Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.367/2002
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5P.367/2002 /bnm

Urteil vom 11. Februar 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Zünd,
Gerichtsschreiber Schett.

A. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Michael Kunz, Fischmarkt 12, 4410
Liestal,

gegen

1.B.________,
2.C.________,
3.D.________,
Beschwerdegegner,
alle drei vertreten durch Advokat Dr. Claudius Alder,
St. Alban-Vorstadt 21, 4052 Basel,
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht,
Gerichtsgebäude, 4410 Liestal.

Art. 9 BV (Eigentum),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 20. August 2002.

Sachverhalt:

A.
Der Kanton Basel-Landschaft erstellte in den Jahren 1965/66 an der Strasse
Y.________ in Z.________ sechs Einfamilienhäuser, welche damals vermietet
wurden. Im Jahre 1977 entschied der Regierungsrat, die Häuser zu verkaufen.
Die ursprüngliche Parzelle Nr. 1.________, auf welcher alle sechs Häuser
standen, musste hierfür unterteilt werden. Es entstanden die Parzellen Nr.
2.__________ bis 7.________, auf welchen die Gebäude standen bzw. heute noch
stehen, sowie die Korporationsparzellen Nr. 8._________ und 9.________, auf
welchen Autoabstellplätze mit Direktanstoss an die Strasse Y.________
errichtet wurden. Für die drei hinterliegenden Parzellen (Parz.Nr. 3.________
der Beschwerdeführerin, Parz.Nr. 4.________ der Beschwerdegegnerin 1 und
Parz.Nr. 7.________ der Beschwerdegegner 2 und 3) ohne direkten Anstoss an
die Strasse Y.________ wurde eine Korporationswegparzelle (Parz.Nr.
10.________) ausgeschieden, welche ausgehend von der Strasse Y.________ um
die drei Liegenschaften herum führt. Die Korporationswegparzelle Nr.
10.________ steht im Miteigentum zu 1/3 der jeweiligen Eigentümer der
hinterliegenden Parzellen Nr. 3.________ (Beschwerdeführerin), Nr. 4.________
(Beschwerdegegnerin 1) und Nr. 7.________ (Beschwerdegegner 2 und 3). Zudem
erhielten die hinterliegenden Parzellen ein Gehrecht zulasten der drei
vorgelagerten Parzellen, welche direkt an die Strasse Y.________ anstossen.

Die Korporationswegparzelle Nr. 10.________ ist bis heute nicht als Weg
ausgebaut worden. Sie wird vielmehr durch die jeweiligen Anstösser als Garten
genutzt.

B.
Am 19. Oktober 2000 reichte A.________ beim Bezirksgericht Liestal Klage ein
und verlangte, sie sei richterlich zu ermächtigen, die zu je 1/3 im
Miteigentum der Parteien stehende Anmerkungsparzelle Nr. 10.________,
Grundbuch Z.________, dem Zweck entsprechend, zu einer befahrbaren und
befestigten Strasse auf Kosten aller Miteigentümer zu gleichen Teilen
auszubauen. Eventualiter beantragte sie, es sei der Ausbau zu einer
zweckentsprechenden befestigten Zu- fahrtsstrasse auf Kosten der drei
Miteigentümer richterlich anzuord- nen.

Mit Urteil vom 29. November 2001 wies das Bezirksgericht Liestal die Klage
ab. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft bestätigte dieses Urteil am 20.
August 2002.

C.
Die Beschwerdeführerin reichte am 11. Oktober 2002 staatsrechtliche
Beschwerde ein mit dem Begehren, das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft vom 20. August 2002 aufzuheben. Sie macht geltend, der
Sachverhalt sei durch das Kantonsgericht willkürlich festgestellt worden.

Die Beschwerdegegner beantragen in ihrer Vernehmlassung vom 13. Januar 2003
die Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde, soweit darauf einzutreten
sei. Das Kantonsgericht seinerseits stellt in der Stellungnahme vom 30.
Januar 2003 Antrag, die Beschwerde abzu- weisen.

D.
Gegen das Urteil des Kantonsgerichts hat die Beschwerdeführerin zudem
eidgenössische Berufung erhoben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wird ein Entscheid sowohl mit Berufung als auch mit staatsrechtlicher
Beschwerde angefochten, ist in der Regel der Entscheid über die Berufung
auszusetzen, bis über die staatsrechtliche Beschwerde entschieden worden ist
(Art. 57 Abs. 5 OG; BGE 122 I 81 E. 1 mit Hinweis). Es besteht vorliegend
kein Grund, von dieser Regel abzuweichen.

2.
2.1 Das Kantonsgericht hat zur Zweckbestimmung der im Miteigentum der Parteien
stehenden Korporationswegparzelle ausgeführt:
"Es steht (...) fest, dass die Korporationswegparzelle im Zeitpunkt des
Grundstückerwerbs nicht als Weg benutzt worden ist. Sie ist vielmehr erst zu
diesem Zeitpunkt als Wegparzelle gebildet worden. Die Ausscheidung der
Korporationswegparzelle bezweckte die Möglichkeit der Schaffung eines Weges.
Weder aus dem Grundbuch noch aus den Kaufverträgen ist eine Verpflichtung
ersichtlich, die Wegparzelle in eine befestigte befahrbare Strasse
auszubauen. Auch eine öffentlichrechtliche Verpflichtung zum Ausbau besteht
nicht. Die Miteigentümer kauften somit eine unbebaute Wegparzelle. Sie
einigten sich damals darauf, auf den Ausbau der Strasse zur Zeit zu
verzichten und die Parzelle als Garten zu nutzen. Damit legten sie den Zweck
dieser Parzelle als Garten fest. Wenn heute eine befahrbare Strasse gebaut
werden soll, ist dies eine Zweckänderung. (...) Die Zweckbestimmung der
Korporationswegparzelle (d.h. die Schaffung der Möglichkeit eine befahrbare
Strasse zu bauen) wurde durch die Abmachung, den Weg als Garten zu nutzen,
aufgehoben. Der Ausbau zur Strasse würde eine erneute Zweckänderung bedeuten,
für die es Einstimmigkeit braucht."
2.2 Die Beschwerdeführerin rügt die Feststellungen des Kantonsgerichts
bezüglich der Vereinbarung der Parteien über eine Zweckänderung der Parzelle
als willkürlich. Die Aussagen hierzu sind im Protokoll der Verhandlung des
Bezirksgerichts Liestal wie folgt wiedergegeben:
"Präsident: Zuerst ist die Parteibefragung zur Abmachung bezüglich des
Gartens zu machen.

Beklagter 3: Es war Gentleman's Agreement. Man hat dann dies einfach als
Garten genutzt.

auf Frage: Weiss nicht mehr ob dies ganz von Anfang an war.

Klägerin: Wir haben im August 1978 gekauft. Herr D.________ kam im Januar
1979 zu uns, ob wir Weg ausbauen wollen. Wir sagten momentan nicht, solange
sei's als Garten benützbar. Und jetzt wollen wir Ausbau.

Beklagter 3: Stimmt so."
2.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes verfällt eine Behörde in
Willkür, wenn sie ihrem Entscheid Tatsachenfeststellungen zugrunde legt, die
mit den Akten in klarem Widerspruch stehen (BGE 118 la 28 E. 1b). Das ist
vorliegend der Fall. Die Beschwer- deführerin hat zwar erklärt, "momentan"
nicht ausbauen zu wollen, "solange sei's als Garten benützbar". Diese Aussage
kann nur dahin verstanden werden, dass sie sich auf Zusehen hin mit der
Nutzung der Parzelle durch die Beschwerdegegner einverstanden erklärte, sich
aber vorbehielt, den Ausbau des Weges zu verlangen. Der Beschwer- degegner 3
seinerseits ging ebenfalls von einer Nutzung als Garten auf Zusehen hin aus,
benutzte hierfür den Ausdruck "Gentleman's Agreement" und bemerkte, man habe
"dies einfach als Garten ge- nutzt". Auf einen Verpflichtungswillen der
Beschwerdeführerin und auf eine tatsächliche Willensübereinstimmung auf
Zweckänderung lässt sich aus diesen Äusserungen offensichtlich nicht
schliessen, vielmehr nur darauf, dass die Beschwerdeführerin die Nutzung als
Garten rein prekaristisch vorläufig zu dulden bereit war. Die gegenteilige
Auf- fassung des Kantonsgerichts ist unhaltbar und willkürlich.

3.
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als begründet und ist
gutzuheissen.

Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens den Beschwerdegegnern unter soli- darischer Haftbarkeit
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Sie haben überdies die Beschwerdeführerin
für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des
Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20. August 2002 aufgehoben.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird den Beschwerdegegnern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegner werden unter solidarischer Haftbarkeit verpflichtet, die
Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 4'000.-- zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. Februar 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: