Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.87/2002
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5C.87/2002 /bmt

Sitzung vom 24. Oktober 2002
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Bianchi, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Ersatzrichter Hasenböhler,
Gerichtsschreiber Zbinden.

X.________ Versicherungs-Gesellschaft,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter
Fellmann, Zinggentorstrasse 4, Postfach, 6000 Luzern 10,

gegen

A.________,
Kläger und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hansheiri
Inderkum, Marktgasse 4, 6460 Altdorf UR.

Versicherungsvertrag,

Berufung gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, vom 12. September 2001.

Sachverhalt:

A.
G. ________ schloss am 23. September 1991 mit der X.________
Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Versicherungsgesellschaft oder
Beklagte) eine Lebensversicherung für eine Dauer von 20 Jahren ab. Versichert
war das Risiko des Todes des Versicherungsnehmers vor dem 16. September 2011
mit einer Summe von Fr. 100'000.--. Als Zusatzversicherung wurde die weitere
Summe von Fr. 100'000.-- bei Tod durch Unfall vereinbart. Der
Versicherungsvertrag enthielt folgende Begünstigungsklausel.
" Beim Tode des Versicherungsnehmers gehen alle Rechte und Pflichten aus dem
Versicherungsvertrag über an:

- den Ehegatten, bei dessen Fehlen die Kinder zu gleichen Teilen, bei deren
Fehlen die Eltern."
In der Nacht vom 4. auf den 5. August 1996 wurde der Versicherungsnehmer von
seiner Ehefrau getötet. In der Folge verlangte dessen Sohn, A.________, die
Auszahlung des Betrages von Fr. 200'000.--. Die Versicherungsgesellschaft
lehnte jedoch ab mit der Begründung, A.________ hätte gemäss der
Begünstigungsklausel nur dann einen eigenen Anspruch auf die
Versicherungssumme, wenn die an erster Stelle begünstigte Person bei Eintritt
des Versicherungsfalles gefehlt hätte, was hier nicht der Fall gewesen sei.
Vielmehr habe die an erster Stelle begünstigte Ehefrau des
Versicherungsnehmers durch die absichtliche Herbeiführung des
Versicherungsfalles nicht ihre Stellung als Begünstigte, sondern lediglich
ihre Anspruchsberechtigung verloren, weshalb die Voraussetzung des "Fehlens"
im Sinne der Begünstigungsklausel nicht erfüllt sei.

B.
Am 21. Juli 1998 klagte A.________ beim Landgericht Uri gegen die
Versicherungsgesellschaft auf Zahlung von Fr. 200'000.--, zuzüglich
Überschussanteile und Verzugszins zu 5% seit dem 18. November 1996. Mit
Urteil vom 25. Februar 1999 hiess die zivilrechtliche Abteilung des
Landgerichts Uri die Klage gut. Die von der Beklagten gegen das
erstinstanzliche Urteil erhobene Berufung wies das Obergericht des Kantons
Uri, Zivilrechtliche Abteilung, am 12. September 2001 ab.

C.
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil beim Bundesgericht sowohl
staatsrechtliche Beschwerde als auch Berufung eingereicht. Mit Berufung
beantragt sie, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.

Das Obergericht des Kantons Uri hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Der
Kläger beantragt wie schon vor den kantonalen Instanzen, die Klage sei
gutzuheissen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
In der staatsrechtlichen Beschwerde rügt die Beklagte im Wesentlichen
willkürliche tatsächliche Feststellungen mit Bezug auf die Umstände zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses. Wie jedoch nachfolgend aufgezeigt wird,
kann die Berufung selbst unter Berücksichtigung dieser als willkürlich
beanstandeten Tatsachenfeststellungen gutgeheissen werden. Daher rechtfertigt
sich, entgegen der Regel des Art. 57 Abs. 5 OG die Berufung ausnahmsweise vor
der staatsrechtlichen Beschwerde zu behandeln (BGE 117 II 630 E. 1a mit
Hinweisen).

2.
2.1 Vorliegend wird von keiner Seite in Abrede gestellt, dass die begünstigte
Ehefrau des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme nicht beanspruchen
kann, da sie das befürchtete Ereignis herbeigeführt hat (Art. 14 Abs. 1 des
Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag vom 2. April 1908 [SR 221.229.1;
VVG]). Streitig ist hingegen, ob dem Kläger als Sohn des Versicherungsnehmers
gestützt auf die im Sachverhalt erwähnte Begünstigungsklausel die
Versicherungssumme zusteht. Dabei geht es insbesondere um die Frage, was
unter der Wendung "bei dessen Fehlen" (gemeint ist das Fehlen des Ehegatten)
zu verstehen ist. Nach Ansicht des Obergerichts und des Klägers umfasst
dieser Begriff nicht nur die physische Abwesenheit des Ehegatten, sondern
auch den Verlust der Anspruchsberechtigung. Darin erblickt die Beklagte eine
Verletzung von Art. 1 und 18 OR.

2.2 Dem angefochtenen Entscheid nach hat das Obergericht nicht den wirklichen
Willen der Vertragsparteien feststellen können, sondern durch Auslegung der
Klausel den mutmasslichen Parteiwillen ergründet. Dieser ist nach dem
Vertrauensgrundsatz zu ermitteln (BGE 119 II 368 E. 4b S. 372); danach sind
Willenserklärungen der Parteien so auszulegen, wie sie vom Empfänger in guten
Treuen verstanden werden durften und mussten (BGE 111 II 276 E. 2b S. 279).
Dabei hat das Gericht vom Wortlaut auszugehen und zu berücksichtigen, was
sachgerecht erscheint. Es orientiert sich dabei am dispositiven Recht, weil
derjenige Vertragspartner, der dieses verdrängen will, das mit hinreichender
Deutlichkeit zum Ausdruck bringen muss (BGE 122 III 118 E. 2a S. 121; 126 III
388 E. 9d S. 391). Seit Aufgabe der Eindeutigkeitsregel (Urteil des
Bundesgerichts vom 2. März 1998 4C.24/1997 E. 1c; zur alten Praxis: BGE 111
II 284 E. 2 S. 287) kann indes nicht mehr ausschliesslich auf den klaren
Wortlaut abgestellt werden. Aus Art. 18 OR folgt, dass ein klarer Wortlaut
für die Auslegung nicht unbedingt entscheidend und eine reine Wortauslegung
verboten ist. Selbst wenn eine Vertragsbestimmung auf den ersten Blick klar
erscheint, kann sich aus den anderen Vertragsbestimmungen, aus dem von den
Parteien verfolgten Zweck und aus weiteren Umständen ergeben, dass der
Wortlaut der strittigen Bestimmung nicht genau den Sinn der Vereinbarung
unter den Parteien wiedergibt (BGE 127 III 444 E. 1b).

2.3
2.3.1Bei der Auslegung nach dem Wortlaut kommt der Sinngehalt des Wortes, den
ihm der allgemeine Sprachgebrauch zulegt, entscheidende Bedeutung zu. Denn
mangels anderer Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass die Parteien ein von ihnen
verwendetes Wort gemäss dem allgemeinen Sprachgebrauch zur Zeit des
Vertragsabschlusses, somit im Sinne der damaligen Alltags- oder
Umgangssprache verwendet haben. Abzustellen ist demnach auf den
gebräuchlichen Wortsinn, der sich auch aus üblichen Wörterbüchern und Lexika
ergeben kann (BGE 115 II 264 E. 5a S. 269; 116 II 189 E. 2a mit Hinweis).
Nach diesem allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet das Wort "Fehlen" soviel wie
"Nicht existieren", "Nicht vorhanden sein" (vgl. Duden, Das grosse Wörterbuch
der deutschen Sprache, 3. Aufl., Bd. 3, S. 1053). Dementsprechend heisst
Fehlen des Ehegatten, dass ein solcher nicht oder nicht mehr vorhanden ist.
Damit ist aber die Existenz des Ehegatten angesprochen und nicht dessen
Anspruchsberechtigung auf die Versicherungsleistung, wie das Obergericht und
der Kläger annehmen.

2.3.2 Nach Ansicht des Obergerichts ist der Begriff des Fehlens vorliegend
allerdings in einem versicherungstechnischen bzw. juristisch-technischen Sinn
verwendet worden. Selbst wenn dies zuträfe, ginge ein solch fachspezifischer
Sinn dem landläufigen Sprachgebrauch indessen nur dann vor, wenn alle
vertragschliessenden Parteien diesem Fachkreis angehören würden. Zählt indes
nur eine Partei zum betreffenden Verkehrskreis, so muss der verwendete
Ausdruck nach dem allgemeinen Sprachgebrauch interpretiert werden, ausser der
Vertragspartner sei auf den besonderen Sinn des Ausdruckes hingewiesen worden
(Jäggi/Gauch, Zürcher Kommentar, N. 349 zu Art. 18 OR). Auch bei
Versicherungsverträgen gilt im Zweifel der Vorrang der Alltagssprache vor der
Fach- oder Gruppensprache. Vorliegend bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Vertragsparteien unter dem Begriff "Fehlen" etwas anderes verstanden
haben als das, was er nach der umgangssprachlichen Alltagsbedeutung meint. Im
Übrigen gehörte der Versicherungsnehmer nicht dem versicherungsspezifischen
Fachkreis an und es deutet nichts darauf hin, dass er auf eine
fachspezifische Bedeutung dieses Begriffes hingewiesen worden wäre. Somit ist
auch aus dieser Sicht auf die erwähnte umgangssprachliche Bedeutung des
Wortes "Fehlen" abzustellen.

2.3.3 Im Rahmen der grammatikalischen Auslegung ist auch das systematische
Element zu berücksichtigen. Ein einzelner Ausdruck ist im Zusammenhang, in
dem er steht, als Teil eines Ganzen aufzufassen; sein Sinngehalt wird häufig
bestimmt durch die Stellung, die er in diesem Ganzen einnimmt (BGE 101 II 323
E. 1; Jäggi/Gauch, a.a.O., N. 351 zu Art. 18 OR). In diesem Zusammenhang hat
das Obergericht ausgeführt, das Wort "Fehlen" bilde vorliegend Bestandteil
einer Begünstigungsklausel in einer Lebensversicherungs-Police. Der
Versicherungsnehmer habe unter mehreren vom Versicherer vorformulierten
Begünstigungsklauseln wählen können. Die von ihm ausgesuchte Klausel enthalte
die Begriffe "Ehegatte, Kinder, Erbe", somit Ausdrücke, die in Art. 83 VVG
umschrieben seien. Auch daraus ergebe sich, dass der Begriff "Fehlen" in
einem fachspezifischen Sinn verstanden worden sei.
Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Denn bei Art. 83 VVG handelt
es sich nicht um zwingende gesetzliche Begriffsbestimmungen (vgl. Art. 97 und
98 VVG). Überdies beurteilt sich der Anspruch auf die Versicherungsleistung
in erster Linie nach den Versicherungsdokumenten, vor allem nach den
Formulierungen in der Police und in den AVB. Art. 83 VVG kommt überhaupt nur
zum Zuge, wenn die Police und/oder die AVB keine klare Begünstigungsregelung
enthalten und die Auslegung der Versicherungsdokumente nach den allgemeinen
Auslegungsregeln zu keinem klaren Ergebnis führt (Küng, Basler Kommentar, N.
8 zu Art. 83 VVG). Vorliegend handelt es sich um eine
Standard-Begünstigungsklausel. Bei einer solchen wird als Erstbegünstigter
der überlebende Ehegatte allein bezeichnet, und werden sodann die Kinder oder
Nachkommen für den Fall des Fehlens des Ehegatten genannt. Ehegatte und
Kinder sind demnach nicht nebeneinander im gleichen Rang, sondern
hintereinander begünstigt. Für die Kinder oder Nachkommen ist m.a.W. eine
Ersatzbegünstigung festgelegt, wofür die Formulierung "bei dessen (oder
deren) Fehlen" verwendet wird. In diesem Zusammenhang bedeutet "Fehlen"
Nichtexistenz oder Wegfall des erstbegünstigten Ehegatten (vgl. dazu Küng,
a.a.O., N. 25 und 40 zu Art. 76 VVG sowie N. 2 zu Art. 84 VVG). Die Stellung
des Begriffes "Fehlen" im Kontext der standardisierten Begünstigungsklausel
bestimmt den Sinngehalt dieses Wortes dahingehend, dass es dabei um die
grundsätzliche Existenz bzw. die Eigenschaft des Ehegatten des
Versicherungsnehmers geht und nicht der Verlust seiner Anspruchsberechtigung
gemeint ist (so auch BGE 117 II 591 E. 2 S. 593).

2.4 Das Obergericht hat neben der grammatikalischen Interpretation auch
ergänzende Auslegungsmittel herangezogen und dabei insbesondere auf die
Interessenlage beim Vertragsschluss abgestellt. Unter diesem Gesichtswinkel
hat es die Frage geprüft, was der Versicherungsnehmer mit dem Abschluss der
Lebensversicherung beabsichtigt habe, weil auch davon abhänge, wie er die
Begünstigungsklausel bzw. den darin verwendeten Ausdruck des "Fehlens" in
guten Treuen habe verstehen dürfen. Vorliegend habe der Versicherungsnehmer
mit dem Abschluss der Lebensversicherung sicherstellen wollen, dass wenn er
vor dem 16. September 2011 versterben sollte, der Versicherer aus Gründen des
wirtschaftlichen Schutzes die Versicherungssumme in jedem Fall ausbezahlen
müsse, und zwar in erster Linie an die Ehegattin oder an den Sohn. Die
Versicherungssumme wäre jedenfalls an den Sohn ausbezahlt worden, wenn bei
Eintritt des Versicherungsfalles die Ehe des Versicherungsnehmers geschieden
gewesen wäre und er sich nicht wieder verheiratet hätte. Dann wäre eine
juristische und nicht eine natürliche Abwesenheit vorgelegen. Der
Versicherungsnehmer habe indessen nicht zwischen juristischem und physischem
Fehlen unterschieden und dies im Lichte seiner Absicht auch nicht tun müssen.
In diesem Sinne äussert sich auch der Kläger, während die Beklagte in der
obergerichtlichen Argumentation eine Verletzung der Auslegungsregeln
erblickt.

2.4.1 Auch wenn der Wortlaut für sich allein nicht als entscheidend anzusehen
ist (BGE 127 III 444 E. 1b), kommt ihm doch im Verhältnis zu den ergänzenden
Mitteln der Vorrang zu: Immer dann, wenn die übrigen Auslegungsmittel,
insbesondere der Vertragszweck, nicht sicher einen anderen Schluss erlauben,
hat es beim Wortlaut sein Bewenden (vgl. BGE 82 II 378 E. 3 und 4 S. 385 f;
Jäggi/Gauch, a.a.O., N. 369 zu Art. 18 OR).

2.4.2 Vorliegend verstand der Versicherer, der die Begünstigungsklausel
formuliert hat, unter dem Begriff "Fehlen" entsprechend dem allgemeinen
Wortlaut die Nichtexistenz oder das Nichtmehrvorhandensein des
erstbegünstigten Ehegatten. Anhaltspunkte dafür, dass der Versicherungsnehmer
einen davon abweichenden tatsächlichen Willen gehabt hätte, sind nicht
dargetan. Im Übrigen kommt es entgegen der Ansicht des Obergerichts nicht
einfach darauf an, was der Versicherungsnehmer allein beim Vertragsabschluss
beabsichtigt und gewollt hat; vielmehr ist für die Auslegung der
Verständnishorizont beider Vertragskontrahenten massgebend (vgl. dazu Zeller,
Basler Kommentar, N. 33 zu Art. 18 OR). Sodann ergibt sich auch nicht aus dem
Vertragszweck - der Begünstigung des Ehegatten in erster Linie -, dass nach
dem Verständnis beider Parteien der Begriff des Fehlens auch den Verlust der
Anspruchsberechtigung im Sinne von Art. 14 VVG umfasst hätte. Dass sich
solches aus anderen Vertragsbestimmungen ergebe, wurde nicht rechtsgenüglich
dargetan.

3.
Das Obergericht hat für die Auslegung der hier interessierenden
Begünstigungsklausel auch die sog. Unklarheitenregel herangezogen, was die
Beklagte ebenso als Verletzung von Art. 1 und 18 OR beanstandet.
Nach der Unklarheitenregel sind mehrdeutige Klauseln in
Versicherungsverträgen gegen den Versicherer als deren Verfasser auszulegen
(BGE 122 III 118 E. 2a; 126 III 388 E. 9d S. 391). Diese Regel ist indessen
erst dann anzuwenden, wenn die übrigen Auslegungsmittel zu keinem Resultat
führen und der bestehende Zweifel nicht anders beseitigt werden kann (BGE 99
II 290 E. 5 S. 292; 122 III 118 E. 2d S. 124; 123 III 35 E. 2c/bb S. 44).
Vorliegend konnte, wie bereits ausgeführt, die Bedeutung der Wendung "bei
dessen Fehlen" auf dem Interpretationsweg klargestellt werden, womit es der
Auslegung nach der Unklarheitenregel nicht bedarf.

4.
4.1 Unter Berufung auf BGE 117 II 591 E. 3 S. 596 hält die Vorinstanz dafür,
das Bundesgericht habe in seiner Rechtsprechung nicht nach Anspruchsstufen
differenziert; sei eine eine anspruchsberechtigte Person nicht selbst
Versicherungsnehmer und verursache sie den Versicherungsfall durch grobes
Verschulden, so verwirke nur gerade sie ihren Anspruch, während die
Rechtsstellung anderer Anspruchsberechtigter davon unberührt bleibe. Wenn
demnach - wie vorliegend - die begünstigte Ehefrau ihren Ehemann absichtlich
töte, so gehe nur ihr eigener Anspruch aus der Lebensversicherung des
Ehemannes unter, nicht aber der Anspruch der ebenfalls begünstigten Kinder.
Dieses Resultat werde durch den Wortlaut von Art. 14 VVG nicht ausgeschlossen
und entspreche der Billigkeit, welche der Gesetzgeber mit der Regelung in
dieser Norm habe berücksichtigt wissen wollen. Auch dies stellt nach Ansicht
der Beklagen eine Bundesrechtsverletzung dar.

4.2 Zu bemerken gilt es in diesem Zusammenhang zunächst, dass sich der
Begriff Fehlen nach der angeführten Rechtsprechung auf die Existenz des
Begünstigten und nicht auf die Anspruchsberechtigung bezieht (BGE 117 II 591
E. 2 S. 593). Des weiteren hat das Bundesgericht in BGE 117 II 591 E. 3 S.
596 erkannt, dass der Anspruchsberechtigte nur seinen Anspruch verwirke, wenn
er das versicherte Ereignis absichtlich herbeiführe; die Rechtsstellung
anderer Anspruchsberechtigter hingegen bleibe davon unberührt. Damit hat das
Bundesgericht nur, aber immerhin, eine Negativabgrenzung gegenüber der in der
älteren Lehre und Rechtsprechung vertretenen Auffassung vorgenommen, dass bei
absichtlicher Herbeiführung des versicherten Ereignisses die Leistungspflicht
des Versicherers schlechthin entfalle. In BGE 117 II 591 war allerdings ein
Fall zu beurteilen, in dem der Ehemann als einziger Begünstigter beim Tod der
Versicherungsnehmerin bezeichnet worden war. Folgerichtig hatte das
Bundesgericht dort auch nicht zu beantworten, wie es sich mit der
Leistungspflicht des Versicherers gegenüber anderen Anspruchsberechtigten
verhalte, die nicht auf der gleichen Stufe stehen wie der handelnde
Begünstigte. Bestand aber aufgrund der konkreten Gegebenheiten kein Anlass,
nach Anspruchsstufen zu differenzieren, so kann entgegen der Auffassung des
Obergerichts im konkret zu beurteilenden Fall, in dem sich die Frage nach der
Differenzierung stellt, nicht damit argumentiert werden, das Bundesgericht
habe keine entsprechende Differenzierung vorgenommen.

Sind, wie hier, mehrere Anspruchsberechtigte genannt, drängt sich vielmehr
aufgrund der konkreten Begünstigungsklausel die Frage auf, ob in Bezug auf
die Leistungspflicht des Versicherers nicht nach Anspruchsstufen
differenziert werden muss. Würde im Rahmen von Art. 14 VVG keine Rücksicht
auf die Struktur der jeweiligen Begünstigungsklausel genommen und würden
folglich alle Begünstigten linear gleich behandelt, so führte dies zu einem
in sich unbilligen Resultat. Der Versicherer müsste nämlich dort, wo mehrere
gleichrangige Begünstigte vorhanden sind, nur einen Teil der
Versicherungssumme leisten (die Versicherungssumme abzüglich desjenigen
Teils, den der handelnde Begünstigte verwirkt hat), wogegen er dem
Begünstigten auf einer tieferen Stufe als der handelnde Anspruchsberechtigte
die ganze Versicherungsleistung zu erbringen hätte.

5.
Der Kläger bemerkt, für den Fall, dass sich aufgrund der Auslegung nicht die
Pflicht der Beklagten ergebe, ihm die Versicherungssumme auszuzahlen, sei von
einer Vertragslücke auszugehen. Als Folge habe der Richter den hypothetischen
Willen der Parteien zu ermitteln, mithin festzustellen, was sie als
vernünftige und redliche Vertragspartner vereinbart hätten, falls sie die
Frage selber geregelt und so die Vertragslücke vermieden hätten.

5.1 Durch Auslegung nach dem Vertrauensprinzip erhellt, dass der Kläger nicht
neben dem Ehegatten des Versicherungsnehmers, sondern nach diesem begünstigt
ist und somit die Versicherungsleistung nur beanspruchen kann, wenn die
erstbegünstigte Person fehlt; unbestritten geblieben ist zudem, dass der
Begünstigte seinen Anspruch verliert, falls er den Versicherungsfall
absichtlich selbst herbeiführt (Art. 14 Abs. 1 VVG). Damit aber haben die
Parteien auch für den nunmehr eingetretenen Fall eine Regelung getroffen, so
dass von einer Vertragslücke nicht gesprochen werden kann. Eine ergänzende
richterliche Auslegung ist damit ausgeschlossen.

5.2 Selbst wenn eine Lücke bestünde, liesse diese sich nicht im Sinne des
Klägers füllen. Bei den üblichen Standard-Begünstigungsklauseln sind die
Nachkommen und der Ehegatte - wie bereits erwähnt - nicht nebeneinander im
gleichen Rang, sondern nacheinander begünstigt (E. 2.2.3; Küng, a.a.O., N. 2
zu Art. 84 VVG). Daher ist auch nicht anzunehmen, dass die Parteien für den
nunmehr eingetretenen Fall übereinstimmend die nunmehr vom Kläger gewünschte
Lösung (gleichrangige Begünstigung) vorgesehen hätten.

6.
Aus den bisherigen Ausführungen erhellt, dass die Berufung gutzuheissen, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen ist. Bei diesem
Ausgang des Verfahrens wird der Kläger kosten- und entschädigungspflichtig
(Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Zur Neuverlegung der Kosten und
Entschädigungen der kantonalen Verfahren ist die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird gutgeheissen, der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Uri, Zivilrechtliche Abteilung, vom 12. September 2001 aufgehoben und die
Klage abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Der Kläger hat die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
5'000.-- zu entschädigen.

4.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigungen der kantonalen
Verfahren an die Vorinstanz zurückgewiesen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Oktober 2002

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: