Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.8/2002
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5C.8/2002/mks

              II.  Z I V I L A B T E I L U N G
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                        30. Mai 2002

Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der
II. Zivilabteilung, Bundesrichter Raselli, Bundesrichterin
Nordmann, Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer und
Gerichtsschreiber Möckli.

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                         In Sachen

ABZ Recycling AG, c/o Orbas Treuhand AG, Siewerdtstrasse 73,
8050 Zürich, Klägerin, Berufungsklägerin und Anschlussberu-
fungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Dreier,
Löwenstrasse 25, 8001 Zürich,

                           gegen

Stadt  Z ü r i c h,  Kompostier- und Klärwerke, Bändli-
strasse 108, 8010 Zürich, Beklagte, Berufungsbeklagte und
Anschlussberufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Heinz Birchler, Wotanstrasse 10, 8032 Zürich,

                         betreffend
                         Pfandrecht,

hat sich ergeben:

     A.- Die ABZ Recycling AG verpflichtete sich in einem
Fünfjahresvertrag, der Stadt Zürich ab 1. Januar 1990 eine
jährlich garantierte Mindestliefermenge von 6'000 Tonnen
entwässertem Klärschlamm abzunehmen und diesen in Orange
(Frankreich) zu Kompost verarbeiten zu lassen. Nachdem gegen
einen Beamten der Stadtentwässerung und den Geschäftsführer
der ABZ Recycling AG Strafverfahren wegen Verdachts auf
Bestechung im Zusammenhang mit der Vertragsabwicklung einge-
leitet worden waren (so genannte Zürcher Klärschlammaffäre),
hielt die Stadt Zürich dafür, der Vertrag sei durch sie
nicht mehr zu erfüllen.

     B.- In der Folge klagte die ABZ Recycling AG am 6. Juli
1993 auf Bezahlung der fälligen Rechnungen für den entsorg-
ten Klärschlamm sowie auf Bezahlung der Differenz zwischen
der garantierten und der tatsächlich gelieferten Menge. Die
Stadt Zürich erhob Widerklage aus ungerechtfertigter Berei-
cherung. Während des hängigen Prozesses verpfändete die
Klägerin die eingeklagte Forderung (teilweise) an die PELU
Planungs- und Beratungs AG (heute: SIBAG) und an die Zürcher
Kantonalbank (ZKB).

        Das Bezirksgericht Zürich, 4. Abteilung, erwog in
seinem Urteil vom 10. September 1999, auf Grund der Beamten-
bestechung sei die Beklagte einem Grundlagenirrtum erlegen
und der Vertrag sei daher für sie unverbindlich. Hinsicht-
lich des bereits entsorgten Klärschlamms ging das Bezirks-
gericht von einem faktischen Vertragsverhältnis aus und ver-
urteilte die Beklagte in teilweiser Gutheissung der Haupt-
und Widerklage zur Bezahlung von Fr. 489'940.-- nebst Zins.
Im Übrigen wies es die Haupt- und Widerklage ab.

        Mit Urteil vom 20. November 2001 wies das Ober-
gericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, sowohl die
Haupt- als auch die Widerklage ab. Es befand, die mit
Hauptklage geltend gemachte Forderung sei teilweise ver-
pfändet worden und es hätte deshalb für die Prozessführung
der Einwilligung der beiden Pfandgläubigerinnen bedurft.
In der Folge prüfte es den Bestand und Umfang des kläge-
rischen Anspruches gar nicht mehr.

     C.- Mit Berufung an das Bundesgericht vom 21. Dezem-
ber 2001 verlangt die Klägerin, in Aufhebung von Ziff. 1
des angefochtenen Urteils (Abweisung der Hauptklage) sei
die Beklagte zu verpflichten, ihr Fr. 619'130.-- zzgl.
Zinsen zu bezahlen, Ziff. 2 des Dispositivs des Urteils
des Obergerichts (Abweisung der Widerklage) sei zu bestä-
tigen und in Aufhebung von Ziff. 4-5 des angefochtenen
Entscheides (Kostenverteilung) sei die Beklagte zu den
Kosten aller Instanzen zu verurteilen.

        Die Beklagte schliesst in ihrer Berufungsantwort
auf Abweisung der Berufung und stellt mit Anschlussberu-
fung das Begehren, Ziff. 2-5 des angefochtenen Entscheides
(Abweisung der Widerklage sowie Kosten) seien aufzuheben
und die Klägerin sei widerklageweise zu Fr. 4'000'000.--
nebst Zinsen zu verurteilen.

        Zur Anschlussberufung ist keine Antwort eingeholt
worden. Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkam-
mer, hat auf Gegenbemerkungen zur Berufung verzichtet.

            Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

     1.- Die Berufungsvoraussetzungen gemäss Art. 46 und 48
OG sind gegeben; auf die Berufung ist einzutreten.

     2.- Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die
Klägerin ihre verpfändete Forderung gegen die Beklagte im
Alleingang einklagen durfte oder ob es hierfür der Zustim-
mung der beiden Pfandgläubigerinnen bedurft hätte.

        a) Die Klägerin macht geltend, ihr Klageanspruch
gründe auf dem Einziehungsrecht, das ihr gemäss Art. 906
Abs. 1 ZGB uneingeschränkt zustehe. Einzig für das Inkasso
der Forderung bedürfte es gemäss Art. 906 Abs. 2 ZGB der
Zustimmung der Pfandgläubigerinnen. Vorliegend gehe es nicht
etwa um eine Anerkennungsklage im Rahmen einer hängigen Be-
treibung, sondern um eine normale Forderungsklage. Das Ober-
gericht des Kantons Zürich verletze deshalb Art. 906 Abs. 1
und 2 ZGB, indem es die Einwilligung der Pfandgläubigerinnen
in die Prozessführung verlange.

        Die Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, in-
folge Verpfändung könne die Klägerin nicht mehr über ihre
Forderung verfügen. Zudem hätte diese mit einem zusprechen-
den Urteil in der vorliegenden Sache einen definitiven
Rechtsöffnungstitel. Angesichts der beschränkten Einwen-
dungsmöglichkeiten im Verfahren der definitiven Rechtsöff-
nung wäre sie (die Beklagte) als Betriebene gezwungen, an
die Klägerin zu leisten, und würde sich damit dem Risiko
der Doppelzahlung aussetzen.

        b) Mit der Abtretung (Art. 164 Abs. 1 OR) geht die
Forderung vom Zedenten auf den Zessionar über. Demgegenüber

findet bei der Verpfändung einer Forderung (Art. 899 Abs. 1
ZGB) kein Wechsel in der Person des Gläubigers statt; viel-
mehr bleibt der Verpfänder (vorliegend: die Klägerin) Inha-
ber der Forderung und als solcher ist er weiterhin Träger
aller Rechte und Befugnisse, die sie ihm verleiht. Umgekehrt
erhält der Pfandgläubiger (vorliegend: SIBAG und ZKB) mit
seinem Pfandrecht lediglich ein Sicherungsrecht am Pfand-
gegenstand (vorliegend: eingeklagte Forderung). Dieses
aktualisiert sich nur und erst, wenn der Verpfänder die
gesicherte Forderung bei Fälligkeit nicht bezahlt. Dies-
falls ermöglicht das Pfandrecht dem Pfandgläubiger den wert-
mässigen Zugriff auf das Pfandobjekt, indem dieses verwertet
und er aus dem Erlös befriedigt wird. Das bis zu jenem Zeit-
punkt latente Sicherungsrecht des Pfandgläubigers würde nun
illusorisch, wenn der Schuldner (vorliegend: die Beklagte)
die verpfändete Forderung ohne Zustimmung des Pfandgläubi-
gers an den Verpfänder zurückzahlen würde, denn mit der Er-
füllung geht die Forderung unter (Art. 114 Abs. 1 OR) und
damit die Sicherheit des Pfandgläubigers.

        Auf einen Ausgleich zielend zwischen dem Grund-
satz, dass der Verpfänder Gläubiger der Forderung bleibt,
und der damit verbundenen Gefahr für den Pfandgläubiger,
dass sein Pfandobjekt durch Zahlung an den Verpfänder
untergeht, bestimmt Art. 906 ZGB Folgendes: Erfordert die
sorgfältige Verwaltung die Kündigung und Einziehung der
verpfändeten Forderung, so darf deren Gläubiger sie vor-
nehmen und der Pfandgläubiger verlangen, dass sie vorge-
nommen werde (Abs. 1). Zahlungen darf der Schuldner, sobald
er von der Verpfändung benachrichtigt ist, an den einen nur
mit Einwilligung des andern entrichten (Abs. 2).

        Art. 906 Abs. 1 ZGB regelt die Verwaltung der ver-
pfändeten Forderung. Diese obliegt dem Verpfänder als Forde-
rungsinhaber. Er hat dabei alles vorzukehren, was zum Erhalt

der Forderung notwendig ist, und der Pfandgläubiger hat
einen Anspruch darauf, dass sein Pfandobjekt sorgfältig
verwaltet wird. Zur Erfüllung dieser Pflicht steht dem Ver-
pfänder das so genannte Kündigungs- und Einziehungsrecht zu.
Das Einziehungsrecht befugt ihn nicht nur zur Mahnung und
Betreibung der Forderung sowie zur Eingabe im Konkurs oder
zur Anmeldung im Lastenverzeichnis, sondern es erlaubt ihm
namentlich auch, diese auf dem Klageweg geltend zu machen
(Oftinger/Bär, Zürcher Kommentar, N. 10 und 15 zu Art. 906
ZGB; Leemann, Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 906 ZGB; Bauer,
Basler Kommentar, N. 4 zu Art. 906 ZGB).

        Art. 906 Abs. 2 ZGB regelt demgegenüber die Zahlung
der verpfändeten Forderung und beantwortet die Frage, an wen
der Schuldner zu leisten hat. Damit das Forderungspfandrecht
nicht seiner Sicherungsfunktion beraubt wird, darf der
Schuldner, wenn ihm die Verpfändung der Forderung notifi-
ziert worden ist, nur an den Verpfänder und den Pfandgläu-
biger gemeinsam bzw. an den einen nur mit Einwilligung des
andern leisten. Wo diese fehlt, hat er den geschuldeten
Betrag gemäss Art. 906 Abs. 3 ZGB zu hinterlegen.

        c) Die Beklagte wendet ein, mit einem gutheissenden
Urteil erhalte die Klägerin gegen sie einen definitiven
Rechtsöffnungstitel und sie würde eine Doppelzahlung riskie-
ren. Dieses Argument geht an der Sache vorbei:

        Wenn die Verpfändung der Forderung dem Pfandgläu-
biger nicht notifiziert worden ist, darf der Schuldner mit
befreiender Wirkung an den Verpfänder leisten; dies ergibt
sich e contrario aus dem Wortlaut von Art. 906 Abs. 2 ZGB.
Ist die Notifikation erfolgt, kann der Schuldner den ge-
schuldeten Betrag hinterlegen oder Rechtsvorschlag erheben,
wenn der Verpfänder ohne Zustimmung des Pfandgläubigers die
Betreibung einleitet (BGE 42 III 270 E. 3 S. 273; Leemann,

a.a.O., N. 19 zu Art. 906 ZGB; Zobl, Berner Kommentar, N. 25
zu Art. 906 ZGB). In diesem Fall darf die Rechtsöffnung nur
erteilt werden, wenn der Pfandgläubiger zustimmt (Panchaud/
Caprez, Die Rechtsöffnung, 2. Auflage, 1980, § 52, S. 123;
Staehelin, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetrei-
bung und Konkurs, 1998, N. 32 zu Art. 84 SchKG). Entgegen
ihrer sinngemässen Argumentation ist die Beklagte folglich
nicht darauf angewiesen, eine Einwendung gemäss Art. 81
Abs. 2 SchKG gegen die Forderung, für die Rechtsöffnung ge-
währt worden ist, oder eine solche gegen den Rechtsöffnungs-
titel selbst zu erheben. Vielmehr ist ein unanfechtbarer
Rechtsöffnungstitel gewiss erforderlich, aber für sich al-
lein ungenügend: Die Erteilung der definitiven Rechtsöffnung
setzt voraus, dass zum Rechtsöffnungstitel die Einwilligung
des Pfandgläubigers gemäss Art. 906 Abs. 2 ZGB hinzutritt.

        d) Zusammenfassend ergibt sich, dass die beiden
Pfandgläubigerinnen SIBAG und ZKB angesichts der klägeri-
schen Anträge, die nicht auf eine Aufhebung des Rechtsvor-
schlags lauten, ausserhalb des vorliegenden Erkenntnisver-
fahrens stehen und die Klage nicht von deren Einverständnis
abhängig ist. Weil das Obergericht Bestand und Umfang des
klägerischen Anspruches gar nicht erst geprüft und diesbe-
züglich auch keine Tatsachenfeststellungen getroffen hat,
kann das Bundesgericht nicht selbst ein Urteil in der Sache
fällen. Das Berufungsbegehren um Zuspruch einer Geldsumme
schliesst jedoch den Antrag auf Rückweisung zur Beurteilung
in der Sache in sich. In teilweiser Gutheissung der Berufung
sind folglich die Ziff. 1 und 3-5 (Kosten) des angefochtenen
Urteils aufzuheben und die Sache ist diesbezüglich zur mate-
riellen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

     3.- Gemäss Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Beru-
fungsschrift kurz darzulegen, welche Bundesrechtssätze der

angefochtene Entscheid verletzt und inwiefern er gegen sie
verstösst. Blosse Verweise auf Rechtsschriften oder Akten
des kantonalen Verfahrens sind unzulässig und unbeachtlich
(BGE 110 II 74 E. 1 S. 78; 115 II 83 E. 3 S. 85). Dieser
Grundsatz gilt auch für die Anschlussberufung (Art. 59
Abs. 3 OG).

        Die Beklagte verweist zur Begründung ihrer An-
schlussberufung einzig auf die "bereits sehr ausführlichen
Begründungen seitens der Beklagten" und die "Ausführungen
in der Berufungsbegründung an das kantonale Obergericht";
ausserdem "hält die Beklagte an ihrer detaillierten Stel-
lungnahme bezüglich der Kunstfigur des faktischen Vertrags-
verhältnisses vollumfänglich fest".

        Auf die den Begründungsanforderungen von Art. 55
Abs. 1 lit. c OG offensichtlich nicht genügende Anschluss-
berufung ist nicht einzutreten.

     4.- Der Streitwert der Berufung beträgt Fr. 619'130.--.
Die Klägerin ist im Grundsatz durchgedrungen, wobei die
Sache entgegen dem Berufungsantrag an die Vorinstanz zu-
rückgewiesen wird und ihr Ausgang folglich offen ist. Auf
die Anschlussberufung, deren Streitwert Fr. 4'000'000.--
beträgt, wurde nicht eingetreten. Zur Anschlussberufung ist
keine Antwort eingeholt worden, weshalb der Klägerin hierfür
kein Aufwand entstanden ist.

        Bei dieser Sachlage ist die Gerichtsgebühr zu einem
Sechstel der Klägerin und zu fünf Sechsteln der Beklagten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 3 OG). Ausserdem hat die Beklag-
te der Klägerin eine reduzierte Parteientschädigung zu leis-
ten (Art. 159 Abs. 3 OG).

             Demnach erkennt das Bundesgericht:

     1.- In teilweiser Gutheissung der Berufung werden
Ziff. 1 und 3-5 des Urteils des Obergerichts des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, vom 20. November 2001 aufgehoben,
und die Sache wird zur materiellen Beurteilung an die Vor-
instanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Berufung abge-
wiesen.

     2.- Auf die Anschlussberufung wird nicht eingetreten.

     3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 24'000.-- wird zu einem
Sechstel der Klägerin und zu fünf Sechsteln der Beklagten
auferlegt.

     4.- Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesge-
richtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.

     5.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht
des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

                       _____________

Lausanne, 30. Mai 2002

              Im Namen der II. Zivilabteilung
             des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
                       Der Präsident:

                   Der Gerichtsschreiber: