Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.290/2002
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5P.290/2002 /bie

Urteil vom 17. September 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Escher,
Gerichtsschreiber Schett.

A. G.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Daniel Levy, Güterstrasse 1,
Postfach 1607, 4133 Pratteln 1,

gegen

B.G.________, Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokat Dr. Jonas Schweighauser,
Hauptstrasse 104, 4102 Binningen,
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht,
Gerichtsgebäude, 4410 Liestal.

Art. 9 und 29 BV
(vorsorgliche Massnahmen im Scheidungsprozess),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 17. Juni 2002.

Sachverhalt:

A.
Die Parteien stehen in Scheidung. Die Obhut über die beiden Kinder C.________
(1996) und D.________ (1998) ist umstritten. Mit Verfügung vom 17. August
1999 wurden die Kinder vorläufig unter die Obhut der Mutter gestellt, während
dem Vater ein wöchentliches Besuchsrecht von 1,5 Tagen eingeräumt wurde. In
seinem am 22. September 2000 erstatteten Gutachten empfahl der Kinder- und
Jugendpsychiatrische Dienst (KJPD) des Kantons Basel-Landschaft, die Kinder
unter die Obhut der Mutter zu stellen und dem Vater ein ausgedehntes
Besuchsrecht einzuräumen. Am 28. November 2000 wurde die frühere Massnahme
durch die Anordnung einer alternativen Obhut ersetzt. Da der Streit zwischen
den Eltern andauerte, wurde die alternative Obhut am 5. Juli 2001 aufgehoben
und wurden die Kinder unter die Obhut des Vaters gestellt, während der Mutter
ein Besuchs- und Ferienrecht eingeräumt wurde.

B.
Dagegen beschwerte sich die Mutter beim Kantonsgericht Basel-Landschaft und
verlangte u.a., die Kinder mit sofortiger Wirkung unter ihre Obhut zu stellen
und dem Vater ein gerichtsübliches Besuchs- und Ferienrecht einzuräumen,
eventuell die Sache zu neuem Entscheid zurückzuweisen. Am 14. August 2001
wurde der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilt, so dass die Kinder
vorläufig unter der Obhut der Mutter verblieben. Gleichzeitig wurde ein neues
Gutachten - diesmal bei der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Universitäts-
und Poliklinik (KIUP) des Kantons Basel - in Auftrag gegeben. Im am 26.
Februar 2002 erstatteten Gutachten wurde empfohlen, die Kinder - unter einem
möglichst grosszügig ausgestalteten Besuchsrecht der Eltern - in einem Heim
unterzubringen. Während die Beschwerdeführerin Rückweisung der Sache zur
Neubeurteilung verlangte, beantragte der Beschwerdegegner die Abweisung der
Beschwerde. Mit Entscheid vom 17. Juni 2002 hiess das Kantonsgericht
Basel-Landschaft die Beschwerde gut und wies die Sache "unter
Berücksichtigung des bereits eingeholten kinderpsychiatrischen Gutachtens vom
26. 2. 2002 zur Neubeurteilung an die Vorinstanz (zurück), wobei den Parteien
das rechtliche Gehör verbunden mit dem Recht auf Ergänzungsfragen zum
Gutachten zu gewähren ist" (Ziff. 1).

C.
Dagegen erhebt A.G.________ beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde
und verlangt die Aufhebung des Entscheides. Es wurde keine Rechtsantwort
eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit auf eine staatsrechtliche Beschwerde einzutreten ist (BGE 128 I 177
E. 1; 127 I 92 E. 1).

2.
2.1 Letztinstanzliche Entscheide über vorsorgliche Massnahmen während des
Scheidungsverfahrens gelten - wie gerichtliche Massnahmen zum Schutze der
ehelichen Gemeinschaft - nicht als Endentscheide im Sinne von Art. 48 Abs. 1
OG und können nicht mit eidgenössischer Berufung angefochten werden (BGE 127
III 474). Sie gelten aber auch nicht als Zwischenentscheide nach Massgabe von
Art. 50 OG, weil selbstredend kein Endentscheid herbeigeführt werden könnte.
Als Rechtsmittel kommen daher - je nach der vorgetragenen Rüge - entweder die
Nichtigkeitsbeschwerde (Art. 68 ff. OG) oder die staatsrechtliche Beschwerde
(Art. 84 ff. OG) in Frage. Der Beschwerdeführer hat staatsrechtliche
Beschwerde erhoben.

2.2 Nach konstanter Praxis gelten Entscheide über vorsorgliche Massnahmen
während des Scheidungsverfahrens als Endentscheide im Sinne von Art. 87 OG
(BGE 100 Ia 12 E. 1b S. 14), Rückweisungsentscheide dagegen generell als
Zwischenentscheide (BGE 122 I 39 E.1a/aa; 117 Ia 251 E. 1a und b, S. 253).
Gegen selbständig eröffnete Zwischenentscheide im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG
ist die staatsrechtliche Beschwerde allerdings nur zulässig, wenn sie einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können; dabei muss es sich um
einen Nachteil rechtlicher Natur handeln. In der Regel haben
Rückweisungsentscheide keine solchen Nachteile zur Folge (BGE 122 I 39 E. 1;
106 Ia 226 E. 2, 229 E. 3c; 105 Ia 47 E. 1).

Einen solchen Nachteil erblickt der Beschwerdeführer in der "vereitelte(n)
Obhutszuteilung der Kinder an (ihn) - v.a. im Hinblick auf die definitive
Regelung der Kinderzuteilung im Scheidungsurteil". Obwohl der im Rahmen
vorsorglicher Massnahmen getroffene Obhutsentscheid die Zuteilung der
elterlichen Sorge im Rahmen der Scheidung rechtlich nicht präjudiziert, ist
nicht zu verkennen, dass ein faktischer Zustand, so er lange genug andauert,
unter Umständen eine gewisse normative Kraft zu entfalten vermag. Dem trägt
die Praxis Rechnung, indem Massnahmeentscheide grundsätzlich der
staatsrechtlichen Beschwerde unterliegen. Nun lässt aber der angefochtene
Rückweisungsentscheid die Obhutsfrage gerade offen und weist die erste
Instanz an, diese - u.a. im Lichte des neuen, im kantonsgerichtlichen
Verfahren erstellten Gutachtens - nochmals zu überprüfen. Inwiefern just die
Rückweisung die Zuteilung der elterlichen Sorge im Scheidungsurteil
präjudizieren soll, ist unerfindlich und wird auch vom Beschwerdeführer nicht
substantiiert (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Bleibt beizufügen, dass das vom
Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang erwähnte Urteil  5P.140/2001 des
Bundesgerichts vom 10. Juli 2001 nicht einschlägig ist, handelte es sich doch
nicht um eine Rückweisung.

3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht
einzutreten ist. Die Gerichtsgebühr ist dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 17. September 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: