Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.14/2002
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5P.14/2002/bnm

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                        11. Juni 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der II. Zi-
vilabteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichter Meyer
und Gerichtsschreiber von Roten.

                          _________

                          In Sachen

K.________, Österreich, Beschwerdeführer, vertreten durch
Advokat Dr. Bernhard Gelzer, St. Alban-Vorstadt 21,
4052 Basel,

                             gegen

B.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Advokatin
Susanne Speiser, Lautengartenstrasse 7, 4052 Basel,
Obergericht des Kantons  B a s e l - L a n d s c h a f t,
Fünfer-Kammer,

                         betreffend
               Art. 8 f. und Art. 29 Abs. 2 BV
     (Abänderung/Aufhebung einer Unterhaltsersatzrente),

         wird festgestellt und in Erwägung gezogen:

     1.- Auf Klage von K.________ war seine Ehe mit
B.________ am 22. Februar 1996 rechtskräftig geschieden und
er verpflichtet worden, der geschiedenen Ehefrau Unterhalts-
beiträge von monatlich Fr. 1'600.-- bis zu seinem Eintritt in
das AHV-Alter und von Fr. 1'200.-- für die Zeit danach zu
bezahlen. Mit Abänderungsklage vom 21. Dezember 1998 begehrte
K.________ die Aufhebung seiner Unterhaltspflicht. Das Be-
zirksgericht Arlesheim (Fünfer-Kammer) hiess die Klage für
den Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis zum 30. November 2000
gut; mit Wirkung ab 1. Dezember 2000 setzte es den Unter-
haltsbeitrag auf monatlich Fr. 400.-- herab. Das Obergericht
(Fünfer-Kammer) des Kantons Basel-Landschaft bestätigte das
Abänderungsurteil. Gegen das obergerichtliche Urteil vom 30.
Oktober 2001 hat K.________ eidgenössische Berufung eingelegt
und staatsrechtliche Beschwerde erhoben. Mit dieser beantragt
er die Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen Verletzung
der Rechtsgleichheit im Sinne der Art. 8 f. BV sowie wegen
Verweigerung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV). Er
ersucht ferner, die beiden Bundesrechtsmittelverfahren zusam-
menzulegen und ihm die unentgeltliche Rechtspflege zu gewäh-
ren. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

     2.- Die Vereinigung von staatsrechtlicher Beschwerde und
eidgenössischer Berufung in einer einzigen Eingabe ist zuläs-
sig, soweit die beiden Rechtsmittel klar getrennt begründet
werden und den jeweiligen formellen Anforderungen genügen.
Praxisgemäss ausgeschlossen ist hingegen die Erledigung die-
ser beiden Rechtsmittel im gleichen Entscheid, weshalb der
prozessuale Antrag, die Verfahren vor Bundesgericht zu ver-
einigen, abgewiesen werden muss (vgl. Messmer/Imboden, Die
eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992,

N. 24 S. 30 f. bei/in Anm. 15 und 16). Von der Regel gemäss
Art. 57 Abs. 5 OG abzuweichen und ausnahmsweise über die Be-
rufung vor der staatsrechtlichen Beschwerde zu entscheiden
(vgl. BGE 122 I 81 E. 1 S. 83), besteht kein Anlass, zumal
der Beschwerdeführer Willkür in den Tatsachenfeststellungen
rügt, die im Berufungsverfahren - von äusserst begrenzt zu-
lässigen Sachverhaltsrügen abgesehen - verbindlich sein wer-
den (Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG), und eine Verletzung ver-
fassungsmässiger Verfahrensrechte behauptet, derentwegen die
staatsrechtliche Beschwerde ausdrücklich vorbehalten ist
(Art. 43 Abs. 1 OG, Satz 2). Die staatsrechtliche Beschwerde
ist vorweg zu beurteilen.

     3.- Feststellungen über tatsächliche Verhältnisse be-
treffen im Abänderungsprozess nach aArt. 153 ZGB insbesondere
die finanziellen Verhältnisse der Parteien im Zeitpunkt des
Scheidungsurteils und im Zeitpunkt der Abänderung (z.B.
BGE 96 II 301 E. 4 S. 302; 105 II 166 E. 2 S. 169; 122 III 97
E. 3a S. 99). Im Berufungsverfahren überprüfbare Rechtsfragen
betreffen hingegen, ob eine Unterhaltsersatzrente gemäss
aArt. 151 ZGB überhaupt abänderbar ist und wegen Verbesserung
der wirtschaftlichen Lage auf Seiten des Rentenberechtigten
herabgesetzt oder gar aufgehoben werden kann (z.B. BGE 118 II
229 E. 2 S. 230; 120 II 4 E. 5d), nach welchen Grundsätzen
der sog. familienrechtliche Notbedarf zu berechnen ist (z.B.
BGE 121 III 49 E. 1c S. 51), inwiefern in diesem Notbedarf
Steuern oder andere fixe Kosten zu berücksichtigen sind und
wie hoch die dem Rentenschuldner verbleibenden Mittel wenigs-
tens sein müssen (z.B. BGE 126 III 353 E. 1a/aa S. 356; 127
III 289 E. 2a/bb S. 292). Soweit der Beschwerdeführer geltend
macht, die - der Höhe nach unbestrittenen - Beträge für Kran-
kenkasse und Steuern seien zu Unrecht in die Bedarfsberech-
nung nicht einbezogen und zu Unrecht auch ein Zuschlag von
zwanzig Prozent auf den Grundbetrag verweigert worden, geht
es nicht um Tat-, sondern um Rechtsfragen, weshalb auf seine

staatsrechtliche Beschwerde nicht eingetreten werden kann;
sie ist gegenüber der - hier grundsätzlich zulässigen - Be-
rufung in diesen Punkten subsidiär (Art. 84 Abs. 2 OG).

     4.- Als willkürlich rügt der Beschwerdeführer die Sach-
verhaltsdarstellung, bei der Beschwerdegegnerin ergebe sich
eine Unterdeckung, mithin ein Fehlbetrag nach Abzug des mass-
gebenden Einkommens vom familienrechtlichen Notbedarf. Er
habe im kantonalen Verfahren behauptet und belegt, dass die
Beschwerdegegnerin heute eine AHV-Rente von über Fr. 1'700.--
beziehe und mit ihrem Anspruch auf Ergänzungsleistungen die
vollen Lebenskosten zu decken vermöge. Mit dem Abänderungs-
grund - Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse auf
Seiten der Beschwerdegegnerin - hätten sich die kantonalen
Gerichte nicht ansatzweise auseinander gesetzt und deshalb
seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

        Die Rügen sind unbegründet. Beide kantonalen Instan-
zen haben darauf hingewiesen, dass Ergänzungsleistungen ge-
genüber der nachehelichen Unterhaltspflicht stets subsidiär
sind und dementsprechend das Argument des Beschwerdeführers
fehlschlägt, der Bedarf der Beschwerdegegnerin sei gedeckt,
wenn sie Ergänzungsleistungen beantragen und beziehen würde
(E. 3d S. 8 des bezirksgerichtlichen Urteils), bzw. dass die
Unterhaltspflicht des Beschwerdeführers den Ansprüchen der
Beschwerdegegnerin auf Ergänzungsleistungen selbstverständ-
lich vorgeht (E. 3b S. 7 des angefochtenen Urteils). Die Be-
gründung ist zwar knapp, genügt aber verfassungsmässigen An-
forderungen, zumal sich Verfahrenspartei wie Rechtsmittelin-
stanz über die Tragweite des Urteils ein Bild machen können
und der Beschwerdeführer auch in der Lage gewesen ist, das
Urteil diesbezüglich sachgerecht anzufechten (Art. 29 Abs. 2
BV; BGE 126 I 97 E. 2b S. 102). Dürfen der Beschwerdegegnerin
keine (hypothetischen) Ergänzungsleistungen angerechnet wer-
den, belaufen sich ihre Einkünfte nach Angaben des Beschwer-

deführers auf rund Fr. 1'700.-- pro Monat; es fehlen somit
Fr. 400.--, wenn der Beschwerdegegnerin - gleich wie dem Be-
schwerdeführer - ein gegenüber dem Scheidungsurteil leicht
erhöhter Notbedarf von Fr. 2'100.-- zugestanden wird (vgl.
zu den Beträgen: E. 3b-c S. 6 f. des bezirksgerichtlichen
Urteils; E. 3b S. 6 des angefochtenen Urteils). Das Oberge-
richt ist deshalb auch nicht in Willkür verfallen, wenn es
eine Unterdeckung bei der Beschwerdegegnerin angenommen hat
(Art. 9 BV; BGE 127 I 54 E. 2b S. 56 und 60 E. 5a S. 70).
Inwiefern schliesslich das ebenfalls angerufene Rechtsgleich-
heitsgebot verletzt sein soll, ist nicht nachvollziehbar;
der Beschwerdeführer führt denn auch nicht näher aus, dass
das Obergericht vor zwei vergleichbaren bzw. unterschiedli-
chen Situationen gestanden wäre und diese ohne sachlichen
Grund verschieden bzw. gleich behandelt hätte (Art. 8 BV;
BGE 127 I 202 E. 3f/aa S. 209).

        Soweit im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Ergän-
zungsleistungen eine Verletzung der verfassungsmässigen Prü-
fungs- und Begründungspflicht sowie Willkür in der Notbe-
darfsberechnung gerügt wird, bleibt die staatsrechtliche
Beschwerde aus den dargelegten Gründen ohne Erfolg. Im Beru-
fungsverfahren muss vorgebracht und kann geprüft werden, ob
die nacheheliche Unterhaltspflicht staatlicher Ergänzungs-
leistung vorgeht bzw. diese gegenüber jener subsidiär ist
(Art. 84 Abs. 2 OG).

     5.- Der unterliegende Beschwerdeführer wird kosten-
pflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Seinem Gesuch um Gewährung
der unentgeltlichen Rechtspflege kann wegen Aussichtslosig-
keit des Rechtsbegehrens nicht entsprochen werden (Art. 152
Abs. 1 OG). Entgegen der Behauptung in der Beschwerdeschrift
kann auf Grund der veröffentlichten Rechtsprechung des Bun-
desgerichts von Beginn an nicht zweifelhaft gewesen sein, was
als Feststellung über tatsächliche Verhältnisse zu gelten hat

(E. 3 hiervor); desgleichen wäre der ständigen Rechtsprechung
ohne Aufwand entnehmbar gewesen, dass verfassungsmässige Mi-
nimalanforderungen an das rechtliche Gehör nicht verletzt
sein können, wenn eine kantonale Instanz nicht nur die ent-
scheidtragenden Gesichtspunkte im Urteil nennt, sondern aus-
drücklich auf die wesentlichen Einwände des Rechtsuchenden
eingeht (E. 4 hiervor).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Der prozessuale Antrag, die Verfahren der staats-
rechtlichen Beschwerde und der eidgenössischen Berufung zu
vereinigen, wird abgewiesen.

     2.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, so-
weit darauf einzutreten ist.

     3.- Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche
Rechtspflege wird abgewiesen.

     4.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     5.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
(Fünfer-Kammer) des Kantons Basel-Landschaft schriftlich
mitgeteilt.
                       _______________

Lausanne, 11. Juni 2002

             Im Namen der II. Zivilabteilung des
               SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
      Der Präsident:             Der Gerichtsschreiber: