Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.42/2002
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5P.42/2002 /bmt

Urteil vom 27. Mai 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher
Gerichtsschreiber Möckli.

R. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Branko Balaban, Melchaazopf 5,
6074 Giswil,

gegen

T.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Benno Gebistorf,
Falkengasse 3, Postfach 5345, 6000 Luzern 5,
Obergerichtskommission des Kantons Obwalden, als Rekursinstanz in
Zivilsachen, Postfach 1260, 6061 Sarnen 1.

Art. 9 und 29 BV (Eheschutz)

(Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid der Obergerichtskommission
des Kantons Obwalden vom

21. Dezember 2001)
Sachverhalt:

A.
R. ________ und T.________ heirateten am 12. September 1986. Die Ehe blieb
kinderlos. Ihr gemeinsamer Wohnort war in F.________. Seit Juli 2000 leben
sie getrennt.

B.
Auf Gesuch von T.________ hin erliess der Präsident des Kantonsgerichts
Obwalden mit Verfügung vom 13. März 2001 einen Eheschutzentscheid. Mit Rekurs
gelangte R.________ an die Obergerichtskommission des Kantons Obwalden. Diese
verurteilte ihn mit Entscheid vom 21. Dezember 2001 zu Unterhaltsbeiträgen an
T.________ von Fr. 2'125.-- pro Monat, erstmals für Juli 2000.

C.
Dagegen führt R.________ staatsrechtliche Beschwerde. Er verlangt im
Wesentlichen die Aufhebung des angefochtenen Entscheids. Mit
Präsidialverfügung vom 13. Januar 2002 ist der Beschwerde die aufschiebende
Wirkung für die bis und mit Dezember 2001 geschuldeten Unterhaltsbeiträge
erteilt worden. Mit Vernehmlassung vom 16. April 2002 beantragt die
Beschwerdegegnerin die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde. Die
Obergerichtskommission des Kantons Obwalden hat innert Frist keine
Vernehmlassung eingereicht.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist, von hier nicht gegebenen Ausnahmen
abgesehen, rein kassatorischer Natur (BGE 125 I 104 E. 1b S. 107; 127 II 1 E.
2c S. 5). Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides, ist auf seine Begehren nicht einzutreten. Die
staatsrechtliche Beschwerde ist gemäss Art. 86 Abs. 1 OG einzig gegen
letztinstanzliche kantonale Entscheide und nach Art. 84 Abs. 2 OG nur dann
zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung nicht sonst wie durch Klage
oder Rechtsmittel beim Bundesgericht oder einer anderen Bundesbehörde gerügt
werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

2.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs.
2 BV) und des Willkürverbots (Art. 9 BV) bei der Berechnung des Einkommens
der Beschwerdegegnerin.

2.1 Er macht im Einzelnen geltend, der Vorinstanz hätten die Lohnabrechnungen
der Beschwerdegegnerin für September 2000 (Gasthaus X.________) und für
November 2000 bis April 2001 (Haus Y.________) vorgelegen. Nachdem die
Beschwerdegegnerin während hängigem Rekursverfahren geltend gemacht habe, sie
sei infolge eines Unfalls arbeitsunfähig geworden, habe er mit Schreiben vom
11. Juni 2001 dargelegt, dass sie bei Arbeitsunfähigkeit gestützt auf das UVG
Anspruch auf Taggelder habe. Zudem habe der Obergerichtskommission die
Versicherungspolice der Sanitas Krankenversicherung vorgelegen, gemäss
welcher die Beschwerdegegnerin Anspruch auf Taggelder von Fr. 50.-- pro Tag
habe, was allein schon Fr. 1'500.-- pro Monat ausmache. Es sei willkürlich,
wenn die Vorinstanz diese Tatsachen nicht berücksichtigt, sondern die Annahme
getroffen habe, es sei von einem monatlichen Einkommen von Fr. 900.--
auszugehen, und es stelle eine Gehörsverletzung dar, wenn sie auf seine
entsprechenden Einwände gar nicht erst eingegangen sei und auch nicht
dargelegt habe, weshalb diese nicht zu prüfen seien.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers werden in der Vernehmlassung zur
staatsrechtlichen Beschwerde nicht bestritten. Die Beschwerdegegnerin hält
lediglich fest, relevant sei nicht die Höhe des tatsächlich erzielten
Einkommens, sondern die Frage, inwieweit ihr eine Erwerbstätigkeit zumutbar
sei und welches Einkommen sie aus der zumutbaren Tätigkeit erzielen könne.

2.2 Die Obergerichtskommission erwähnt in ihrer Begründung ein ärztliches
Zeugnis des Rheumatologen Dr. M.________ vom 22. Dezember 2000, in welchem
die Beschwerdegegnerin angehalten wird, "keine Arbeiten in gehäuft
vorgeneigter oder abgedrehter Stellung" durchzuführen und "keine Lasten über
12 kg" zu heben, sowie ein weiteres Zeugnis desselben Arztes vom 5. Juni
2001, mit dem eine 100%ige Arbeitsunfähigkeit von unbestimmter Dauer
festgestellt wird. Eine telefonische Nachfrage beim Haus Y.________ in
L.________ habe ergeben, dass die Beschwerdegegnerin im Sommer 2001 kaum
gearbeitet habe, wobei die Arbeitgeberin ihrer Hoffnung Ausdruck gegeben
habe, dass sie nach einer weiteren Operation ab Januar 2002 wieder arbeiten
könne. Schliesslich hat die Obergerichtskommission erwogen, es erstaune, dass
die Vorinstanz, der die ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit noch nicht
bekannt gewesen sei, bloss ein erzielbares und zumutbares Erwerbseinkommen
der Beschwerdegegnerin von monatlich Fr. 900.-- veranschlagt habe, zumal
diese noch diverse Kurse besucht habe, um ihre Konkurrenzfähigkeit auf dem
Markt zu erhalten oder sogar auszubauen. In Anbetracht der Situation, dass es
"nicht um eine auf Dauer angelegte Festsetzung der Unterhaltsbeiträge" gehe
wie bei der Scheidung und die Beschwerdegegnerin zur Zeit arbeitsunfähig sei,
rechtfertige es sich dennoch, an diesem Betrag festzuhalten.

2.3 Der Anspruch auf Begründung eines Entscheides ist ein Teilgehalt des
rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Namentlich erfordert er, dass sich
die rechtsanwendende Behörde mit den entscheidrelevanten und prozessual
korrekt eingebrachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln der Parteien
auseinander setzt. Die Anforderungen an die Begründungsdichte sind um so
höher, je weiter der Ermessensspielraum der Behörde ist (BGE 112 Ia 107 E. 2b
S. 110) und je komplexer die tatsächlichen Verhältnisse sind (BGE 111 Ia 2 E.
4b S. 4).

Die Formulierung des angefochtenen Entscheides lässt darauf schliessen, dass
die Obergerichtskommission das vom Kantonsgericht mit Fr. 900.--
veranschlagte zumutbare Erwerbseinkommen als zu tief angesehen hat. Dennoch
hat sie am Betrag von Fr. 900.-- festgehalten und dies u.a. mit der
inzwischen eingetretenen Arbeitsunfähigkeit begründet. Dabei überging sie
sowohl die bei den Akten liegenden Lohnabrechnungen der Beschwerdegegnerin
als auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, gestützt auf das UVG erhalte
die Beschwerdegegnerin ein Ersatzeinkommen in Form von Taggeldern. Obwohl die
entsprechende Versicherungspolice aktenkundig war, finden sich ebenso wenig
Ausführungen zum Vorbringen des Beschwerdeführers, die Beschwerdegegnerin
erhalte bei Arbeitsunfähigkeit auch von ihrer Krankenkasse ein Taggeld. Die
genannten Faktoren bestimmen die Höhe des anrechenbaren Einkommens der
Beschwerdegegnerin und damit den Umfang des festzulegenden
Unterhaltsbeitrages. Die Vorinstanz hat das rechtliche Gehör des
Beschwerdeführers verletzt, indem sie auf seine Vorbringen nicht eingegangen
ist und die entsprechenden Unterlagen nicht berücksichtigt hat.

2.4 Der angefochtene Entscheid ist nach dem Gesagten aufzuheben und die Sache
zur neuen Beurteilung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

3.
Der Beschwerdeführer rügt des Weiteren die Verletzung des rechtlichen Gehörs
(Art. 29 Abs. 2 BV) und des Willkürverbots (Art. 9 BV) bei der Berechnung
seines eigenen Einkommens.

3.1 Im Einzelnen bringt er vor, die Obergerichtskommission habe auf den
Durchschnitt der Geschäftsjahre 1995-2000 abgestellt, obwohl er in seiner
Rekursschrift dargelegt habe, weshalb er die Spitzenwerte der Geschäftsjahre
1995-1997 nicht mehr erreicht habe und auch gar nicht mehr erreichen könne.
Das angenommene Einkommen stehe im Widerspruch zur tatsächlichen Situation
und es sei willkürlich, wenn auf etwas anderes als die Jahresrechnung 2000
abgestellt werde. Aus der Zusammenstellung der entsprechenden Jahreseinkommen
im angefochtenen Entscheid gehe klar hervor, dass die entsprechenden Jahre im
Vergleich zu den Zahlen 1998-2000 besonders gut ausgefallen seien. Trotzdem
habe sich die Vorinstanz dann ohne nähere Begründung auf den Standpunkt
gesetzt, die Einkommensschwankungen seien nicht so gravierend. Dies sei
widersprüchlich und vermöge den Anforderungen an eine ausreichende
Entscheidbegründung nicht zu genügen.

3.2 Die Obergerichtskommission hat für die Jahre 1994/1995-2000 folgende
Monatseinkommen des Beschwerdeführers aufgelistet: Fr. 7'228.60; Fr.
7'665.50; Fr. 8'310.85; Fr. 5'450.85; Fr. 6'162.70; Fr. 4'382.55. Sie hat im
Anschluss erwogen, die Spitzenwerte der ersten drei Geschäftsjahre seien in
der Folge nicht mehr erreicht worden; insofern könne von einem Gewinnrückgang
gesprochen werden. Dennoch sei "keine eindeutige - weder sinkende noch
steigende - Tendenz zu erkennen". Vielmehr unterliege das Einkommen
Schwankungen, weshalb für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit auf das
durchschnittliche Nettoeinkommen mehrerer vergangener Jahre abzustellen sei.

3.3 Soweit der Beschwerdeführer für die Gründe, die zu einer
Einkommensverminderung geführt haben, auf seine kantonalen Rechtsschriften
verweist, ist er nicht zu hören: Der schlichte Verweis auf kantonale Akten
ist als Beschwerdebegründung untauglich, die Begründung hat in der
staatsrechtlichen Beschwerde selbst zu erfolgen (BGE 114 Ia 317 E. 2b S.
318).

3.4 Aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29
Abs. 2 BV) ergibt sich die Pflicht der Behörde, ihren Entscheid zu begründen.
Der Betroffene soll in der Lage sein, sich über die Tragweite des Entscheides
ein Bild zu machen und ihn in voller Kenntnis der Sache gegebenenfalls bei
der oberen Instanz anzufechten. Das bedeutet indessen nicht, dass sich die
Behörde ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem
rechtlichen Einwand auseinander setzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die
für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 112 Ia 107 E.
2b S. 110; 126 I 97 E. 2b S. 102 f.).
Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, er sei nicht in der Lage gewesen,
das Urteil sachgerecht anzufechten. Er zeigt auch nicht im Einzelnen auf, zu
welchen Argumenten sich die Vorinstanz nicht geäussert haben soll. Die
Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

3.5 Willkür ist nicht schon gegeben, wenn eine andere Lösung ebenfalls
vertretbar erscheint oder sogar vorzuziehen wäre, sondern nur dann, wenn das
Ergebnis schlechterdings mit vernünftigen Gründen nicht zu vertreten ist (BGE
123 I 1 E. 4a S. 5; 124 IV 86 E. 2a S. 88; 125 II 129 E. 5b S. 134).

Die Obergerichtskommission hat nicht übersehen, dass das Einkommen des
selbständigerwerbenden Beschwerdeführers Schwankungen unterliegt und das in
den Jahren 1994/1995-1997 erzielte Einkommen in der Folge nicht mehr erreicht
worden ist. Dennoch wollte sie keine eindeutig sinkende Tendenz erkennen, was
angesichts der konkreten Zahlen zumindest diskutabel ist. Allerdings hat die
Vorinstanz dafür gehalten, im Jahr 2000 sei der stark gestiegene Aufwand für
Reklame zu berücksichtigen, "sollten sich doch diese Werbemassnahmen in der
Bilanz schliesslich positiv auswirken". Gleiches gelte für die den EDV-Kurs
betreffenden Ausgaben. Des Weiteren seien höhere Geschäftsspesen angefallen
und schliesslich hätten die Telefongebühren tiefer gehalten werden können.
Damit setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander (Art. 90 Abs. 1 lit.
b OG). Insofern lässt sich nicht sagen, das Ergebnis sei schlechterdings
unhaltbar und die Vorinstanz geradezu in Willkür verfallen, wenn sie für das
Einkommen des Beschwerdeführers auf den langjährigen Durchschnitt abgestellt
hat.

4.
Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, die Vorinstanz sei bei der
Ermittlung des Existenzminimums der Beschwerdegegnerin der Willkür verfallen.

4.1 Er macht bei der entsprechenden Rüge geltend, die Vorinstanz habe im
Existenzminimum der Beschwerdegegnerin Autokosten berücksichtigt, obwohl
diese keiner ausserhäuslichen Arbeit (mehr) nachgehe und sie demnach nicht
(mehr) auf ein Fahrzeug angewiesen sei. Dieses Vorgehen widerspreche den
angewandten Richtlinien zur Ermittlung des betreibungsrechtlichen
Existenzminimums entgegen.

4.2 Es ist richtig, dass sich die Obergerichtskommission an den Richtlinien
für die Berechnung des betreibungsrechtlichen Existenzminimums orientiert hat
und dass diese für die Berücksichtigung von Automobilaufwand "Fahrten zum
Arbeitsplatz" voraussetzen. Willkür ist jedoch nicht mit dem blossen Hinweis
dargetan, die Obergerichtskommission sei von den Richtlinien abgewichen. Die
Vorinstanz hat nämlich erwogen, die Beschwerdegegnerin sei aus
gesundheitlichen Gründen auf ein Fahrzeug angewiesen. Mit diesem Argument
setzt sich der Beschwerdeführer entgegen Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht
auseinander und er bestreitet auch die gesundheitlichen Probleme der
Beschwerdeführerin nicht. Unter diesen Umständen ist nicht dargetan,
inwiefern der angefochtene Entscheid willkürlich sein soll.
Neu und damit unzulässig (Novenverbot; BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26) ist
schliesslich das Vorbringen, die Beschwerdegegnerin dürfe nach der
einschlägigen Strassenverkehrsgesetzgebung gar kein Fahrzeug lenken.

5.
Zufolge Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde wird die
Beschwerdegegnerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und
Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten
ist, und der Entscheid der Obergerichtskommission des Kantons Obwalden vom
21. Dezember 2001 wird aufgehoben.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Obergerichtskommission des Kantons
Obwalden schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Mai 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: