Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.235/2002
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5P.235/2002 /min

Urteil vom 1. Oktober 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin Nordmann,
Gerichtsschreiber Gysel.

A. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Nicolas von Werdt,
Kapellenstrasse 14, Postfach 6916, 3001 Bern,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Thomas Gross,
Bahnhofstrasse 22, Postfach 2957, 8022 Zürich,
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern,
Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,

Art. 29 Abs. 2 BV (Konkursandrohung)

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid vom 13. Juni 2002.

Das Bundesgericht stellt fest und zieht in Erwägung:

1.
1.1 In der von B.________ für eine Forderung von Fr. 493'486.-- eingeleiteten
Betreibung Nr. ... stellte das Betreibungsamt Z.________ am 27. April 2002
A.________ die Konkursandrohung zu.

A. ________ erhob am 7. Mai 2002 bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und
Konkurssachen für den Kanton Bern Beschwerde und verlangte, die
Konkursandrohung aufzuheben. Zur Begründung brachte sie vor, die darin
vermerkte Anschrift des Gläubigers ("V.________") entspreche nicht dessen
aktueller Wohnadresse; ein von ihr dorthin gesandtes Schreiben sei mit dem
Vermerk "moved left no address" an sie zurückgeleitet worden. In seiner
Vernehmlassung vom 28. Mai 2002 an die kantonale Aufsichtsbehörde erklärte
B.________, seine aktuelle Adresse laute: "Y.________". Unter Hinweis auf
diese Angabe erkannte die kantonale Aufsichtsbehörde am 13. Juni 2002, dass
die Beschwerde als gegenstandslos abgeschrieben werde.

Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 1. Juli 2002 beantragt A.________, den
Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben und die Sache zu neuer
Beurteilung an die kantonale Instanz zurückzuweisen.

Der Beschwerdegegner B.________ und die kantonale Aufsichtsbehörde schliessen
auf Abweisung der Beschwerde.

Durch superprovisorische Verfügung vom 2. Juli 2002 und ordentliche Verfügung
vom 16. Juli 2002 hat der Präsident der erkennenden Abteilung der Beschwerde
antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt.

1.2 Gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde hat die
Beschwerdeführerin auch Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts erhoben (Verfahren 7B.125/2002). Durch
Urteil vom 10. September 2002 wurde diese Beschwerde abgewiesen.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist - von hier nicht zutreffenden Ausnahmen
abgesehen - rein kassatorischer Natur (BGE 127 II 1 E. 2c S. 5 mit
Hinweisen). Zulässig, aber überflüssig ist der Antrag auf Rückweisung der
Sache zu neuer Entscheidung: Im Falle der Aufhebung ihres Entscheids hätte
die kantonale Aufsichtsbehörde - unter Berücksichtigung der Ergebnisse des
vorliegenden Verfahrens - auch ohne besondere Anweisung der erkennenden
Abteilung über die Sache neu zu entscheiden (BGE 112 Ia 353 E. 3c/bb S. 354).

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin wirft der kantonalen Aufsichtsbehörde vor, ihren
Anspruch auf rechtliches Gehör missachtet und gegen Art. 29 Abs. 2 BV
verstossen zu haben: Die kantonale Instanz habe ihre Beschwerde gestützt auf
die Angaben des Beschwerdegegners zu seiner neuen Adresse als gegenstandslos
abgeschrieben, ohne ihr Gelegenheit eingeräumt zu haben, sich zu diesen
Angaben zu äussern.

Nach Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien in einem Verfahren vor einer
Gerichts- oder Verwaltungsinstanz Anspruch auf rechtliches Gehör. Das
rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung; andererseits stellt es
ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines Entscheids
dar, der in die Rechtsstellung des Einzelnen eingreift. Dazu gehört
insbesondere das Recht der betroffenen Person, sich vor Erlass eines in ihre
Rechtsstellung eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern und an der
Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum
Beweisergebnis zu äussern. Voraussetzung ist allerdings, dass dieses geeignet
ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 127 I 54 E. 2b S. 56 mit Hinweis).

3.2 Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hat ihren Entscheid vom 10.
September 2002 damit begründet, dass das Betreibungsamt vor Ausstellung einer
Konkursandrohung nicht abzuklären habe, ob die vom Betreibungsgläubiger im
Zeitpunkt der Einleitung der Betreibung gemachten Angaben zu seinem Wohnort
noch zuträfen, und dass die Nichtberücksichtigung einer allfälligen Änderung
nicht zu der von der Beschwerdeführerin angestrebten Aufhebung der
Konkursandrohung führen könne. Wenn das Betreibungsamt hier als Wohnort des
Beschwerdegegners das eingesetzt habe, was sowohl im Zahlungsbefehl als auch
im Fortsetzungsbegehren angeführt gewesen sei, sei dies nicht zu beanstanden
(E. 4.2). Aus diesen Gründen hat die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
dafür gehalten, die kantonale Aufsichtsbehörde hätte die von der
Beschwerdeführerin bei ihr eingereichte Beschwerde ohne Weiterungen abweisen
sollen; indessen verstosse deren Gegenstandsloserklärung im Ergebnis nicht
gegen Bundesrecht, da die Konkursandrohung damit nicht aufgehoben worden sei
(E. 5).

3.3 Aus dem Dargelegten ergibt sich, dass für die von der Beschwerdeführerin
aufgeworfene Frage der Rechtmässigkeit der Konkursandrohung ohne Belang war,
wo sich im Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung durch das Betreibungsamt
der wirkliche Wohnsitz des Beschwerdegegners befand. Da die
Beschwerdeführerin den Vorwurf der Gehörsverweigerung ausdrücklich und
ausschliesslich im Zusammenhang mit den somit betreibungsrechtlich
unerheblichen Ausführungen der kantonalen Aufsichtsbehörde zu dieser Adresse
erhebt, kann von einem Verstoss gegen Art. 29 Abs. 2 BV im Sinne der oben
angeführten Rechtsprechung keine Rede sein.

4.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist demnach abzuweisen. Bei diesem Ausgang
ist die Gerichtsgebühr der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
und 6 OG). Diese ist ausserdem zu verpflichten, den Beschwerdegegner für
seine Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 159
Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin wird verpflichtet, den Beschwerdegegner für seine
Umtriebe im bundesgerichtlichen Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Betreibungsamt Z.________ und der
Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: