Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.12/2002
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5P.12/2002/bnm

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       8. Februar 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der II. Zi-
vilabteilung, Bundesrichter Meyer, Ersatzrichter Riemer sowie
Gerichtsschreiber Zbinden.

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                          In Sachen

Z.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Heinz Mäusli, Pestalozzistrasse 2, 9000 St. Gallen,

                            gegen

Y.________ AG, Beschwerdegegnerin,
Kantonsgericht  A p p e n z e l l  I.Rh., Abteilung Verwal-
tungsgericht,

                         betreffend
                          Art. 9 BV
       (Vollstreckung eines Vergleichs; Nachbarrecht),

hat sich ergeben:

     A.- Z.________ und die Y.________ AG schlossen am
28. September 1998 vor dem Bezirksgerichtspräsidium Appenzell
einen Vergleich betreffend einen Tännchenhag, worauf das Ver-
fahren gleichentags als erledigt abgeschrieben wurde. Dieser
Entscheid erwuchs in Rechtskraft und wurde dementsprechend
vollstreckbar.

     B.- Am 11. August 2000 fasste die Standeskommission des
Kantons Appenzell I.Rh. einen diesbezüglichen Vollstreckungs-
entscheid, den sie allerdings mit Beschluss vom 15. Mai 2001
wieder aufhob; sie verpflichtete die Y.________ AG unter
anderem dazu, dem Entscheid vom 28. September 1998 nachzukom-
men.

        Auf die von Z.________ gegen diesen Entscheid er-
hobene Rechtsverweigerungsbeschwerde trat das Kantonsgericht
Appenzell I.Rh., Abteilung Verwaltungsgericht (nachfolgend
das Kantonsgericht) am 20. November 2001 nicht ein.

     C.- Z.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem
Antrag, den Entscheid des Kantonsgerichts aufzuheben. Es sind
keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Gemäss Art. 30 Abs. 3 KV/AI (SR 131.224.2) gehört
es unter anderem zu den Aufgaben der Standeskommission (Re-
gierung) des Kantons Appenzell I.Rh., die richterlichen Ur-

teile zu vollziehen. Gemäss Art. 6 lit. c des Verwaltungsge-
richtsgesetzes des Kantons Appenzell I.Rh. (VerwGG) ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter anderem unzulässig gegen
Verfügungen über die Vollstreckung von Verfügungen und Ent-
scheiden. Auf diese beiden Bestimmungen stützt sich der an-
gefochtene Nichteintretensentscheid (vgl. dessen E. 5).

     2.- Demgegenüber wird in der sich auf Art. 9 BV und kan-
tonales Recht stützenden staatsrechtlichen Beschwerde vorab
eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (formelle
Rechtsverweigerung) und willkürliche Auslegung von Art. 31
VerwGG geltend gemacht.

        a) Nach dieser Bestimmung kann eine Rechtsverwei-
gerungsbeschwerde erhoben werden, soweit kein ordentliches
Rechtsmittel gegeben ist oder offen stand. Gemäss bundesge-
richtlicher Praxis ist ein rechtsanwendender Entscheid nur
willkürlich, wenn er mit der tatsächlichen Situation in kla-
rem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 126 III 438 E. 3
S. 330, mit Hinweisen). Dabei hält unter anderem gerade das
vom Beschwerdeführer erwähnte Präjudiz (BGE 113 Ia 12 E. 3c
14 f.) fest, dass die Auslegung einer Norm gegen ihren Wort-
laut nicht von vornherein ausgeschlossen bzw. verfassungs-
widrig ist; nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes ist
ein solches Abweichen vom Text vielmehr dann zulässig, wenn
triftige Gründe zur Annahme bestehen, dass der Wortlaut nicht
den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche Gründe kön-
nen sich aus der Entstehungsgeschichte, aus Sinn und Zweck
der Vorschrift und aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzes-
bestimmungen ergeben.

        Vorliegend spricht der Wortlaut von Art. 31 VerwGG
für den Standpunkt des Beschwerdeführers. Indessen wird im
Urteil des Kantonsgerichtes, unter anderem gestützt auf ge-
naue Hinweise in den Gesetzesmaterialien (E. 5 S. 4), darauf
hingewiesen, Art. 6 lit. c VerwGG habe den Sinn und Zweck,
Entscheide der kantonalen Exekutive (Standeskommission) im
fraglichen Bereich der Vollstreckung systematisch bzw. gene-
rell von der Verwaltungsgerichtsbarkeit auszunehmen, unter
Einschluss der Rechtsverweigerungsbeschwerde. Das erscheint
als vertretbare Präzisierung bzw. Einschränkung des Wortlau-
tes von Art. 31 VerwGG und damit nach dem Gesagten jedenfalls
nicht als willkürliche Auslegung des kantonalen Rechts. Der
Beschwerdeführer setzt sich - abgesehen davon - mit diesen
Argumenten des Kantonsgerichtes zur Auslegung des kantonalen
Rechts in keiner Weise auseinander (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG;
BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 120 Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a,
mit Hinweisen).

        b) Was die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör betrifft, so lässt sich aus der Bundesverfassung kein
Recht ableiten, gegenüber Vollstreckungsentscheiden einer
kantonalen Regierung eine Rechtsverweigerungsbeschwerde an
ein kantonales Verwaltungsgericht erheben zu können; eine
derartige Beschwerde kann jedenfalls gestützt Art. 29 Abs. 1
BV beim Bundesgericht erhoben werden.

     3.- Nicht klar verständlich ist Ziff. 3 der staatsrecht-
lichen Beschwerde. Der Beschwerdeführer scheint hier bezüg-
lich des Entscheides vom 15. Mai 2001 von der bloss hypothe-
tischen Annahme ("Würde man davon ausgehen...") einer Voll-
streckungsmassnahme auszugehen, welche gemäss Art. 10 Abs. 3
VerwGG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar wäre. Je-
denfalls fehlt es in diesem Punkt an einer hinreichend klaren
Begründung für eine Verletzung verfassungsmässiger Rechte

(Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 119 Ia 197 E. d S. 201; 120
Ia 369 E. 3a; 123 I 1 E. 4a, mit Hinweisen), so dass insofern
auf die staatsrechtliche Beschwerde nicht einzutreten ist.

     4.- Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuwei-
sen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Aus-
gang hat der Beschwerdeführer die Kosten des bundesgericht-
lichen Verfahrens zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG); eine Par-
teientschädigung an die Beschwerdegegnerin ist nicht zu ge-
währen, da keine Vernehmlassung eingeholt worden ist.

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsge-
richt Appenzell I.Rh., Abteilung Verwaltungsgericht, schrift-
lich mitgeteilt.

                      _______________

Lausanne, 8. Februar 2002

            Im Namen der II. Zivilabteilung des
               SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
     Der Präsident:             Der Gerichtsschreiber: