Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.175/2002
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5P.175/2002 /bnm

Urteil vom 14. Juni 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichter Raselli, Ersatzrichter Zünd,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner,
Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 9 BV (Zustellung von Aktenkopien/Rückweisung)

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 11. März 2002

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 8. Dezember 2000 erhob X.________ beim Bezirksgericht Bülach
als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen Beschwerde und verlangte im Wesentlichen, Y.________, der in
dem ihn betreffenden Nachlassverfahren als Sachwalter tätig gewesen war, sei
anzuweisen, ihm Einsicht in die Akten dieses Verfahrens zu gewähren und ihm
Kopien der Aufträge an die mit der Veröffentlichung beauftragten
Publikationsorgane sowie die hierfür gestellten Rechnungen herauszugeben.

Unter Hinweis auf ein Schreiben des Sachwalters vom 1. Februar 2001, wonach
die gewünschten Unterlagen in Kopie zugestellt worden seien, beschloss das
Bezirksgericht am 4. April 2001, dass die Beschwerde als gegenstandslos
abgeschrieben werde. Den Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich als
oberer kantonaler Aufsichtsbehörde vom 29. August 2001, auf den Rekurs gegen
den bezirksgerichtlichen Beschluss infolge Fristversäumnisses nicht
einzutreten, hob das Bundesgericht am 20. Dezember 2001 in Gutheissung einer
staatsrechtlichen Beschwerde auf (Urteil 5P.350/2001).

B.
Am 11. März 2002 hiess das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs
teilweise gut und wies den als Sachwalter tätig gewesenen Y.________ an, dem
Rekurrenten Kopien der für die Ausführung der diversen Publikationsaufträge
seitens der Publikationsorgane gestellten Rechnungen herauszugeben. Im
Übrigen wurde der Rekurs abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.

C.
Gegen diesen Beschluss hat X.________ fristgerecht staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, den angefochtenen
Beschluss aufzuheben, verschiedene Verletzungen der Bestimmungen der
Europäischen Menschenrechtskonvention und des Internationalen Paktes über die
bürgerlichen und politischen Rechte festzustellen sowie im Falle der
Feststellung solcher Verletzungen dafür zu sorgen, dass die kantonalen
Instanzen das Verfahren in einer diesen Verpflichtungen genügenden Weise
durchführen. Für das bundesgerichtliche Verfahren beantragt er die
unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.

Zur staatsrechtlichen Beschwerde sind keine Vernehmlassungen eingeholt
worden.

D.
X.________ hat gegen den Beschluss des Obergerichts zusätzlich Beschwerde
gemäss Art. 19 Abs. 1 SchKG erhoben, welche die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts am 11. Juni 2002 abwies, soweit darauf
einzutreten war (Urteil 7B.60/2002).

E.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat als obere kantonale Aufsichtsbehörde
in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen den Rekurs des Beschwerdeführers
soweit gutgeheissen, als dieser verlangt hatte, der Sachwalter habe die
Kopien der Rechnungen für die Ausführungen der Publikationsaufträge im
Nachlassverfahren herauszugeben. Anordnungsgemäss liess der Sachwalter die
Kopien der Rechnungen am 14. März 2002 dem Beschwerdeführer zukommen. Nicht
mehr zu beurteilen war das Begehren, Fotokopien der Publikationsaufträge
selber herauszugeben, denn diese wurden dem Beschwerdeführer bereits im
Verlaufe des Verfahrens von der unteren kantonalen Aufsichtsbehörde am 1.
Februar 2001 ausgehändigt. Abgewiesen hat das Obergericht das Begehren, dem
Sachwalter generell die Anweisung zu erteilen, dem Beschwerdeführer
Akteneinsicht zu gewähren; dies geschah allerdings nicht etwa deshalb, weil
das Obergericht der Meinung gewesen wäre, der Beschwerdeführer hätte keinen
Anspruch auf Akteneinsicht, sondern weil der Sachwalter sich nicht geweigert
habe, dem Beschwerdeführer Einsicht in die Akten zu geben, weshalb sich eine
entsprechende Anweisung erübrige.

2.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist als subsidiäres Rechtsmittel (Art. 84
Abs. 2 OG) insoweit zulässig, als nicht die Beschwerde gemäss Art. 19 Abs. 1
SchKG offen steht. Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte, wozu auch die
Europäische Menschenrechtskonvention (BGE 101 la 67 E. 2c S. 69) und der
Internationale Pakt über die bürgerlichen und politischen Rechte (SR 0.103.2
UNO-Pakt II) gerechnet werden (Urteil 7B.12/2002 vom 16. April 2002,
abweichend von BGE 124 III 205 E. 3c S. 206), ist mit staatsrechtlicher
Beschwerde zu rügen (Art. 81 OG i.V.m. Art. 43 Abs. 1 OG). Da sodann das
Bundesgericht im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren grundsätzlich an
die Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse durch die obere kantonale
Aufsichtsbehörde gebunden ist (Art. 81 OG i.V.m. Art. 63 Abs. 2 OG), kann nur
mit staatsrechtlicher Beschwerde, nicht aber mit Beschwerde gemäss Art. 19
Abs. 1 SchKG, die Feststellung in Frage gestellt werden, der Sachwalter
weigere sich entgegen der Meinung des Beschwerdeführers gar nicht, Einsicht
in die Akten zu gewähren. Zulässig ist infolge der kassatorischen Natur der
staatsrechtlichen Beschwerde (BGE 127 II 1 E. 2c) nur der Antrag, den
angefochtenen Entscheid der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde aufzuheben.

3.
Die vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen sind jedoch, soweit sie hinreichend
substantiiert sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG), offensichtlich unbegründet,
weshalb die Beschwerde im Verfahren nach Art. 36a OG abzuweisen ist, soweit
darauf eingetreten werden kann.

3.1 Im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren haben die Aufsichtsbehörden
nicht über materielle Zivilansprüche im Sinne von Art. 6 EMRK und Art. 14
Abs. 1 UNO-Pakt II der an einem Zwangsvollstreckungsverfahren Beteiligten zu
befinden, sondern darüber, ob von diesen beanstandete Amtshandlungen der
Vollstreckungsorgane gesetzeskonform sind oder nicht. Zu beurteilen war nicht
ein zivilrechtlicher Anspruch, sondern die Frage, ob dem Sachwalter eine
Weisung bezüglich der Akteneinsicht zu erteilen ist oder ob davon abgesehen
werden kann, weil sich der Sachwalter gar nicht weigerte, die Akten dem
Beschwerdeführer zur Verfügung zu halten. Hierüber brauchte nicht eine
mündliche und öffentliche Verhandlung durchgeführt zu werden.

3.2 Ein Anspruch auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand besteht nur dann,
wenn die Partei eines solchen für die gehörige Wahrung ihrer Interessen
bedarf (Art. 29 Abs. 3 BV; BGE 125 II 265 E. 4a S. 274). Das ist hier nicht
der Fall, denn die sich stellende Frage der Akteneinsicht war in keiner Weise
komplex, so dass der Beschwerdeführer nicht auf einen Rechtsbeistand
angewiesen war, zumal -  worauf die obere kantonale Aufsichtsbehörde verweist
- er nach seinem Briefpapier zu schliessen selber die Rechtsberatung zu
betreiben scheint.

3.3 Als Gehörsverweigerung (Art. 29 Abs. 2 BV) wird geltend gemacht, dass die
obere kantonale Aufsichtsbehörde die Rüge der Rechtsverzögerung gegenüber der
unteren Aufsichtsbehörde nicht behandelt habe. Das brauchte sie jedoch nicht,
hatte doch die untere Aufsichtsbehörde ihren Entscheid bereits gefällt, so
dass, sofern eine Rechtsverzögerung vorgelegen haben sollte, diese inzwischen
behoben war; die entsprechende Rüge wurde somit gegenstandslos bzw. auf sie
konnte nicht mehr eingetreten werden (vgl. BGE 104 Ib 307 E. 2c S. 314).

3.4 Es stellt weder eine Rechtsverweigerung noch überspitzten Formalismus
dar, wenn die obere kantonale Aufsichtsbehörde das Verfahren auf das
ursprünglich gestellte Begehren des Beschwerdeführers beschränkte.

3.5 Weshalb das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche
und geistige Unversehrtheit (Art. 10 Abs. 2 BV) sowie das Folterverbot (Art.
10 Abs. 3 BV; Art. 3 EMRK) verletzt sein sollen, ist schlechthin
unerfindlich.

3.6 Materiell erachtet der Beschwerdeführer es als Verstoss gegen das
Willkürverbot (Art. 9 BV), dass die obere kantonale Aufsichtsbehörde zum
Schluss gelangte, der Sachwalter habe die Einsicht in die Akten gar nicht
verwehrt, weshalb sich eine Anweisung an ihn erübrige. Willkür läge indessen
nur vor, wenn diese Feststellung mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch stünde (BGE 125 II 10 E. 3a S. 15; 127 I 38 E. 2a S. 41). Das
aber ist nicht der Fall. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde hat zutreffend
festgestellt, dass sich der Sachwalter weigerte, dem Beschwerdeführer Kopien
von Aktenstücken zu erstellen und ihm herauszugeben. Dies ist in den
kantonalen Verfahren beanstandet worden, und der Beschwerdeführer hat diese
Kopien schliesslich erhalten. Was aber die Akteneinsicht als solche (nicht
die Erstellung von Kopien) betrifft, so hat der Sachwalter zunächst am 18.
Oktober 2000 klar festgehalten, dass der Beschwerdeführer nach telefonischer
Voranmeldung die Akten jederzeit einsehen könne, Kopien dagegen würden nicht
erstellt. Nachdem der Beschwerdeführer zunächst in dieser Form vom
Akteneinsichtsrecht nicht Gebrauch machen wollte, schrieb er dem Sachwalter
am 20. November 2000, er wolle nun doch die Akten am 30. November 2000, 14.15
Uhr, einsehen. Darauf antwortete der Sachwalter, er erachte die Einsicht in
die Publikationen für "nicht nötig", denn er sei zu diesen Publikationen
aufgrund gerichtlicher Urteile, die dem Beschwerdeführer vorlägen, angewiesen
worden. Es ist nun keineswegs willkürlich, wenn die obere kantonale
Aufsichtsbehörde dieses Schreiben nicht als Weigerung, Akteneinsicht zu
gewähren, interpretierte, zumal der Sachwalter zuvor eingeräumt hatte, dass
ein solches Einsichtsrecht besteht und er dieses ohne weiteres auch gewähren
würde. Der Sachwalter hat die Einsicht für "nicht nötig" gehalten, weil dem
Beschwerdeführer seiner Ansicht nach schon alle zweckdienlichen Unterlagen
zur Verfügung standen. Auf eine Weigerung für den Fall, dass der
Beschwerdeführer dennoch von seinem Recht Gebrauch machen will, ist daraus
nicht zu schliessen. Die obere kantonale Aufsichtsbehörde ist demnach nicht
in Willkür verfallen, indem sie darauf verzichtete, den Sachwalter
ausdrücklich anzuweisen, Akteneinsicht zu gewähren, zumal dem Entscheid klar
zu entnehmen ist, dass dieses Recht besteht.

4.
Ist die staatsrechtliche Beschwerde nach dem Gesagten abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werden kann, hat der Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Entschädigung
an die Gegenpartei erübrigt sich, da keine Vernehmlassung eingeholt worden
ist.

Der Beschwerdeführer hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gestellt, doch ist dieses wegen Aussichtslosigkeit des Beschwerdebegehrens
(Art. 152 Abs. 1 OG) abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Juni 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: