Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.451/2002
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5P.451/2002 /min

Urteil vom 14. April 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Gysel.

T.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Hurter,
Habsburgerstrasse 20, 6003 Luzern,

gegen

Obergericht (Justizkommission) des Kantons Luzern, Hirschengraben 16,
Postfach, 6002 Luzern.

Art. 29 Abs. 3 BV (Versicherungsvertrag; unentgeltliche Rechtspflege),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid vom 21. Oktober 2002.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Für den von ihm gegen die "V.________" Rechtsschutz-Versicherungsgesellschaft
(im folgenden: "V.________") eingeleiteten Forderungsprozess ersuchte
T.________ um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Mit Entscheid vom
16. Mai 2002 wies der Amtsgerichtspräsident I von Luzern-Stadt das Gesuch ab.

T. ________ rekurrierte an das Obergericht des Kantons Luzern, wobei er neben
der Aufhebung des amtsgerichtlichen Entscheids den Ausstand dreier
Oberrichter verlangte. Am 6. August 2002 wies das Obergericht
(Justizkommission) das Ausstandsbegehren ab (Dispositiv-Ziffer 1) und
entschied ferner, dass die Kosten mit dem Endentscheid verlegt würden
(Dispositiv-Ziffer 2).

In der Sache entschied das Obergericht (Justizkommission) am 21. Oktober
2002. Es wies den Rekurs ab und bestätigte die Verweigerung der
unentgeltlichen Rechtspflege für das Verfahren gegen die "V.________". Ebenso
wies es das für das Rekursverfahren gestellte Armenrechtsgesuch ab und
auferlegte T.________ die Kosten des erst- und des zweitinstanzlichen
Verfahrens, einschliesslich derjenigen für den Entscheid vom 6. August 2002
über das Ausstandsbegehren.

Mit Eingabe vom 23. November 2002 (Postaufgabe: 25. November 2002) führt
T.________ staatsrechtliche Beschwerde und verlangt, den Entscheid des
Obergerichts vom 21. Oktober 2002 vollumfänglich und denjenigen vom 6. August
2002 bezüglich Dispositiv-Ziffer 2 (Kostenentscheid für das
Ausstandsverfahren) aufzuheben.

Das Obergericht beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten sei.

Mit Eingabe vom 19. Dezember 2002 hat sich der Beschwerdeführer -
unaufgefordert - zur obergerichtlichen Vernehmlassung geäussert.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht zunächst Rechtsverweigerung
vor, weil es das (auch) für das Ausstandsverfahren gestellte
Armenrechtsgesuch gar nie behandelt habe. Die Rüge ist unbegründet: In Ziffer
2 des Rechtsspruchs seines Entscheids vom 6. August 2002 zum
Ausstandsbegehren hatte das Obergericht bestimmt, dass die Kosten mit dem
Endentscheid (über die in der gleichen Eingabe wie das Ausstandsbegehren
gestellten Rekursanträge) verlegt würden, und in Dispositiv-Ziffer 2 des
Entscheids vom 21. Oktober 2002 hat es ausdrücklich erklärt, das für das
Rekursverfahren gestellte Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege werde
abgewiesen.

2.2 Zur Begründung dieses Entscheids hat die kantonale Rekursinstanz in Erw.
7 festgehalten, die Rekursbegehren, zu denen auch das (als Antrag Nr. 5 der
Eingabe vom 31. Mai 2002 gestellte) Ausstandsbegehren zählte, seien von
vornherein aussichtslos gewesen. Diese Feststellung ist wohl knapp, doch
macht der Beschwerdeführer selbst nicht geltend, sie habe ihm nicht erlaubt,
die staatsrechtliche Beschwerde in voller Kenntnis der Sache zu begründen
(dazu BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f. mit Hinweisen). Die in diesem Zusammenhang
erhobene Rüge der Gehörsverweigerung ist daher ebenfalls unbegründet.

2.3 Nach dem Gesagten braucht nicht erörtert zu werden, ob die vom
Obergericht im Rechtsspruch vom 6. August 2002 getroffene Anordnung, die
Kosten für den Entscheid über das Ausstandsbegehren mit dem Endentscheid zu
verlegen, nicht bereits hatte erkennen lassen, dass die kantonale
Rekursinstanz dafür hielt, die Voraussetzungen für die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege seien bezüglich des Ausstandsbegehrens nicht
erfüllt und die entsprechenden Verfahrenskosten seien deshalb dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen. Es mag mit andern Worten offen bleiben, ob der
Entscheid vom 6. August 2002 (im Kostenpunkt) nicht gesondert hätte
angefochten werden müssen und  die vorliegende Beschwerde insofern nicht
allenfalls verspätet ist.

3.
3.1 In der Sache wirft der Beschwerdeführer dem Obergericht sowohl eine
willkürliche Anwendung von § 130 Abs. 2 der Luzerner Zivilprozessordnung
(ZPO) als auch einen Verstoss gegen Art. 29 Abs. 3 BV vor. Er geht nicht
davon aus, dass die unentgeltliche Rechtspflege nach dem kantonalen Recht
unter leichteren Bedingungen oder in weitergehenderem Umfang gewährt werden
könne, als es auf Grund der Verfassungsbestimmung der Fall ist. Die
Beschwerde ist deshalb ausschliesslich unter dem Gesichtswinkel von Art. 29
Abs. 3 BV zu beurteilen, zumal in diesem Fall das Bundesgericht in
rechtlicher Hinsicht frei prüfen kann, ob der Anspruch auf Gewährung des
Armenrechts missachtet worden sei. Auf Willkür beschränkt ist die
Prüfungsbefugnis indessen, soweit tatsächliche Feststellungen der kantonalen
Instanz beanstandet werden (BGE 127 I 202 E. 3a S. 204 f. mit Hinweisen). Das
Bundesgericht hat von dem Sachverhalt auszugehen, der dem angefochtenen
Entscheid zugrunde gelegt worden ist, es sei denn, der Beschwerdeführer weise
nach, dass die kantonale Instanz verfassungswidrig unrichtige oder
unvollständige tatsächliche Feststellungen getroffen hat (BGE 118 Ia 20 E. 5a
S. 26). Ein derartiger Mangel ist hier nicht dargetan.

3.2 Gemäss Art. 29 Abs. 3 BV hat jede Person, die nicht über die
erforderlichen Mittel verfügt und deren Rechtsbegehren nicht aussichtslos
erscheint, Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege; soweit es zur Wahrung
ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen
Rechtsbeistand. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten
beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als
ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als
aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die
Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend ist
dabei, ob eine Partei, die über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, sich
bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen oder aber davon
absehen würde: Eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung
und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie
nichts kostet (BGE 128 I 225 E. 2.5.3 S. 236 mit Hinweisen).

4.
4.1 Unter Berufung auf die am 25. Mai 1998 abgeschlossene
Rechtsschutzversicherung verlangt der Beschwerdeführer mit der gegen die
"V.________" erhobenen Klage den Ersatz der Kosten, die ihm durch
sozialversicherungsrechtliche Prozesse (betreffend IV- und Suva-Renten)
erwachsen sind. Nach den Feststellungen des Obergerichts hatte er im
Aussöhnungsgesuch vorgebracht, er habe seit 1992 wegen Rückenschmerzen
tageweise aussetzen müssen und ab Sommer 1998 überhaupt nicht mehr arbeiten
können, was zu seiner Entlassung geführt habe. Im Sommer 2000 sei ein
IV-Gesuch abgelehnt worden, worauf er durch seinen Anwalt beim
Verwaltungsgericht habe Beschwerde erheben lassen. Ausserdem sei bei der Suva
eine Berufskrankheit angemeldet worden.

Dem Entscheid des Verwaltungsgerichts vom 15. April 2002 hat die kantonale
Rekursinstanz entnommen, dass Dr. med. N.________ den Beschwerdeführer am 27.
April 1998 wegen unklar generalisierter Myalgien und Arthralgien mit
vegetativer Begleitsymptomatik zu 100% arbeitsunfähig erklärt und dass die
Arbeitsunfähigkeit sich dann am 1. Februar 1999 auf 50% reduziert habe. Das
Obergericht hält dafür, es sei unter den dargelegten Umständen davon
auszugehen, dass es die vom genannten Arzt festgestellten Schmerzen bzw. die
vom Beschwerdeführer geltend gemachten Rückenschmerzen gewesen seien, die zu
den sozialversicherungsrechtlichen Verfahren geführt hätten, und dass somit
in ihnen das den Rechtsfall auslösende Ereignis zu sehen sei. Da aber die
diagnostizierte Krankheit schon vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung
(25. Mai 1998) bestanden habe, sei die Versicherungsdeckung, aus der der
Beschwerdeführer seine Ansprüche gegen die "V.________" ableite, wohl nicht
gegeben. Auf Grund des Aussöhnungsbegehrens müsse davon ausgegangen werden,
dass die sozialversicherungsrechtlichen Verfahren allein mit den angeblichen
Rückenschmerzen begründet worden seien. Insgesamt seien die Erfolgsaussichten
damit wesentlich geringer als die Verlustgefahren.

4.2 Was in der Beschwerde vorgebracht wird, ist nicht geeignet, die
Verweigerung der unentgeltlichen Rechtspflege für den gegen die "V.________"
eingeleiteten Prozess als verfassungswidrig erscheinen zu lassen: Der
Beschwerdeführer setzt sich mit den Ausführungen des Obergerichts zu seinen
gesundheitlichen Beschwerden, die den sozialversicherungsrechtlichen
Verfahren zugrunde gelegen hätten, und zur Feststellung, dass jene bereits
vor Abschluss der Rechtsschutzversicherung diagnostiziert gewesen seien,
nicht auseinander. Zur Hauptsache beschränkt er sich darauf, unter Berufung
auf von ihm eingeholte Berichte in appellatorischer Form seine eigene Sicht
der Dinge vorzutragen. Soweit er dem Obergericht vorwirft, zu Unrecht kein
Gutachten einer eidgenössisch diplomierten Versicherungsfachperson eingeholt
zu haben, erklärt er nicht, worüber ein solcher Bericht sich hätte äussern
sollen. Bei den Erklärungen der Versicherung "X.________" (lic. iur.
R.________) vom 18. November 2002, die der Beschwerdeführer der vorliegenden
Beschwerde beigelegt hat, handelt es sich um ein unzulässiges neues
Vorbringen.

5.
Der Beschwerdeführer vermag sodann auch nicht darzutun, dass das Obergericht
insofern Art. 29 Abs. 3 BV missachtet hätte, als es sein Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege für das Rekursverfahren abgewiesen hat. Die
Verweigerung des Armenrechts ist nicht etwa mit der blossen Feststellung
begründet worden, der Rekurs (einschliesslich Ausstandsbegehren) sei
abzuweisen.

6.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. So wie sie begründet worden ist, erschien sie von
vornherein als aussichtslos. Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm für das
bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, ist
deshalb abzuweisen (vgl. Art. 152 Abs. 1 OG), und es ist ihm die
Gerichtsgebühr aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers, ihm für das bundesgerichtliche Verfahren
die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren, wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht
(Justizkommission) des Kantons Luzern schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: