Kosten des Zahlungsbefehls und die Entscheidgebühr (Entscheid
vom 19. September 2002). Am 19. November 2002 wies das Kantonsgericht St.
Gallen, Einzelrichter für Rekurse SchKG, (nachfolgend: der Einzelrichter) die
Rekurse der Schuldner gegen die Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung in
zwei separaten Entscheiden ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus,
die Schuldner hätten nicht glaubhaft machen können, dass nach der gültigen
Kündigung des Kredites eine neue Vereinbarung zwischen ihnen und der
Gläubigerin über die Fortsetzung des Kreditverhältnisses zustande gekommen
sei.

C.
Die Schuldner führen in zwei getrennten Eingaben staatsrechtliche Beschwerde
wegen Verletzung von Art. 9 BV mit dem Begehren, die Entscheide des
Einzelrichters vom 19. November 2002 seien aufzuheben. Sie machen geltend,
die einzelrichterliche Auffassung sei willkürlich (5P.486/2002 und
5P.487/2002). Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beide Beschwerden betreffen das gleiche Kreditverhältnis und basieren auf der
gleichen rechtlichen Argumentation. Es ist daher angebracht, die Verfahren
5P.486/2002 und 5P.487/2002 zu vereinigen und in einem Entscheid zu behandeln
(BGE 108 Ia 22 E. 1 S. 24 f.).

2.
Der Entscheid des Einzelrichters kann mit keinem weiteren kantonalen
Rechtsmittel angefochten werden. Er erweist sich daher als letztinstanzlich
im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG.

3.
Beruht die Forderung auf einer durch öffentliche Urkunde festgestellten oder
durch Unterschrift bekräftigten Schuldanerkennung, so kann der Gläubiger die
provisorische Rechtsöffnung verlangen. Der Richter spricht diese aus, sofern
der Schuldner nicht sofort Einwendungen glaubhaft macht, welche die
Schuldanerkennung entkräften (Art. 82 Abs. 1 und 2 SchKG). Die
Glaubhaftmachung verlangt nicht, dass der Richter vom Vorhandensein einer
Tatsache voll überzeugt ist. Es genügt, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit
dafür spricht, auch wenn noch für möglich erachtet wird, dass sie sich nicht
verwirklicht haben könnte (BGE120 II 393 E. 4c S. 398 mit Hinweisen).

3.1 Die Beschwerdeführer erachten die Auffassung des Einzelrichters als
willkürlich und bringen zur Begründung im Wesentlichen vor, nach der
Kündigung des Kreditverhältnisses auf den 31. Mai 2001 habe die
Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführern weiterhin und vorbehaltlos die
vertraglich vereinbarten Hypothekarzinsen vierteljährlich in Rechnung
gestellt und sie auf dem gemeinsamen Konto der Beschwerdeführer verbucht.
Seit der Rechtswirksamkeit der Kündigung per 31. Mai 2001 habe die
Beschwerdegegnerin keine Inkassomassnahmen vorgenommen; die Betreibung in der
strittigen Sache sei erst im Juni 2002 erfolgt und die erste Besprechung
bezüglich der Ablösung des Kredites habe erst im Mai 2002 stattgefunden. Der
Einzelrichter verfalle daher in Willkür, soweit er davon ausgehe, die
Parteien hätten bereits nach dem 31. Mai 2001 nach einer aussergerichtlichen
Lösung gesucht. Auch wenn Willkür in diesem Punkt zu verneinen sei, so bleibe
es dabei, dass die Beschwerdegegnerin mit Bezug auf das Kapital keine
Inkassomassnahmen eingeleitet habe, was insgesamt auf eine stillschweigende
Fortführung des Kreditverhältnisses schliessen lasse. Dem stehe nicht
entgegen, dass die Beschwerdegegnerin nach Ablauf eines ganzen Jahres mit den
Beschwerdeführern in Kontakt getreten sei, um Ablösungsgespräche zu führen,
zumal solche Gespräche denn auch oft vor der Kündigung stattfänden.
Schliesslich habe die Beschwerdegegnerin noch im Januar 2002 eine
Steuerbestätigung ausgestellt, welche die Leistung von Hypothekarzinsen für
2001 belege.

3.2 Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann,
wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines
Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5
mit Hinweisen; 127 I 54 E. 2b S. 56).

3.3 Wie der Einzelrichter und die Beschwerdeführer zu Recht bemerken, hat die
Beschwerdegegnerin nach dem 31. Mai 2001 mit Bezug auf das Kapital keine
Inkassomassnahmen eingeleitet und die Zinsen für die folgenden Monate
einkassiert, was an und für sich auf eine stillschweigende Fortführung des
Kreditverhältnisses nach dem 31. Mai 2001 schliessen lassen könnte (vgl.
dazu: Bucher, Basler Kommentar, N. 18 zu Art. 1 OR; betreffend die
stillschweigende Fortsetzung des Mietverhältnisses mangels Durchsetzung des
Rückgabeanspruchs gegenüber dem Mieter: BGE 119 II 147 E. 5 S. 156). Nach den
Feststellungen des Einzelrichters haben die Parteien aber nach der
Rechtswirksamkeit der Kündigung nach einer aussergerichtlichen Lösung für die
Ablösung des Kreditverhältnisses gesucht. Soweit die Beschwerdeführer diese
Feststellung unter Hinweis auf gegenteilige Ausführungen des
erstinstanzlichen Richters als willkürlich beanstanden, üben sie unzulässige
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid; damit legen sie nicht
rechtsgenüglich dar, inwiefern der Einzelrichter in Willkür verfallen sein
soll (109 Ia 217 E. 2b S. 226; 125 I 492 E. 1b S. 495). Der Einzelrichter hat
denn auch seine Überzeugung aus einem Schreiben des früheren Rechtsvertreters
der Beschwerdeführer vom 10. Mai 2002 an die Beschwerdegegnerin sowie aus
einem weiteren Schreiben des Beschwerdeführers an die Beschwerdegegnerin vom
6. Juni 2002 gewonnen. Im erstgenannten Schriftstück des Rechtsvertreters
wird mitgeteilt, dass bestimmte Raiffeisenbanken eine Ablösung der
Forderungen prüften, und daher um eine Erstreckung der Frist zur Vorlage der
Zahlungsversprechen bis zum 31. Mai 2002 ersucht. Im zweiten Schreiben,
welches der Beschwerdeführer an die Beschwerdegegnerin richtete, wird von
einem Teilerfolg berichtet und nochmals eine Verlängerung der Frist für die
Vorlage des Zahlungsversprechens bis zum 28. Juni 2002 verlangt. Aus diesen
beiden Schreiben kann ohne Willkür geschlossen werden, die Parteien hätten
bereits nach der Rechtswirksamkeit der Kündigung (31. Mai 2001), auf jeden
Fall aber vor Mai 2002, Gespräche zur aussergerichtlichen Ablösung des
Darlehens geführt. Auch lässt sich aus den Schreiben - entgegen der
sinngemässen Auffassung der Beschwerdeführer - nicht folgern, die Parteien
hätten im Hinblick auf die Kündigung eines nach dem 31. Mai 2001
stillschweigend fortgeführten Kreditverhältnisses nach Ablösungsmöglichkeiten
gesucht, fehlt doch hiefür in den vorgenannten Schreiben jeglicher Hinweis
auf ein solches Vertragsverhältnis. Dafür spricht schliesslich auch nicht die
im Januar 2002 den Beschwerdegegnern ausgestellte Steuerbestätigung, zumal
die Beschwerdeführer nicht einmal behaupten, geschweige denn belegen, dass
dieses Dokument auf ein stillschweigendes Kreditverhältnis Bezug nimmt. Im
Lichte der nicht als willkürlich zu bezeichnenden tatsächlichen
Feststellungen lässt sich somit unter dem Aspekt der Willkür auch nichts
gegen die Auffassung des Einzelrichters einwenden, die Beschwerdeführer
hätten nicht glaubhaft machen können, dass nach der Kündigung des
Kreditverhältnisses per 31. Mai 2001 eine neue, stillschweigende Vereinbarung
zwischen ihnen und der Beschwerdegegnerin über die Fortsetzung des
Verhältnisses zustande gekommen sei.

3.4 Die Beschwerdeführer machen schliesslich geltend, mit der Gewährung der
provisorischen Rechtsöffnung für die Zinsen sei der Einzelrichter in Willkür
verfallen. Den Akten lasse sich entnehmen, dass die Zinsen der Monate April
bis Juni 2002 erst Ende Juni 2002 fällig gewesen seien. Die einschlägige
Betreibung hatte nur das Kapital samt Verzugszins, nicht aber die
Kapitalzinsen zum Gegenstand. Im Rechtsöffnungs- und im Rekursverfahren ging
es denn auch einzig um die Frage, ob eine stillschweigende Fortführung des
Kreditverhältnisses glaubhaft gemacht worden sei. Die Kapitalzinsen waren mit
anderen Worten nicht Gegenstand des Verfahrens; fraglich war einzig, ob nach
der Kündigung vom November 2000 die provisorische Rechtsöffnung für das
Kapital samt Verzugszins gewährt werden kann. Insoweit geht die Beschwerde
demnach an der Sache vorbei, und es ist folglich darauf nicht einzutreten.

4.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang haben die
Beschwerdeführer die Gerichtsgebühr zu gleichen Teilen unter solidarischer
Haftung zu tragen (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG). Eine Entschädigung an die
Beschwerdegegnerin ist nicht festzusetzen, da sie nicht zur Vernehmlassung
eingeladen worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfahren 5P.486/2002 und 5P.487/2002 werden vereinigt.

2.
Die staatsrechtlichen Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

3.
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 8'000.-- wird den Beschwerdeführern zu
gleichen Teilen auferlegt, je unter solidarischer Haftung für den ganzen
Betrag.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter für Rekurse SchKG, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Januar 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: