Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.354/2002
Zurück zum Index II. Zivilabteilung 2002
Retour à l'indice II. Zivilabteilung 2002


5P.354/2002 /dxc

Urteil vom 14. November 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Obergericht des Kantons Aargau, Inspektionskommission, Obere Vorstadt 38,
5000 Aarau.

Art. 9 BV (Entschädigung des unentgeltlichen Rechtsvertreters),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau, Inspektionskommission, vom 19. August 2002.

Sachverhalt:

A.
Rechtsanwalt X.________ (nachfolgend: der Anwalt) vertrat eine Partei in
einem Eheschutzverfahren vor dem Präsidenten des Bezirksgerichts Lenzburg
(nachfolgend: der Gerichtspräsident); in diesem Verfahren war seinem
Mandanten die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt worden. Nach Abschluss
des Verfahrens reichte der Anwalt seine Kostennote ein, die sich ausgehend
von einem Grundhonorar von Fr. 3'400.-- sowie mehreren Zuschlägen für
zusätzliche Rechtsschriften auf insgesamt Fr. 5'684.40 belief.

B.
Mit Verfügung vom 10. Mai 2002 wies der Gerichtspräsident die Gerichtskasse
an, dem Anwalt ein Honorar von Fr. 4'134.95 inkl. Mehrwertsteuer auszuzahlen.
Die gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde des Anwalts wies das
Obergericht des Kantons Aargau, Inspektionskommission, (nachfolgend:
Inspektionskommission) mit Entscheid vom 19. August 2002 ab.

C.
Dagegen führt der Anwalt rechtzeitig staatsrechtliche Beschwerde wegen
Verletzung von Art. 9 BV mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid
aufzuheben. Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist der Entscheid der Inspektionskommission, der mit keinem
weiteren kantonalen Rechtsmittel angefochten werden kann (vgl. § 94 Abs. 1
GOG/AG [SAR 155.100] i.V.m. § 33 Abs. 1 lit. g GOD/AG [SAR 155.110]). Damit
liegt ein Endentscheid im Sinne von Art. 86 Abs. 1 OG vor.

1.2 Im angefochtenen Entscheid ist die Entschädigung für die Tätigkeit als
amtlicher Anwalt nicht in dem vom Beschwerdeführer verlangten Ausmass
festgesetzt worden. Der Beschwerdeführer hat demnach ein rechtlich
geschütztes Interesse im Sinne von Art. 88 OG (vgl. BGE 109 Ia 107 Nr. 22).
Auf die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach grundsätzlich einzutreten.

2.
Der amtliche Anwalt steht zum Staat in einer eigenen Rechtsbeziehung, aus der
ihm nach Massgabe der anwendbaren kantonalen Vorschriften ein
öffentlichrechtlicher Entschädigungsanspruch erwächst. Bei der
Honorarfestsetzung haben die kantonalen Behörden allerdings einen weiten
Ermessensspielraum. Das Bundesgericht greift demnach nur ein, wenn die
Behörden die kantonalen Bestimmungen über den Umfang der Entschädigung
willkürlich angewendet oder ihr Ermessen überschritten bzw. missbraucht haben
(BGE 117 Ia 22 E. 4a S. 23; 118 Ia 133 E. 2b S. 134; 122 I 1 E. 3a S. 2, je
mit Hinweisen).

3.
3.1 Die Inspektionskommission hält dafür, beim Eheschutzverfahren als nicht
vermögensrechtlicher Streitsache (§ 3 Abs. 1 lit. d AnwT [SAR 291.150]) sei
das Honorar in Anwendung von § 3 Abs. 1 lit. b AnwT nach Bedeutung und
Schwierigkeit des Falles festzusetzen; der Kostenrahmen liege zwischen Fr.
1'210.-- bis Fr. 14'740.--; doch könne die Entschädigung im summarischen
Verfahren auf bis zu 25% des minimalen Grundhonorars gekürzt werden. Sie hat
alsdann auf den Entscheid der Gerichtspräsidentenkonferenz vom 27. März 2001
verwiesen, wonach das durchschnittliche Honorar für ein Eheschutzverfahren
rund 2/3 des durchschnittlichen Honorars des Scheidungsverfahrens ohne
güterrechtliche Auseinandersetzung, mithin - unter zusätzlicher
Berücksichtigung der Teuerung - Fr. 2'500.-- betragen soll (rund 2/3 von
derzeit Fr. 3'600.--).

3.2 Der Beschwerdeführer wirft der Inspektionskommission in erster Linie vor,
sie sei in Willkür verfallen, indem sie auf ein dem Anwaltstarif nicht
entsprechendes "Durchschnitts-Grundhonorar" abgestellt habe, obwohl § 3 Abs.1
lit. b AnwT für nicht vermögensrechtliche Streitsachen keine fixen
Grundhonorare vorgebe, sondern vielmehr vorsehe, dass das Grundhonorar nach
Bedeutung und Schwierigkeit des Falles zu bemessen sei.

3.3 Wie die Inspektionskommission zu Recht hervorhebt, erlaubt ein pauschales
Grundhonorar, die unentgeltlichen Rechtsvertreter in gleichgearteten Fällen
(relativ) gleich zu behandeln. Es sei hier an die vielen Eheschutzverfahren
zu denken, welche keine besonderen Probleme aufwerfen und die folglich von
einem patentierten Anwalt ohne übermässigen Aufwand bewältigt werden können.
Von daher lässt sich auch nicht vertreten, allein mit der beschriebenen
pauschalen Festsetzung des Grundhonorars sei § 3 Abs. 1 lit. b AnwT
willkürlich angewendet worden (zum Willkürbegriff: BGE 119 Ia 113 E. 3a S.
117; 127 I 60 E. 5a S. 70; 128 I 177 E. 2.1). Sodann lässt es die
Inspektionskommission auch gar nicht bei einem Hinweis auf die pauschale
Festsetzung bewenden, sondern hebt ausdrücklich hervor, dass der Richter im
Rahmen seines Ermessensspielraums den Umständen des Einzelfalles Rechnung zu
tragen habe.

4.
4.1 Der Beschwerdeführer hält des Weiteren dafür, auch wenn eine pauschale
Festsetzung des Grundhonorars als zulässig erachtet werde, so müsse dennoch
im Einzelfall geprüft werden, ob die Pauschale den effektiv im Einzelfall
erbrachten Leistungen entspreche. Diese Prüfung habe nicht vorgenommen werden
können, da weder die Gerichtspräsidentenkonferenz noch die
Inspektionskommission definiert habe, welche Leistungen von diesem
Grundhonorar erfasst werden, wann somit ein Verfahren nicht mehr als
durchschnittlich aufwändig gelten soll; diese Beurteilung sei aber nur dann
möglich, wenn die Höhe des pauschalen Grundhonorars zur Leistung und dem
damit einhergehenden Aufwand in Bezug gesetzt werde. Sodann sei nicht
einsehbar, weshalb die Pauschale für die Eheschutzmassnahmen tiefer angesetzt
werde als für ein Ehescheidungsverfahren ohne güterrechtliche
Auseinandersetzung, zumal in letzter Zeit auch im Eheschutzverfahren die
Position der Parteien härter und das Verfahren komplexer geworden seien.

4.2 Wie schon die Inspektionskommission darauf hingewiesen hat und sich
überdies aus § 6 Abs. 1 AnwT ergibt, umfasst das Grundhonorar Instruktion,
Aktenstudium, rechtliche Abklärungen, Korrespondenz und Telefongespräche
sowie eine Rechtsschrift und die Teilnahme an einer behördlichen Verhandlung.
Damit aber ist der Umfang der Leistungen, die für ein Grundhonorar zu
erbringen sind, hinreichend klar umschrieben. Zudem ergibt sich auch aus dem
Begriff des durchschnittlichen Verfahrens, dass damit Eheschutzverfahren
gemeint sind, welche keine besonderen Schwierigkeiten mit sich bringen.
Insoweit ist mit der Höhe des zugesprochenen Grundhonorars auch ein gewisser
Bezug zur verwendeten Zeit hergestellt, indem (stillschweigend) davon
ausgegangen wird, dass solche Verfahren infolge ihres geringen
Schwierigkeitsgrades keinen besonderen Zeitaufwand erheischen. Dies
entspricht denn auch durchaus dem Grundgedanken von § 3 Abs. 1 lit. b AnwT,
wonach bei der Festsetzung des Grundhonorars auf die Bedeutung des Falles und
den Schwierigkeitsgrad zu achten ist. Im Lichte dieser Bestimmung erweist
sich grundsätzlich als vertretbar, das Grundhonorar für ein
Eheschutzverfahren ohne güterrechtliche Auseinandersetzung tiefer als jenes
für eine entsprechende Ehescheidung anzusetzen. Auch das Scheidungsverfahren,
in dem keine güterrechtliche Auseinandersetzung vorzunehmen ist, erweist sich
im Verhältnis zum entsprechenden Eheschutzverfahren als bedeutender, zumal
damit die Ehe aufgelöst wird und die Frage der Unterhaltsbeiträge für den
Ehegatten nach vermehrtem Einsatz des Anwaltes verlangt, da die einmal
festgesetzten Beiträge nicht mehr ohne weiteres abgeändert werden können
(Art.129 ZGB). Ferner steht im Ehescheidungsverfahren auch eine Entscheidung
über die Fragen der elterlichen Sorge sowie der Teilung allfälliger
Vorsorgeanwartschaften an, was im Eheschutzverfahren in der Regel nicht bzw.
überhaupt nicht der Fall ist. Schliesslich werden Eheschutzmassnahmen im
summarischen Verfahren getroffen (Hegnauer/Breitschmid, Grundriss des
Eherechts, 4. Aufl., 2000, Rz. 21.09 mit Hinweisen). Von Willkür kann somit
auch insoweit nicht die Rede sein.

5.
5.1 Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, der Gerichtspräsident habe das
Eheschutzverfahren gar nicht selber geführt und instruiert und sei daher
nicht in der Lage gewesen, zu beurteilen, ob ein durchschnittliches Verfahren
vorgelegen habe. Indem die Inspektionskommission auf die Beurteilung des
Gerichtspräsidenten abstelle, verfalle sie in Willkür. In der Tat werde durch
Urkunden belegt, dass es sich nicht um ein einfaches Verfahren gehandelt
habe, zumal das Urteil 20 Seiten umfasse und auch die dem Eheschutzverfahren
zu Grunde liegende Situation nicht einfach gewesen sei, da die Ehefrau seinen
Mandanten verlassen und mit den Kindern allein zurück gelassen habe.

5.2 Diese Ausführungen gehen an der Sache vorbei. Die Inspektionskommission
hat im Rahmen ihrer freien Prüfung aufgrund der Akten festgestellt, dass sich
die Parteien über die Zuteilung der ehelichen Wohnung, die Obhut über die
Kinder, das Besuchsrecht des nicht obhutsberechtigten Elternteils einig
gewesen sind und sich einzig hinsichtlich der Unterhaltsbeiträge Differenzen
ergeben hätten, wobei die Parteien unselbstständig erwerbstätig seien und
keine besonderen finanziellen Verhältnisse vorgelegen hätten. Unter diesen
Umständen ist die Inspektionskommission nicht in Willkür verfallen, indem sie
von einem durchschnittlichen, mit einem Grundhonorar von Fr. 2'500.-- zu
entschädigenden Verfahren ausging. Soweit der Beschwerdeführer Tatsachen ins
Feld führt, um damit die besondere Schwierigkeit bzw. Bedeutung des Falles zu
illustrieren, übt er sich in unzulässiger appellatorischer Kritik am
angefochtenen Entscheid, zumal die Inspektionskommission besondere Umstände
verneint hat (BGE 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen).

6.
6.1 Der Beschwerdeführer rügt schliesslich, die Inspektionskommission stelle
fest, ein Honorar inklusive Zuschläge von Fr. 3'500.-- entspreche bei einem
ausgewiesenen zeitlichen Aufwand von rund 22 Stunden einem Stundenansatz von
Fr. 160.--; eine solche Entschädigung erscheine gesamthaft betrachtet als
angemessen. In Verletzung des Willkürverbotes habe die Inspektionskommission
dabei nicht beachtet, dass die Stundenentschädigung gemäss § 9 AnwT minimal
Fr. 185.-- bis maximal Fr. 250.-- betrage, was einen Mittelwert von rund Fr.
220.-- pro Stunde ausmache. Damit aber liege die Entschädigung für ein
durchschnittliches Eheschutzverfahren rund Fr. 60.-- unter dem
durchschnittlichen Stundenansatz gemäss § 9 AnwT. Willkürlich sei der
Entscheid aber auch deshalb, weil die Inspektionskommission die ihrer Ansicht
nach angemessene Entschädigung auch noch durch die auferlegten Gerichtskosten
von Fr. 654.-- auf rund Fr. 130.-- pro geleistete Stunde reduziere, obwohl
das Verfahren der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss § 129 Abs. 4 ZPO/AG
kostenlos sei.

6.2 Auch diese Vorbringen sind nicht geeignet, ein willkürliches Verhalten
der Inspektionskommission darzutun. Der Beschwerdeführer ist bereits im
angefochtenen Entscheid darauf hingewiesen worden, dass § 9 AnwT die
Entschädigung im Strafverfahren und nicht im Zivilverfahren regelt. Er legt
nicht dar, inwiefern diese Unterscheidung als willkürlich anzusehen wäre.
Sodann geht es hier um die Festsetzung des Honorars des amtlich bestellten
Rechtsbeistandes und nicht um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege,
sodass auch nicht auf diese Bestimmung abgestellt werden kann. Die
Inspektionskommission hat denn auch hervorgehoben, sie nehme mit der
Beurteilung von Kostenbeschwerden gemäss § 94 Abs. 1 GOG [SAR 155.100] eine
Rechtsprechungsfunktion im Rahmen der Justizverwaltung vor, wobei die Kosten
gestützt auf § 22 des Dekrets über die Verwaltungskosten (VKD; SAR 221.150)
zu bemessen und gemäss § 33 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes zu verlegen
seien. Dass sich die Kostenverlegung der Inspektionskommission nicht ohne
Willkür auf die angeführten Gesetzesbestimmungen stützen lasse, wird nicht
rechtsgenüglich begründet, weshalb insoweit auf die staatsrechtliche
Beschwerde nicht eingetreten werden kann (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 119
Ia 197 E. d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a; 127 III 279 E. 1c S.
282, mit Hinweisen). Im Übrigen ist es denn auch nach der geltenden
Rechtsprechung aus verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden, im
Verfahren um Festsetzung der Entschädigung des amtlichen Anwalts die Kosten
dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen, sofern dies - wie hier -
auf gesetzlicher Grundlage beruht (Urteil 1P.599/1999 vom 19. Januar 2000, E.
3b am Ende).

7.
Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Entschädigung ist
schon allein deswegen nicht geschuldet, weil keine Vernehmlassung eingeholt
worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 750.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Obergericht des Kantons
Aargau, Inspektionskommission, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. November 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: