Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5P.117/2002
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5P.117/2002

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                       10. April 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident
der II. Zivilabteilung, Bundesrichterin Nordmann,
Bundesrichterin Escher und Gerichtsschreiber Levante.

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                         In Sachen

X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Wilhelm Boner, Pelzgasse 15, 5001 Aarau,

                           gegen

das Urteil des Obergerichts (4. Zivilkammer) des Kantons
Aargau vom 15. Januar 2002,

                         betreffend
                     Art. 29 Abs. 3 BV
    (unentgeltliche Rechtspflege im Abänderungsprozess),

hat sich ergeben:

     A.- X.________ reichte am 26. April 1999 beim Bezirks-
gericht Zofingen eine Klage auf Abänderung des ein Jahr zu-
vor von dieser Instanz ausgesprochenen Scheidungsurteils
ein. Er verlangt die Herabsetzung des Unterhaltsbeitrages
für die Tochter sowie die Streichung der Bedürftigkeitsrente
für Z.________. Im Verlaufe des Verfahrens stellte er das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, welches der Präsident
des Bezirksgerichts Zofingen am 26. Februar 2001 abwies.

     B.- Das Obergericht (4. Zivilkammer) des Kantons Aargau
wies die von X.________ gegen diese Verfügung erhobene Be-
schwerde mit Urteil vom 15. Januar 2002 ab.

     C.- Mit Eingabe vom 12. März 2002 führt X.________
staatsrechtliche Beschwerde und beantragt dem Bundesgericht,
das Urteil des Obergerichts aufzuheben. Es sind keine Ver-
nehmlassungen eingeholt worden.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Entscheide über die Verweigerung der unentgelt-
lichen Rechtspflege gelten als Zwischenentscheide, die in
der Regel einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil zur
Folge haben (BGE 126 I 207 E. 2a S. 210). Die staatsrecht-
liche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts vom
15. Januar 2002 ist daher zulässig (Art. 84 Abs. 2, Art. 86
Abs. 1 und Art. 87 Abs. 2 OG).

     2.- a) Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege
wird in erster Linie durch das kantonale Recht geregelt. Der
Beschwerdeführer macht zwar die willkürliche Anwendung von
§ 125 Abs. 1 ZPO/AG geltend, räumt indessen selber ein, dass
ihm diese Bestimmung keinen über die verfassungsrechtliche
Minimalgarantie hinausgehenden Anspruch einräumt. Massgebend
ist somit ausschliesslich das in Art. 29 Abs. 3 BV veranker-
te Recht der bedürftigen Partei auf unentgeltliche Rechts-
pflege. Dieses umfasst einerseits die Befreiung von Verfah-
renskosten und andererseits - soweit notwendig - das Recht
auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand (BGE 122 I 8 E. 2a
S. 9). Als bedürftig im Sinne der Verfassung gilt eine Per-
son dann, wenn sie die Kosten eines Prozesses nicht aufzu-
bringen vermag, ohne jene Mittel anzugreifen, derer sie zur
Deckung des notwendigen Lebensunterhalts für sich und ihre
Familie bedarf. Dabei sind die Einkommens- wie die Vermö-
gensverhältnisse in Betracht zu ziehen (BGE 127 I 202 E. 3b
S. 205; 124 I 97 E. 3b S. 98). Zu diesem Grundbedarf gehört,
was zur Führung eines bescheidenen, aber menschenwürdigen
Lebens erforderlich ist. Zur Prüfung der Bedürftigkeit sind
sämtliche Umstände im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs
zu würdigen. Dabei ist nicht schematisch auf das betrei-
bungsrechtliche Existenzminimum abzustellen; vielmehr sind
die Umstände im Einzelfall zu berücksichtigen (BGE 124 I 1
E. 2a S. 2).

        b) Das Bundesgericht prüft frei, ob die Elemente
zur Beurteilung der Bedürftigkeit zutreffend bestimmt worden
sind, währenddem es sich in Bezug auf die Anwendung von kan-
tonalem Recht und die tatsächlichen Feststellungen auf Will-
kür beschränkt (BGE 124 I 304 E. 2a u. 2c S. 2 ff. zu Art. 4
aBV).

     3.- Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht willkür-
liche Rechtsanwendung vor, da es seine Bedürftigkeit ver-
neint habe.

        a) Das Obergericht hat die Einkommensverhältnisse
des Beschwerdeführers als unklar und zwischen den Parteien
des Abänderungsverfahrens umstritten beurteilt. Deren ge-
naue Feststellung könne nicht Gegenstand des vorliegenden
Summarverfahrens sein. In Abweichung vom Grundsatz, dass
nur auf eigene Mittel des Gesuchstellers abzustellen sei,
dürften Einkünfte und Vermögenswerte der von ihm gegründe-
ten und beherrschten Werbeagentur A.________ AG berücksich-
tigt werden. Dazu gehöre das von ihm und seiner neuen Fa-
milie bewohnte Einfamilienhaus in Rothrist, das aus steuer-
lichen Gründen im Eigentum der Aktiengesellschaft stehe und
teilweise über ein von ihm gewährtes und unkündbares Dar-
lehen über Fr. 300'000.-- finanziert werde.

        An diesem Vorgehen ist grundsätzlich nichts aus-
zusetzen. Ebenso erscheint die Feststellung als haltbar,
dass die Liegenschaft in Rothrist nicht zu Geschäftszwecken
genutzt wird. Einmal befinden sich die Geschäftsräume der
A.________ AG in Aarau und ein weiterer Raumbedarf ist nicht
ersichtlich. Alsdann wird das Einfamilienhaus bestehend aus
4½ Zimmern von zwei Erwachsenen und drei Kindern bewohnt.
Selbst wenn die Steuerbehörden hier eine gemischte Nutzung
anerkennen, erweist sich dadurch die Beurteilung des Zivil-
richters noch nicht als unhaltbar. Davon ausgehend ist es
auch durchaus vertretbar, das Privatdarlehen des Beschwerde-
führers an die A.________ AG als nicht geschäftsnotwendig
einzustufen.

        b) Weiter hat das Obergericht festgestellt, der
Beschwerdeführer habe gegenüber der Fremdenpolizei des Kan-
tons Aargau mit Schreiben vom 20. April 1999 erklärt, dass
er für seine Ehefrau und seine beiden Kinder problemlos auf-
kommen könne, da er über ein Vermögen von Fr. 400'000.--
verfüge. Damit könne nur die freie Verfügbarkeit über seine
Aktiven gemeint sein.

        Mit dem Vorbringen, bekanntermassen könne er sein
Darlehen über Fr. 300'000.-- an die A.________ AG nicht frei
kündigen, lässt der Beschwerdeführer die Ansicht des Oberge-
richts, dass er sich hinsichtlich der freien Verfügbarkeit
im Blick auf seine Angaben gegenüber der Fremdenpolizei nun-
mehr widersprüchlich äussere, nicht als unhaltbar erschei-
nen. Der Beschwerdeführer führt in diesem Zusammenhang zudem
aus, er habe bei der wirtschaftlichen Lagebeurteilung gegen-
über der Fremdenpolizei angesichts der bereits hängigen Ab-
änderungsklage darauf vertraut, nur mehr für seine neue Fa-
milie aufkommen zu müssen. Inwiefern sich durch diese Ein-
schätzung der angefochtene Entscheid als willkürlich erwei-
sen sollte, wird nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ge-
nügenden Weise begründet.

        c) Der angefochtene Entscheid hält zudem fest, der
Beschwerdeführer habe der A.________ AG zahlreiche private
Aufwendungen belastet, was unter anderem auf die völlige
faktische Beherrschung dieser Gesellschaft schliessen lasse.

        Der Beschwerdeführer bestreitet insbesondere nicht,
dass Auslagen in Zusammenhang mit der Einreise seiner russi-
schen Ehefrau in die Schweiz dem Geschäftskonto belastet
worden sind. Er betont jedoch den provisorischen Charakter
einer Erfolgsrechnung und die Aufrechnung nicht geschäfts-
mässig begründeten Aufwandes als Einkommen durch den Fiskus.
Diese Darstellung begründet keineswegs, weshalb die Ein-
schätzung des Obergerichts, es handle sich hierbei nicht um
Geschäftsauslagen, unhaltbar sei (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).

        d) Schliesslich verweist das Obergericht auf die
Bilanz der A.________ AG per Ende 1999, wonach der Ge-
sellschaft gegenüber der CS Aarau ein Guthaben von rund
Fr. 60'000.-- zustehe, woraus sich der Gesuchsteller die
Prozesskosten finanzieren könne.

        Der Beschwerdeführer rügt die Gleichstellung
dieses Aktivums der A.________ AG mit seinem Privatvermögen
als stossend. Er betont die Notwendigkeit eines angemesse-
nen Guthabens zur Finanzierung der laufenden Projekte der
Aktiengesellschaft. Dabei lässt er ausser Acht, dass das
Obergericht eine Gesamtbetrachtung vorgenommen hat und da-
bei zum Schluss gelangt ist, der Beschwerdeführer beherr-
sche die A.________ AG völlig. In diesem Kontext erweist
sich der Hinweis auf das genannte Bankguthaben nicht als
willkürlich.

        e) Wie bereits eingangs dargelegt (vgl. E. 3a),
hat das Obergericht im vorliegenden Fall die Einkommensver-
hältnisse als unklar und im Hinblick auf die vom Beschwerde-
führer verlangte Anpassung der Unterhaltsbeiträge als strit-
tig bezeichnet. Es hat weitgehend auf die von ihm beherrsch-
te Aktiengesellschaft abgestellt, was nicht zu beanstanden
ist. Ohne Möglichkeit, die Einkommensverhältnisse zuverläs-
sig festzustellen, brauchte es auch die geltend gemachte be-
treibungsrechtliche Lohnpfändung nicht zu berücksichtigen.
Gegebenenfalls hätte das Obergericht auch beim Abstellen auf
das Existenzminimum (und eines Zuschlags) die konkrete be-
treibungsamtliche Berechnung nicht unbesehen übernehmen dür-
fen. Unter diesen Umständen ist der Vorwurf, das Obergericht
habe Verfassungsrecht verletzt, unbegründet.

     4.- Nach dem Gesagten ist der Beschwerde kein Erfolg
beschieden. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

     2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Be-
schwerdeführer auferlegt.

     3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem
Obergericht (4. Zivilkammer) des Kantons Aargau schriftlich
mitgeteilt.

                       _____________

Lausanne, 10. April 2002

              Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: