Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.134/2002
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5P.134/2002/sch

Urteil vom 5. September 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Escher, Ersatzrichter Rohner,
Gerichtsschreiber Levante.

A. X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andreas von Albertini,
Englischviertelstrasse 7, Postfach 231, 8030 Zürich,

gegen

B.X.________,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Reto Suhr,
Pestalozzistrasse 24, Postfach 234, 8028 Zürich,

Obergericht des Kantons Zürich, III. Zivilkammer, Postfach, 8023 Zürich.

Art. 9 BV (Rückerstattungsprozess unter Erben, Passivlegitimation),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons
Zürich, III. Zivilkammer, vom

18. März 2002.

Sachverhalt:

A.
Im Erbgang des am 15. Dezember 1997 verstorbenen Dr. Y.X.________ setzte das
kantonale Steueramt Zürich, Abt. Direkte Bundessteuer, mit Verfügung vom 4.
Dezember 2000 einen Betrag von Fr. 22'491.-- als Nachsteuer fest. Da die
Witwe des Erblassers, B.X.________, ihre Einwilligung zur Begleichung dieses
Betrages aus Erbschaftsmitteln verweigerte, wurde sie vom Steueramt nach Art.
12 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer
(DBG; SR 642.11) als Solidarschuldnerin belangt. C.X.________ bezahlte dem
Steueramt in der Folge den auf sie entfallenden Viertel der Steuerschuld,
während der auf A.X.________ entfallende Viertel von B.X.________ bezahlt
wurde. Diese forderte in der Folge den auf A.X.________ entfallenden Anteil
zuzüglich Zins von diesem zurück. Als dieser der Aufforderung nicht nachkam,
leitete sie mit Zahlungsbefehl vom 15. Oktober 2001 die Betreibung über
insgesamt Fr. 6'048.15 zuzüglich 5 % Zins seit 25. September 2001 ein.
A.X.________ erhob Rechtsvorschlag.

B.
Am 10. Dezember 2001 erhob B.X.________ beim Einzelrichter des
Bezirksgerichts Horgen Zivilklage gegen A.X.________ auf Bezahlung von Fr.
6'048.15 zuzüglich 5 % Zins seit 25. September 2001 und auf Aufhebung des
Rechtsvorschlages in der erwähnten Betreibung. Der Einzelrichter des
Bezirksgerichts Horgen schützte am 10. Januar 2002 die Klage in der Höhe von
Fr. 5'828.80 zuzüglich 5 % Zins seit 25. September 2001, hob den von
A.X.________ erhobenen Rechtsvorschlag in diesem Umfang und für die
Betreibungskosten auf und auferlegte diesem die Kosten. Das Obergericht des
Kantons Zürich (III. Zivilkammer) wies eine von A.X.________ erhobene
Nichtigkeitsbeschwerde mit Beschluss vom 18. März 2002 ab.

C.
A.X.________ führt gegen den Beschluss des Obergerichts vom 18. März 2002
staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der Art. 8 und 9 BV mit dem
Rechtsbegehren, die angefochtenen Entscheide seien kosten- und
entschädigungspflichtig zu Lasten der Beschwerdegegnerin aufzuheben. Weiter
beantragt er, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Das Obergericht und die Beschwerdegegnerin haben auf eine Stellungnahme zum
Gesuch um aufschiebende Wirkung verzichtet. Vernehmlassungen zur Beschwerde
sind nicht eingeholt worden.

Mit Verfügung vom 6. Mai 2002 legte der Präsident der II. Zivilabteilung der
Beschwerde die aufschiebende Wirkung bei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen frei, ob und inwieweit auf ein
Rechtsmittel einzutreten ist (BGE 127 III 41 E. 2a S. 42; 126 I 207 E. 1 S.
209).

1.1 Der vorliegende Rechtsstreit geht auf eine im Recht der direkten
Bundessteuer begründete Steuerforderung gegenüber dem Nachlass von Dr.
Y.X.________ zurück, die bei der nach Art. 12 Abs. 1 und 2 DBG solidarisch
haftenden Beschwerdegegnerin bezogen worden ist. In der Beschwerdeschrift
wird gerügt, der von der Beschwerdegegnerin gegenüber dem Beschwerdeführer
beanspruchte Regress hätte nicht gegen diesen allein, sondern bloss unter
Einbezug aller Miterben im Sinne einer notwendigen Streitgenossenschaft
geltend gemacht werden dürfen; der Beschwerdeführer allein sei nicht
passivlegitimiert.

1.2 Das Bundesgericht hat in seiner publizierten Praxis explizit entschieden,
dass bei vom Fiskalgesetzgeber angeordneter Solidarität auch das
Regressverhältnis dem öffentlichen Recht unterstehe (BGE 108 II 490 E. 7 S.
495; Bezugnahme darauf auch in BGE 115 Ib 274 E. 19b S. 291 f., hier Frage
allerdings offen gelassen). Wenn das öffentliche Recht das Regressverhältnis
nicht ausdrücklich regle, sei im Regressverhältnis auf Privatrecht
(insbesondere Art. 143 ff. OR) als ergänzendes öffentliches Recht
zurückzugreifen. Nach dieser Rechtsprechung ist der angefochtene Entscheid
als Verfügung anzusehen, die sich richtigerweise auf Bundessteuerrecht, somit
auf öffentliches Recht des Bundes, hätte stützen sollen; demzufolge wäre
grundsätzlich die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig (vgl. Art. 97 OG
ff.; Art. 102 Abs. 3 DBG). In der Lehre ist die in BGE 108 II 490 begründete
Rechtsprechung auf Kritik gestossen (Hans Peter Hochreutener,
Verfahrensfragen im Bereich der Stempelabgaben und der Verrechnungssteuer,
ASA 57 [1988/89] S. 603 f.; Thomas Koller, Privatrecht und Steuerrecht, Bern
1993, S. 107 Fn 18; Walter Frei, Die Erbenhaftung für Forderungen aus dem
Steuerrechtsverhältnis, Diss. Zürich 1995, S. 47 f.; Peter Locher, Kommentar
zum DBG, Therwil/Basel 2001, N. 10 zu Art. 12 DGB [sinngemäss] und N. 12, 22
zu Art. 13 DBG [explizit]; kritisch wohl auch Gremiger, in Zweifel/Athanas
(Hrsg.), Das Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer, Basel 2000, N. 7 zu
Art. 12 DBG; differenzierend, aber eher auf der Linie des Bundesgerichts
Thomas A. Müller, Die solidarische Mithaftung im Bundessteuerrecht, Bern
1999, S. 16). Die Frage, ob bei Statuierung einer Solidarhaftung durch den
Steuergesetzgeber das Regressverhältnis dem öffentlichen Recht oder dem
privaten Recht zuzuordnen ist - im ersten Fall wäre die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben, im zweiten Fall mit Rücksicht auf den
weniger als Fr. 8'000.-- betragenden Streitwert (Art. 46 OG) nur die
staatsrechtliche Beschwerde -, kann offen bleiben, weil der angefochtene
Beschluss, wie im Folgenden darzulegen sein wird, auch einer freien Prüfung
standhält.

2.
2.1 Der Einzelrichter des Bezirksgerichts Horgen hatte erwogen, das fragliche
Nachsteuerverfahren sei erst nach dem Tod des Erblassers eröffnet worden und
habe sich nie gegen den Erblasser, sondern unmittelbar gegen seine Erben
gerichtet. Die fragliche Steuerschuld sei daher nie eine Schuld des
Erblassers gewesen, weshalb sich im Regress der vom kantonalen Steueramt als
Solidarschuldnerin belangten Beschwerdegegnerin auf die Miterben keine
erbrechtlichen, sondern nur obligationenrechtliche Fragen stellten. Der
Regress könne daher nach Art. 148 Abs. 2 i.V.m. Art. 149 Abs. 1 OR gegen
jeden einzelnen Miterben anteilig gerichtet werden. Der Einzelrichter bejahte
demzufolge die Passivlegitimation des Beschwerdeführers und erachtete es
entgegen dessen Auffassung nicht als erforderlich, dass diese
Regressforderung gegen alle Erben - einschliesslich der Miterbin
C.X.________, die ihren Anteil an der Steuerschuld bereits beglichen hatte -
gemeinsam hätte erhoben werden müssen. Das Obergericht als Kassationsbehörde
äusserte zwar Zweifel an dieser Begründung, erachtete den Entscheid aber im
Ergebnis als willkürfrei.

2.2 Mit dem Obergericht lässt sich zweifeln, ob die Unterscheidung zwischen
zu Lebzeiten des Erblassers veranlagten Steuern und solchen, die erst nach
dessen Tod veranlagt werden, aber sich auf lebzeitig verwirklichte
Sachverhalte beziehen, für die Frage der Erbenhaftung und insbesondere des
Rückgriffs unter ihnen überhaupt relevant ist. Während Schaufelberger (in
Basler Kommentar, N. 12 zu Art. 603 ZGB) die lebzeitig rechtskräftig
veranlagten, nicht aber die noch nicht veranlagten Steuern zu den
Erbschaftsschulden zählt (ähnlich auch Tuor/Picenoni, Berner Kommentar, N. 7a
zu Art. 560 ZGB), rechnet Druey (Grundriss des Erbrechts, 5. Aufl. 2002, § 13
Rz. 62) auch letztere zu den Erbschaftsschulden. Wie es sich damit verhält,
kann vorliegend jedoch offen bleiben, zumal die Bundesgerichtspraxis auch
Erbgangsschulden der Solidarhaftung nach Art. 603 Abs. 1 ZGB unterstellt
(vgl. BGE 93 II 11 E. 2a S. 13 f.). Der Beschwerdeführer nennt keine
Bestimmung, die ausdrücklich gebieten würde, dass ein von dritter Seite als
Solidarschuldner in Anspruch genommener Miterbe - beruhe die Solidarität auf
den allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen des Art. 560 Abs. 2 und Art. 603
Abs. 1 ZGB oder auf öffentlichrechtlichen Sondernormen wie etwa Art. 12 DBG -
seinen Regressanspruch nur gegenüber allen Miterben gemeinsam, im Sinne einer
notwendigen Streitgenossenschaft geltend machen könne. Die in Art. 602 Abs. 1
ZGB statuierte Gemeinschaft aller Rechte und Pflichten vor der Erbteilung
wird gerade durch die Solidarhaftung nach Art. 603 Abs. 1 ZGB durchbrochen.
Nach Art. 640 ZGB kann der aufgrund dieser Solidarhaftung in Anspruch
genommene Erbe auf seine Miterben nach Massgabe von deren Erbquoten
regressieren, wobei ergänzend auch die Art. 148 f. OR zum Zuge kommen
(Schaufelberger, a.a.O., N. 2 f. zu Art. 640 ZGB). Art. 640 ZGB steht zwar im
4. Abschnitt des 17. Titels ("Abschluss und Wirkung der Teilung", vor Art.
634 ZGB). Weder daraus noch aus der allgemeinen Bestimmung des Art. 602 Abs.
1 ZGB folgt jedoch zwingend, dass vor Vollzug der Erbteilung für den Regress
auf Miterben ein gesamthänderisches Vorgehen unverzichtbar ist und dass auch
die übrigen Erben - zumal wenn sie, wie hier, ihren Anteil bereits beglichen
haben - in das Verfahren einbezogen werden müssen. Das Bundesgericht hat den
Regress nach Art. 640 ZGB schon vor der Teilung zugelassen (BGE 86 II 335 E.
5 S. 339; sinngemäss auch BGE 93 II 11 E. 2c S. 17). Auch die Kommentatoren
erwähnen die Möglichkeit des quotalen Regresses des im Aussenverhältnis
belangten Erben auf seine Miterben in genereller Weise und scheinen sie
zumindest sinngemäss auch vor der Teilung vorauszusetzen (Escher, Zürcher
Kommentar, N. 7 zu Art. 603 ZGB, Tuor/Picenoni, a.a.O., N. 1 zu Art. 603 ZGB;
desgleichen Frei, a.a.O., S. 44). Wenn vor diesem Hintergrund das Obergericht
zum Ergebnis gelangt ist, die Passivlegitimation des Beschwerdeführers sei im
angehobenen Prozess gegeben, ist dies weder unter dem Gesichtswinkel der
Willkür noch bei freier Prüfung zu beanstanden.

3.
Der staatsrechtlichen Beschwerde ist nach dem Gesagten kein Erfolg
beschieden. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung an die
Beschwerdegegnerin entfällt, da sie sich zum Gesuch um aufschiebende Wirkung
nicht geäussert hat und ihr in der Sache keine weiteren Kosten entstanden
sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. September 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Der Gerichtsschreiber: