Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.378/2002
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5P.378/2002 /min

Urteil vom 19. November 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Riemer,
Gerichtsschreiber Schett.

E. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Peter Lyssy, Bernoullistrasse
20, Postfach 112, 4003 Basel,

gegen

Versicherung X.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokat Dr. Christoph Bertisch,
Entenweidstrasse 20, 4142 Münchenstein,
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel.

Art. 9 BV (Forderung aus Versicherungsvertrag),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des
Kantons Basel-Stadt vom 26. April 2002.

Sachverhalt:

A.
E. ________ verlangte mit Teilklage vom 4. Mai 1998 beim Zivilgericht
Basel-Stadt die Verurteilung der Versicherung X.________ zur Zahlung von Fr.
50'000.-- mit Zins als Leistung aus einem Lebensversicherungs- sowie einem
Kollektiv-Krankentaggeld-Versicherungsvertrag, unter Vorbehalt der
Mehrforderung. Ausserdem beantragte er die Feststellung, dass der in einem
gegen ihn ausgestellten Verlustschein vom 5. Juni 1997 verurkundete Betrag
von Fr. 58'389.80, welchen die Versicherung X.________ in Rückforderung
bereits erbrachter Versicherungsleistungen in Betreibung gesetzt hatte, nicht
geschuldet sei. Mit Urteil vom 31. Januar 2000 wies das Zivilgericht die
Klage vollumfänglich ab. Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt
erliess auf Berufung von E.________ in teilweiser Gutheissung der Klage die
beantragte Feststellung, während das weitergehende Begehren abgewiesen wurde.
Die von der Versicherung X.________ dagegen eingereichte eidgenössische
Berufung wurde vom Bundesgericht am 17. Juli 2001 gutgeheissen, soweit darauf
einzutreten war, und das Urteil des Appellationsgerichts vom 26. Januar 2001
wurde aufgehoben und die Sache zur Ergänzung der Akten und neuer Entscheidung
im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurückgewiesen (5C.148/2001).

B.
Nach durchgeführter Aktenergänzung wies das Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt in nunmehriger Bestätigung des erstinstanzlichen Entscheids mit
Urteil vom 26. April 2002 die Klage vollumfänglich ab.

C.
E.________ hat das Urteil des Appellationsgerichts mit staatsrechtlicher
Beschwerde vom 17. Oktober 2002 angefochten und beantragt Aufhebung des
Urteils vom 26. April 2002 und Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung.

D.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das erkennende Gericht hat die Sache mit Urteil vom 17. Juli 2001 deswegen
zurückgewiesen, weil im Zusammenhang mit dem Verschweigen wesentlicher
Gefahrstatsachen (Art. 6 VVG; SR 221.229.1) im ärztlichen Fragebogen das
Appellationsgericht die Frage, ob der Beschwerdeführer seinen Arzt richtig
verstanden habe - sei es auf Deutsch oder Italienisch - nicht offen lassen
durfte.

2.
In der Folge klärte das Appellationsgericht ab, ob der Beschwerdeführer die
Unrichtigkeit der Angaben im betreffenden Fragebogen, insbesondere unter
Ziff. 10b bezüglich der Konsultation weiterer Ärzte (neben Dr. T.________),
habe erkennen können. Das geschah vor allem durch Einvernahme von Dr.
T.________ als Zeugen. Dieser verneinte wesentliche
Verständigungsschwierigkeiten zwischen ihm und dem Beschwerdeführer und
schloss aus, dass er die Verneinung der Konsultation weiterer Ärzte durch den
Beschwerdeführer unter Ziff. 10b des Fragebogens von sich aus vorgenommen
habe. In Würdigung dieser Aussagen lastete das Appellationsgericht zu einem
wesentlichen Teil die Falschaussage dem Beschwerdeführer an und qualifizierte
dies als Anzeigepflichtverletzung im Sinne von Art. 6 VVG.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer erachtet diese Würdigung der Aussagen von Dr.
T.________ durch das Appellationsgericht als willkürlich im Sinne von Art. 9
BV.

3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts verfällt eine Behörde in
Willkür, wenn sie ihrem Entscheid Tatsachenfeststellungen zu Grunde legt, die
mit den Akten in klarem Widerspruch stehen. Im Bereich der Beweiswürdigung
besitzt der Richter allerdings einen weiten Ermessensspielraum. Das
Bundesgericht greift auf staatsrechtliche Beschwerden nur ein, wenn die
Beweiswürdigung offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation
in klarem Widerspruch steht, auf einem offensichtlichen Versehen beruht oder
in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 128 III 1 E.
4b S. 7; 118 Ia 28 E. 1b S. 30).

3.2.1 Der Beschwerdeführer macht vorab geltend, dass Dr. T.________, im
Widerspruch zu seinen seinerzeitigen Aussagen vor dem Zivilgericht, vor
Appellationsgericht ausgesagt habe, angesichts eines roten "D" (=
ausreichende Deutschkenntnisse) auf der Patientenkarte des Beschwerdeführers
gehe er davon aus, er habe mit dem Beschwerdeführer Deutsch sprechen können
und es hätten keine Verständigungsprobleme bestanden. Auch habe Dr.
T.________ vor Appellationsgericht erklärt, er gehe stets jede Frage des
Fragebogens der Versicherung mit dem Patienten durch und erkläre auch die
Bedeutung dieses Fragebogens hinsichtlich der Anzeigepflicht; demgegenüber
habe der Zeuge vor Zivilgericht noch ausgesagt, er selbst habe vielleicht
auch einfach angenommen, dass der Beschwerdeführer nicht noch bei einem
anderen Arzt gewesen sei und somit dem Beschwerdeführer diese Frage gar nicht
gestellt. In willkürlicher Würdigung dieser Aussagen habe es das
Appellationsgericht als erwiesen erachtet, dass zwischen dem Beschwerdeführer
und Dr. T.________ keine wesentlichen Verständigungsschwierigkeiten bestanden
hätten. Deshalb sei es auch willkürlich der Darstellung des Zeugen gefolgt,
wonach er auf die Wichtigkeit einer wahrheitsgemässen Beantwortung der Frage
Ziff. 10b nach der Konsultation weiterer Ärzte aufmerksam gemacht habe,
weshalb es ausgeschlossen sei, dass er diese Frage von sich aus verneint
habe. Diese Schlussfolgerung und damit die Beweiswürdigung sei nur schon
deshalb willkürlich, weil der Zeuge vor Appellationsgericht mehrmals
wiederholt habe, er könne nur mutmassen, da dies schon acht Jahre her sei und
er sich nicht mehr konkret erinnern könne.

Was letztere Relativierung anbetrifft, so hat das Appellationsgericht
deswegen dennoch auf die Zeugenaussage von Dr. T.________ abgestellt, weil es
ihr dessen weiteren Hinweis zu Grunde legte, mangels konkreter Erinnerung
lege er dar, wie er üblicherweise in solchen Fällen vorgegangen sei. Diese
Vorgehensweise des Appellationsgerichts war jedenfalls vertretbar und
erscheint daher nicht als willkürlich im Sinne des Gesagten.

Was den Widerspruch zwischen den Aussagen von Dr. T.________ vor erster und
vor zweiter Instanz betrifft, so hat das Appellationsgericht die Erklärung
von Dr. T.________ als plausibel erachtet, er sei seinerzeit bei seiner
Vorbereitung auf die erstinstanzliche Einvernahme davon ausgegangen, es
würden medizinische Fragen gestellt werden und er sei daher auf die
effektiven Fragen nicht vorbereitet gewesen, im Unterschied zur Einvernahme
vor zweiter Instanz. Auch dieser Bereich der Beweiswürdigung erscheint
jedenfalls nicht als willkürlich im Sinne des Ausgeführten, sondern liegt
noch innerhalb des Ermessens des Appellationsgerichts. Was die
Verständigungsprobleme beziehungsweise die Deutschkenntnisse des
Beschwerdeführers betrifft, so übergeht der Beschwerdeführer im Übrigen mit
Stillschweigen, dass das Appellationsgericht diesbezüglich nicht allein auf
die Aussagen von Dr. T.________ abgestellt hat, sondern - mit eingehenden
Erwägungen - auch auf die Aussagen des Beschwerdeführers selbst. Dessen
Deutschkenntnisse qualifizierte es bezüglich der entscheidenden Frage nach
der Konsultation weiterer Ärzte schliesslich als "genügend".

3.2.2 Im Übrigen erachtet der Beschwerdeführer die Würdigung der Aussagen von
Dr. T.________ durch das Appellationsgericht auch deswegen als willkürlich,
weil es völlig unglaubwürdig sei, dass Dr. T.________ das angeblich auf der
Patientenkarte vorhandene rote "D" nicht schon bei der Vorbereitung seiner
Aussage vor dem Zivilgericht gesehen habe; es sei somit davon auszugehen,
dass das rote "D" erst später auf diese Karte gelangt sei, wobei zu vermuten
sei, dass Dr. T.________ dieses rote "D" angebracht habe, um den Umschwung
seiner Aussage vor Appellationsgericht begründen zu können. Das
Appellationsgericht habe nämlich in willkürlicher Weise übersehen, dass der
Zeuge Dr. T.________ ein wesentliches "Eigeninteresse" an der Abweisung der
Klage habe, und zwar in Hinblick auf Regressforderungen der
Beschwerdegegnerin wegen grobfahrlässigem Verhalten von Dr. T.________.

Das Appellationsgericht hat auch im Zusammenhang mit der nachträglichen
Berufung des Zeugen auf das rote "D" darauf hingewiesen, dass dieser bei der
Vorbereitung seiner Aussage vor erster Instanz noch von medizinischen Fragen
und nicht von solchen der sprachlichen Verständigung ausgegangen sei, weshalb
er das rote "D" damals nicht erwähnt habe. Das ist nach dem Gesagten
jedenfalls keine willkürliche Beweiswürdigung, während die diesbezüglichen
Ausführungen des Beschwerdeführers blosse Mutmassungen darstellen. Was das
"Eigeninteresse" von Dr. T.________ betrifft, so hat das Appellationsgericht
dieses nicht "übersehen", sondern sich damit eingehend auseinander gesetzt,
wobei es mit jedenfalls vertretbarer Begründung zu einer Verneinung gekommen
ist. Im Übrigen übergeht der Beschwerdeführer mit Stillschweigen, dass das
Appellationsgericht in diesem Kontext auch auf den gerichtlichen Hinweis
betreffend die Strafbarkeit einer Falschaussage und auf das Handgelübde des
Zeugen besonderes Gewicht gelegt hat, ferner darauf, dass auch inhaltlich
keine Hinweise auf eine Falschaussage vorlägen.

3.3 Mithin bewegte sich das Appellationsgericht bei seiner Beweiswürdigung in
allen Teilen und auch im Ergebnis bzw. in der Gesamtwürdigung im Rahmen
seines Ermessens, was zur Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde führt.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren kostenpflichtig (Art. 153 und 156 Abs. 1 OG).
Seinem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege im Sinne von Art.
152 Abs. 1 und 2 OG ist wegen Aussichtslosigkeit der Beschwerde (Art. 152
Abs. 1 OG) nicht zu entsprechen. Die Zusprechung einer Parteientschädigung an
die Beschwerdegegnerin (Art. 159 Abs. 2 OG) entfällt mangels Einholung einer
Vernehmlassung.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons
Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. November 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: