Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.383/2002
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5P.383/2002 /min

Urteil vom 21. Februar 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiber Zbinden.

A. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Wilfried Caviezel,
Masanserstrasse 35, Postfach 414, 7001 Chur,

gegen

B.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. Markus Janett, Schulstrasse 1, 7302 Landquart,
Bezirksgerichtsausschuss Landquart, 7302 Landquart.

Art. 9 BV (vorsorgliche Massnahmen im Ehescheidungsverfahren),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses
Landquart vom 3. Juli 2002.

Sachverhalt:

A.
Im Rahmen des Scheidungsverfahrens zwischen den Eheleuten A.________
(nachfolgend: Vater oder Beschwerdeführer) und B.________ (nachfolgend:
Mutter oder Beschwerdegegnerin) erliess der Bezirksgerichtspräsident
Unterlandquart am 3. Februar 2000 vorsorgliche Massnahmen für die Dauer des
Verfahrens. Er stellte die vier Kinder der Parteien, C.________ (15. Februar
1986), D.________ (24. Februar 1987), E.________ (3. April 1989) und
F.________ (2. März 1991) unter die Obhut der Mutter; dem Vater räumte er ein
Besuchsrecht ein und verpflichtete ihn, mit Wirkung ab dem 1. Februar 2000 an
den Unterhalt der Kinder monatlich und zum Voraus je Fr. 500.-- zu bezahlen.
Mit Beiurteil vom 3. Mai 2000 wies der Bezirksgerichtsausschuss
Unterlandquart eine diesbezügliche Beschwerde des Vaters ab. Dagegen erhob
der Vater staatsrechtliche Beschwerde, welche vom Bundesgericht mit Urteil
vom 19. Oktober 2000 wegen Verletzung von Art. 144 in Verbindung mit Art. 137
ZGB (Anhörungsrecht der Kinder auch im Verfahren betreffend vorsorgliche
Massnahmen) gutgeheissen wurde (BGE 126 III 497 ff.).

In der Folge führte der Bezirksgerichtspräsident Landquart (geänderte
Bezeichnung) die Anhörung der vier Kinder durch. Am 11. Juli 2001 bestätigte
der Bezirksgerichtsausschuss Landquart (geänderte Bezeichnung) den Entscheid
des Bezirksgerichtspräsidenten vom 3. Februar 2000 vollumfänglich.

Auch dieses Urteil hob das Bundesgericht am 18. Februar 2002 in Gutheissung
einer weiteren staatsrechtlichen Beschwerde des Vaters auf. Zur Begründung
führte es im Wesentlichen aus, der Bezirksgerichtsausschuss handle
willkürlich, indem er rückwirkend von einem höheren hypothetischen Einkommen
des Beschwerdeführers ausgehe, obwohl dieser über keine reale Möglichkeit der
rückwirkenden Einkommenssteigerung verfüge.

B.
Mit Urteil vom 3. Juli 2002 verpflichtete der Bezirksgerichtsausschuss
Landquart den Vater in teilweiser Gutheissung seiner Beschwerde, der Mutter
an den Unterhalt der vier Kinder monatlich und zum Voraus ab dem 1. Dezember
1998 bis 28. Februar 2001 Fr. 796.--, ab dem 1. März 2001 bis 31. Mai 2001
Fr. 726.-- und ab dem 1. Juni 2001 Fr. 2'086.-- zu bezahlen.

C.
Der Vater führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 9 BV
mit dem Antrag, das Urteil des Bezirksgerichtsausschusses aufzuheben. Für das
bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Als willkürlich beanstandet werden das für die Bemessung der
Unterhaltsleistungen an die Kinder ermittelte Einkommen des Beschwerdeführers
sowie die Berechnung dessen Existenzminimums.

1.1 Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung
ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann,
wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft.
Willkür liegt sodann nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines
Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 123 I 1 E. 4a S. 5
mit Hinweisen; 127 I 54 E. 2b S. 56).

1.2 Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind neue tatsächliche und
rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (BGE 118 Ia 20 E. 5a S. 26)
und es können auch keine neuen Beweismittel eingereicht werden (BGE 108 II 69
E. 1 S. 71). Im Übrigen prüft das Bundesgericht bei der staatsrechtlichen
Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte
Rügen. Auf ungenügend begründete Vorbringen und rein appellatorische Kritik
am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495;
127 III 279 E. 1c S. 282). Insbesondere hat die Begründung auch Ausführungen
darüber zu enthalten, inwiefern der angefochtene Entscheid im Ergebnis
willkürlich sein soll (BGE 123 III 261 E. 4; 125 I 166 E. 2a).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Bezirksgerichtsausschuss handle
dadurch willkürlich, dass er bei seinen Berechnungen vom Bruttoeinkommen des
Beschwerdeführers ausgehe, anstatt vom Bruttoeinkommen die
Sozialversicherungsbeiträge für Selbstständigerwerbende von 9,5% abzuziehen
(Annahme des Nettoeinkommens).

Aus dem angefochtenen Entscheid ergibt sich, dass sich der Betrag von Fr.
2'400.-- aus dem Bruttoeinkommen des Beschwerdeführers aus der
Kleinlandwirtschaft in der Höhe von Fr. 1'505.-- und dem Ertrag aus der
Vermietung der Wohnung zusammensetzt. Auf den mit der Wohnungsvermietung
erzielten Ertrag entfallen keine Sozialversicherungsbeiträge, zumal nicht
nachgewiesen ist, dass die Vermietung eine Erwerbstätigkeit des
Beschwerdeführers im Sinne des Sozialversicherungsrechts darstellt. Damit
entfallen die Sozialversicherungsbeiträge nur auf das Einkommen aus der
Kleinlandwirtschaft. Der Beschwerdeführer macht jedoch nicht geltend und
belegt auch nicht, er habe mit Bezug auf sein Einkommen aus der
Kleinlandwirtschaft Sozialversicherungsbeiträge abgerechnet. Damit aber ist
Willkür durch die Berücksichtigung des Bruttoertrages nicht dargetan.

2.2 Der Beschwerdeführer lässt des Weiteren ausführen, der
Bezirksgerichtsausschuss verfalle in Willkür, indem er bei der Ermittlung des
Einkommens zwar den Bruttoeigenmietwert, nicht jedoch die ausgewiesenen
Erneuerungs- und Verwaltungskosten berücksichtige.

Der Beschwerdeführer scheint von einer - hier allerdings nicht relevanten -
Verwechslung des Bezirksgerichtsausschusses profitieren zu wollen. In der
Vernehmlassung vom 21. Dezember 1998 hatte er Nebenkosten von rund Fr. 353.--
geltend gemacht. Von Unterhalts- und Verwaltungskosten war damals freilich
nicht die Rede. Der Bezirksgerichtsausschuss hat den Betrag von Fr. 353.--
als jährliche Nebenkosten in die Einkommensberechnung aufgenommen, mit der
Begründung, dass sich dieser Betrag aus der Steuererklärung ergebe. Bei dem
in der Steuererklärung aufgeführten Betrag für Unterhalts- und
Verwaltungskosten handelt es sich aber um einen Pauschalbetrag. Der
Beschwerdeführer macht nicht geltend und belegt auch nicht, dass er
tatsächlich Unterhalts- und Verwaltungskosten gehabt oder zumindest
entsprechende Rückstellungen vorgenommen hat. Ist mit anderen Worten nicht
ausgewiesen, dass der Beschwerdeführer Auslagen getätigt hat, welche über dem
in der Vernehmlassung vom 21. Dezember 1998 geltend gemachten und im
angefochtenen Entscheid berücksichtigten Betrag liegen, so erweist sich die
Willkürrüge als haltlos.

2.3 Soweit der Beschwerdeführer die Anrechnung eines Eigenmietwertes im
konkreten Fall als willkürlich beanstandet, setzt er sich nicht mit dem
angefochtenen Entscheid auseinander; vielmehr erschöpfen sich seine
Ausführungen in appellatorischer Kritik am angefochtenen Entscheid, womit
indessen nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG entsprechenden Weise
begründet wird, inwiefern der Bezirksgerichtsausschuss mit der Aufnahme des
Eigenmietwertes in Willkür verfallen sein soll.

2.4 Der Bezirksgerichtsausschuss hat die Steuerlast des Beschwerdeführers
angesichts der knappen finanziellen Verhältnisse unter Berufung auf BGE 126
III 353 nicht berücksichtigt. Der Beschwerdeführer macht geltend, vor dem im
Jahre 2000 gefällten Entscheid sei die Steuerlast auch bei knappen
Verhältnissen zugelassen worden. Indem nun im Nachhinein die Rechtsprechung
rückwirkend auf die Zeit zwischen Dezember 1998 und 2001 angewendet werde,
würden die effektiv bezahlten Steuern aus dem Existenzminimum ausgeklammert,
was mit dem Willkürverbot nicht zu vereinbaren sei.

Der Beschwerdeführer verweist zwar auf ins Recht gelegte Steuerrechnungen.
Damit ist aber noch nicht belegt, dass die im fraglichen Zeitraum anfallenden
Steuerbeträge auch tatsächlich bezahlt worden sind. Insbesondere fehlen
belegte Ausführungen des Beschwerdeführers darüber, dass er die Erfüllung der
Steuerschuld nach den Regeln des kantonalen Prozessrechts rechtzeitig
vorgebracht hat. Unter diesen Umständen erweist sich die
Nichtberücksichtigung der Steuern aus den Jahren 1998 bis 2001 nicht als
willkürlich.

2.5 Soweit der Beschwerdeführer Willkür darin erblickt, dass der
Bezirksgerichtsausschuss die Krankenkassenprämie lediglich im Umfang von Fr
161.-- statt der geltend gemachten Fr. 184.-- berücksichtigt hat, kann seiner
Beschwerde ebenfalls kein Erfolg beschieden sein. Diesbezüglich zeigt der
Beschwerdeführer nicht rechtsgenüglich auf, inwiefern der angefochtene
Entscheid unter den behaupteten Umständen im Ergebnis willkürlich sein soll.

2.6 Für den Zeitraum von Ende Juni 2001 bis Ende 2001 hat der
Bezirksgerichtsausschuss als zumutbares hypothetisches Einkommen inklusive
Einkommen aus Kleinlandwirtschaft den Betrag von Fr. 3'000.-- eingesetzt. Der
Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, die Annahme des
Bezirksgerichtsausschusses, er habe die Kleinlandwirtschaft per Ende
Mai/Anfang Juni 2001 aufgegeben, sei erfunden. Zwar habe er im Frühjahr 2001
einige Tiere verkauft, doch habe er den Betrieb erst im November 2001
liquidiert, um die landwirtschaftlichen Direktzahlungen nicht zu verlieren.
Die Annahme des Bezirksgerichtsausschusses sei somit willkürlich. Gleich
verhalte es sich mit der Schlussfolgerung des Bezirksgerichtsausschusses, er
habe bei der G.________ AG als Computerfachmann gearbeitet. Aus einer
Lohnabrechnung des Jahres 1995 gehe vielmehr hervor, dass er in der
Reparaturwerkstätte dieses Betriebes tätig gewesen sei.

Der Bezirksgerichtsausschuss hat dafürgehalten, der Beschwerdeführer habe
spätestens ab Juni 2001 sein Arbeitspensum massiv steigern können, zumal er
mit der Kleinlandwirtschaft nicht das erforderliche Einkommen erzielt habe
und zudem mit seiner Tätigkeit als Kleinlandwirt auch nicht ausgelastet
gewesen sei. Dazu komme, dass er im Juni 2001 sein Vieh verkauft habe und
deshalb noch weniger Arbeit mit der Bewirtschaftung des
Landwirtschaftsbetriebes und dafür umso mehr Zeit für eine Erwerbstätigkeit
gehabt habe. Die Ausführungen in der Beschwerde erweisen sich damit als
appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid, zumal der Beschwerdeführer
einfach seine eigene Sicht der Dinge darlegt, ohne indessen auf die
Begründung als Ganzes einzugehen und aufzuzeigen, inwiefern die Erwägungen
des Bezirksgerichtsausschusses willkürlich sein könnten.

Sodann ergibt sich aus dem angefochtenen Urteil, dass das Einkommen bei der
G.________ AG für die Ermittlung des hypothetischen Einkommens keine Rolle
gespielt hat. Nebst dem Einkommen aus der Landwirtschaft war vielmehr das
zusätzliche Einkommen des Beschwerdeführers massgebend, welches dieser in den
Jahren 1996 und 1997 bei H.________ erzielt hatte. Daraus hat der
Bezirksgerichtsausschuss für die Zeit ab Juni 2001 auf ein Einkommen des
Beschwerdeführers von mindestens Fr. 3'000.-- geschlossen (Einkommen aus
Landwirtschaft und Zusatzverdienst). Auch insoweit liegt demnach
appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil vor.

2.7 Als unzulässig erweist sich die Beschwerde schliesslich auch insoweit,
als der Beschwerdeführer auf seine bereits 2001 ausgewiesene Notlage
verweist. Auch in diesem Punkt legt er nicht rechtsgenüglich dar, die besagte
Notlage im Verfahren vor den beiden kantonalen Instanzen dem anwendbaren
Prozessrecht entsprechend vorgetragen zu haben.

3.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Beschwerdegegnerin
ist jedoch für das bundesgerichtliche Verfahren keine Entschädigung
zuzusprechen, zumal sie nicht zur Vernehmlassung eingeladen worden ist.

Da sich die Beschwerde, so wie sie begründet worden ist, von Anfang an als
aussichtslos erwiesen hat, kann dem Gesuch des Beschwerdeführers um
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nicht entsprochen werden (Art.
152 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgerichtsausschuss Landquart
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Februar 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: